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PA: Österreichs Entwicklungshilfeleistungen: Treppensturz statt stufenweiser Erhöhung

Die sinkenden öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen (Official Development Assistance, ODA) bis 2027, die das gestern beschlossene Bundesbudget prognostiziert, verwundern den entwicklungspolitischen Dachverband AG Globale Verantwortung. Österreich hat sich zum international vereinbarten Ziel verpflichtet, jährlich eine ODA von 0,7% seines Bruttonationaleinkommens (BNE) bereitzustellen.

„Begrüßten wir die ODA-Quote des Vorjahres noch als Schritt in die richtige Richtung, machen die Prognosen in der Budgetbeilage für 2024 nun deutlich, dass aus der zuvor ankündigten stufenweisen Erhöhung der entwicklungspolitischen Mittel offenbar ein Treppensturz wird. (…) Österreichs ODA könnte 2023 erst auf 0,33% und bis 2027 auf 0,23% des BNE sinken“, erklärt Lukas Wank, Geschäftsführer der AG Globale Verantwortung.
 
„In Krisenzeiten sollte das 0,7%-Ziel höchste Priorität in der Außenpolitik haben. (…) Wir appellieren daher mit Nachdruck, alles dafür zu tun, dass sich diese verheerenden Prognosen nicht bewahrheiten. Österreich setzt sonst seine internationale Position als Unterstützer in Notlagen und Partner für nachhaltige Entwicklung, von der wir auch hierzulande profitieren, langfristig aufs Spiel – und dabei seine internationale Glaubwürdigkeit“, richtet sich Wank an die Regierung.

Auch Mitgliedsorganisationen der AG Globale Verantwortung appellieren anlässlich des Budgetbeschlusses an die Regierung:

Rückfragen:
Hannah Hauptmann, MA
Referentin für Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Globale Verantwortung
presse@globaleverantwortung.at
Tel: 01/522 44 22-15
Mobil: +43 699/17 20 42 07
www.globaleverantwortung.at
www.facebook.com/globaleverantwortung
www.linkedin.com/company/globaleverantwortung

PA: COP28: Klima-Allianz fordert dringend globale Kurskorrektur

Ausstieg aus allen fossilen Energien gefordert – Schlagkräftigen Fonds für Schäden und Verluste umsetzen – Klimaschutz muss sozial gerecht erfolgen

Die “Allianz für Klimagerechtigkeit” aus 26 österreichischen Umwelt-, Entwicklungs- und sozialen Organisationen fordert anlässlich der COP28 sofortige Maßnahmen zum Klimaschutz und dessen Finanzierung. „Die Folgen der Klimakrise verstärken sich massiv. Das spüren nicht zuletzt jene Länder, die kaum Emissionen verursachen: Naturkatastrophen, Dürren und Überschwemmungen zerstören ihre Lebensgrundlagen, führen zu Ernteausfällen und Wasserknappheit und befeuern damit Armut sowie Ungleichheit. Daher fordern wir den sofortigen Stopp der Subventionen fossiler Brennstoffe, den Ausstieg aus fossilen Energien bis spätestens 2050 sowie die Umsetzung eines schlagkräftigen Fonds für Schäden und Verluste, damit Klimaschutz insbesondere im Globalen Süden sozial gerecht erfolgt.“

Mana Omar (SASAL, Kenia) fordert, dass die Stimmen der im Globalen Süden überproportional betroffenen Menschen gehört werden und bei Klima-Entscheidungen Vorrang erhalten. “Im Zuge der Verwirklichung von Klimagerechtigkeit müssen wir sicherstellen, dass die Stimmen der unverhältnismäßig stark betroffenen Gemeinschaften gehört und berücksichtigt werden und dass ihnen bei Klima-Entscheidungen Vorrang eingeräumt wird. Ich spreche aus der Sicht der Pastoralisten in Kenia. Trotz der Belastung durch die Klimakrise, der sie ausgesetzt sind, werden diese Gemeinschaften bei Entscheidungsfindungen immer noch ausgegrenzt. Ich fordere Sie alle auf, ihre Anliegen und Forderungen bei der bevorstehenden Einrichtung des Fonds für Verluste und Schäden auf der COP28 zu berücksichtigen. Wir können die Krise der Leute nicht ohne die Leute lösen. Ich fordere alle Journalist:innen auf, uns dabei zu helfen, die Kernbotschaften und Anliegen der Anführer:innen der Pastoralisten zu verbreiten, und ich fordere Sie auf, uns und den anderen betroffenen und ungehörten Gemeinschaften beizustehen.”

Die Umweltschutzorganisation WWF Österreich fordert eine Einigung der Weltgemeinschaft für den Ausstieg aus fossilen Energien. „Die globale Bestandsaufnahme ist ein wichtiger Test für die Ernsthaftigkeit der Weltgemeinschaft beim Klimaschutz. Bereits im Vorfeld steht fest, dass es eine überfällige Kurskorrektur braucht. Dafür müssen alle Staaten ihre nationalen Klimaschutzpläne für 2030 rasch nachbessern und für 2035 ambitionierte Ziele im Einklang mit dem 1,5-Grad-Limit festlegen”, sagt WWF-Klimasprecher Thomas Zehetner. „Wir können uns keine weitere schwache Klimakonferenz wie im Vorjahr in Ägypten leisten. Daher brauchen wir endlich einen Plan für den globalen Ausstieg aus allen fossilen Energieträgern bis spätestens 2050. Denn so wie es mit dem Pariser Klimaübereinkommen eine globale Einigung über die Dringlichkeit der Klimakrise gegeben hat, ist jetzt eine Einigung über ihre Lösung notwendig: den umfassenden Ausstieg aus fossilen Energien.“

