PA: Äthiopien: Metas Versagen befeuert Gewalt gegen Zivilbevölkerung in Tigray

Der Facebook-Mutterkonzern Meta hat zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen gegen die Zivilbevölkerung in der nordäthiopischen Region Tigray beigetragen, so Amnesty International in einem heute veröffentlichten Bericht.

Der Bericht „A death sentence for my father: Meta’s contribution to human rights abuses in northern Ethiopia“ zeigt, dass Meta es erneut versäumt hat, Hass- und Gewaltposts aus dem Netz zu nehmen. Vor dem Hintergrund des bewaffneten Konflikts in Tigray von November 2020 bis November 2022 wurden zahlreiche Menschen durch derartige Posts zur Zielscheibe.

„Drei Jahre nach seinem vollständigen Versagen im Fall der Rohingya in Myanmar hat Meta durch seine Algorithmen und sein datenhungriges Geschäftsmodell erneut zu schweren Menschenrechtsverletzungen beigetragen“, sagte Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International.

„Vor dem Ausbruch des Konflikts in der Region Tigray ignorierte Meta Warnungen von Menschenrechtsorganisationen und dem eigenen Facebook-Aufsichtsrat. Selbst nach dem Beginn des Konflikts ergriff der Konzern keine Maßnahmen gegen die gewalttätigen und hasserfüllten Posts auf seinen Plattformen. Die massenhafte Verbreitung dieser Posts hat die angespannte Stimmung weiter aufgeheizt und zu Diskriminierung und Gewalt gegen die tigrayische Bevölkerung beigetragen.“

Metas Beitrag zu Menschenrechtsverletzungen

Die Facebook-Plattform ist für viele Äthiopier*innen eine wichtige Informationsquelle, die als vertrauenswürdig eingestuft wird. Doch die Algorithmen von Facebook haben verheerende Auswirkungen auf die Menschenrechte.

Recherchen von Amnesty International ergaben, dass die algorithmischen Systeme von Facebook die Verbreitung feindseliger Rhetorik gegen die tigrayische Bevölkerung begünstigten. Gleichzeitig waren die Moderationssysteme der Plattform nicht in der Lage, solche Inhalte zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren.

Diese Versäumnisse trugen beispielsweise zur Vertreibung der regierungskritischen Journalistin Lucy Kassa und der Tötung des tigrayischen Chemieprofessors Meareg Amare bei. Lucy Kassa musste aus dem Land fliehen, nachdem ein Regierungsaccount sie auf Facebook mit einem Foto angeprangert hatte und die Postings viral gingen. Meareg Amare wurde von einer Gruppe von Männern getötet, nachdem er am 3. November 2021 mittels Facebook-Posts ins Visier genommen wurde.

Untätigkeit trotz Warnungen

Interne Dokumente von Meta, die von Amnesty International ausgewertet wurden, zeigen, dass der Konzern von den Unzulänglichkeiten seiner Schutzmaßnahmen in Äthiopien und den damit verbundenen Risiken wusste. Das Unternehmen selbst hat das Land als hochgradig gewaltgefährdet eingestuft.

In einem internen Meta-Dokument aus dem Jahr 2020 wird gewarnt, „dass die derzeitigen Strategien zur Schadensbegrenzung nicht ausreichen“, um die Verbreitung schädlicher Inhalte auf Facebook in Äthiopien zu stoppen. Der eigene Facebook-Aufsichtsrat hat Meta im Jahr 2021 empfohlen, eine unabhängige Menschenrechtsverträglichkeitsprüfung in Äthiopien durchzuführen.

Bei Meta sind die Algorithmen zur Gestaltung von Inhalten darauf ausgelegt, die Nutzer*innen so lange wie möglich auf der Plattform zu halten. Da verletzende, aufstachelnde und polarisierende Inhalte bei Nutzer*innen am meisten Aufmerksamkeit erregen, werden diese oft bevorzugt angezeigt. So stellt das Unternehmen eine anhaltende Gefahr für die Menschenrechte dar, insbesondere in Konfliktgebieten.

Von Amnesty International befragte Personen aus Metas „Trusted Flagger“ Programm kamen zu dem Schluss, dass es wegen der langsamen Reaktionszeit und der Weigerung, gemeldete schädliche Inhalte zu löschen, aussichtlos ist, dem Unternehmen solche Inhalte überhaupt zu melden.

Meta muss zur Verantwortung gezogen werden

Meta steht in der Verantwortung, für die Menschenrechtsverletzungen, zu denen es in Äthiopien beigetragen hat, Wiedergutmachung zu leisten.  Es sind dringende, weitreichende Reformen erforderlich, um sicherzustellen, dass Meta nicht weiter zu derartigen Verstößen in Äthiopien oder in anderen Ländern beiträgt.

Äthiopien ist mit einer weiteren Sicherheitskrise in der Amhara-Region konfrontiert. Meta muss nun dringend Maßnahmen ergreifen, um die von Facebook ausgehenden Gefahren in Äthiopien einzudämmen. Angesichts der Warnungen von UN-Ermittler*innen vor möglichen zukünftigen Gräueltaten sind solche Schritte von entscheidender Bedeutung.

Staaten müssen ihrer Verpflichtung zum Schutz der Menschenrechte nachkommen, indem sie Gesetze verabschieden und durchsetzen, um das Geschäftsmodell von Big Tech wirksam einzudämmen. Dazu gehört auch das Verbot gezielter Werbung auf der Grundlage invasiver Tracking-Praktiken.

Meta bestreitet die Feststellungen des Berichts.

