Archiv der Kategorie: Flucht

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Refugee-Reporter krempeln die Ärmel hoch

Die Initiative join media bringt geflüchtete JournalistInnen und hiesige Medien zusammen.joinAT

Saleh al-Omar brennt darauf, auch in Österreich zu berichten. Der Syrer war in seiner Heimat als Journalist tätig, bis er aufgrund seiner Tätigkeit bedroht wurde und fliehen musste. Seit rund zwei Jahren ist er in Österreich. Saleh Al-Omar spricht schon Deutsch – und hat bereits seine erste Coverstory in einem hiesigen Medium: Für eine Ausgabe des Nachrichtenmagazins „News“ (2.4.2016) arbeitete er mit.

Vernetzen. „join media“ versucht genau solche Erfolgsgeschichten zu wiederholen. Das Netzwerk unterstützt Medienschaffenden dabei, ihre Arbeit in Österreich wieder aufnehmen zu können. Der Initiative gehören Medienschaffende aus Afghanistan, dem Irak, Iran, Libanon, Österreich, Pakistan und Syrien an. Der Austausch hat bereits zu ersten Kooperationen und Workshops geführt.

Nutzen. Medien können laut „join media“ von den geflüchteten JournalistInnen profitieren. Etwa wenn es darum geht, über die Situation in deren Heimatland zu berichten und diesbezüglich Kontakte zu knüpfen. Aber auch rund um die Flüchtlingsdebatte hierzulande können sie wichtige direkte Stimmen sein, meint etwa Mitbegründer Fritz Hausjell: „Heimische Medien sollten sie viel öfter als bisher als PartnerInnen zur journalistischen Begleitung der aktuellen Herausforderungen begreifen“,  so der Kommunikationswissenschaftler im „Südwind-Magazin„.

Zivilgesellschaftliche Initiative. Gegründet wurde das Netzwerk auf Initiative von Sonja Bettel, Jonas Paintner, Daniela Kraus, Hausjell und Patricia Käfer. Hinter joinAT stehen das FJUM, die Universität Wien und Reporter ohne Grenzen Österreich.
Am 17. Mai wurde eine Konferenz organisiert, bei der neben nationalen auch internationale MedienvertreterInnen dabei waren.


Alle Infos zur Initiative hier

Bei Interesse an einer Zusammenarbeit mit einer geflüchteten Journalistin oder einem geflüchteten Journalisten wenden Sie sich hier an joinAT

Journalisten auf der Flucht

Die Veranstaltungsreihe #MEtalks hatte schon die unterschiedlichsten Gäste aus aller Welt (im Bild: die ugandische Journalistin und Bloggerin Rosebell Kagumire). Im April wird es um Syrien gehen. Foto: Institut für Journalismus & Medienmanagement/FHWien
Die Veranstaltungsreihe #MEtalks hatte schon die unterschiedlichsten Medienmenschen aus aller Welt zu Gast (im Bild: die ugandische Journalistin und Bloggerin Rosebell Kagumire mit Sybille Hamann). Im April wird es um Syrien gehen. Foto: Institut für Journalismus & Medienmanagement/FHWien

Am 11.4. findet die nächste Runde der Gesprächsreihe #MEtalks statt, dieses Mal mit in Österreich lebenden syrischen Journalisten.

Der Bürgerkrieg in Syrien zwischen dem Assad-Regime und Rebellen-Gruppen dauert seit mittlerweile fünf Jahren an und hat ein katastrophales Ausmaß an Gewalt und Zerstörung erreicht. Hunderttausende haben in den vergangenen Jahren das Land verlassen und leben in Jordanien, der Türkei oder in EU-Ländern. Unter den Geflüchteten sind auch Journalisten wie Saleh al-Omar und Jehad Nour Eddin Hussari. Vor ihrer Flucht aus Syrien arbeiteten die beiden Männer in Aleppo und Damaskus in Medienunternehmen. Doch wie funktioniert heute Journalismus in einem weitgehend zerstörten Land wie Syrien? Welche Medien werden noch produziert – und gibt es überhaupt noch so etwas wie unabhängigen Journalismus im Land? Im Gespräch mit der österreichischen Journalistin Rubina Möhring erzählen Saleh al-Omar und Jehad Nour Eddin Hussari von den Möglichkeiten und Grenzen des Journalismus in ihrer Heimat und von den Herausforderungen, mit denen sie seit der Flucht nach Österreich konfrontiert sind.