Die Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz (KOO) fordert die Umsetzung des schlagkräftigen Fonds für Schäden und Verluste. „Die Klimakonferenz muss nicht nur die Funktionsweise des neuen schlagkräftigen Fonds für Schäden und Verluste fixieren, sondern auch eine Entscheidung über die angezielte Höhe des Fonds treffen. Die österreichische Bundesregierung muss die EU dabei unterstützen, einen umfangreichen ersten Beitrag zum neuen Fond für Schäden und Verluste schon auf dieser COP zuzusagen”, fordert KOO-Klimaexperte Martin Krenn. „Nur wenn die Industriestaaten ihrer Verantwortung nachkommen, kann der neue Fonds mit Leben erfüllt und damit den verwundbarsten Bevölkerungsgruppen in der Klimakrise verlässlich beigestanden werden.“

Südwind fordert einen Interessensausgleich, damit Klimaschutz soziale Ungleichheit nicht verschärft. „Zusätzlich zum finanziellen Ausgleich muss im Sinne der Klimagerechtigkeit auch ein besonderer Interessensausgleich berücksichtigt werden. Damit Klimaschutz-Maßnahmen soziale Ungleichheit nicht verschärfen, müssen besonders vulnerable und marginalisierte Gruppen auf allen Ebenen in Entscheidungs- und Planungsprozesse miteinbezogen werden – gleichberechtigt und unter Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse. Das umfasst etwa Frauen, indigene Gruppen, ländliche Bevölkerung, Migrant:innen, junge Menschen und Menschen mit Behinderungen”, sagt Südwind-Klimasprecherin Lisa Aigelsperger. „Klimaschutz muss stets Hand in Hand gehen mit Menschenrechten, Armutsbekämpfung und Geschlechtergerechtigkeit. Das gilt sowohl für nationalen Klimaschutz, als auch für Maßnahmen, die über internationale Klimafinanzierung angestoßen werden, etwa in der Rohstoffgewinnung für die Energiewende. Die Klimakrise können wir nur gemeinsam lösen. Dafür braucht es endlich eine transparente, lösungsorientierte und inklusive Politik.“

Das Forderungspapier der Allianz für Klimagerechtigkeit zum Downloaden

Verfügbarkeit der Expert:innen bei der COP28 in Dubai:
Mana Omar, SASAL, in Dubai von 28.11. bis 8.12., manasitiomar92@gmail.com
Thomas Zehetner, WWF, in Dubai von 6. bis 13.12,. thomas.zehetner@wwf.at
Martin Krenn, KOO, in Dubai von 29.11. bis 8.12., m.krenn@koo.at
Lisa Aigelsperger, Südwind, in Dubai von 8. bis 14.12., lisa.aigelsperger@suedwind.at

Rückfragehinweis:
Mathias Kautzky, Pressesprecher WWF Österreich, 0676 83488 287, mathias.kautzky@wwf.at

PA: Historischer UN-Beschluss ebnet den Weg für demokratische Steuerrevolution

Erstmals können alle Staaten gleichberechtigt ein globales Steuerabkommen aushandeln, so Attac.

Die UN-Generalversammlung hat gestern Abend in New York mit großer Mehrheit eine historische Resolution über die zukünftige internationale Zusammenarbeit in Steuerfragen verabschiedet. Sie sieht vor, Verhandlungen über ein UN-Rahmenübereinkommen im Steuerbereich aufzunehmen. Damit können erstmals alle Staaten gleichberechtigt innerhalb der UNO über die künftige internationale Steuerpolitik und ein faires, globales Steuerabkommen verhandeln.

Bislang wurde internationale Steuerpolitik in der OECD, dem Club der Industriestaaten, verhandelt – obwohl diese kein globales Verhandlungsforum ist. Viele internationale Steuerregeln spiegeln daher die Interessen der Industrienationen wider – und nicht jene der Schwellen- und Entwicklungsländer.

Weniger Einfluss für finanzstarke Lobbygruppen / Steuermissbrauch endlich wirksam bekämpfen
Für das globalisierungskritische Netzwerk Attac ist die Resolution ein historischer Moment in der internationalen Steuerpolitik. „Wir erleben den Beginn einer demokratischen Steuerrevolution. Denn im Gegensatz zur OECD verlaufen die Verhandlungen in der UNO demokratisch und transparent. Das stärkt die Rechenschaftspflichten der Regierungen gegenüber der Zivilgesellschaft und schwächt den Einfluss finanzstarker Lobbygruppen“, erklärt David Walch von Attac Österreich.

„Die Resolution eröffnet die Chance für ein gerechtes globales Steuersystem, in dem Steuermissbrauch und Steuerbetrug endlich wirksam im Interesse aller Länder bekämpft werden“, erklärt Martina Neuwirth vom VIDC.

Höhepunkt jahrelanger Bemühungen
Die UN-Resolution ist der vorläufige Höhepunkt langjähriger Bemühungen zahlreicher Staaten und der internationalen Zivilgesellschaft für eine Stärkung der UNO im Steuerwesen. Der Beschluss wird von der Global Alliance for Tax Justice, hunderten internationalen Organisationen sowie einer Reihe prominenter Ökonom*innen, wie Joseph Stiglitz, Thomas Piketty oder dem Direktor des EU Tax Observatory, Gabriel Zucman, begrüßt. Auch zahlreiche österreichische NGOs hatten erst vergangene Woche einen Brief an die Regierung verfasst, mit der Forderung, die Resolution zu unterstützen.