Kontakt und Rückfragehinweis:
Presseteam Amnesty International Österreich
Antonio Prokscha
+43-664-621 10 31
E-Mail: antonio.prokscha@amnesty.at




Veranstaltung: Podiumsdiskussion | Menschenrechte & Entwicklung: Geht das eine ohne das andere?

Die Podiumsdiskussion am 13. November geht der Frage nach, wie Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung zusammenhängen. Da Menschenrechte weltweit immer mehr unter Druck geraten, ist der Einsatz für sie wichtiger denn je. Unter anderem berichtet der peruanische Menschenrechtsanwalt Javier Jahncke über Menschenrechtsverletzungen im Bergbau, der eigentlich als Wirtschaftsmotor gilt.

Menschenrechte sind für die Beendigung von Armut, für Entwicklung und Frieden und somit für ein menschenwürdiges Leben unerlässlich – in allen Ländern dieser Welt. Auf Grundlage dieses Verständnisses diskutieren am 13. November in Graz:

Javier Jahncke, ein auf Bergbau spezialisierter Menschenrechtsanwalt aus Peru
Markus Meister, Geschäftsführer beim Welthaus Graz
Sophie Veßel, Fachreferentin für Menschenrechte bei der AG Globale Verantwortung

Welche Bedeutung haben Menschenrechte heute angesichts der multiplen Krisen für die Erreichung der Agenda 2030 und ihrer 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) weltweit?

Welche Bedeutung haben die Ergebnisse der Wiener Weltkonferenz für Menschenrechte 1993 und der dort entstandenen Wiener Erklärung heute?

Wie kann Entwicklungszusammenarbeit Menschenrechte stärken und was bringt das? Was können konkrete Projekte zum Beispiel in Tansania erreichen?

Kann Bergbau als Wirtschaftsmotor zu nachhaltiger Entwicklung in Peru beitragen? Inwiefern kollidiert er mit Rechten der indigenen Völker oder den Rechten von peruanischen Kleinbauern und -bäuerinnen?

Welchen Beitrag können Lieferkettengesetze in der EU, aber auch in Ländern des Globalen Südens leisten,  die Unternehmen zu menschenrechtlicher Sorgfalt entlang ihrer Liefer- und Wertschöpfungsketten verpflichten? Wie müssen sie ausgestaltet sein, um Wirkung zu zeigen?

13. November 2023, 19:00 – 20:30 Uhr
Welthaus Graz
Bürgergasse 2, 8010 Graz

Weitere Veranstaltungsinfos und Anmeldung




PA: Freispruch für Maria Ressa

Reporter ohne Grenzen (RSF) und die Hold the Line Coalition (HTL) begrüßen das Urteil des Regionalgerichts vom Dienstag, das die Nobelpreisträgerin Maria Ressa und ihr Nachrichtenportal Rappler in der letzten Steuerstrafanzeige des Regimes des ehemaligen Präsidenten Rodrigo Duterte freispricht.

Am 12. September 2023 begrüßte die “Hold the Line Coalition” das Urteil des Regionalgerichts, das die Nobelpreisträgerin Maria Ressa und ihr Nachrichtenmagazin Rappler in der letzten Steuerstrafanzeige des Regimes des ehemaligen Präsidenten Rodrigo Duterte freisprach.

Das Urteil erging nach einem fast fünfjährigen Rechtsstreit. Hätten sie den Fall verloren, hätte Ressa mit einer Haftstrafe von bis zu 10 Jahren rechnen müssen, während das Nachrichtenportal Rappler eine Geldstrafe hätte zahlen müssen.

“Dieses Urteil unterstreicht, dass es für Präsident Ferdinand Marcos Jr. möglich ist, einen anderen Weg einzuschlagen als sein Vorgänger Rodrigo Duterte, der eine unerbittliche Kampagne zur Unterdrückung der Medien führte”, sagte der Lenkungsausschuss der Hold The Line Coalition. “Wir hoffen, dass dieses Urteil eine Wiederbelebung der richterlichen Unabhängigkeit auf den Philippinen signalisiert, nachdem die vorherige Regierung die Gerichte als Mittel zur Aushöhlung der Pressefreiheit und zur Diskreditierung der unabhängigen Berichterstattung instrumentalisiert hat.

Die “Hold the Line”-Koalition

Ressa und Rappler wurden angeklagt, weil sie es angeblich versäumt haben, in ihrer Steuererklärung finanzielle Angaben zu machen, die sich auf einen Betrag von etwa 11.000 USD beziehen. Sie haben jedoch bereits den doppelten Betrag an Kaution und Reisekaution im Zusammenhang mit der Anklage bezahlt.

“Als unmittelbaren nächsten Schritt fordern wir die Regierung auf, alle verbleibenden Verfahren gegen Rappler und Ressa einzustellen und damit ihrer Verfolgung ein längst überfälliges Ende zu setzen.”

Im Januar wurden Ressa und Rappler in vier Fällen von Steuerhinterziehung vor dem Steuerberufungsgericht in Manila freigesprochen, ein deutlicher Sieg.

Auch wenn das heutige Urteil eine weitere Begnadigung darstellt, besteht kein Zweifel daran, dass der Zwang zur ständigen juristischen Verteidigung darauf abzielt, Rappler und Ressa zu schwächen, die einer anhaltenden Kampagne der juristischen Verfolgung und Online-Gewalt ausgesetzt sind, wobei die Regierung seit 2018 23 Einzelverfahren gegen sie eröffnet hat.

Rappler und Ressa haben ihre Unschuld beteuert und kämpfen weiterhin gegen drei andere Fälle, darunter Ressas Verurteilung im Jahr 2020 aufgrund einer erfundenen Anklage wegen krimineller Cyberverleumdung, die sich derzeit in der letzten Phase der Berufung vor dem Obersten Gerichtshof befindet. Allein in diesem Fall droht Ressa eine siebenjährige Haftstrafe.