Moderation: Rubina Möhring
Dolmetscherin: Nermin Ismail

Wann: 11.04.2016
Uhrzeit: 18:30 Uhr
Wo: FHWien der WKW, Währinger Gürtel 97, 1180 Wien, Raum B002

Um Anmeldung zur Veranstaltung wird gebeten! Hier geht’s zur Anmeldung

 „Journalisten auf der Flucht“ ist eine Veranstaltung der Reihe „Medien & Entwicklung“ in Kooperation mit der ISJE-Informationsstelle für Journalismus und Entwicklungspolitik, der FHWien der WKW und dem fjum_forum journalismus und medien wien.

Zwischen Widerstand, Flucht und Exil

Emmanuel Mbolela schreibt in seiner autobiografischen Erzählung  „Mein Weg vom Kongo nach Europa“  über seine politische Aktivität im Kongo und die brutale Repression staatlicher Sicherheitsorgane, die ihn in die Emigration zwingt. Er berichtet auf eindrückliche Weise von der Gewalt und Ausbeutung während der Flucht.

Mein Weg vom Kongo nach EuropaQuer durch die Sahara gelangt er bis nach Marokko, wo er eine Organisation kongolesischer Flüchtlinge mitbegründet. Nach vier Jahren kann er in die Niederlande ausreisen, als neue Erfahrung erweisen sich dort die extrem ausbeuterischen Arbeitsbedingungen, denen vor allem migrantische Arbeitskräfte unterliegen. Im Zentrum der Demokratischen Republik Kongo geboren, studierte Emmanuel Mbolela in seiner Heimatstadt Ökonomie, musste jedoch nach kurzer Haft aus politischen Gründen 2002 das Land verlassen. Seit 2008 lebt er in den Niederlanden. Er ist Vortragender und antirassistischer Aktivist.

„Emmanuel Mbolelas Buch ist deshalb so beeindruckend, weil es nicht nur ein Buch der mutigen, detailgenauen Brandmarkung ist, sondern auch ein Buch der unausrottbaren Hoffnung. Ein Buch des Widerstandes, des Aufstandes des Gewissens.“ Jean Ziegler

Emmanuel Mbolela kommt im Rahmen einer Lesereise durch österreichische Schulen am 14. Oktober nach Wien. An diesem Tag steht er JournalistInnen auch für Interviews (in französischer und englischer Sprache) zur Verfügung. Der Übersetzer Dieter Alexander Behr lebt in Wien und arbeitet gemeinsam mit dem Autor im Netzwerk Afrique Europe Interact.

Interviewanfragen richten Sie bitte an Susanne Paschke.
Kontakt: susanne.paschke(at)suedwind.at

Schutz in Europa

Stellen Sie sich vor, PolitikerInnen in der EU würden alles in ihrer Macht stehende unternehmen um legale und sichere
Wege nach Europa zu schaffen. Um Flüchtenden Schutz in europäischen Ländern zu bieten und weitere Tragödien im Mittelmeer und im Zusammenhang mit Schlepperei zu verhindern, ist dies unumgänglich. Stattdessen kritisieren Mitgliedstaaten Rettungsaktionen im Mittelmeer, weil so noch mehr Menschen kommen würden und errichten neue Grenzzäune an den EU-Außengrenzen, die auch für Flüchtlinge verschlossen bleiben.

Ein aktuelles Positionspapier des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte befasst sich mit den rechtlichen Verpflichtungen in der gegenwärtigen Flüchtlingssituation und ruft in Erinnerung, dass Menschenrechte für alle Menschen gelten. Dabei werden auch die globalen Dimension von Flucht in den Blick genommen.

Link zum Download: BIM Position Nr. 6: Menschenrechtliche Verpflichtungen in der aktuellen Flüchtlingssituation 

Stoppt die Kriege!

Foto: privat

Aus der Sicht des globalen Südens ist diese Forderung eine notwendige Bedingung zur Überwindung des Flüchtlingelends.

Ein aktueller Kommentar von Leo Gabriel

Es ist noch nicht allzu lange her, da fanden Zigtausende EuropäerInnen Zuflucht vor Faschismus und Krieg in Mexiko, Kolumbien und Argentinien – unter anderem sogar einige prominente Nazis. Aber auch heute steigt die Zahl der so genannten „Wirtschaftsflüchtlinge“ aus Europa, meist qualifizierte Arbeitslose der jüngeren Generation aus Frankreich, Italien oder Spanien, die in Lateinamerika einen ihnen entsprechenden Arbeitsplatz suchen.

All das war und ist nicht vergleichbar mit dem Elend derjenigen, die nach Europa oder die USA fliehen. Die meisten von ihnen haben die Hoffnung, dass es ihnen in den Metropolen jenes Systems, das heute die Welt beherrscht, besser gehen wird als in ihrer von Kriegen und Gewalt zerrütteten Heimat.

