Archiv der Kategorie: Mittelamerika

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Konferenz: Weltweite Zusammenarbeit in Würde und Gerechtigkeit

2015 haben die UN Mitgliedsstaaten 17 nachhaltige Entwicklungsziele (SDGs) beschlossen, die bis 2030 unseren Planeten lebenswerter für alle machen sollen. Papst Franziskus benennt in der Enzyklika „Laudato Si“ brennende Themen wie Umwelt- und Klimaschutz sowie ungerechte Ressourcenverteilung in der Welt. In der Agenda für die Menschlichkeit, dem 5-Punkte-Plan des Weltgipfels für Humanitäre Hilfe, sind Maßnahmen für die Linderung humanitärer Not beschrieben.

Datum und Ort: 
22. – 24.04.2020
Bildungshaus St. Hippolyt
Eybnerstraße 6, 3100 St. Pölten

Ernährungssicherheit, Kinder und Zukunft, Humanitäre Hilfe
Dem Ziel, Hunger in der Welt zu besiegen, scheinen wir mit diesen Plänen näher gekommen zu sein. Doch ungerechte Lebensbedingungen, fehlender Zugang zu Bildung, Hunger, Armut, Krieg und Naturzerstörung sind nach wie vor Teil unserer Wirklichkeit. Was braucht es also, um die oben genannten Pläne nachhaltig umzusetzen? Wie müssen wir Systeme verändern, um Menschen tatsächlich aus der Armut zu bringen und ihnen eine Perspektive zu geben? Diese Fragen werden in Vorträgen von ExpertInnen beleuchtet, in Sessions vertieft und mit PraktikerInnen aus der Projektarbeit diskutiert.

Die Konferenz ist dreisprachig (dt., engl., fr.). Keynotes, Diskussionen und einzelne Sessions werden simultan übersetzt. Der Großteil der Sessions finden in deutscher oder englischer Sprache statt.

Programmübersicht

Kontakt und Rückfragen:
presse@caritas-stpoelten.at

Exklusive Treffen mit Verteidigerinnen von Menschenrechten in Wien

Im Rahmen der Kampagne Es beginnt hier. Schreiben wir Geschichte setzt sich Amnesty International Österreich für Menschenrechtsverteidigerinnen ein. Dabei handelt es sich um Frauen, die für die Rechte aller Menschen kämpfen, sowie Aktivist*innen jeden Geschlechts, die sich für Frauenrechte engagieren.

Menschenrechtsverteidigerinnen sind mit besonderen Herausforderungen und Gefahren konfrontiert. Oft drohen ihnen aufgrund ihres Engagements zusätzliche Stigmatisierung, Verfolgung, Diffamierung oder sexuelle Gewalt. Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten haben sich dazu verpflichtet, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Europäischen Union den Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen sicherzustellen. Anlässlich der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft fordern wir daher von der österreichischen Bundesregierung, den Schutz und die Sicherheit von internationalen Menschenrechtsverteidigerinnen ernst zu nehmen und auf die Agenda der EU-Außenpolitik zu setzen.

Nächsten Woche gibt es zwei Möglichkeiten in Wien, Menschenrechtsverteidigerinnen aus der ganzen Welt zu treffen und mit ihnen Interviews zu führen. 

  1. August 2018 – Expert*innenseminar zu Menschenrechtsverteidigerinnen „DEFENDING WOMEN – DEFENDING RIGHTS“

Anlässlich des EU-Außenminister*innentreffens in Wien lädt Amnesty International zu einem Expert*innenseminar am 29. August 2018 im Haus der Europäischen Union ein, um die politischen Entscheidungsträger*innen an ihre Verpflichtung zu erinnern, Menschenrechtsverteidiger*innen zu stärken und zu schützen – und zwar im realen Leben, nicht nur am Papier. Frauen, die in verschiedenen Regionen zu Menschenrechtsthemen arbeiten, werden mit EU- und Regierungsvertreter*innen über mögliche Schutzmechanismen für Menschenrechtsverteidiger*innen diskutieren.

Informationen auf Englisch finden sie unter: https://www.amnesty.at/mitmachen/kampagnen/news-events/defending-women-defending-rights/

INTERVIEWMÖGLICHKEIT – Bei Interesse koordinieren wir gerne einen Termin:

Folgende Menschenrechtsverteidigerinnen stehen für Interviews auf Englisch zur Verfügung. Nähere Informationen zu den Interviewpartnerinnen finden sie unter https://synology.amnesty.at:5001/sharing/rAPHChVYH.

  • Maria Teresa Rivera, Aktivistin für sexuelle und reproduktive Rechte. El Salvador/Schweden
  • Klementyna Suchanow, Frauenrechtsaktivistin Polish Women on Strike, Polen
  • Kania Mamonto, Asia Justice and Rights (AJAR), Indonesien
  • Wangui Kimari, Mathare Social Justice Centre, Kenia
  • Evdokia Romanova, Aktivistin für sexuelle und reproduktive Rechte, Russland/Österreich
  1. August 2018 – Matinee Österreichisches Parlament „Frauen – verteidigen –Menschenrechte“

Die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures empfängt internationale Menschenrechtsverteidigerinnen, die auf Einladung von Amnesty International Österreich in Wien sind, in der Wiener Hofburg. Kania Mamonto und Evdokia Romanova werden zu diesem Anlass neben der zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures und Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, sprechen. Amnesty International begrüßt diesen Akt der Republik Österreich, die wichtige Arbeit von Menschenrechtsverteidiger*innen anzuerkennen.