OECD-Staaten, EU und Österreich müssen sich endlich konstruktiv beteiligen
Heftiger Widerstand gegen eine Stärkung der UNO kam bis zuletzt von den OECD-Staaten, insbesondere von der EU und Großbritannien. Mit einer Ausnahme stimmten die OECD-Staaten geschlossen gegen die Resolution, darunter auch die EU-Staaten und Österreich. Die Resolution wurde dennoch mit 125 zu 48 Stimmen und 9 Enthaltungen angenommen.

„Um die globalen Steuerregeln weiter in ihrem Interesse innerhalb der OECD zu gestalten, versuchen die Industriestaaten leider seit Jahren den UN-Prozess zu torpedieren“, kritisiert Walch. „Die EU und damit auch Österreich sind aufgefordert, sich endlich konstruktiv an einer Demokratisierung der internationalen Steuerpolitik zu beteiligen. Dies gilt umso mehr in Zeiten einer zunehmenden geopolitischen Fragmentierung.“

Das Mandat für das UN-Rahmenübereinkommen soll im Laufe des nächsten Jahres ausverhandelt werden. Dabei wird es darum gehen, die Themen einer kommenden UN-Steuerkonvention festzulegen: etwa die Besteuerung multinationaler Konzerne, Steuertransparenz oder die globale Besteuerung von Offshore-Vermögen.

Rückfragen:
David Walch
Pressesprecher Attac Österreich
presse@attac.at
0650 544 00 10


PA: Handelsabkommen EU-Chile: Wissenschaft warnt vor Vertiefung von Raubbau und Ungleichheit

Am kommenden Montag treffen sich in Brüssel die Handelsminister:innen der EU-Mitgliedsstaaten. Auf der Agenda des Ministerrats steht unter anderem das Assoziierungsabkommen der EU mit Chile. Das zwanzig Jahre alte Abkommen soll erweitert werden, jedoch droht nicht nur ein im Sinne globaler Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit problematisches Weiter wie bisher, so eine Aussendung von „Diskurs. Das Wissenschaftsnetz“. 

Die geplante Ausweitung des Abkommens komme vor allem großindustriellen Interessen zugute, während die Rechte von indigenen und anderen benachteiligten Gruppen sowie der Schutz lokaler Ökosysteme und Lebensgrundlagen auf der Strecke bleiben, warnen die renommierten Wissenschafter Werner Raza und René Kuppe.

Die EU möchte die Überarbeitung des Abkommens 2024 abschließen – entsprechend wichtig ist das kommende Ratstreffen. “Das Abkommen trägt nicht zu einer nachhaltigen ökonomischen Entwicklung in Chile bei, sondern vertieft das auf der Ausbeutung und dem Export von Rohstoffen basierende chilenische Entwicklungsmodell.

Zusätzlich sollen ausländische Konzerne das Recht auf Sonderklagemöglichkeiten und Paralleljustiz bekommen, was zu einer noch stärkeren Durchsetzung ihrer Interessen führen würde“, sagt Dr. Werner Raza von der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE). 

Besonders die schon jetzt am stärksten benachteiligten Gruppen in Chile werden durch das erweiterte Abkommen verlieren. „Die Rechte und Interessen indigener Völker werden im Textentwurf des Abkommens nicht erwähnt. Dabei leiden sie am meisten durch den neokolonialen Raubbau an Ressourcen in der Region. Das gilt besonders für die Förderung von Lithium und Kupfer, die massiv ausgeweitet werden soll. Dabei sind in Chile jetzt schon rund 50 Konflikte bekannt, in denen Bergbauprojekte indigene Gemeinschaften schädigen.

Die Rohstoffe werden für Produkte verwendet, die am Ende hierzulande zu einem vermeintlichen Klimaschutz beitragen sollen. Um glaubwürdig zu sein, muss die Europäische Union auch in ihrer internationalen Handels- und Wirtschaftspolitik Menschenrechte gerade auch für marginalisierte Gruppen und Menschen fördern und schützen“, so Dr. René Kuppe von der Universität Wien und der International Work Group for Indigenous Affairs

Über die Expert:innen:  
Dr. Werner Raza: Leiter der ÖFSE, Österreichische Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung

Dr. René Kuppe: Universität Wien und „International Work Group for Indigenous Affairs“

Kontakt für Rückfragen:
Helena Ott
ott@diskurs-wissenschaftsnetz.at
+43 650 33 11 45 16

Alexander Behr
behr@diskurs-wissenschaftsnetz.at
+43 650 34 38 37 8

PA: Katar: Ein Jahr nach WM stehen Fortschritte still

Ein Jahr nach der Fußballweltmeisterschaft hat Katar seine Zusagen zur Verbesserung der Arbeitnehmer*innenrechte nicht umgesetzt, so Amnesty International heute. Die katarische Regierung unternimmt weiterhin nicht genug, um die Missstände bei der Behandlung von Arbeitsmigrant*innen zu beseitigen und sie angemessen vor Ausbeutung zu schützen. Seit dem Ende der WM gerieten die Fortschritte weiter ins Stocken.

Ein neuer Amnesty-Bericht mit dem Titel A Legacy in Jeopardy zeigt, dass bei der Verbesserung der Arbeitnehmer*innenrechte seit dem Ende der Weltmeisterschaft kaum Fortschritte gemacht wurden. Entschädigungen und Gerechtigkeit für Hunderttausende von Arbeiter*innen, die im Zusammenhang mit der WM Opfer von Menschenrechtsverstößen wurden, bleiben weiterhin aus. Begrenzte Fortschritte in manchen Bereichen werden durch das Fehlen von Maßnahmen zur Bekämpfung einer Vielzahl von anhaltenden Missständen und Verstößen überschattet.