In einem historischen Präzedenzfall wurde das Nachrichtenportal “Rappler” im Juni 2022 offiziell mit einer Schließungsanordnung belegt, welche eine frühere Entscheidung über den Entzug der Betriebslizenz des Unternehmens bekräftigte. Die Anordnung war die erste ihrer Art für die ausstellende Behörde und für philippinische Medien. Die Drohung der Schließung bleibt bestehen.

Die “HTL-Koalition” ruft Staaten, die sich für Pressefreiheit und Demokratie einsetzen, zwischenstaatliche Organisationen, internationale Entwicklungsagenturen und Medieninvestoren sowie internationale zivilgesellschaftliche Gruppen auf, sich weiterhin für die Pressefreiheit auf den Philippinen einzusetzen und Präsident Marcos zu drängen, das Engagement des Landes für eine freie Presse wiederzubeleben.

Die Philippinen stehen im RSF World Press Freedom Index 2021 auf Platz 138 von 180 Ländern.

Kontaktieren Sie die Mitglieder des #HTL-Lenkungsausschusses für weitere Informationen: Rebecca Vincent (rvincent@rsf.org); Julie Posetti (jposetti@icfj.org); und Gypsy Guillén Kaiser (gguillenkaiser@cpj.org).

Hinweis: Die #HTL-Koalition umfasst mehr als 80 Organisationen auf der ganzen Welt. Diese Erklärung wird vom #HoldTheLine-Lenkungsausschuss herausgegeben, spiegelt aber nicht unbedingt die Position aller oder einzelner Koalitionsmitglieder oder Organisationen wider.




PA und Veranstaltungshinweis: 1 Jahr Proteste Iran

Amnesty International fordert Rechenschaft für Menschenrechtsverletzungen.

Amnesty International veranstaltet am Donnerstag, 14.9. in Wien eine Pressekonferenz zu 1 Jahr „Frauen, Leben, Freiheit“ Proteste bei der die Stimmen der iranischen Diaspora in Österreich zu Wort kommen und Maßnahmen von der Bundesregierung gefordert werden. Alle Informationen finden Sie hier.

Regierungen weltweit müssen gegen die systemische Straflosigkeit im Iran vorgehen. Dies fordert Amnesty International anlässlich des ersten Jahrestags des Todes der Kurdin Jina Mahsa Amini im Iran, der landesweite Proteste auslöste.

Amnesty International fordert am Jahrestag des Beginns der landesweiten Demonstrationen unter dem Slogan „Frau, Leben, Freiheit“ im Iran, dass die iranischen Staatsbediensteten zur Verantwortung gezogen werden, die für Folter und rechtswidrige Tötungen von mehreren hundert Protestierenden verantwortlich sind.

Die Behörden der Islamischen Republik Iran haben zahlreiche völkerrechtliche Verbrechen begangen, um jegliche Kritik im Keim zu ersticken: So wurden mindestens sieben Protestierende willkürlich hingerichtet, hunderte Menschen rechtswidrig getötet und Zehntausende Menschen willkürlich festgenommen. Folter ist an der Tagesordnung, darunter Vergewaltigungen im Gefängnis. Die Familien der Opfer werden schikaniert. Frauen und Mädchen müssen mit Vergeltungsmaßnahmen rechnen, wenn sie dem diskriminierenden gesetzlichen Kopftuchzwang nicht nachkommen.

„Die iranischen Behörden haben ein Jahr lang unsägliche Grausamkeiten gegen Menschen im Iran verübt, die sich mutig gegen jahrzehntelange Unterdrückung und Ungleichheit gewehrt haben. Ein Jahr nachdem Jina Mahsa Amini im Gewahrsam der Sittenpolizei gestorben ist, sind diejenigen Staatsbediensteten, die während und nach den Unruhen Verbrechen begangen haben, immer noch nicht strafrechtlich verfolgt oder bestraft worden“, kritisiert Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich.

„Am Jahrestag der Protestbewegung ‚Frau, Leben, Freiheit‘ fordern wir, dass die furchtbaren Verbrechen der iranischen Behörden unter dem Weltrechtsprinzip strafrechtlich aufgearbeitet werden müssen. Die internationale Gemeinschaft muss die Behörden des Iran auffordern, den rechtswidrigen Einsatz von Schusswaffen gegen Demonstrierende einzustellen, Gefangene nicht zu foltern und alle Personen freizulassen, die lediglich wegen der friedlichen Ausübung ihrer Menschenrechte inhaftiert sind.“

Gesetzlicher Kopftuchzwang mit Gewalt durchgesetzt

Trotz monatelanger Proteste gegen den gesetzlichen Kopftuchzwang hat die iranische „Sittenpolizei“ ihre Arbeit vor einigen Monaten wieder aufgenommen. Zudem haben die Behörden eine Reihe weiterer Maßnahmen eingeführt, um Frauen und Mädchen, die sich der Verschleierungspflicht widersetzen, ihrer Rechte zu berauben.

So beschlagnahmen die Behörden beispielsweise Autos und verweigern Frauen den Zugang zu Beschäftigung, Bildung, Gesundheitsversorgung, Bankdienstleistungen und öffentlichen Verkehrsmitteln. Gleichzeitig werden Frauen strafrechtlich verfolgt und zu Haft- und Geldstrafen verurteilt. Es werden auch erniedrigende Strafen wie das Waschen von Leichen gegen sie verhängt.

