PA: Internationale Entwicklungsfinanzierung: NGOs fordern Ende der Verwässerung und Widersprüche

OECD präsentiert Entwicklungshilfeleistungen 2024: „Wer heute spart, zahlt morgen den vielfachen Preis in Form größerer Konflikte, Krisen und wachsender Ungleichheit“

“Infolge der multiplen Krisen und Katastrophen in den vergangenen Jahren haben viele Länder Zusammenhalt mit den Menschen in Ländern des Globalen Südens und in Krisengebieten demonstriert. Doch nun droht die internationale Zusammenarbeit – und mit ihr der weltweite Kampf gegen Hunger, Gewalt, Armut und Ungleichheiten – den Sparkursen vieler Regierungen zum Opfer fallen”, warnt Michael Opriesnig, Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes, anlässlich der Präsentation der vorläufigen öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen (Official Development Assistance, ODA) der OECD-Mitgliedsstaaten für das Jahr 2024.

Die österreichische und viele weitere Regierungen bekennen sich zum Ziel, 0,7% des jährlichen Bruttonationaleinkommens (BNE) für ihre ODA bereitzustellen. Erreicht haben es erst wenige. Österreichs vorläufige ODA für 2024 ist stark gesunken, und zwar von 0,38% auf 0,34% des BNE. Opriesnig stellt klar: “Jeder noch so kleine Prozentpunkt kann Menschen vor weiteren Krisen schützen, ihr Überleben sichern und ihre Zukunftschancen verbessern. Wer hingegen heute spart, zahlt morgen den vielfachen Preis in Form von größeren Konflikten, langwierigeren Krisen und wachsender Ungleichheit.

OECD-Länder verwässern Entwicklungshilfeleistungen

Doch auch die zusätzliche Vereinbarung, 0,2% des BNE für die ärmsten Länder bereitzustellen, halten viele OECD-Länder nicht ein. Das seien Gelder, die etwa in der Bildung fehlen, ergänzt Reinhard Heiserer, Geschäftsführer von Jugend Eine Welt. „In den ärmsten Ländern unserer EINEN Welt ist eine qualitative Schul- und Berufsausbildung unerlässlich, damit Kinder und Jugendliche der Armutsspirale entkommen und ein Leben in Würde führen. Studien zeigen eindeutig: Bildung überwindet Armut!

Die Zivilgesellschaft kritisiert zudem seit Jahren, dass OECD-Mitgliedern erlaubt wird, beispielsweise die Unterbringungskosten für schutzsuchende Menschen im Inland in die ODA einzuberechnen. “Diese Gelder kommen nicht bei benachteiligten und gefährdeten Menschen weltweit an, sondern verbleiben in den wohlhabendsten Ländern. Sie verwässern die Entwicklungshilfeleistungen und vermitteln einen falschen Eindruck der Unterstützung”, erläutert Andreas Knapp, Generalsekretär Internationale Programme der Caritas Österreich. In den letzten Jahren machten solche Ausgaben rund 27% der österreichischen ODA aus.

Internationale Konferenz soll Weichen für gerechte Entwicklungsfinanzierung stellen

Die Weichen für eine gerechte wie treffsichere Entwicklungsfinanzierung könnten auf der Financing for Development-Konferenz der UNO vom 30. Juni bis 3. Juli 2025 in Sevilla gestellt werden, meint Martina Neuwirth, Steuer- und Wirtschaftsexpertin vom VIDC. Denn zu allem Übel haben die Corona-Krisenjahre viele Länder des Globalen Südens auch noch in eine Schuldenkrise gestürzt. “Über 80 Staaten sind überschuldet. 2024 zahlten sie so viel Schuldendienst an ihre ausländischen Gläubiger wie nie zuvor: eine Milliarde US-Dollar pro Tag! Gelder, die ihnen für eine nachhaltige Entwicklung fehlen”, erklärt Neuwirth und fordert tragfähige Entschuldungen.

Da es aber auch Maßnahmen auf der Einnahmenseite brauche, solle Österreich seine Skepsis gegenüber der derzeit verhandelten UN-Steuerkonvention dringend überdenken, betont Neuwirth. “Lange wurden Steuerspielregeln hinter den verschlossenen Türen der OECD verhandelt. Auf Druck der Länder des Globalen Südens sollen diese Entscheidungen zur UNO verlagert werden, wo sie gleichberechtigt mitbestimmen können. Gerechte Regeln für alle würden Machtasymmetrien abbauen und sind für Hochsteuerländer wie Österreich eine Chance, sich Verbündete zu suchen, um Steuerschlupflöcher zu schließen.”

Klimagerechtigkeit fördern und widersprüchliche Maßnahmen beenden

Die bedrohlichen Folgen der Erderhitzung haben die Rufe nach systemischen Veränderungen und nach einer Entwicklungsfinanzierung, die Klimagerechtigkeit födert, in den letzten Jahren weiter verstärkt”, gibt Andrea Barschdorf-Hager, Geschäftsführerin von CARE Österreich, zu bedenken. “Hitze, Dürren, Fluten und andere Wetterextreme zerstören bereits jetzt die Lebensgrundlagen vieler Menschen, verursachen Nahrungsmittel- und Wasserknappheit und führen zu Vertreibung sowie Konflikten um Ressourcen. Gezielte Unterstützung im Rahmen der internationalen Entwicklung und Humanitären Hilfe kann die Situation deutlich verbessern.”

Länder des Globalen Nordens sind also gefordert, als verlässliche Partner aufzutreten und widersprüchlichen Zielen und Maßnahmen ein Ende zu setzen, welche die nachhaltige Entwicklung von Ländern des Globalen Südens untergraben. Zum Beispiel in der Handels-, Rohstoff-, Steuer-, Landwirtschafts- und Migrationspolitik. Davon würden benachteiligte und gefährdete Menschen, etwa Menschen mit Behinderungen, besonders profitieren – und langfristig die Geberländer selbst”, fasst Alex Buchinger, Geschäftsführer von Licht für die Welt, zusammen.

Appell an Regierung: Ambitionierte Entwicklungsfinanzierung im Doppelbudget 2025 und 2026

Forderungen nach einer widerspruchsfreien Politik und nach einem Stopp der ODA-Verwässerungen könnten auf der Konferenz in Sevilla neuen Rückenwind erhalten, richtet sich Lukas Wank, Geschäftsführer der AG Globale Verantwortung, abschließend an die österreichische Außenministerin Beate Meinl-Reisinger. „Auf der Entwicklungsfinanzierungskonferenz kann Österreich sein internationales Profil als engagierter Akteur schärfen. Wir hoffen, dass Österreich an dieser mitwirkt und deren Ergebnisse umsetzt. Und wir appellieren, dass sich im angekündigten Doppelbudget 2025 und 2026 das Bekenntnis der Bundesregierung zu einer ambitionierten Entwicklungsfinanzierung widerspiegelt, und zwar durch bedarfsgerechte Mittel für internationale Entwicklung und Humanitäre Hilfe. Je schwerer die Zeiten sind, desto mehr sind Länder gefordert, zusammenzuarbeiten: für eine weltweit friedliche, stabile und gerechte Zukunft.


Die AG GLOBALE VERANTWORTUNG ist der Dachverband von 38 österreichischen NGOs der internationalen Entwicklung und Humanitären Hilfe. Unsere Mitgliedsorganisationen führen jährlich 1.000 Projekte in über 120 Ländern der Welt durch und tragen zu einem menschenwürdigen Leben für alle auf einem gesunden Planeten bei.

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