Anmeldung zur Matinee unter: https://www.parlament.gv.at/SERV/VER/AKT/300818

Für die Teilnahme an den Veranstaltungen oder zur Koordinierung eines Interviewtermins wenden Sie sich bitte an: presse@amnesty.at oder 0664 4001056.

 

 

Newsletter 2/2018

Sehr geehrte Damen und Herren, dreimal im Jahr stellt die Informationsstelle für Journalismus & Entwicklungspolitik (ISJE) einen redaktionellen Newsletter mit Informationen, Kontakten und Hinweisen für JournalistInnen zusammen. Dieses Mal mit folgenden Themen:

  • Nicaragua – Eine Analyse des Lateinamerika-Experten Ralf Leonhard. MEHR
  • UN Sustainable Development Goals – die nachhaltigen Entwicklungsziele: Weltweit wichtig, regional richtig! Recherche-Hinweise, Links, Projekte, Ideen. MEHR
  • SDGs : Eine Analyse von SDG-Watch Österreich. MEHR
  • (SDG) Termine: FAIR Styria – Informationsveranstaltung: Umsetzung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung – Was können Bund, Länder und Gemeinden leisten, 26.6.2018, Graz. Mehr Infos und österreichweite Termine siehe unten.

Internationale Wahlen…im globalen Süden

  • Juli 2018 Parlamentswahl und Präsidentschaftswahlen in Simbabwe:Die Wahlen müssen laut Verfassung vor Ablauf der Legislaturperiode des Parlaments, d. h. vor dem 21. August 2018 stattfinden. Eine Verschiebung der Wahlen erschien nach dem Militärputsch 2017 Die regierende ZANU-PF mit Staatspräsident Emmerson Mnangagwa sprach zunächst von September 2018, setzte sich dann aber auf Juli 2018 fest. Für die größte Oppositionspartei MDC soll, nach dem Tod von Morgan Tsvangirai im Februar 2018, Nelson Chamisa ins Rennen gehen.
  • Juli Präsidentschaftswahl in Mali: Der ehemalige Finanz- und Wirtschaftsminister Mamadou Igor Diarra ist einer der rund 15 Kandidaten, die bei der Präsidentschaftswahl am 29. Juli gegen Amtsinhaber Ibrahim Boubacar Keita antreten. Anfang Juni kam es zu Demonstrationen für eine transparente und glaubwürdige Wahl.
  • Juli Parlamentswahl und Präsidentschaftswahlen in Mexiko: Mit der Wahl von insgesamt 3.400 MandatsträgerInnen, darunter des Präsidenten, 128 Senatorenposten, 500 Abgeordnete und fast 2.800 lokale VertreterInnen wird es die größte und umfassendste Wahl in der Geschichte des Landes. Mehreren Umfragen zufolge zeichnet sich ein Sieg des linksgerichteten Kandidaten Andrés Manuel López Obrador ab. Es hatte schon 2006 und 2012 für das Amt an der Staatsspitze kandidiert.
  • Juli Parlamentswahl in Pakistan: Ende Mai haben sich Regierung und Opposition auf einen Übergangs-Regierungschef verständigt: Nasir ul Mulk, ist ein früherer Vorsitzender Richter des Obersten Gerichts und wird bis zum Amtsantritt der neuen Regierung die Staatsgeschäfte führen. In Pakistan ist es üblich, dass die amtierende Regierung vor Wahlen abtritt, um deren Neutralität zu sichern.
  • Juli Parlamentswahl in Kambodscha: Seit über drei Jahrzehnten regiert Ministerpräsident Hun Sen von der  Cambodian People’s Party (CPP) und will das Amt weiterhin besetzen. Ende 2017 hat die Regierung die wichtigste Oppositionspartei, die Cambodian National Rescue Party, aufgelöst. Kritische Medien wurden verboten.

Nachrichten und Analysen zu Lateinamerika finden Sie unter: https://amerika21.de/


Termine:

