Brutalität a la mexicana

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Wie das Verschwinden von 43 Studierenden in Mexiko zu Massenprotesten führte – und was das mit Drogenkartellen und dem „Islamischen Staat“ zu tun hat.

"43 - Wir vergessen euch nicht, wir geben euch nicht auf - alle auf die Straßen!" - Aufruf zu einer Demonstration. Foto: www.facebook.com/Desinformemonos
„43 – Wir vergessen euch nicht, wir geben euch nicht auf – alle auf die Straßen!“ – Aufruf zu einer Demonstration. Foto: www.facebook.com/Desinformemonos

Es reicht! Viele Menschen in Mexiko haben genug. Tausende  gehen in Mexiko-City und in anderen Städten auf die Straßen und protestieren gegen Polizei, Soldaten und Staat. Laut dem Journalisten Philipp Lichterbeck, der die Situation hier beschreibt, ist „eine Protestbewegung […] entstanden, wie sie Mexiko seit Jahren nicht gesehen hat“.

Um was geht’s? Der Fall der „43“ oder auch der  „Fall Ayotzinapa“, bringt womöglich das Fass im zentralamerikanischen Staat zum Überlaufen: Im September 2014 verschwanden 43 Studierende einer höheren Schule in Ayotzinapa in der Provinz Guerrero im Westen Mexikos. Von einem Studierende wurden mittlerweile Überreste gefunden, von den anderen fehlt jede Spur. Der bisherige Bürgermeister der Stadt Iguala José Luis Abarca und seine Frau, María de los Ángeles Pineda, rückten nach Wochen ohne Information ins Visier der Justiz. Sie wurden in Untersuchungshaft genommen – und angeklagt: Abarca gilt als Hauptverdächtiger. Seine Frau muss sich wegen mutmaßlicher Verbindungen zum organisierten Verbrechen, Drogenhandel, Geldwäsche und Entführung vor Gericht verantworten.
Die „43“ und Ayotzinapa sind zum Symbol geworden. Viele Menschen in Mexiko stehen nun auf gegen Korruption und gegen die Machenschaften der Drogenkartelle, die mit Akteuren Politik und Wirtschaft gemeinsame Sache machen.

Terror à la IS. In öffentlichen Debatten in Europa wird in der Brutalität des selbsternannten „Islamischen Staates“ (IS) eine Grenzüberschreitung gesehen. Doch die mexikanische Bevölkerung muss ähnlichen Terror schon seit Jahren erdulden. Im Drogenkrieg starben bisher über 100.000 Menschen. Enthauptungen, Massakrierungen, willkürliche Ermorderung von ZivilistInnen – das alles ist in Mexiko schon lange traurige Realität. Immer wieder weisen Medien und ExpertInnen auf Parallelen zwischen Drogenkartellen und dem IS hin.

Basis Bevölkerung.  Im Falle des IS spielen die Sunniten eine entscheidende Rolle: Analysten sind sich einig, dass für eine nachhaltige Bekämpfung des IS im Irak mit Sunniten zusammengearbeitet werden muss. Von ihnen werden die Dschihadisten immer wieder auch unterstützt.
Vielleicht spielt auch die zivile Bevölkerung in Mexiko eine wichtigere Rolle als ihr bisher zugestanden wurde. Denn wer die Drogenkartelle bekämpfen will, muss die Korruption und die mafiösen Strukturen in Mexikos Eliten bekämpfen. red


Kontakte zum Thema:

Dr. Sylvia Karl, wissenschaftliche Mitarbeiterin, FG Kultur- und Sozialanthropologie, Philipps-Universität Marburg. sylvia.karl@uni-marburg.de. Telnr. Büro: 0049-6421-2822036.
Forschungsschwerpunkte:
Regional: Lateinamerika,  insbes. Mexiko
Sachthemen: Politische Anthropologie, Konfliktanthropologie, Postkonfliktgesellschaften, Transitional Justice, Drogenkriege, Narco-Gewalt und Narco-Kultur

Philipp Wolfesberger. Dissertant an der Universität Wien im Fach Politikwissenschaft E-mail:ph.wolfesberger@gmx.at
Forschungsschwerpunkt: Gewalt im Bundesstaat Michoacan, Mexiko
Prof.in  Dr.in  Raina  Zimmering, Abteilung  für  Politik und  Entwicklungssoziologie
Institut  für  Soziologie, Johannes  Kepler  Universität  Linz
Altenberger  Str.  69, 4040  Linz
Tel.:  0043  732  2468857
Raina Zimmering promovierte in Berlin zur Außenpolitik lateinamerikanischer Staaten und lehrt heute als Professorin am Institut für Soziologie der Johannes Kepler Universität Linz in Österreich. Sie ist Mitglied der Internationalen Zivilen Kommission zur Beobachtung der Menschenrechte in Mexiko (CCIODH)

Christine Esterbauer. Dissertantin an der Universität Wien im Fach Politikwissenschaft zum Thema Arbeitsrechte in Mexiko. Master in Politische und Soziale Studien an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko.
Esterbauer hat Kontakte zu mexikanischen AktivistInnen in Österreich und auch auf internationaler Ebene, ebenso kann sie Kontakt zu den Studierenden der Schule von Ayotzinapa herstellen.
christineest@gmx.at

Initiative in Österreich
Auch hierzulande hat sich eine Bewegung gebildet, die sich mit den Anliegen der Protesten in Mexiko solidarisiert. Hier geht’s zum Blog des Kollektivs.

Hinweis: Die Gruppe erwartet den Besuch des Wissenschaftlers John M. Ackerman, einem Sprachrohr der Bewegung in Mexiko, Ende April. Details dazu über die Solidaritäts-Gruppe bzw. Christine Esterbauer.