Dieser Angriff auf die Rechte der Frauen wird von hasserfüllten offiziellen Äußerungen begleitet, die das Ablegen des Kopftuchs als „Virus“, „soziale Krankheit“ oder „Störung“ bezeichnen und die Entscheidung, sich ohne Kopftuch zu zeigen, mit „sexueller Verdorbenheit“ gleichsetzen.

Tötungen und massenhafte willkürliche Inhaftierungen

Zwischen September und Dezember 2022 gingen die Sicherheitskräfte brutal und mit militärischen Mitteln gegen Protestierende vor und waren im Zuge dessen für die rechtswidrige Tötung Hunderter Demonstrierender und Unbeteiligter verantwortlich, darunter auch Dutzende Minderjährige. Mehr als die Hälfte der rechtswidrig Getöteten gehörte den unterdrückten belutschischen oder kurdischen Minderheitengruppen an.

Während der Proteste und in den darauffolgenden Monaten nahmen die Behörden Zehntausende Menschen willkürlich fest, darunter Demonstrant*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und Personen, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzen. Unter den Festgenommenen befanden sich mindestens 90 Journalist*innen und andere Medienschaffende sowie 60 Rechtsbeistände, von denen einige die Familienangehörigen von rechtswidrig getöteten Personen vertraten. Zahlreiche weitere Rechtsbeistände wurden zu Verhören vorgeladen.

Im Vorfeld des Jahrestages setzen die Behörden wieder verstärkt auf willkürliche Festnahmen und nehmen unter anderem Familienmitglieder der rechtswidrig Getöteten ins Visier. Zudem wurden Tausende Universitätsstudierende gezwungen, sich schriftlich zu verpflichten, nicht an Protesten zum Jahrestag teilzunehmen.

Während der Proteste im Jahr 2022 feuerten die Sicherheitskräfte widerrechtlich mit scharfer Munition und Metallkugeln, um die Demonstrant*innen auseinanderzutreiben und Angst zu verbreiten. Dabei trugen Tausende Menschen Verletzungen davon: Einige Menschen erblindeten, verloren Gliedmaßen oder haben seither eine eingeschränkte Mobilität. Darüber hinaus wurden unter Aufsicht der Behörden Tausende inhaftierte Demonstrierende gefoltert und anderweitig misshandelt. Auch inhaftierte Kinder wurden gefoltert.

Im vergangenen Jahr haben die Behörden die Todesstrafe zunehmend als Mittel politischer Unterdrückung eingesetzt, um die Öffentlichkeit in Angst und Schrecken zu versetzen. So wurden in Verbindung mit den Protesten sieben Männer willkürlich hingerichtet, nachdem sie in grob unfairen Scheinprozessen zum Tode verurteilt worden waren. Manche von ihnen wurden wegen mutmaßlicher Straftaten wie Beschädigung öffentlichen Eigentums hingerichtet, andere im Zusammenhang mit dem Tod von Sicherheitskräften während der Proteste.

Die Hinrichtungen wurden vollstreckt, nachdem der Oberste Gerichtshof die Schuldsprüche und Todesurteile trotz mangelnder Beweise und ohne Untersuchung ihrer Foltervorwürfe bestätigt hatte.

Systemische Straflosigkeit

Die Behörden haben bisher keine gründlichen, unabhängigen und unparteiischen Untersuchungen zu den Menschenrechtsverletzungen durchgeführt, die während und nach den Protesten der Bewegung „Frau, Leben, Freiheit“ begangen wurden. Auch haben sie keine Schritte unternommen, um die mutmaßlich Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Stattdessen haben sie die Sicherheitskräfte für die Niederschlagung der Unruhen gelobt und sie vor Rechenschaftslegung geschützt. Von der Straflosigkeit profitierten unter anderem zwei Männer, die zugaben, in Teheran Demonstrant*innen vergewaltigt zu haben. Sie haben auch Beschwerden von Betroffenen und/oder deren Familien abgewiesen und ihnen mit dem Tod oder anderen Konsequenzen gedroht, wenn sie an ihren Beschwerden festhielten.

Amnesty International appelliert dringend an alle Staaten, sich auf das Weltrechtsprinzip und andere Mechanismen der extraterritorialen Gerichtsbarkeit zu berufen, um völkerrechtlichen Verbrechen und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen durch die iranischen Behörden zu begegnen, ungeachtet dessen, ob sich die Beschuldigten auf ihrem Territorium aufhalten oder nicht. Dies umfasst auch, dass mit angemessenen Mitteln ausgestattete strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden, die darauf abzielen, die Wahrheit über die Verbrechen ans Licht zu bringen sowie die mutmaßlichen Verantwortlichen – einschließlich Befehlshaber*innen und andere Vorgesetzte – zu identifizieren und, wenn genügend zulässige Beweise vorliegen, internationale Haftbefehle auszustellen. Die Staaten sollten sich auch für Wiedergutmachung für die Opfer einsetzen.

Rückfragen:
Presseteam Amnesty International Österreich
Antonio Prokscha
+43-664-621 10 31
E-Mail: antonio.prokscha@amnesty.at




PA: Südsudan: Alarmierender Gesundheitszustand von Geflüchteten aus dem Sudan

Tausende Geflüchtete aus dem Sudan sitzen derzeit unter schwierigsten Bedingungen im Transitzentrum Bulukat in Malakal im Südsudan fest. Die Menschen kommen oft sehr krank und erschöpft in dem Zentrum an. Dort müssen sie teils wochenlang auf ihre Weiterreise warten – ohne ausreichende Nahrung, Unterkunft und medizinische Versorgung. Die Sterblichkeitsrate ist hoch. Ärzte ohne Grenzen fordert die humanitären Akteure auf, die Unterstützung der Menschen unmittelbar und dringend zu verstärken. 