  • 20. Juni 2018: Anlässlich des Weltflüchtlingstages am 20. Juni gibt es in Straß in der Steiermark im Rahmen des EU-geförderten Projekts „Snapshops from the Borders“ einen Thementag mit verschiedenen Veranstaltungen: Ein Highlight ist eine Lesung aus dem Buch „Mein Weg vom Kongo nach Europa“ von Emmanuel Mbolela. Außerdem gibt es die Ausstellung „Lebenslinien“ mit Portraits von Menschen unterschiedlicher Herkunft, kurze Präsentationen zum Thema Flucht und Migration, sowie eine Verkostung von Speisen aus aller Welt. Mehr: suedwind.at/stmk
  • Mai und Juni 2018: Faire Wochen Steiermark
    Initiativen und Organisationen sowie die steirischen Fairtrade-Gemeinden laden zu Veranstaltungen zu den Themen Globale Verantwortung und Entwicklungszusammenarbeit ein. Im Fokus stehen heuer die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs), sowie Menschrechte: Höhepunkt ist der  FairStyria-Tag am 26. Juni 2018.
  • 22. Juni.2018: Women on Air – SDGs vermitteln : Dieser Workshop will Community-Radiomacher*innen für feministische Themen im Kontext der SDGs sensibilisieren. Die Teilnahme ist kostenlos. All genders welcome. Anmeldung unter: womenonair@o94.at
  • 26.06.2018 Was können Bund, Länder und Gemeinden zur Umsetzung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung in Österreich leisten? SDG-Informationsveranstaltung im Steirischen Landtag im Zuge von FairStyria http://www.fairstyria.at/cms/ziel/97760936/DE/
  • 26.06.2018: Junge Stimmen für die Sustainable Development Goals Das Umweltbundesamt und die Jugend-Umwelt-Plattform JUMP laden in Kooperation mit der ÖFSE zu Diskussion und Ausstellungseröffnung mit Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen ein! http://www.jugendumwelt.at/de/kalender/jungestimmen
  • Bis Ende Juni hält Südwind Niederösterreich beinahe täglich Workshops an Schulen zur Produktion von Kleidungsstücken, Smartphones, Schokolade, Fußbällen oder Palmöl ab. Bei jedem Workshop – ua. in Mödling, Tulln, Guntramsdorf, Schwechat – gibt es einen Fototermin mit Gemeindevertretung. JournalistInnen sind herzlich eingeladen.  Weitere Veranstaltungsorte, Uhrzeiten und Infos gibt es bei Jana Teynor,  teynor@suedwind.at
  • 22./23. Juni 2018: Burg Schlaining WELT WEITer DENKEN. SOL-Symposium und mit namhaften Experten/Expertinnen zu den nachhaltigen UN-Entwicklungszielen und ihrer Bedeutung für die Zivilgesellschaft auseinander. Inkl. Burg-Fest. http://nachhaltig.at/symposium/
  • Bis September 2018 zeigen im Rahmen des Festival La Gacilly-Baden Photo die besten FotografInnen der Welt zum Thema „I LOVE AFRICA“ faszinierende Bilderwelten in einer vier Kilometer langen Open-Air-Galerie, in der Gartenkunst und Fotokunst verschmelzen. Mehr: http://festival.lagacilly-baden.photo
  • 26.08.2018: Forum Alpbach: Dialog Entwicklung: Die UN-Nachhaltigkeitsziele in der Praxis (in Kooperation mit ADA-Austrian Development Agency)Speakers: Ban-Ki-Moon, Martin Ledolter https://www.alpbach.org/de/person/ki-moon-ban/
  • ÖKO FAIR –Die Tiroler Nachhaltigkeitsmesse
    Von August bis 2. September 2018 es die erste Tiroler Nachhaltigkeitsmesse – die ÖKO FAIR geben. Es warten zahlreiche AusstellerInnen sowie aktuelle Trends aus den Bereichen Mode & Textilien, Ernährung, Lifestyle, Outdoor und Tourismus und ein breites und vielfältiges Rahmenprogramm zu einem nachhaltigen Lebensstil. Im Rahmen der Messe findet die Veranstaltung „Eine Geschichte aus der Zukunft: die Agenda 2030 wurde erfolgreich umgesetzt“ mit Nadia Prauhart statt.Mehr: http://www.oeko-fair.at/de/

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Nicaragua steuert aufs Chaos zu

Nicaragua steuert aufs Chaos zu

Wie es so weit kam, schildert Ralf Leonhard nach einem Lokalaugenschein.


139 Tote lautet die Bilanz in der zweiten Juni-Woche nach sieben Wochen Aufstand gegen das autoritär regierende Präsidentenpaar Daniel Ortega und Rosario Murillo in Nicaragua. Fast alle gehen auf das Konto der Anti-Aufruhrpolizei und der regierungstreuen Schlägertrupps, die als Sandinistische Jugend auftreten. Die Polizei schießt, um zu töten: in den Kopf, in den Hals, in den Oberkörper. Das haben Amnesty International und die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) bestätigt, die Mitte bzw. Ende Mai das Land besuchten.

Überproportionaler Polizeieinsatz schafft Protest
Die Methoden der Einschüchterung von Protestbewegungen haben in der Vergangenheit gut funktioniert: bei Demonstrationen gegen den Plan, einen interozeanischen Kanal zu bauen oder bei Protesten gegen Pensionskürzungen. Diesmal verfehlte das brutale Vorgehen sein Ziel. Der offensichtlich überproportionale Polizeieinsatz, die Übergriffe der zivilen Schlägertrupps, die JournalistInnen die Kameras stahlen, waren live im privaten Fernsehen zu sehen. Videos verbreiteten sich außerdem in Windeseile über die sozialen Medien. Und je mehr Blut friedlicher DemonstrantInnen floss, desto größer wurde die Protestbewegung.

Erhöhungen der Beiträge zur durch Nepotismus heruntergewirtschafteten Sozialversicherung waren nur der Auslöser. Unmittelbar vorher waren schon Proteste gegen die Brände im Tropenwaldschutzgebiet Indio Maíz brutal unterdrückt worden. Jeder weiß, dass Präsident Ortega und hohe Militärs in den illegalen Holzhandel verwickelt sind. Vieles deutet darauf hin, dass die Brände gelegt wurden. Jedenfalls unternahm die Regierung lange Zeit gar nichts und lehnte sogar die Hilfe einer spezialisierten Feuerwehrbrigade aus Costa Rica ab.

Diese Proteste wurden von ökologisch interessierten StudentInnen getragen, die dank sozialer Medien nicht allein auf die Propaganda der fast völlig von der Regierung und der Familie Ortega kontrollierten Medien angewiesen waren.

Rot-schwarze Fahne der SandinistInnen wurde zum Hassobjekt. Inzwischen hat sich die Protestbewegung, die keinen sichtbaren Kopf hat, auf fast alle wichtigen Städte ausgedehnt. In Managua, Masaya und Granada sind wichtige Straßen durch Barrikaden aus Pflastersteinen abgesperrt. Das erinnert an den Volksaufstand von 1979, als die Sandinistische Befreiungsfront (FSLN) gegen den Diktator Anastasio Somoza kämpfte. Allerdings ist die rot-schwarze Fahne der SandinistInnen inzwischen zum Hassobjekt geworden. Daniel Ortega, einst einer der neun Kommandanten des Nationaldirektoriums und bis 1990 Präsident des Landes, regiert wieder seit 2007. In elf Jahren ist es ihm gelungen, die Opposition fast völlig auszuschalten und dank venezolanischer Öllieferungen soziale und wirtschaftliche Stabilität zu schaffen. Seit zwei Jahren fließt das Öl aus Venzuela nicht mehr. Größere wirtschaftliche Verwerfungen stehen bevor. Ortegas Pakt mit der Unternehmerschaft, der sogar in der Verfassung verankert wurde, ist geplatzt.