„Das anhaltende Versäumnis Katars, seine im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft eingeleiteten Arbeitsreformen ordnungsgemäß durchzusetzen und zu stärken, gefährdet ernsthaft jede potenzielle Verbesserung der Situation von Arbeitnehmer*innen. Die Regierung muss dringend ihre Zusage für den Schutz der Arbeitnehmer*innen erneuern, und sowohl die FIFA als auch Katar sollten sich auf Pläne zur Wiedergutmachung für alle Betroffenen einigen“, sagte Steve Cockburn, Experte für Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit bei Amnesty International.

„Von illegalen Anwerbegebühren bis hin zu nicht gezahlten Löhnen haben Hunderttausende von Arbeitsmigrant*innen ihr Geld, ihre Gesundheit oder sogar ihr Leben verloren, während die FIFA und Katar versuchten, die Verantwortung von sich zu weisen. Bis heute, ein Jahr nach der Weltmeisterschaft, ist zu wenig getan worden, um all dieses Unrecht wiedergutzumachen. Die Arbeiter*innen, die die Weltmeisterschaft 2022 möglich gemacht haben, dürfen nicht vergessen werden.“

Steve Cockburn sagte weiter: „Katar sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass seine Handlungen nicht auf den Prüfstand gestellt werden, nur weil die WM vorbei ist, und es muss seine Bemühungen zur Verbesserung der Arbeitnehmer*innenrechte fortsetzen. Die FIFA muss aus ihren Fehlern lernen und bereit sein, ihre Verantwortung für die Menschenrechte ernst zu nehmen und Missstände, die durch ihr Versagen verursacht oder mitverursacht wurden, direkt zu beheben, um eine Wiederholung der Menschenrechtsverstöße, wie wir sie in Verbindung mit der Weltmeisterschaft in Katar erlebt haben, zu verhindern.“

Unzureichende Reformen und mangelnde Umsetzung

Katar hat 2017 ein Abkommen mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) unterzeichnet, das in den darauffolgenden Jahren zu erheblichen Änderungen der Arbeitsgesetze führte, u. a. zu Reformen des Kafala-Sponsorensystems, zu einem neuen Mindestlohn und zur Einführung von Arbeitsschutzvorschriften. Zu Beginn der Fußballweltmeisterschaft waren die Um- und Durchsetzungsmaßnahmen, die erforderlich gewesen wären, um weitere Menschenrechtsverstöße zu verhindern, jedoch noch unzureichend.

In Interviews mit Amnesty-Mitarbeiter*innen erklärten die Befragten, dass die meisten Arbeitsmigrant*innen das Land nun ohne Einschränkungen verlassen können, und stellten Fortschritte bei der Durchsetzung von Gesetzen im Zusammenhang mit Arbeiten bei hohen Temperaturen fest, insbesondere ein Verbot von Bauarbeiten im Freien während der heißesten Tageszeit. Darüber hinaus zeichneten sie jedoch ein düsteres Bild von anhaltender Ausbeutung und mangelndem politischen Willen zur Beseitigung der Mängel.

Eigentlich sollten die Arbeitnehmer*innen die Möglichkeit haben, ihren Arbeitsplatz frei zu wechseln, um Verstößen zu entgehen oder bessere Arbeitsbedingungen vorzufinden, aber obwohl sie dazu rechtlich gesehen keine Unbedenklichkeitsbescheinigung (NOC) mehr von den Arbeitgeber*innen benötigen, müssen viele in der Praxis immer noch irgendeine Form von Genehmigung einholen. Aus den Daten der Regierung geht hervor, dass in den ersten acht Monaten des Jahres 2023 zwar mehr als 150.000 Menschen den Arbeitsplatz gewechselt haben, dass aber im gleichen Zeitraum ein Drittel der Anträge von Arbeitnehmer*innen auf einen Arbeitsplatzwechsel abgelehnt wurden.

Darüber hinaus sind Arbeiter*innen für ihre Anwesenheit im Land nach wie vor von ihren Arbeitgeber*innen abhängig, wodurch ihr rechtlicher Status nicht angemessen geschützt ist und sie daran gehindert werden, ihre*n Arbeitgeber*in zu wechseln.

Lohndiebstahl ist nach wie vor die häufigste Form der Ausbeutung von Arbeitsmigrant*innen in Katar, auch bei Fahrer*innen in der wachsenden Essenslieferbranche, aber das System zur Aufdeckung und Reaktion auf verspätete und nicht gezahlte Löhne und Leistungen funktioniert noch nicht.

Als Hausangestellte beschäftigte Arbeitsmigrant*innen, bei denen es sich zumeist um Frauen handelt, sind nach wie vor besonders anfällig für schwerwiegende Verstöße, und die Regierung hat im vergangenen Jahr wenig unternommen, um diese Arbeitskräfte besser zu schützen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.

Abhilfe und Entschädigung

Die Missstände, denen Arbeitsmigrant*innen ausgesetzt waren, seit die FIFA Katar den Zuschlag für die Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft erteilt hat, können zwar nicht ungeschehen gemacht werden, doch es kann und muss Wiedergutmachung erfolgen.