„In unseren Einrichtungen in Malakal verzeichnen wir einen alarmierenden Anstieg der Fälle von Masern und Mangelernährung, vor allem bei Kindern“, sagt Luz Linares, Landeskoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen im Südsudan. „Die Sterblichkeitsrate in unseren Einrichtungen ist extrem hoch, da die Patient:innen schon so krank ankommen, dass die medizinischen Teams manchmal nicht in der Lage sind, ihr Leben zu retten.“ 

Derzeit beherbergt das Transitzentrum Bulukat etwa 5.000 Menschen, die oft ursprünglich aus dem Südsudan kommen und nun vor dem Konflikt im Sudan in den Bundesstaat Upper Nile in ihr Heimatland geflohen sind. Zuvor waren sie bis zu 72 Stunden mit Booten auf dem Weißen Nil unterwegs.

Eines der größten Probleme der Menschen im Transitzentrum Bulukat ist der Mangel an Nahrungsmitteln. Die Geflüchteten erhalten lediglich 14 US-Dollar pro Person für den Kauf von Lebensmitteln für eine Woche, was angesichts der hohen Lebensmittelpreise in der Region sehr wenig ist. „Wir haben hier keine Lebensmittel. Wir haben keine Seife. Wir brauchen auch Moskitonetze“, sagt Akuch Deng, die mit ihren beiden Kindern aus dem Sudan angereist ist. „Das wenige Geld, das wir bekommen, reicht für den Markt nicht aus.“

Von den insgesamt 245.000 Menschen, die seit April im Südsudan Zuflucht gesucht haben, sind nach Angaben der Vereinten Nationen etwa 198.000 über Renk im äußersten Nordosten des Landes eingereist. Rund 50 Prozent dieser Menschen haben die Absicht geäußert, im Bundesstaat Upper Nile zu bleiben, einer Region, die bereits zuvor stark unter unzureichender Gesundheitsversorgung gelitten hat.

Im Transitzentrum Bulukat betreibt Ärzte ohne Grenzen seit Juli eine mobile Klinik, in der täglich mehr als 100 medizinische Konsultationen durchgeführt werden. Kinder, die stationär behandelt werden müssen, werden an das Kinderkrankenhaus von Ärzte ohne Grenzen in der Stadt Malakal überwiesen. Seit April wurde dort in drei aufeinanderfolgenden Monaten ein Anstieg der Einweisungen verzeichnet. Im Juli wurden 184 Patient:innen aufgenommen, im April waren es noch 114. Auch in der Station für therapeutische Ernährung für mangelernährte Kinder wurde im Juli ein signifikanter Anstieg der Einweisungen um 75 Prozent beobachtet. Die Sterblichkeitsrate in der Kinderklinik ist mit 5,95 Prozent sehr hoch. 

„Mit der Regenzeit kann es zu einem großen Malariaausbruch kommen, wenn nicht für geeignete Unterkünfte und die Verteilung von Moskitonetzen gesorgt wird“, sagt Nuru Katikomu, Notfallkoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Bulukat. „Darüber hinaus besteht unter diesen Umständen die Gefahr eines Choleraausbruchs, der katastrophale Folgen haben könnte. Humanitäre Akteure müssen dringend mehr tun, um eine Verschärfung der Krise zu verhindern.“ Unter anderem fordert Ärzte ohne Grenzen bessere Vorsorgeuntersuchungen in Renk, um zu verhindern, dass schwer kranke Patient:innen ohne medizinische Versorgung in Bulukat ankommen. 

Fotos und Videomaterial aus dem Transitzentrum finden Sie unter diesem Link. Sie können es anlässlich der aktuellen Berichterstattung und unter Nennung der Quelle kostenfrei verwenden.

Für Rückfragen | Vermittlung von Interviews | Fotomaterial:

Patricia Otuka-Karner
patricia.otuka-karner@aertze-ohne-grenzen.at
Tel.: +43 (1) 409 72 76 – 28

Eva Hosp
eva.hosp@vienna.msf.org
Tel.: +43 (1) 409 72 76 – 29




Kenne deine Rechte | Menschenrechtsbeirat der Stadt Graz: Neue Mitglieder für Redaktionsteam 2023/24 gesucht

Die Online-Menschenrechtsplattform für Jugendliche zwischen 14 und 24 Jahren sucht neue Mitglieder für das Redaktionsteam 2023/24. Neben journalistischen Texten produziert das Redaktionsteam auch Videos, Podcasts, Fotostrecken und Interviews zu menschenrechtlichen und gesellschaftspolitischen Themen, die zweimal wöchentlich auf der Website veröffentlicht werden.
Bewerbungsfrist: 31.07.2023

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PA: Sudan: Nachbarländer müssen sichere Fluchtwege gewährleisten

Die Nachbarländer des Sudan müssen ihre Einreisebeschränkungen für Menschen, die vor dem Konflikt im Sudan fliehen, unverzüglich aufheben. Etwa eine halbe Million Menschen sind bereits vor den Kämpfen geflohen und müssen Schutz und Sicherheit erhalten, fordert Amnesty International heute.

Untersuchungen von Amnesty international ergeben, dass zahlreichen Asylsuchenden, die aus dem Sudan fliehen wollen, die Einreise in Nachbarstaaten verweigert wurde. Dies verschlimmert ihre Notlage und kann sie dazu zwingen, in die Gefahren zurückzukehren, denen sie zu entkommen versuchten, so die Menschenrechtsorganisation.