Versuche der Bischofskonferenz, über einen Nationalen Dialog eine politische Lösung der Krise einzuleiten, sind gescheitert. Die Regierung zeigt sich absolut unwillig, auch nur die kleinste Konzession zu machen.  Darauf hat sich auch die Position der Gegenseite verhärtet. Da sind UnternehmerInnen, Bäuerinnen und Bauern, StudentInnen,  AkademikerInnen und Frauenorganisationen vereint. Sie fordern den sofortigen Rücktritt des Präsidentenpaares.

Land paralysiert
Zusätzlich verkompliziert sich die Lage dadurch, dass immer mehr Gruppen, die von der Oppositionsbewegung nicht kontrolliert werden, ihr eigenes Spiel spielen. Sie bedrohen Menschen und ganze Stadtviertel, die als regierungstreu gelten, rauben Geschäfte aus und haben in Managua einen Ortega-Sender und in Granada das Rathaus in Brand gesteckt. Durch diese Gruppen und die Straßensperren ist die Versorgungslage in manchen Gegenden inzwischen prekär. Geschäfte werden nicht mehr beliefert, Menschen wagen sich nicht mehr auf die Straße. Zuletzt hat Ortega signalisiert, dass er zumindest einer Vorverlegung der nächsten Wahlen von 2021 auf 2019 zustimmen könnte. Aber, wie der Schriftsteller Sergio Ramírez, einst Vizepräsident unter Daniel Ortega zuletzt in der taz (https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5505666&s=Leonhard/) sagte: „Er hat keine Alternative zum Leben an der Macht. Er hat viel Geld angehäuft aber ihm geht es nicht um Reichtum, den er irgendwo im Exil genießen will. Das Geld ist nur ein Instrument der Macht“.

Ralf Leonhard war in den 1980er und 1990er Jahren mehr als 14 Jahre als Korrespondent in Nicaragua und hat das Land im vergangenen Mai zuletzt besucht.

LATEINAMERIKA IM SUPERWAHLJAHR 2018 – Zwischen Rechtsruck und Paradigmenwechsel

Eine Analyse des Lateinamerika-Experten Leo Gabriel

Es ist fast ein Vierteljahrhundert her, dass in der Mehrzahl der Länder auf dem lateinamerikanischen Kontinent innerhalb eines Jahres gewählt wurde. Damals, ein paar Jahre nach der so genannten „Wende“ in Europa, wurde der in die Amtszeit von George Bush Senior fallende Aufstieg der Rechten durch die Abwahl der Sandinisten eingeleitet. Heute, da sich in Mexiko, El Salvador, Costa Rica, Kolumbien, Venezuela, Brasilien und  Paraguay linksliberale und rechtsextreme KandidatInnen auf Präsidentschafts- oder Parlamentswahlen (meist sogar beides) vorbereiten, scheint die Lage ähnlich zu sein.

Bereits in den beiden Vorjahren haben in Argentinien mit Mauricio Macri, in Chile mit Sebastián Piñera, in Peru mit Pedro Pablo Kuczynski, in Guatemala mit Jimmy Morales und mit Juan Orlando Hernández  in Honduras dem in der letzten Dekade erfolgten, kometenhaften Aufstieg der Phalanx linker Präsidenten wie Hugo Chavez (Venezuela), Daniel Ortega (Nicaragua), Salvador Sanchez Ceren (El Salvador), Rafael Correa (Ecuador), Evo Morales (Bolivien), Ricardo Lugo (Paraguay), Pepe Mujica (Uruguay) und Christina Kirchner (Argentinien) durchbrochen oder zumindest ein ultrakonservatives Gegengewicht entgegengesetzt. Ist damit das Ende der roten Fahnenstange erreicht, von der Fidel Castro einmal behauptet hatte, sie stelle die „zweite Unabhängigkeit“ (la segunda independencia) dar?

Mexiko: Hoffnung auf Wahlen ohne Betrug
Diese Frage ist so leicht nicht zu beantworten. Denn die beiden Giganten des lateinamerikanischen Kontinents, Mexiko und Brasilien, befinden sich gerade jetzt in einem Wahlkampf der kontroversieller nicht sein könnte. In Mexiko liegt bei den für den 6. Juni anberaumten Wahlen Andres Manuel López Obrador (AMLO), der Kandidat der linken MORENA-Partei, der bereits zum dritten Mal antritt, den Meinungsumfragen zufolge um mehr als 15 Prozentpunkte an der Spitze, gefolgt von Ricardo Anaya, der sowohl die rechtskonservative Partido de Acción Nacional (PAN) als auch die ehemals sozialdemokratisch orientierte Partido de la Revolución Democrática (PRD) repräsentiert. Weit abgeschlagen ist den Umfragen zufolge José Antonio Meade, der Kandidat der historischen Partido Revolucionario Institucional (PRI , aus der der völlig diskreditierte gegenwärtige Präsident Enrique Peña Nieto hervorgegangen ist.