Wie Amnesty International bereits dokumentiert hat, wurden während der Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar Hunderte von Arbeitsmigrant*innen, die als Sicherheitskräfte und Ordner*innen an den Austragungsorten eingesetzt und mit Kurzzeitverträgen beschäftigt wurden, ausgebeutet. Dazu gehörte, dass die Arbeitnehmer*innen rechtswidrige Vermittlungsgebühren zahlten, über ihre Arbeitsplätze getäuscht wurden und übermäßig lange arbeiten mussten, ohne freie Tage in der Woche zu haben. Fast ein Jahr später haben sie immer noch keine Entschädigung erhalten.

Presseteam Amnesty International Österreich
Eleonore Rudnay
+43-664-400 10 56
E-Mail: eleonore.rudnay@amnesty.at

PA: „Demokratie braucht Beteiligung aller!“. Migrant:innen und Gemeinden diskutieren Forderungspaket im EU-Parlament

Südwind organisiert Runden Tisch zur politischen Mitsprache von Migrant:innen in Brüssel – Diskussion zu fünf Kernforderungen und Good Practice-Beispielen mit EU-Abgeordneten 

Die Frage der politischen Teilhabe von Migrant:innen und ihren Nachkommen stand gestern, Mittwoch, im Mittelpunkt bei einem Runden Tisch im EU-Parlament in Brüssel. Vertreterinnen von Gemeinden, NGOs sowie migrantischen Vereinen und Organisationen trafen sich mit EU-Abgeordneten, um konkrete Forderungen zur Stärkung der demokratischen Teilhabe vorzulegen und zu diskutieren. Organisiert wurde der Austausch von der österreichischen Menschenrechtsorganisation Südwind. „Eine möglichst breite Beteiligung aller Menschen ist essentiell für das Wohlergehen unserer Gesellschaften, unserer Demokratien und für die Stabilität unserer Volkswirtschaften. Dieser Grundsatz muss auch die politische Teilhabe von Migrant:innen und ihrer Nachkommen umfassen“, sagt Südwind-Projektleiterin Alina Lückl. Nicht zuletzt hält auch der EU-Aktionsplan für Integration fest, dass die „europäische Lebensweise eine integrative Lebensweise“ ist.

Ziel des Südwind-Projekts EMVI (Empowering Migrant Voices on Integration an Inclusion Policies) ist daher dieBeteiligung von Migrant:innen an der Gestaltung und Umsetzung politischer Maßnahmen zu ermöglichen und ihre Anliegen bei lokalen, nationalen und EU-Entscheidungsträger:innen einzubringen.

Der Roundtable im EU-Parlament fand auf Einladung des österreichischen Abgeordneten Thomas Waitz (Grüne) gemeinsam mit seinen Kollegen MEP Matjaž Nemec (S&D, SI) MEP Jan-Christoph Oetjen (Renew, DE) MEP Stelios Kouloglou (GUE/NGL, GR). Dabei wurde ein im Rahmen des EMVI-Projekts erarbeiteter Leitfaden zur Beteiligung von Migrant:innen sowie konkrete Forderungen und Empfehlungen präsentiert und diskutiert.

Thomas Waitz, EU-Abgeordneter der Grünen und Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei, betonte in seiner Eröffnungsrede „wie wichtig es ist das Wahlrecht, insbesondere das EU-Wahlrecht, endlich zu reformieren, damit Menschen, die seit Jahrzehnten Teil unserer Gesellschaft sind, auch ein Mitspracherecht erhalten. Inklusion und Integration kann nur funktionieren, wenn Menschen an demokratischen Prozessen teilhaben können und damit auch Demokratie erleben und mitgestalten. Wir stehen gleichzeitig in der Pflicht Migrant*innen vor Hetze und Hass der Rechten zu schützen. Für die Grünen ist klar: Menschenrechte gelten für alle ohne Wenn und Aber.“  

„Die politische Beteiligung von Menschen mit Migrationsbiographie zu fördern ist essentiell, um weitere Schritte in Richtung einer inklusiven Gesellschaft zu gehen, um Zugehörigkeit zu vermitteln und um ein soziales Netzwerk aufzubauen. Migrant:innenvereine spielen dabei eine wichtige Rolle, da sie Migrant:innen über ihre politischen Rechte aufklären und ihnen Informationen zugänglich machen, wie sie sich politisch engagieren können. Wenn wir keine Stimme haben, werden wir nicht gesehen. Wir müssen aber sichtbar sein, um gute Jobs und Zugang zu Deutschunterricht zu bekommen und um uns in der Gesellschaft engagieren zu können.“, so Rachel Fox, stellvertretende Obfrau vom Verein Base Graz, einem migrantischen Verein in Graz, der besonders auf Community-Building setzt.

Südwind-Projektreferentin in Graz Alina Lückl erklärt: „Zusätzlich zu einem leichteren Zugang zum Wahlrecht braucht es eine ernsthafte politische Auseinandersetzung mit den Anliegen all jener, die nicht wählen dürfen. So können etwa Beiräte von und für Migrant:innen und innovative digitale Partizipationstools ein wichtiger Hebel sein, um Anliegen in die Politik einzubringen.“

Die fünf Hauptforderungen im präsentierten Beteiligungs-Leitfaden sind:

  1. Wahlrecht (zumindest auf lokaler Ebene) für alle langfristig aufenthaltsberechtigten Personen
  2. Beteiligung, Vertretung und Engagement von Migrant:innen in öffentlichen Gremien fördern
  3. Integrations- und Inklusionsprogramme verbessern mit Schwerpunkt auf politische Beteiligung
  4. Vertrauen der Migrant:innen in die Politik durch Beteiligungsmodelle wie Migrant:innenbeiräte, E-Partizipation und Mitbestimmungstreffen stärken
  5. Ausbau der Förderung von Migrant:innenorganisationen

