PA: Mexiko: Tötungen von Journalist*innen offenbaren Versagen des staatlichen Schutzes

In den vergangenen sieben Jahren wurden in Mexiko acht Journalist*innen getötet, obwohl sie unter dem Schutz eines staatlichen Mechanismus für Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen standen. Diese besorgniserregende Zahl unterstreicht die dringende Notwendigkeit, diesen Mechanismus zu stärken und zu reformieren, so das Ergebnis einer gemeinsamen Untersuchung von Amnesty International und dem Committee to Protect Women Journalists (CPJ).

Der Bericht ‘No one guarantees my safety’: The urgent need to strengthen Mexico’s federal policies for the protection of journalists liefert eine Analyse des föderalen Mechanismus, der 2012 eingerichtet wurde, um Menschenrechtsaktivist*innen und Journalist*innen in Mexiko, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit extremen Drohungen und Angriffen ausgesetzt sind, zu schützen. Amnesty International und CPJ fordern eine umfassende Reform dieses Mechanismus, um die Sicherheit von Journalist*innen wirksam zu gewährleisten.

„Der staatliche Mechanismus zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen bleibt ein wichtiger Teil der Bemühungen der mexikanischen Regierung, das Land zu einem sichereren Ort für Journalist*innen zu machen. Er kann diese Aufgabe aber nur erfüllen, wenn er seine eigenen Mängel angemessen angeht“, sagt Jan-Albert Hootsen, CPJ-Vertreter in Mexiko.

„Nach Jahren unaufhörlichen Blutvergießens und verheerender Straflosigkeit ist es nun an der Zeit, dass der mexikanische Staat handelt und zeigt, dass er endlich bereit ist, seine Verpflichtungen gegenüber der Pressefreiheit ernst zu nehmen.“

Amnesty International und CPJ fordern eine sofortige und angemessene Finanzierung des Mechanismus, eine umfassende Schulung des Personals, eine unabhängige Überprüfung der Risikobewertungsprozesse, die unverzügliche Integration geschlechtsspezifischer Aspekte in alle Maßnahmen sowie eine verstärkte Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden, um Straflosigkeit zu bekämpfen.

Die mexikanische Regierung muss unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um die Probleme des Mechanismus zu beheben. Dies ist besonders dringend angesichts der bevorstehenden Wahlen, die Auswirkungen darauf haben könnten, wie das Land mit schweren Menschenrechtsverletzungen und Grundrechten wie der Pressefreiheit umgeht.

Journalist*innen im Kreuzfeuer
Mexiko ist das gefährlichste Land der westlichen Hemisphäre für Journalist*innen. Seit Beginn dieses Jahrhunderts wurden mindestens 153 Journalist*innen und andere Medienschaffende getötet. Bei mindestens 64 dieser Todesfälle wurde ein direkter Zusammenhang mit ihrer Arbeit festgestellt.

Straflosigkeit ist bei Verbrechen gegen Journalist*innen die Norm. So gehört Mexiko seit Jahren zu den Ländern mit der höchsten Zahl ungeklärter Morde an Journalist*innen. CPJ hat auch festgestellt, dass Mexiko zwar das Land mit den meisten „verschwundenen“ Journalist*innen ist, keiner dieser Fälle in Mexiko jedoch je zu einer Verurteilung geführt hat.

Neben Tötungen und Verschwindenlassen sind Journalist*innen in Mexiko konstanten Drohungen, Schikanierung sowie physischem und psychologischem Missbrauch sowohl durch Behördenvertreter*innen als auch Mitglieder organisierter krimineller Banden ausgesetzt.

Die meisten Drohungen und Angriffe stehen im Zusammenhang mit dem anhaltenden Kampf des Landes gegen gewalttätige kriminelle Gruppen, der Militarisierung im Rahmen des sogenannten „Anti-Drogen-Krieges“ und dem Versagen der Strafverfolgungsbehörden beim Schutz von Journalist*innen und Öffentlichkeit inmitten von Korruptionsvorwürfen. So wurde von der Schutzinstitution selbst festgestellt, dass fast die Hälfte der Angriffe auf Journalist*innen, die es in Mexiko verzeichnet hat, von Behördenvertreter*innen verübt wurden.

Unzureichende Schutzvorkehrungen
Der Schutzmechanismus für Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen wurde 2012 von der mexikanischen Regierung eingerichtet, nachdem Journalist*innen und zivilgesellschaftliche Organisationen jahrelang darauf gedrängt hatten, etwas gegen die ständigen Bedrohungen und Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger*innen und Medienschaffende zu tun.

In den vergangenen 18 Monaten haben Amnesty International und das CPJ die Vorgehensweise des Mechanismus überprüft. Die Studie zeichnet ein alarmierendes Bild einer mangelhaften Institution, die grundlegend reformiert werden muss, um Journalist*innen angemessen zu schützen.

Besonders besorgniserregend sind das offensichtliche Fehlen grundlegender Kenntnisse zu Menschenrechtsfragen bei den Mitarbeiter*innen der Behörde, die erheblichen Versäumnisse des Mechanismus bei der angemessenen Bewertung der Risiken, denen Journalist*innen ausgesetzt sind, oder bei der Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Aspekte und die mangelhafte Kommunikation mit den zu schützenden Personen.

Die Untersuchung zeigt auch, dass seitens des Mechanismus zunehmend die Tendenz besteht, Schutzmaßnahmen für Journalist*innen zu verweigern, zu reduzieren oder zu streichen, obwohl diese nach wie vor eindeutigen und aktuellen Gefahren ausgesetzt sind.

Der Bericht beschreibt zudem drei symptomatische Fälle von Reporter*innen, die in den Mechanismus aufgenommen wurden: Gustavo Sánchez Cabrera, Rubén Pat Cauich und Alberto Amaro Jordán. Gustavo Sánchez Cabrera und Rubén Pat Cauich wurden beide getötet, während sie unter dem Schutz des Mechanismus standen. Ihre Geschichten sind eine schmerzliche Mahnung an die Folgen eines unzureichenden Schutzes durch die Regierungsbehörde. Der Fall von Alberto Amaro Jordán, der den Mechanismus ersucht hat, seine Schutzmaßnahmen nicht aufzuheben, nachdem diese als nicht mehr notwendig erachtet wurden, offenbart den Kampf von Journalist*innen mit der Bürokratie, das Versagen des Mechanismus, Risiken angemessen zu bewerten, und das schockierende Desinteresse der Behörden, Drohungen gegen Reporter*innen ernst zu nehmen.

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