„Wenn alles mit rechten Dingen zuginge müsste AMLO gewinnen“, sagen die allermeisten MexikanerInnen. Doch das ist gerade das Problem in einem Land, dem nicht zu Unrecht die Weltmeisterschaft in der Kunst des Wahlbetrugs nachgesagt wird. So hat die Wahl von Juan Orlando Hernandez in Honduras im November vergangenen Jahres, bei der nach der Auszählung von über 50 Prozent der Stimmen plötzlich die Computer ausgefallen sind, Erinnerungen an das Jahr 1988 in Mexiko geweckt, bei der dem Kandidaten der Linken, Cuauhtemoc Cárdenas, der Sieg auf die gleiche Weise aberkannt wurde. Aber auch der Mord an dem linksliberalen Luis Donaldo Colosio im Jahr 1994, der bis heute noch nicht aufgeklärt ist, hat tiefe Spuren im Bewusstsein der  mexikanischen WählerInnen hinterlassen.

Brasilien: Rechtsextremer Kandidat sorgt vor
Ein Konflikt ganz anderer Art zeichnet sich bei den im Oktober anberaumten Wahlen in Brasilien ab, wo es der politischen Rechten im Mai 2016 gelungen war, die amtierende Präsidentin Dilma Roussef in einem Staatsstreich ähnlichen Impeachment-Verfahren abzusetzen und durch den der Korruption verdächtigen Michel Temer von der Regierungspartei Demokratische Bewegung Brasiliens (PMDB) zu ersetzen. Nachdem bekannt wurde, dass der Vorgänger Roussefs, der allseits  beliebte Gewerkschaftler Luiz Inácio „Lula“ da Silva, mit ebenso hohen Werten wie Manuel Lopez Obrador in Mexiko an der Spitze der Meinungsumfragen steht, wurde er von einem Gericht in zweiter Instanz wegen eines unbewiesenen Hauskaufs, den ihm angeblich der Baulöwe Odebrecht zugeschanzt hätte,  zu 12 Jahren Haft verurteilt.

Das ist einer der Gründe, warum der Wahlkampf zurzeit nahtlos in einen Straßenkampf überzugehen scheint. So hat der rechtsextreme Präsidentschaftskandidat  Jair Bolsonaro dafür gesorgt, dass der Gouverneur von Río de Janeiro nach einem sehr regierungskritischen pro-Lula Karneval über diese Weltstadt den Ausnahmezustand verhängt. Aber auch die ehemalige Umweltministerin Marina da Silva, die sich schon vor Jahren von Lula getrennt hatte, kann sich Chancen ausrechnen, das höchste Amt im Staat zu erlangen.

Kolumbien: Spannungen erwartet
Ähnliche Spannungen zeichnen sich auch in Kolumbien ab, wo Iván Duque, ein enger Vertrauter des Rechtspopulisten und Kriegshetzers, des ehemalige Langzeitpräsidenten Alvaro Uribe auf die linksliberale Koalition unter Führung von Gustavo Petro stößt, auf den Anfang März ein Anschlag verübt wurde.

Costa Rica: Stichwahl im April
Die Liste der konfrontativen Wahlkämpfe könnte beliebig fortgesetzt werden: etwa in Costa Rica, wo sich der bis vor kurzem unbekannte Fabricio Alvarado Muñoz in die erste Reihe katapultiert hat. Vier Jahre lang vertrat der evangelikale Prediger als einziger Abgeordneter die rechtsevangelikalen Splitterpartei Restauración Nacional (RN) im Parlament, wo er gegen Homosexuellenrechte, Abtreibung und vermeintliche „Genderideologie“ in den Bildungsplänen agitierte. Als Präsidentschaftskandidat gewann er am 4. Februar nun mit 24,9 Prozent der Stimmen den ersten Wahlgang und wird im April in der Stichwahl gegen den Kandidaten der sozialdemokratischen Regierungspartei PAC, Carlos Alvarado Quesada, der mit 21,6 Prozent den zweiten Platz belegte, antreten.

Paraguay: Mögliche Linkswende
Dass aber auch ein Comeback der Linksliberalen möglich ist, wenn sie aufhören, sich untereinander zu streiten, zeigen die Wahlprognosen in Paraguay, wo eine breite Allianz zwischen den Liberalen und zwei linken Gruppierungen, denen auch der ehemalige Präsident und Bischof Fernando Lugo angehört, wahrscheinlich die alteingesessene rechtsextreme Colorado-Partei besiegen wird, die Lugo vor einigen Jahren abgesetzt hatte.

El Salvador: Linke geschwächt
Dafür haben im zentralamerikanischen El Salvador die seit 2015 im Amt befindlichen ex-Guerrilleros von der Frente Farabundo Martí de Liberación Nacional (FMLN) bei den letzten Parlamentswahlen gegenüber der rechtsradikalen ARENA-Partei am 4. März eine empfindliche Niederlage erlitten – nicht zuletzt deshalb, weil sie sich allzu sehr auf ihren Propagandaapparat verlassen haben und wenige Erfolge auf dem Gebiet der Wirtschaft (Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und des Banden(un)wesens) nachweisen konnten.