Voting für beste Ideen für Graz noch bis Ende November: Graz-Gemeinsam-Gestalten.at

Ein praktisches Beispiel für Mitbestimmung ist das E-Partizipationstool www.Graz-gemeinsam-gestalten.at Es ermöglicht einen direkten Austausch zwischen der Stadtregierung und allen in Graz wohnhaften Bürger:innen. Sie können ihre Ideen direkt auf der Plattform und bei Veranstaltungen einbringen, die dann vom Migrant:innenbeirat und der Stadtregierung aufgegriffen und weitergetragen werden. Das im Frühjahr 2023 mit dem Migrant:innenbeirat Graz und dem mitgestalten Partizipationsbüro initiierte Portal lädt noch bis Ende November zum Voting für die besten Ideen für Graz.

Über das Projekt:
Das Projekt EMVI – Empowering Migrant Voices on Integration an Inclusion Policies stärkt die politische Teilhabe von Migrant:innen und unterstützt lokale und regionale Behörden sowie Institutionen beim Austausch mit Migrant:innen. Es bringt dabei NGOs, Migrant:innenorganisation, Gemeindeverwaltungen von Graz, Lustenau (AT), Berlin Mitte (DE), Heraklion (GR), Empoli (IT) und Ljubljana (SI) zusammen und wird aus Mitteln des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union finanziert.

Download: Good Practice Leitfaden für Beteiligung
Download: Hochauflösende Fotos vom Runden Tisch in Brüssel

Nähere Informationen:
www.diaspora-particiation.eu
www.suedwind.at/emvi

Rückfragehinweis:
Vincent Sufiyan
Kommunikationsleitung Südwind
Tel.:0650 9677577
E-Mail: vincent.sufiyan@suedwind.at

Veranstaltungseinladung: Österreich-Präsentation des UNESCO-Weltbildungsberichts: „Technologie in der Bildung: Ein Werkzeug zu wessen Bedingungen?“

Der UNESCO-Weltbildungsbericht 2023 untersucht die Herausforderungen im Bildungsbereich, für die ein angemessener Einsatz von Technologie Lösungen bieten kann.

Welche Bildungsprobleme können mit dem Einsatz moderner Technologien gelöst werden? Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Technologie Bildung unterstützen kann?

Präsentation des Berichts mit anschließender Podiumsdiskussion. Veranstaltung in Deutsch & Englisch.

23.11.2023 – 09.30. bis 16.00 Uhr, C3 Centrum für Internationale Entwicklung, Sensengasse 3, 1090 Wien

Programm || Anmeldung

Aussendung: Mögliche Kriegsverbrechen: RSF stellt Strafanzeige

Reporter ohne Grenzen (RSF) hat vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) Strafanzeige eingereicht, damit dieser mögliche Kriegsverbrechen gegen Medienschaffende im Gazastreifen und Israel untersucht. Am 7. Oktober hatte die Hamas aus dem Gazastreifen heraus brutalste terroristische Attacken auf israelisches Gebiet gestartet. Seitdem bombardieren die israelischen Streitkräfte das abgeschottete Gebiet massiv.

Die Strafanzeige ist vom 31. Oktober und nennt acht palästinensische Journalisten, die bei der Bombardierung ziviler Gebiete in Gaza durch Israel getötet wurden, sowie einen israelischen Journalisten, der am 7. Oktober bei der Berichterstattung über einen Angriff der Hamas auf seinen Kibbuz ermordet wurde. Ebenfalls genannt werden zwei weitere palästinensische Medienschaffende, die während ihrer Berichterstattung verwundet wurden. Diese elf Personen wurden Opfer von Angriffen, die nach Ansicht von RSF Kriegsverbrechen darstellen und eine Untersuchung durch den IStGH rechtfertigen. In der Strafanzeige wird auch die vorsätzliche vollständige oder teilweise Zerstörung der Gebäude von mehr als 50 Medieneinrichtungen im Gazastreifen aufgeführt.

Die Angriffe, denen palästinensische Medienschaffende in Gaza ausgesetzt waren, entsprechen der Definition des humanitären Völkerrechts für unterschiedslose Angriffe und stellen daher Kriegsverbrechen gemäß Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b des Römischen Statuts des IStGH dar. Selbst wenn die Angriffe auf legitime militärische Ziele gerichtet waren, wie die israelischen Behörden angeben, verursachten die Angriffe dennoch einen unverhältnismäßigen Schaden für die Zivilbevölkerung und sind gemäß diesem Artikel somit ein Kriegsverbrechen. Der Tod des israelischen Journalisten stellt die vorsätzliche Tötung einer durch die Genfer Konventionen geschützten Person dar – ein Kriegsverbrechen gemäß Artikel 8 Absatz Buchstabe a Ziffer i des Römischen Statuts.

RSF führt in der Strafanzeige nur Fälle auf, in denen Medienschaffende bei der Ausübung ihrer Arbeit getötet wurden. Andere Fälle werden noch untersucht. Im Libanon, der, anders als die Palästinensischen Gebiete, kein Vertragsstaat des IStGH ist, wurde ein Reporter getötet und mehrere verletzt. RSF prüft die Möglichkeit, diese Fälle an andere zuständige Gerichtsbarkeiten zu verweisen. Auch Israel ist kein Vertragsstaat des IStGH, aber weil die Palästinensischen Gebiete Vertragspartei sind, konnte der Konflikt dem IStGH als „Situation“ schon unterbreitet werden und die Gerichtsbarkeit ist gegeben. In der Strafanzeige fordert RSF den IStGH außerdem auf, alle Fälle von Medienschaffenden zu untersuchen, die seit dem 7. Oktober getötet wurden – zum Stand 2. November sind das bereits 34.