„Wenn wir allen Menschen, die vor Konflikten fliehen, einen schnellen Grenzübertritt und sofortigen Zugang zu Registrierungsstellen ermöglichen würden, damit sie Asyl beantragen können, würde sich die katastrophale humanitäre Lage an den Grenzen verbessern“, sagte Tigere Chagutah, Regionaldirektor von Amnesty International für das östliche und südliche Afrika.

Hintergrund

Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) haben derzeit mehr als 563.000 Menschen die sudanesische Grenze überquert, um Sicherheit und Schutz vor der anhaltenden Krise im Land zu suchen. Humanitäre Organisationen, die innerhalb und außerhalb des Landes tätig sind, berichten von einer katastrophalen humanitären Lage und rufen dringend zu sofortiger Hilfe und Unterstützung auf.

Zwischen dem 9. Mai und dem 16. Juni interviewten Mitarbeiter*innen von Amnesty International 29 Zivilpersonen, die vor dem im April ausgebrochenen Konflikt geflohen sind. An der Grenze standen sie vor der schwierigen Entscheidung, entweder in die umkämpften Gebiete zurückzukehren oder weiter auszuharren und zu warten, bis sie die Grenze passieren können – und das auf unbestimmte Zeit. Selbst die Grundversorgung der Betroffenen war nicht gewährleistet. Sowohl die medizinische Versorgung als auch der Schutz der Privatsphäre und der Menschenwürde erwiesen sich als schwierig. 

Zu den Befragten gehörten Menschen in Wadi Halfa nahe der ägyptischen Grenze und in Port Sudan, einem Hafen am Roten Meer, sowie Personen, die die sudanesische Grenze an verschiedenen Orten überquert hatten und sich in Addis Abeba in Äthiopien, Juba und Renk im Südsudan, Kairo in Ägypten, Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder N’Djamena im Tschad aufhielten.

Während im April 2023 zahlreiche ausländische Staatsangehörige von der Hafenstadt Port Sudan aus in ihr Land gebracht wurden, wurde Sudanes*innen ohne Visum die Evakuierung verweigert.

Neben den direkt Betroffenen befragte Amnesty International auch Zeug*innen und Mitarbeiter*innen von Hilfsorganisationen. Außerdem wurden Dokumente, Videos, Fotos und Berichte von Medien und Nichtregierungsorganisationen in der Region ausgewertet, um die Berichte zu verifizieren.

Sicherheitsüberprüfung durch sudanesische Behörden

Menschen, die vor dem Konflikt im Sudan fliehen, mussten mehrere Straßensperren und Kontrollpunkte passieren, wo sie von Beamten schikaniert und bedroht wurden, was sie daran hinderte, das Land zu verlassen. Zudem erlebten einige der Befragten Verhöre durch das sudanesische Militär, was zu Schwierigkeiten und Verzögerungen an der Grenze führte.

Fehlende humanitäre Hilfe

Berichten zufolge, die von Amnesty International verifiziert wurden, warteten Hunderte von Menschen an den Grenzübergängen Qustul und Argeen in der Nähe von Wadi Halfa darauf, die Grenze überqueren zu können. Die Einrichtungen an der Grenze und in den umliegenden Städten waren für die Anzahl der Menschen völlig unzureichend.

Geflüchtete berichteten, dass die an der Grenze von Wadi Halfa Gestrandeten gezwungen waren, die Nacht im Freien zu verbringen, ohne angemessene Unterkunft, Wasser oder Nahrung. Das Fehlen grundlegender Einrichtungen wie Toiletten und sauberes Wasser führte zu einer unhygienischen Umgebung, die vor allem für ältere Menschen und Kinder viele Risiken birgt.

Zusätzliche Einschränkungen durch die ägyptischen Behörden 

Ägypten hat die meisten Menschen aufgenommen, die vor dem Konflikt im Sudan geflohen sind. Nach Angaben des ägyptischen Außenministeriums sind bis zum 26. Juni über 250.000 sudanesische Staatsangehörige nach Ägypten eingereist.

Nach den von Amnesty International gesammelten Informationen verlangten die ägyptischen Behörden ab dem 10. Juni 2023 von allen sudanesischen Staatsangehörigen ein Einreisevisum, das von den ägyptischen Konsulaten in Wadi Halfa oder in Port Sudan ausgestellt werden kann. Das Land begründete diesen Schritt damit, dass es notwendig sei, Visafälschungen entgegenzuwirken und den Zustrom sudanesischer Staatsangehöriger nach Ägypten besser steuern zu können.

Regionale Hilfe für Geflüchtete

Lokale Organisationen unterstützen Sudanes*innen auf der Flucht, insbesondere an der Grenze zwischen Sudan und Südsudan und in den Grenzregionen zwischen Sudan und Tschad. Die derzeit mangelnde Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft verschärft jedoch die ohnehin prekäre Situation, da die begrenzten Ressourcen vor Ort kaum ausreichen.

Im Tschad versorgen humanitäre Hilfsorganisationen die mehr als 120‘0000 Sudanes*innen, die seit Beginn des Konflikts in das Nachbarland geflohen sind, mit Wasser, Nahrungsmitteln, medizinischer Versorgung und Unterkünften. Zudem hat der Südsudan vor kurzem 129‘000 Menschen aus dem Sudan aufgenommen.

Doch wurden bis zum 27. Juni nur 13% der knapp 520 Mio. Euro bereitgestellt, die das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) im Rahmen des regionalen Hilfsplans für den Sudan beantragt hatte. Der Plan sieht vor allem Nothilfe für den Tschad, den Südsudan, Ägypten, Äthiopien und die Zentralafrikanische Republik vor.