Venezuela: Am Rande der Eskalation
Das gleiche Schicksal könnte auch den venezolanischen Staatspräsidenten Nicolas Maduro treffen, der im Unterschied zu seinem berühmten Vorgänger Hugo Chavez die seit zwei Jahren überhand nehmende Wirtschaftskrise nicht in den Griff bekommt; bloß, dass sich die rechtsradikale Opposition insoweit verschätzt haben dürfte, dass sie mit ihrem Wirtschaftsboykott und einer sich ausufernden Gewaltwelle gegen Maduro auch sich selbst ins eigene Fleisch geschnitten haben und gerade jetzt, wo es darum ginge, in Bezug auf die am 20. Mai stattfindenden Wahlen vor der notleidenden Bevölkerung ein Bild der Einheit zu zeigen, heillos zerstritten sind. Das wiederum befeuert die Gerüchteküche, der zufolge es Donald Trump darauf abgesehen hätte, eine direkte militärische Intervention zu wagen, die jedoch angesichts der Unterstützung der venezolanischen Armee für den Nachfolger von Hugo Chavez wenig aussichtsreich wäre.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es je nach Land, durchaus unterschiedliche Szenarien gibt, welche noch keine Einschätzung, was das daraus resultierende Gesamtbild betrifft, zulassen. Der Teufel liegt im Detail – oder am Ende doch, wie schon so oft in der Geschichte Lateinamerikas, im Weißen Haus in Washington?

Für Interviews und weitere Infos:
Mexiko-Zentralamerika, Brasilien und Venezuela – Leo Gabriel: lgabriel@gmx.net

Kolumbien – Ralf Leonhard: ralf.leonhard@aon.at

Guatemala – Hermann Klosius: igla@aon.at

Paraguay – Georg Grünberg: grunberg@lai.at

Nachrichten und Analysen zu Lateinamerika finden Sie z.B. auch unter: https://amerika21.de/


Leo Gabriel ist Lateinamerika-Experte, freier Journalist beim ORF und befindet sich derzeit beim Sozialforum 2018 in Salvador de Bahia.

 

 

Lesung: „Die Rache der Mercedes Lima“, 21. September in Wien

Am „Internationalen Tag des Friedens“ der Vereinten Nationen am 21. September 2017 wird der Journalist und Schriftsteller Arnoldo Gálvez Suárez, im Gespräch mit Ilija Trojanow seinen jüngsten Roman „Die Rache der Mercedes Lima“ im C3-Centrum für Internationale Entwicklung vorstellen.

Arnoldo Gálvez Suárez, geboren 1982 in Guatemala-Stadt, gilt als eine der wichtigsten jungen Stimmen Zentralamerikas. Sein Debütroman „Los Jueces“ (2008) wurde mit dem „Mario Monteforte Toledo Prize for Fiction“ ausgezeichnet. Der vorliegende Roman – sein erster ins Deutsche übersetzter – erhielt 2015 den „BAM Letras Prize for Fiction“.

Das literarische Schreiben brachte ihn auch zum Journalismus, zu einer Zeit da die digitalen Medien in Zentralamerika profunde Recherchen und essayistische journalistische Texte förderten. Diese Entwicklung ermöglichte JournalistInnen eine Pressefreiheit und Unabhängigkeit, die sie in den traditionellen Redaktionen der Printmedien ihrer Länder nicht vorfanden. So entstand beispielsweise über mehrere Monate eine Chronik über das Leben im Gefängnis in Guatemala, die die rezente Geschichte des Landes beleuchtete und Einblick in die Machtspiele der Politiker bot. https://www.plazapublica.com.gt/content/el-circulo-rojo-i

Seit 2011 lehrt der Journalist nun am Department für Journalismus an der Universidad Rafael Landívar und koordiniert von Guatemala aus das Kommunikationsteam der NGO interpeace, einer unabhängigen internationalen Organisation für Friedensarbeit mit Sitz in Genf, die sich der Aufgabe widmet in rund 20 Ländern friedensbildende Maßnahmen zu lancieren. http://www.interpeace.org/wp-content/uploads/2015/11/2015_10_Four_Perspectives_Resilience_Guatemala.pdf

Zur Buchpräsentation (…)   http://www.centrum3.at/veranstaltungscentrum/veranstaltungskalender/detail/?tx_kbeventboard_pi1%5Bevt%5D=188

Mexiko zwischen Mythos und Revolution

André Breton hat Mexiko einmal eine „Wiege des Surrealismus“ genannt. Er bezog sich dabei nicht nur auf die indigenen Masken, hinter denen sich oft eine hinter- und manchmal auch abgründige Seele befindet, welche die MexikanerInnen oft als Erbe der Malinche identifizieren – jener indigenen Frau, die den spanischen Eroberer Hernán Cortes dabei zur Seite stand, als er Mexiko eroberte. Der österreichische Sozialanthropologe und Journalist Leo Gabriel ist seit Beginn der 1970er Jahre dieser Doppelbödigkeit der mexikanischen Wesensart nachgegangen und hat sie in den zeitgenössischen politischen Konflikten wiederentdeckt.

An Hand von selbstgedrehten Filmausschnitten, die von der zapatistischen gemeindeeigenen Polizei im Bundesstaat Guerrero bis zum heutigen Flüchtlingsdrama an der Grenze zu den USA reichen stellt Gabriel dem Mythos vom besseren Leben eine von Angst, Verfolgung und Repression gezeichnete Realität gegenüber, welche vor genau 100 Jahren eine Revolution hervorgebracht hat, der über eine Million Menschen zum Opfer gefallen waren.

Wann: 18.05.2017, 19 Uhr, um Anmeldung wird ersucht reception@k-haus.at , 18 Uhr, Kuratorinnenführung, Margret Kohler-Heilingsetzer
Ort: Künstlerhaus Stolberggasse 26, 1050 Wien
Veranstalter: Künstlerhaus
Filmausschnitte und Diskussion
Im Rahmen von DIE ROTE WAND

Die Veranstaltung findet anlässlich der Ausstellung „Das Bessere Leben“ (bis 20. Mai 2017) statt.