Dritte RSF-Strafanzeige beim IStGH zu Gaza seit 2018

Die nun eingereichte ist bereits die dritte RSF-Strafanzeige beim IStGH wegen Kriegsverbrechen gegen palästinensische Medienschaffende in Gaza seit 2018. Die erste datiert vom Mai 2018, nachdem während der Proteste des „Großen Marsches der Rückkehr“ in Gaza zwei Journalisten getötet und mehrere weitere verletzt wurden. Die zweite Strafanzeige reichte RSF im Mai 2021 nach israelischen Luftangriffen auf mehr als 20 Medieneinrichtungen im Gazastreifen ein. RSF unterstützte auch die von Al-Dschasira vorgelegte Strafanzeige wegen der tödlichen Schüsse auf die palästinensisch-US-amerikanische Journalistin Schirin Abu Akle im Westjordanland am 11. Mai 2022.

Kein anderer Krieg im 21. Jahrhunderts hat für Medienschaffende auf so tödliche Weise begonnen wie der zwischen der Hamas und Israel. In den drei Wochen seit dem Massaker der Hamas in Israel und dem Beginn der Bombardierung des Gazastreifens sind nach RSF-Recherchen 34 Medienschaffende getötet worden. Mindestens zwölf von ihnen kamen im Zusammenhang mit ihrer Arbeit ums Leben. Dass im selben Zeitraum auf libanesischem, israelischem und palästinensischem Gebiet Medienschaffende getötet wurden, gab es seit über 20 Jahren nicht mehr. In Israel wurde am 7. Oktober der Ynet-Fotograf Roee Idan durch die Hamas ermordet, während er vor seinem Haus filmte. Issam Abdallah, ein libanesischer Journalist der Nachrichtenagentur Reuters, wurde am 13. Oktober durch einen israelischen Luftschlug an der libanesisch-israelischen Grenze getötet.

Zuletzt, am 22. Oktober, kam der Fotojournalist Ruschdi Sarradsch, Mitbegründer der Presseagentur Ain Media und Fixer für verschiedene internationale Medien, bei einem israelischen Luftangriff auf sein Wohnhaus ums Leben. Am 20. Oktober wurde der Al-Schabab-Radioreporter Mohammed Ali bei einem Bombardement im Gazastreifen getötet. Mohammed Baluscha, Mitarbeiter des in der Vergangenheit durch Israel verbotenen Fernsehsenders Palestine Today, wurde am 17. Oktober bei einem israelischen Angriff auf sein Wohnhaus getötet.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit stehen die Palästinensischen Gebiete auf Platz 156. Israel steht auf Platz 97, der Libanon auf Platz 119.

PA: Äthiopien: Metas Versagen befeuert Gewalt gegen Zivilbevölkerung in Tigray

Der Facebook-Mutterkonzern Meta hat zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen gegen die Zivilbevölkerung in der nordäthiopischen Region Tigray beigetragen, so Amnesty International in einem heute veröffentlichten Bericht.

Der Bericht „A death sentence for my father: Meta’s contribution to human rights abuses in northern Ethiopia“ zeigt, dass Meta es erneut versäumt hat, Hass- und Gewaltposts aus dem Netz zu nehmen. Vor dem Hintergrund des bewaffneten Konflikts in Tigray von November 2020 bis November 2022 wurden zahlreiche Menschen durch derartige Posts zur Zielscheibe.

„Drei Jahre nach seinem vollständigen Versagen im Fall der Rohingya in Myanmar hat Meta durch seine Algorithmen und sein datenhungriges Geschäftsmodell erneut zu schweren Menschenrechtsverletzungen beigetragen“, sagte Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International.

„Vor dem Ausbruch des Konflikts in der Region Tigray ignorierte Meta Warnungen von Menschenrechtsorganisationen und dem eigenen Facebook-Aufsichtsrat. Selbst nach dem Beginn des Konflikts ergriff der Konzern keine Maßnahmen gegen die gewalttätigen und hasserfüllten Posts auf seinen Plattformen. Die massenhafte Verbreitung dieser Posts hat die angespannte Stimmung weiter aufgeheizt und zu Diskriminierung und Gewalt gegen die tigrayische Bevölkerung beigetragen.“

Metas Beitrag zu Menschenrechtsverletzungen

Die Facebook-Plattform ist für viele Äthiopier*innen eine wichtige Informationsquelle, die als vertrauenswürdig eingestuft wird. Doch die Algorithmen von Facebook haben verheerende Auswirkungen auf die Menschenrechte.

Recherchen von Amnesty International ergaben, dass die algorithmischen Systeme von Facebook die Verbreitung feindseliger Rhetorik gegen die tigrayische Bevölkerung begünstigten. Gleichzeitig waren die Moderationssysteme der Plattform nicht in der Lage, solche Inhalte zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren.

Diese Versäumnisse trugen beispielsweise zur Vertreibung der regierungskritischen Journalistin Lucy Kassa und der Tötung des tigrayischen Chemieprofessors Meareg Amare bei. Lucy Kassa musste aus dem Land fliehen, nachdem ein Regierungsaccount sie auf Facebook mit einem Foto angeprangert hatte und die Postings viral gingen. Meareg Amare wurde von einer Gruppe von Männern getötet, nachdem er am 3. November 2021 mittels Facebook-Posts ins Visier genommen wurde.

