(Wien, 10.10.) Kontakte, Kontakte, Kontakte. Journalist Ali Safi konnte nicht zu wenig oft betonen, wie wichtig es ist, als JournalistIn in einer Konfliktregion vernetzt zu sein.
Der Afghane weiß wovon der spricht. Safi berichtete u.a. schon für das Time Magazine, die BBC, The Guardian und das ZDF. 2010 wurde er mit dem Amnesty International Award for Investigative Journalism ausgezeichnet.
Im Rahmen der Gesprächsreihe „Medien & Entwicklung“ am Institut für Journalismus & Medienmanagement der FHWien in Zusammenarbeit mit der ISJE erzählte Safi am 9.10. aus seinem Erfahrungsschatz. Mehrmals, auch im Einsatz als Reporter, war Safis Leben bedroht. So wurde er 2012 von den Taliban festgehalten – mitsamt Equipment und Material, das ihn als Berichterstatter für westliche Medien auswies.
Nicht immer könne man das Risiko genau abwägen, meint Safi. Aber man könne versuchen es möglichst zu minimieren. Durch exakte Vorbereitung und vor allem durch Vernetzung mit der lokalen Bevölkerung. In der Region, in der man arbeitet (oder plant, zu arbeiten), Kontakte zu haben, auf die man vertraut, sei dabei das Um und Auf.
Für ausländische JournalistInnen wäre das zwar ungleich schwieriger als für einheimische, aber möglich. Lokale JournalistInnen sind es dabei oft, die als erste Schnittstelle zwischen der Region der Berichterstattung und den ausländischen KorrespondentInnen dienen.
Safi, der seit zwei Jahren in Wien lebt, glaubt zudem, dass es auch in der Praxis möglich ist, nicht nur über die Krisen und Katastrophen in einer Region zu informieren. Im Sinne des Friedensjournalismus sollten Medien auch die Ursachen und Hintergründe vermitteln – im Fall von Afghanistan nimmt Safi dabei auch westliche Medien in die Pflicht.
Ali Safi war im Rahmen der Reihe „Medien & Entwicklung“ zu Gast am Institut für Journalismus & Medienmanagement. Die Veranstaltungsreihe findet in Kooperation mit der Informationsstelle für Journalismus und Entwicklungspolitik statt.
Trotz Einigung: Afghanistan könnte im Zuge der Streitigkeiten nach den Präsidentschaftswahlen auseinanderfallen, warnt Ali Safi*.
(Sept 2014) Früher in diesem Jahr gaben Millionen meiner Landsleute ihre Stimme ab, um einen neuen afghanischen Präsidenten zu wählen. Ich konnte nicht wählen, da ich derzeit in Wien lebe. Aber zu sehen, wie andere am demokratischen Übergang mitwirken, hat mich mit Hoffnungen für eine bessere Zukunft für mein Land erfüllt. Es kam anders: Der demokratische Prozess wurde mit den Betrugsvorwürfen, die die Spitzekandidaten jeweils gegen den Kontrahenten lancierten, gestoppt.
Die so wichtige Stichwahl in der Suche nach einem Nachfolger von Hamid Karsai fand im Juni statt. Ashraf Ghani Ahmadzai, der frühere Finanzminister, wurde nun unlängst zum Präsidenten ernannt. Abdullah Abdullah, einst Außenminister, wird Chief Executive Officer, eine neu geschaffene Position, die einem Ministerpräsidentenamt ähnelt. Die Einigung auf eine Einheitsregierung wurde vor wenigen Tagen von beiden Seiten unterschrieben. Demzufolge ist Ghani designierter Präsident, während Abdullahs Lager zukünftig die täglichen Geschicke des Landes leiten wird.
Der Deal wurde in dieser Form wurde von US-Außenminister John Kerry vorgeschlagen. Im Rahmen seiner Besuche in Kabul überzeugte er beide Kandidaten. Die Kandidaten haben selbst, genauso wie die internationale Gemeinschaft erkannt, dass beide Seiten Teil einer Einheitsregierung sein müssen.
Allerdings kommt die für nächste Woche angekündigte Machtübergabe des bisherigen Präsidenten Hamid Karzai jetzt nach drei Monaten – nach drei Monaten Blockade und Stillstand. Und nach der Prüfung und Neuauszählung der Stimmen.
Afghanistan hat eine traurige Geschichte von gewaltvollen Machtübernahmen, Staatstreichen und Stürzen hinter sich. Das ist einer der Gründe, warum die aktuelle Wahl so wichtig fwar für den demokratischen Zustand des Staates. Sie hätte die Macht einer neuen Führung übergeben – auf friedliche Art und Weise.
Aber die Wahlen waren mehr: es ging um eine – zumindest mentale – Roadmap für einen Übergang in verschiedenen Bereichen, hin zu mehr Sicherheit und Stabilität. Eine transparente Wahl hätte die Basis gelegt für eine Einheit der unterschiedlichen Volksgruppen Afghanistan und wäre ein Startschuss für die Entwicklungsagenda des Landes gewesen.