Dr. Leo Gabriel
geb. am 27.07.1945 in Neunkirchen; Mexikoexperte, Publizist, Filmemacher und Sozialanthropologe. Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für interkulturelle Forschung und Zusammenarbeit (ehem. Ludwig Boltzmann Institut für zeitgenössische Lateinamerikaforschung) in Wien.
Lebte 25 Jahre in Lateinamerika, wo er die unabhängige Presseagentur APIA leitete und sozialanthropologische Forschungsprojekte in Nicaragua, El Salvador und Mexiko im Auftrag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften durchführte. Mitherausgeber der Zeitschrift Lateinamerika Anders.
Mitglied des Internationalen Rates des Weltsozialforums und Koordinator der Friedensinitiative www.peaceinsyria.org

Mag.Margret Kohler-Heilingsetzer, Kuratorin, Künstlerin
vor Veranstaltung, um 18 Uhr Kuratorinnenführung
Nähere Infos: office@k-haus.at

Guatemala: Einsatz für global Gerechtigkeit – ExpertInnen zu Gast in Wien

MUT.MACHT.GESELLSCHAFT

Menschenrechtsaktivisten Hilda Elizabeth Cabrera López und Elvis Santiago Morales Sican zu Gast in Wien:

Buchpräsentation und Diskussion: DAS WEIBLICHE GESICHT DES WIDERSTANDS – Der Kampf indigener Aktivistinnen gegen Unterdrückung und Gewalt in Guatemala, am 26. April 2017, 19h im Afro-Asiatischen-Insitut (Einladung)

Interviewmöglichkeiten mit den beiden Gästen in Wien von 24. – 30. April 2017 in Wien. Kontakt: wien@welthaus.at, +43 (676) 491 8562 (Info zu den Gästen)

Hilda Elizabeth Cabrera López lebt in Guatemala
Stadt und ist die Programmkoordinatorin von MIRIAM-Guatemala, einer Organisation zur Förderung der Aus-, Fach-, und Weiterbildung von insbesondere indigenen Frauen. Sie ist
Soziologin und war selbst Stipendiatin von MIRIAM. Sie gibt
Workshops zur Mediation von Konflikten in Gemeinden. Denn in Guatemala haben sich das Schweigen und die
Angst als Überlebensstrategie durchgesetzt und um den
Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen muss gemeinsam
gehandelt und zum Umdenken bewegt werden. Bildung ist für
junge indigene Frauen ein Weg, um ihren Lebensweg selbst zu
bestimmen. Beratung und Begleitung zur Bewältigung von
Gewalterfahrungen und die gleichzeitige Stärkung durch den
Rückhalt der Gruppe und das Reflektieren des eigenen
Lebensprojekts ergänzen ihre Arbeit.

Elvis Santiago Morales Sican, aus San Lucas Tolimán, Guatemala, ist für die Beratung und Begleitung von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern zuständig. Als Agraringenieur ist er überzeugt, dass der Erhalt alten Wissens und traditioneller Praktiken in der Landwirtschaft eine Lösung für die anhaltende Armut und Unterernährung am Land ist. „Denn“, so Elvis Morales, „wir wurden geschaffen um glücklich zu sein.“ Das „Bauern und Bäuerinnen-Komitee des Hochlands“, kurz CCDA, ist Vorreiter der Biolandwirtschaft und des Ökotourismus in der Region. Von Kursen in ökologischer und biodynamischer Landwirtschaft bis hin zum
Widerstand gegen die aktuelle Bergbau-Politik basieren alle Themen der Organisation auf dem Konzept des Guten Lebens. (Buen Vivir)

 

„Suff und Sühne“: Lesung und Gespräch mit Gary Victor (Haiti) in Dornbirn, Innsbruck, Linz und Graz

Bildrechte: (c) Pedro Ruiz

 Gary Victor liest in ganz Österreich aus seinem neuen Krimi „Suff und Sühne“, im Anschluss an die Lesung folgt ein Autorengespräch. Wolfgang Klingler liest auf deutsch.

In „Suff und Sühne“ dreht sich wieder alles um Inspektor Azémar, einen Ausnahmepolizisten, der die abstrusesten Fälle aufklärt, aber da er sich der allgemeinen Korruption verweigert, als Versager gilt, dem nur noch der Alkohol Trost spenden kann. Die von seinem Vorgesetzten verordnete Entziehungskur trifft ihn daher besonders hart. Ausgerechnet jetzt wird er mit einem neuen Fall konfrontiert. Die Spur führt zum UN-Militärkontingent in Haiti. Was verbirgt sich hinter dem angeblichen Selbstmord eines Generals? Wer hat den Sohn einer der mächtigsten Familien des Landes entführen lassen? Was hat der Bandenchef mit dem seltsamen Namen Raskolnikow damit zu tun? Als Azémar begreift, wie alles zusammenhängt, kann er sich ein weiteres Mal nur auf seine Beretta und seine Reflexe verlassen …

Gary Victor, geboren 1958 in Port-au-Prince, Haiti, ursprünglich Agronom, gehört zu den meistgelesenen Schriftstellern seines Landes. Viele seiner Gestalten sind zu feststehenden Typen geworden. Außer Romanen, Erzählungen und Theaterstücken, für die er mit mehreren Preisen, darunter dem Prix du livre RFO und dem Prix littéraire des Caraïbes ausgezeichnet wurde, schreibt er auch Beiträge für Rundfunk und Fernsehen, die in Haiti regelmäßig für Aufregung sorgen. Sein schonungsloser Blick auf die Gesellschaft stellt ihn in die Tradition der Sozialromane des 19. Jahrhunderts und macht ihn zum subversivsten Gegenwartsautor Haitis.