Untätigkeit trotz Warnungen

Interne Dokumente von Meta, die von Amnesty International ausgewertet wurden, zeigen, dass der Konzern von den Unzulänglichkeiten seiner Schutzmaßnahmen in Äthiopien und den damit verbundenen Risiken wusste. Das Unternehmen selbst hat das Land als hochgradig gewaltgefährdet eingestuft.

In einem internen Meta-Dokument aus dem Jahr 2020 wird gewarnt, „dass die derzeitigen Strategien zur Schadensbegrenzung nicht ausreichen“, um die Verbreitung schädlicher Inhalte auf Facebook in Äthiopien zu stoppen. Der eigene Facebook-Aufsichtsrat hat Meta im Jahr 2021 empfohlen, eine unabhängige Menschenrechtsverträglichkeitsprüfung in Äthiopien durchzuführen.

Bei Meta sind die Algorithmen zur Gestaltung von Inhalten darauf ausgelegt, die Nutzer*innen so lange wie möglich auf der Plattform zu halten. Da verletzende, aufstachelnde und polarisierende Inhalte bei Nutzer*innen am meisten Aufmerksamkeit erregen, werden diese oft bevorzugt angezeigt. So stellt das Unternehmen eine anhaltende Gefahr für die Menschenrechte dar, insbesondere in Konfliktgebieten.

Von Amnesty International befragte Personen aus Metas „Trusted Flagger“ Programm kamen zu dem Schluss, dass es wegen der langsamen Reaktionszeit und der Weigerung, gemeldete schädliche Inhalte zu löschen, aussichtlos ist, dem Unternehmen solche Inhalte überhaupt zu melden.

Meta muss zur Verantwortung gezogen werden

Meta steht in der Verantwortung, für die Menschenrechtsverletzungen, zu denen es in Äthiopien beigetragen hat, Wiedergutmachung zu leisten.  Es sind dringende, weitreichende Reformen erforderlich, um sicherzustellen, dass Meta nicht weiter zu derartigen Verstößen in Äthiopien oder in anderen Ländern beiträgt.

Äthiopien ist mit einer weiteren Sicherheitskrise in der Amhara-Region konfrontiert. Meta muss nun dringend Maßnahmen ergreifen, um die von Facebook ausgehenden Gefahren in Äthiopien einzudämmen. Angesichts der Warnungen von UN-Ermittler*innen vor möglichen zukünftigen Gräueltaten sind solche Schritte von entscheidender Bedeutung.

Staaten müssen ihrer Verpflichtung zum Schutz der Menschenrechte nachkommen, indem sie Gesetze verabschieden und durchsetzen, um das Geschäftsmodell von Big Tech wirksam einzudämmen. Dazu gehört auch das Verbot gezielter Werbung auf der Grundlage invasiver Tracking-Praktiken.

Meta bestreitet die Feststellungen des Berichts.

Kontakt und Rückfragehinweis:
Presseteam Amnesty International Österreich
Antonio Prokscha
+43-664-621 10 31
E-Mail: antonio.prokscha@amnesty.at

Veranstaltung: Podiumsdiskussion | Menschenrechte & Entwicklung: Geht das eine ohne das andere?

Die Podiumsdiskussion am 13. November geht der Frage nach, wie Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung zusammenhängen. Da Menschenrechte weltweit immer mehr unter Druck geraten, ist der Einsatz für sie wichtiger denn je. Unter anderem berichtet der peruanische Menschenrechtsanwalt Javier Jahncke über Menschenrechtsverletzungen im Bergbau, der eigentlich als Wirtschaftsmotor gilt.

Menschenrechte sind für die Beendigung von Armut, für Entwicklung und Frieden und somit für ein menschenwürdiges Leben unerlässlich – in allen Ländern dieser Welt. Auf Grundlage dieses Verständnisses diskutieren am 13. November in Graz:

Javier Jahncke, ein auf Bergbau spezialisierter Menschenrechtsanwalt aus Peru
Markus Meister, Geschäftsführer beim Welthaus Graz
Sophie Veßel, Fachreferentin für Menschenrechte bei der AG Globale Verantwortung

Welche Bedeutung haben Menschenrechte heute angesichts der multiplen Krisen für die Erreichung der Agenda 2030 und ihrer 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) weltweit?

Welche Bedeutung haben die Ergebnisse der Wiener Weltkonferenz für Menschenrechte 1993 und der dort entstandenen Wiener Erklärung heute?

Wie kann Entwicklungszusammenarbeit Menschenrechte stärken und was bringt das? Was können konkrete Projekte zum Beispiel in Tansania erreichen?

Kann Bergbau als Wirtschaftsmotor zu nachhaltiger Entwicklung in Peru beitragen? Inwiefern kollidiert er mit Rechten der indigenen Völker oder den Rechten von peruanischen Kleinbauern und -bäuerinnen?

Welchen Beitrag können Lieferkettengesetze in der EU, aber auch in Ländern des Globalen Südens leisten,  die Unternehmen zu menschenrechtlicher Sorgfalt entlang ihrer Liefer- und Wertschöpfungsketten verpflichten? Wie müssen sie ausgestaltet sein, um Wirkung zu zeigen?

13. November 2023, 19:00 – 20:30 Uhr
Welthaus Graz
Bürgergasse 2, 8010 Graz

Weitere Veranstaltungsinfos und Anmeldung