500 Jahre Kolonialgeschichte
Dabei vergessen die Flüchtlinge aus dem globalen Süden oft, dass im Norden die Verantwortlichen für Politik und Wirtschaft längst verlernt haben in politisch-historischen Kategorien zu denken. Denn sonst wüssten sie, dass die MigrantInnen – ob sie jetzt AsylwerberInnen sind oder nicht – vor genau jenem diskriminierenden, ausbeuterischen und gewaltbereiten System fliehen, das schon ihre Vorväter erleiden mussten.

Sind 500 Jahre Kolonialismus und Postkolonialismus etwa nicht genug, um festzustellen, dass die Welt gespalten ist? Und zwar nicht in Links und Rechts, sondern in Zentrum und Peripherie; nicht in „entwickelte“ und „unterentwickelte“ Länder, sondern in Täter und Opfer einer Geschichte, die letztendlich an den Schaltstellen des Nordens verändert werden kann.

Haben sich diejenigen, die heute nach mehr Kontrolle, Abschottung, Polizei und Militär schreien und nach einem „starken Mann“ rufen, der die überkommene Ordnung wieder herstellen kann, schon einmal gefragt, was sie selbst tun könnten, um die Kriege in Syrien, Afghanistan, Pakistan und der Ukraine zu beenden? Nein, denn das überlassen sie lieber den Totengräbern der Macht, die selbst an der weltweiten Armut und Gewalt noch verdienen.

Katastrophe Syrien
Seit drei Jahren versucht etwa das UNHCR der Weltöffentlichkeit klar zu machen, dass der Krieg in Syrien „die größte humanitäre Katastrophe seit dem 2. Weltkrieg“ hervorgebracht hat: seither war es noch nie der Fall, dass in der Folge eines Krieges mehr als die Hälfte der Bevölkerung eines Landes in die Flucht geschlagen wurde – 4,5 Millionen allein in die Nachbarländer Türkei, Libanon und Jordanien.

Doch das kümmerte die Regierungen im Norden kaum. Großzügig stellten sie zur Linderung des Flüchtlingselends ein paar Hundert Millionen zur Verfügung, während sie Hunderte Milliarden zur Rettung ihres Finanzsystems freigegeben hatten. Erst als Terrorakte wie das Massaker in den Redaktionsräumen von „Charlie Hebdo“ und die Ermordung von westlichen Journalisten stattfanden, begann sich die Weltöffentlichkeit für den so genannten Islamischen Staat zu interessieren, der bereits seit 2013 Tausende von ZivilistInnen in Syrien und dem Irak erbarmungslos liquidiert hatte.

Konzertierte Aktionen für den Frieden
Auch jetzt geht wieder ein Ruck durch die europäische Öffentlichkeit angesichts der vielen neu angekommenen Flüchtlinge in Europa. Doch darf bei aller Hochachtung, die den humanitären FlüchtlingshelferInnen hierzulande und anderswo gezollt werden muss, nicht vergessen werden, dass diese massive Fluchtbewegung nicht abreißen wird, solange es nicht gelingt, die Kriege zu stoppen, welche die eigentliche Ursache für die Fluchtbewegung aus Syrien, der Ukraine oder Afghanistan darstellen. Dabei muss man sich im Klaren sein, dass diese Massaker schon aufgrund des Kräfteverhältnisses in und um die betroffenen Länder nicht durch militärische Interventionen, sondern nur durch konzertierte Aktionen der Zivilgesellschaft in- und außerhalb dieser Länder gestoppt werden können.

In diesem Sinne sind auch die Flüchtlinge, die nach Europa kommen, als potentielle MitstreiterInnen für einen anhaltenden Frieden in den betroffenen Regionen anzusehen.

Aber auch in den Ländern des globalen Nordens ist es heute notwendiger denn je, jene Friedensbewegung wiederzubeleben, die am 15. Februar 2003 in allen Teilen der Welt millionenfach auf die Straße gegangen ist, um gegen den damals herannahenden Krieg im Irak zu protestieren. Hätte die Staatengemeinschaft damals auf die Zivilgesellschaft gehört, anstelle nach der Pfeife von George W. Bush zu tanzen, gäbe es heute keinen Islamischen Staat und auch keine humanitären Katastrophen.


Leo Gabriel ist Journalist, Anthropologe und Mitglied des Internationalen Rates des Weltsozialforums. Er ist auch Mitbegründer der international-syrischen Initiative www.peaceinsyria.org, die 2013 im Rahmen des Weltsozialforum entstand und im März 2014 ein Treffen mit RepräsentatInnen der syrischen Zivilgesellschaft auf der Friedensburg Schlaining organisierte. Die dort verabschiedete gemeinsame Erklärung für einen dauerhaften Frieden in Syrien lesen Sie hier.