Der Autor wird begleitet von seinem Verleger Peter Trier (litradukt).

Wann: 27.3.2017, 19h
Wo: Spielboden Dornbirn, Veranstaltungssaal
Kontakt: suedwind.vbg@suedwind.at

Wann: 28.3.2017, 19 Uhr,
Wo: Buchhandlung liber wiederin Innsbruck
Kontakt: suedwind.tirol@suedwind.at

Wann:29.3.2017, 19h
Wo: Stadtbibliothek Graz Nord
Kontakt: suedwind.stmk@suedwind.at

Wann: 30.3.2017, 19h
Wo: Gasthaus Alte Welt, Hauptplatz 4, 4020 Linz
Kontakt: ooe@suedwind.at

Die Veranstaltung wird organsiert von Südwind.

http://bit.ly/2mmXl3u

Nicaragua setzt in Zeiten des Klimawandels auf erneuerbare Energien

Von Leo Gabriel

Nicaragua zählt nicht nur zu den vom Klimawandel am meisten betroffenen Ländern, sondern ist auch das Land mit den meisten Ressourcen an erneuerbarer Energie. Trotz des noch immer drohenden Baus eines interozeanischen Kanals und trotz der kostengünstigen Erdöllieferungen aus Venezuela hat sich Nicaragua zum ökologischen Spitzenreiter im mittelamerikanischen Raum gemausert.

Davon war allerdings nicht die Rede, als wir uns mit einer Spitzengeschwindigkeit von 40 km/h bei Salinas de Nahualapa im Departamento Rivas der Pazifikküste näherten. Bei über 40 Grad im Schatten schien es als hätten die BewohnerInnen dieser Indígena-Gemeinde außer ihrem eigenen Schweiß noch nie einen Tropfen Wasser gesehen. Es war nun schon das dritte Jahr, dass die Ernte nicht ausreichte, um die Bevölkerung mit den notwendigsten Grundnahrungsmitteln zu versorgen. Kein Wunder, dass selbst das Salzwerk, das dem Ort den Namen gegeben hatte, in Konkurs gegangen war.

Versammlung der Indígena-Gemeinde in Salinas de Nahualapa
Versammlung der Indígena-Gemeinde in Salinas de Nahualapa

„Nichts geht mehr“, klagte der alte Gemeindevorsteher, der sichtlich schon bessere Zeiten erlebt hatte, „wenn nicht bald der Kanal kommt und Arbeitsplätze schafft, gehen wir hier vor die Hunde.“ Doch der interozeanische Kanal, dessen Mündung im nahegelegenen Brito gebaut werden sollte, läßt auf sich warten. Und warten ist auch die Hauptbeschäftigung der Indígenas, die zu Millionen im trópico seco leben, seitdem der Klimawandel in Zentralamerika voll zugeschlagen hat.

Versalzte Erde in Salinas
Versalzte Erde in Salinas

Der cambio climático (Klimawandel) war seit Jahrzehnten allseits bekannt und ist unter den Bauern zum geflügelten Wort geworden, doch dagegen etwas unternommen hat kaum jemand – mit einer Ausnahme: Bereits bald nach der Wiederwahl des Sandinistenkommandanten Daniel Ortega zum nicaraguanischen Staatspräsidenten im Jahr 2007 machte sich die Regierung daran, das an erneuerbarer Energie (Sonne, Wasser, Wind und Biomasse) reich dotierte Land umzupolen. Während Nicaragua als Mitglied der vom verstorbenen venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez ins Leben gerufenen ALBA (Alianza Bolivariana de las Americas) einerseits in den Genuss billigen Erdöls kam, begann die sandinistische Regierung mit dem Bau von Wasserkraftwerken im Norden und den so genannten „Windparks“ (parques eólicos) im Süden des Landes. Etwas später wurde mit Hilfe dänischer EntwicklungsexpertInnen auch die thermische Energie der vulkanreichen Erde genutzt und auch die Solarpannels kamen in Mode.

Windenergie in Rivas
Windenergie in Rivas

Unabhängigen Quellen zufolge wird derzeit 81,7 Prozent des Bedarfs an Elektrizität durch erneuerbare Energien gedeckt. Davon entfallen auf die Windenergie 31 Prozent, Wasserenergie 27,5 Prozent und Geothermik 23,2 Prozent.

Als der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon Ende Juli 2014 Nicaragua besuchte, war er so begeistert, dass er sagte, die ganze Welt möge sich ein Beispiel an Nicaragua nehmen und bis zum Jahr 2030 ihren Energiebedarf hauptsächlich mit erneuerbaren Energien abdecken. Die nicaraguanische Regierung wiederum erklärt, bis 2017 90 Prozent des Energiebedarfs mit erneuerbaren Energien abdecken zu können. Bis dahin soll nämlich das Wasserkraftwerk El Tumarín fertiggestellt sein, dessen Bau im Vorjahr begonnen hat.

Wie dem immer auch sei: es bleibt zu hoffen, dass die enormen Wasserressourcen, über die das Land verfügt, auf Umwegen auch der verarmten Indígena-Gemeinde von Salinas de Nahualapa zu Gute kommen wird. Ein erstes Zeichen dafür ist jedenfalls das strategische Projekt, in Bobobké an der von Indígenas besiedelten Atlantikküste Nicaraguas, ein weiteres Wasserkraftwerk zu errichten.


Leo Gabriel ist Journalist, Anthropologe und Mitglied des Internationalen Rates des Weltsozialforums.