Jetzt, da ich weiß, dass die Wahlen nicht unsere Zukunft in Afghanistan bestimmen, muss ich zugeben, dass ich fast erleichtert bin, nicht in meiner Heimat gewesen zu sein. Meine Stimme hätte nichts verändert! In Wahrheit entscheidet der politische Handel zwischen den Kandidaten, unter der Kontrolle der USA.
Der neue Deal untergräbt die Rolle demokratischer Institutionen wie der der Wahlkommission.
Diese Wahlen haben Afghanistan unwiderruflich entlang ethnischer Trennlinen auseinandergerissen. Ich persönlich habe die Hoffnungen auf einen friedliche Afghanistan – zumindest für meine Generation – verloren.
Bisher haben alle Seiten, inklusive den Taliban, erklärt, dass sie für ein geeintes Afghanistan kämpfen. Nun, nach diesen Wahlen, reden immer mehr Menschen über eine Teilung des Landes. Für mich zeigt das einen Riss in der sozialen Struktur der Gesellschaft; eine systematische Bedrohung für die Vision einer gemeinsamen Zukunft.
Die NATO bereitet sich vor, Ende 2014 das Land zu verlassen. Einige wenige Einheiten werden zurückbleiben, um Al-Kaida zu bekämpfen und afghanische Sicherheitskräfte zu schulen. Die Taliban haben geschworen, zu kämpfen, bis der letzte ausländische Soldat das Land verlässt. Also wird auch Sicherheit im Land nach wie vor die größte Herausforderung für ein Post-2014-Afghanistan sein.
Entwicklung und Frieden gehören unweigerlich zusammen. Das eine kann nicht ohne das andere erreicht werden. Auch Sicherheit kann sich nicht ohne Entwicklung etablieren. Doch viele Entwicklungsprojekte, die in Afghanistan laufen, wurden aus dem Westen importiert. Sie wurden nicht dafür geschaffen, die Bedürfnisse des Landes zu befriedigen.
Und: Wenn der Westen ein friedliches Afghanistan will, ist Pakistan ein Schlüssel. Der Nachbarstaat ist ein wichtiger Verbündeter der USA. Auf der anderen Seite werden in Pakistan Terrorgruppen, deren Kämpfer auch nach Afghanistan ziehen, unterstützt.
Es ist an der Zeit, dass der Westen sein Engagement in Afghanistan überdenkt: reflexartige politische Interventionen können und werden keine Stabilität bringen.
*Ali Safi ist afghanischer Journalist und Friedensaktivist, der bereits für verschiedene internationale Medien (u.a. Time Magazine, BBC, The Guardian, ZDF) und Forschungsorganisationen gearbeitet hat. Mit einem investigativem Bericht gewann er 2010 Amnesty International Award. Ali Safi lebt in Wien.
Ob James Foley durch die Terrormiliz IS, die junge französische Fotojournalistin Camille Lepage durch Rebellen in Zentralafrika oder die erfahrene Deutsche Anja Niedrighaus in Afghanistan – die Ermordung von JournalistInnen in Krisenregionen hat 2014 traurige Aktualität.
Doch Berichterstattung aus Krisengebieten ist essentiell, um die Öffentlichkeit über den Status Quo zu informieren. Gibt es dabei Grenzen, die JournalistInnen beachten sollten? Wie können sie sich schützen? Und sollte abseits der Krisen, Konflikte und Katastrophen nicht auch stärker über die Perspektiven der jeweiligen Region berichtet werden?
Der afghanische Journalist Ali Safi berichtete für westliche Medien aus verschiedenen Gebieten Afghanistans. Vor Ort recherchierte er zum Thema Taliban genauso wie zu US-Gefängnissen. Im Gespräch mit Corinna Milborn wird Ali Safi über Vor- und Nachteile des Einsatzes von einheimischen JournalistInnen gegenüber internationalen KorrespondentInnen sprechen und darüber diskutieren, wie konstruktive Berichterstattung über eine Konfliktregion aussehen könnte. Zudem soll der Frage nachgegangen werden, wie Pressefreiheit in Zeiten von Al-Kaida, IS und Al-Shabaab global gewahrt werden kann.
Ali Ahmad Safi war als Journalist u.a. für das Time Magazine, die BBC, The Guardian und das ZDF aktiv. 2010 wurde er mit dem Amnesty International Award for Investigative Journalism ausgezeichnet. Der mittlerweile in Wien lebende Afghane arbeitet als Researcher beim VIDC und als Friedensaktivist.
Corinna Milborn (Moderation) beschäftigt sich als Journalistin immer wieder mit Menschenrechtsaspekten und globalen Themen. Aktuell ist sie Infochefin von ProSiebenSat1Puls4.
Eine Veranstaltung der Reihe „Medien & Entwicklung“ des Instituts für Journalismus & Medienmanagement der FHWien der WKW in Kooperation mit der ISJE-Informationsstelle für Journalismus und Entwicklungspolitik.