„Amnesty International fordert die Nachbarländer des Sudan auf, ihren Verpflichtungen aus den internationalen Menschenrechtsnormen und dem internationalen Asylrecht nachzukommen und ihre Grenzen für die Menschen zu öffnen, die vor dem eskalierenden Konflikt fliehen“, sagte Tigere Chagutah.

„Die Länder müssen alle Restriktionen aufheben, die eine schnelle, sichere und menschenwürdige Einreise von Menschen behindern, die aus dem Sudan fliehen. Sie müssen sicherstellen, dass alle Asylsuchenden uneingeschränkten und diskriminierungsfreien Zugang zu fairen und effektiven Asylverfahren und humanitärer Hilfe haben.“

Rückfragen
Presseteam Amnesty International Österreich
Antonio Prokscha
+43-664-621 10 31
E-Mail: antonio.prokscha@amnesty.at




Nach Mord an Gewerkschafter: Südwind und die Clean Clothes Kampagne fordern Aufklärung von Modeindustrie

Sie erklären vollste Solidarität mit Angehörigen des Opfers und Gewerkschaften in Bangladesch und fordern die Einhaltung und Überprüfung von Menschenrechten in Lieferketten.

Wien/Dhaka, 29. Juni 2023. Die Menschenrechtsorganisation Südwind und die Clean Clothes Kampagne (CCK) verurteilen den brutalen mutmaßlichen Mord an Bekleidungs-Gewerkschafter Shahidul Islam in Bangladesch vor wenigen Tagen und sprechen seiner Familie, seinen Freund:innen und Kolleg:innen aufrichtiges Beileid aus. Er soll wegen seines Engagements für die Arbeitnehmer:innenrechte in Bangladesch zu Tode geprügelt worden sein.

„Wir schließen uns all jenen an, die den Verlust von Shahidul Islam betrauern“, äußert sich Gertrude Klaffenböck, die Koordinatorin der CCK in Österreich, zum Tod ihres Kollegen. „Wir fordern eine rasche und unabhängige Untersuchung dieser brutalen Tat und erklären uns solidarisch mit der Bangladesh Garment and Industrial Workers Federation (BGIWF) und all jenen, die sich für ihr Recht auf Vereinigungsfreiheit einsetzen. Der Kampf der vielen Menschen, die sich täglich in Gefahr begeben, um die Rechte und die Sicherheit der Arbeiter:innen in Bangladesch zu verteidigen, ist auch unser Kampf!“

Berichten der Gewerkschaft zufolge trafen sich Shahidul Islam und andere Vertreter:innen der BGIWF in der Fabrik Prince Jacquard Sweaters in Gazipur, Bangladesch um sich auf Wunsch der Beschäftigten mit einem Lohnkonflikt zu beschäftigen. Das Unternehmen sei den Arbeiter:innen mehr als zwei Monatslöhne schuldig. Beim Verlassen der Fabrik sollen die Gewerkschafter:innen von einer Bande angegriffen worden sein. Die Angreifer sollen Shahidul Islam so lange geschlagen und getreten haben bis er bewusstlos wurde und schwere Verletzungen erlitt. Er wurde in einem nahegelegenen Krankenhaus für tot erklärt.

Südwind und die CCK fordern die Regierung von Bangladesch auf, den Mord an Shahidul Islam unverzüglich und unparteiisch zu untersuchen und die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen. „Außerdem fordern wir die globalen Marken, die Produkte aus Fabriken in Bangladesch beziehen, dazu auf, die Menschenrechte in ihren Lieferketten mit der gebotenen Sorgfalt zu prüfen“, ergänzt Südwind-Lieferkettenexperte Stefan Grasgruber-Kerl. „Modemarken müssen ihren Einfluss geltend machen, um die Einhaltung der Menschenrechte und der internationalen Arbeitsnormen in Gesetz und Praxis zu gewährleisten. Es gibt keine Entschuldigung für jene, die Geschäfte mit denen machen, die die Vereinigungsfreiheit missachten und Gewerkschafter:innen brutal verfolgen lassen.“ Die Clean Clothes Kampagne sammelt derzeit weitere Daten über internationale Abnehmer des Zulieferbetriebs und wird sie dazu auffordern, Stellung zu nehmen.

Kalpona Akter, Präsidentin der BGIWF, und langjährige Partnerin von Südwind und der CCK sagt: „Shahidul mobilisierte Tausende von Arbeiter:innen für den Beitritt zu Gewerkschaften. Im Laufe seines Lebens hat er Tausenden geholfen, zu Unrecht verweigerte Auszahlungen von Rückständen und Abfindungen zu erhalten. Die jahrelange Vernachlässigung der Stimmen der Arbeitnehmer:innen war der Grund für seinen Tod. Sein Beitrag zur Gewerkschaftsbewegung war bemerkenswert und er wird schmerzlich vermisst werden.“

Rückfragehinweis:
Gertrude Klaffenböck
Südwind-Koordinatorin der CCK in Österreich
gertrude.klaffenboeck@südwind.at
+43 140555 15 331
+43 676 44 608 33

Stefan Grasgruber-Kerl
Lieferketten-Experte Südwind
stefan.grasgruber-kerl@suedwind.at
01/405 55 15 – 303
069910040079

Stefanie Marek
Pressesprecherin Südwind
Stefanie.marek@suedwind.at
0680 1583016




BUCHPRÄSENTATION & PODIUMSDISKUSSION: Global Female Future – Visionäre Rebellinnen

Anhand des Buches „Global Female Future“** beschäftigen wir uns am Podium mit der Herausgeberin/Autorin Ulrike Lunacek, Autorin Gaby Küppers sowie der Menschenrechtsaktivistin Gisela Burckhardt mit folgenden Fragen:

  • Wie haben feministische Kämpfe Arbeit und Politik verändert?
  • Welche Schritte wurden schon in den 1980ern Jahren zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Frauen, etwa in der Blumenindustrie in Kolumbien und in der Textilproduktion in den Weltmarktfabriken, gesetzt?
  • Wie können feministische Errungenschaften in Arbeit und Politik strukturell gesichert werden?
  • Welche Chancen bietet der Vorschlag für ein EU-weites Lieferkettengesetz?
  • Welche Lehren aus feministischen Kämpfen der Gegenwart wollen wir an kommende Generationen weitergeben?

27. Juni, ab 19h,
Badeschiff Wien, Wolfgang-Schmitz-Promenade, 1010
(freier Eintritt, keine Anmeldung)




Iran: Zahl der Hinrichtungen wegen Drogendelikten verdreifacht – auch sonstige Hinrichtungen enorm gestiegen

Die iranischen Behörden haben in diesem Jahr mindestens 173 Personen wegen Drogendelikten hingerichtet, die nach systematisch unfairen Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt wurden. Das sind zwei Drittel aller heuer im Iran vollstreckten Exekutionen; und fast dreimal so viele wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Auch die Zahl der Exekutionen insgesamt hat heuer deutlich zugenommen – mit 282 hingerichteten Menschen sind es fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Wenn die Behörden die Hinrichtungen in diesem alarmierenden Tempo fortsetzen, könnte die Zahl der getöteten Gefangenen bis zum Jahresende bei fast tausend liegen.

Betroffen waren vor allem Menschen aus marginalisierten und wirtschaftlich benachteiligten Verhältnissen. So entfallen rund 20 Prozent der registrierten Hinrichtungen auf Angehörige der verfolgten und verarmten ethnischen Minderheit der Belutsch*innen, obwohl diese nur fünf Prozent der iranischen Bevölkerung ausmacht.

Hinrichtungen wegen Drogendelikten Verstoß gegen das Völkerrecht

„Die Hinrichtung von Menschen wegen Drogendelikten verstößt gegen das Völkerrecht. Die internationale Gemeinschaft muss sicherstellen, dass die Zusammenarbeit in Initiativen zur Bekämpfung des Drogenhandels weder direkt noch indirekt zum willkürlichen Entzug des Lebens und anderen Menschenrechtsverletzungen im Iran beiträgt“, so Diana Eltahawy, stellvertretende Direktorin für die Region Naher Osten und Nordafrika bei Amnesty International, angesichts der veröffentlichten Zahlen.

Den Hinrichtungen im Zusammenhang mit Drogendelikten gehen häufig mangelhafte Ermittlungen der iranischen Antidrogenpolizei und anderer Sicherheitsorgane voraus. Prozesse wegen Drogendelikten werden vor Revolutionsgerichten geführt und sind systematisch unfair, da den Gefangenen das Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren, einschließlich des Zugangs zu einem Rechtsbeistand, verweigert wird und durch Folter erpresste „Geständnisse“ als Beweismittel für ihre Verurteilung verwendet werden.

Amnesty fordert, dass „Staaten und zwischenstaatliche Gremien die iranischen Behörden für diese willkürlichen Hinrichtungen auf das Schärfste verurteilen und ein offizielles Hinrichtungsmoratorium fordern. Ihre Vertreter*innen müssen Gefangene besuchen, die zum Tode verurteilt sind, und sich um eine Teilnahme an Prozessen bemühen, bei denen Todesurteile verhängt werden könnten. Angesichts der Straflosigkeit bei willkürlichen Hinrichtungen müssen sie auch dringend nach sinnvollen Wegen zur Durchsetzung der Rechenschaftspflicht suchen.“

Ausweitung der Hinrichtungswelle

Abgesehen von den genannten Drogendelikten richteten die iranischen Behörden heuer Gefangene auch wegen anderer Handlungen hin, die nach internationalem Recht keinesfalls die Todesstrafe nach sich ziehen dürfen. So wurden etwa zwischen Jänner und Mai 2023 unter anderem fünf Menschen im Zusammenhang mit Protesten hingerichtet; ein Mann wegen „Ehebruchs“, weil er einvernehmliche sexuelle Beziehungen mit einer verheirateten Frau hatte; und zwei Nutzer*innen sozialer Medien unter anderem wegen „Abfall vom Glauben“ und „Beleidigung des Propheten des Islam“.

Tödlicher Krieg gegen Menschen in Armut

Die aktuelle Welle an Hinrichtungen betrifft vor allem schutzbedürftige und in Armut lebende Menschen, da sie ihre Rechte oft nicht kennen und sich keinen unabhängigen Rechtsbeistand leisten können. Die Familien der Hingerichteten haben häufig mit den schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen des Verlusts der Ernährer*in und der hohen Verschuldung aufgrund der Gerichtskosten zu kämpfen.

Die Sicherheitskräfte vergrößern die Qual der Familien zusätzlich, indem sie friedliche Demonstrationen vor den Gefängnissen, in denen Hinrichtungen geplant sind, gewaltsam niederschlagen, wobei Demonstrierende über den Einsatz von Tränengas und scharfer Munition berichten.

HINTERGRUND

Laut dem aktuellen Todesstrafenbericht 2022 von Amnesty International hat der Iran im vergangenen Jahr nach China die meisten Hinrichtungen durchgeführt.

Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und ohne Ausnahme ab, ungeachtet der Art und Umstände des Verbrechens, der Schuld oder Unschuld der Person oder der Hinrichtungsmethode. Die Todesstrafe verletzt das Recht auf Leben und ist die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen.

Rückfragehinweis:
Presseteam Amnesty International Österreich
Eleonore Rudnay
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