Alles für alle – oder die Erfolgsstrategie für eine bessere Welt?
Von Friedbert Ottacher
Am 25. September werden PräsidentInnen und PremierministerInnen aus 193 UN-Mitgliedsstaaten in New York die Agenda der Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals SDGs) beschließen. Von österreichischer Seite werden u.a. BP Heinz Fischer, BM Sebastian Kurz, BMin Gabriele Heinisch-Hosek und BM Andrä Rupprechter dabei sein. Die SDGs stellen den Anspruch, eine neue Ära in der globalen Entwicklung einzuläuten. Um den Paradigmenwechsel nachvollziehen zu können, lohnt sich ein Blick zurück.
Die Millenniums Entwicklungsziele (MDGs), deren Ära mit Beschlussfassung der SDGs zu Ende geht, wurden vor 15 Jahren unterzeichnet. Die acht Ziele wurden im stillen Kämmerlein ausgearbeitet und betrafen bis auf eines alleinig die Entwicklungsländer. Die Bilanz heute kann sich durchaus sehen lassen, besonders in den Schwellenländern wurden aufgrund der positiven Wirtschaftsentwicklung die meisten Ziele wie die Halbierung der Armut, höhere Einschulungsraten und bessere Gesundheitsversorgung erreicht. In Afrika südlich der Sahara wurde keines der Ziele ganz realisiert, dennoch gab es deutliche Fortschritte: so gehen heute vier von fünf Kindern in die Volksschule, die Kindersterblichkeit wurde halbiert und die Versorgung von HIV-positiven Menschen mit Medikamenten massiv ausgeweitet.
Hundertschaften an ExpertInnen der Vereinten Nationen, der Mitgliedsstaaten und Organisationen der Zivilgesellschaft handelten die SDGs aus – und dementsprechend umfassend präsentieren sie sich. Sie gehen auch weit über das hinaus, was generell unter Entwicklungspolitik verstanden wird – denn die 17 Themen und 169 Ziele umfassen alle großen Politikfelder – von klassischen Entwicklungsthemen wie Bekämpfung der Armut und des Hungers genauso wie den Schutz der Ökosysteme, Gleichstellung zwischen Mann und Frau, globale Vollbeschäftigung und nachhaltiges Konsumverhalten. Von einen gigantischen Wunschzettel, der weniger realistische Ziele als vielmehr Träumereien zum Inhalt hat, sprechen die KritikerInnen.
Der Ball bei der Umsetzung der SDGs liegt auch nicht mehr bei den Entwicklungsländern allein, sondern bei allen Schwellen- und Industrieländern gleichermaßen. Jede Regierung ist gefordert, ihren Aktionsplan zur Umsetzung der SDGs im eigenen Land vorzulegen – und dessen Umsetzung zu überprüfen.
Für Österreich bedeutet das, für jedes der 169 Ziele Erfolgsindikatoren zu beschließen – beispielsweise unter Themenfeld 1 „Bekämpfung der Armut“ festzuschreiben, wie viele Menschen jedes Jahr über die Armutsgrenze gehievt werden sollen. Oder wie die Diskriminierung von Frauen in Führungspositionen in Österreich nachhaltig beendet werden kann. Oder wie wir unseren Verpflichtungen auf internationaler Ebene endlich nachkommen wollen.
Die SDGs wollen auf globaler Ebene eine neue Form der Zusammenarbeit etablieren, es soll keine Entwicklungszusammenarbeit mehr geben, sondern nur mehr eine internationale Zusammenarbeit, die alle gleichermaßen in die Pflicht nimmt. Eine offene Frage ist die Finanzierung der SDGs, besonders in den Entwicklungsländern. Hier blieb man vage und hofft auf höheres Steueraufkommen in den Entwicklungsländern selber und die Beteiligung der Privatwirtschaft, die zunehmend als wesentlichste Entwicklungsakteurin wahrgenommen wird.
Ob die unübersichtlichen SDGs eine vergleichbare Wirkmacht wie die vergleichsweise konkreten MDGs entfalten werden, bleibt abzuwarten, viele Fragen sind noch offen. Auf alle Fälle kann das nur gelingen, wenn ihre BefürworterInnen es bald schaffen, die „Geschichte der Entwicklung“ neu und überzeugend zu erzählen. Denn auch 15 Jahre können schnell vergehen.
Friedbert Ottacher arbeitet als Berater, Trainer und Autor zur EZA in Wien. Er verfügt über 15 Jahre Praxis als Programmreferent und betreute Projekte u.a. in Pakistan, Palästina, Albanien, Äthiopien, Südsudan, Simbabwe und Mosambik. Er lehrt an der TU Wien und ist gemeinsam mit Thomas Vogel Autor des vor kurzem erschienen Buches „Entwicklungszusammenarbeit im Umbruch: Bilanz-Kritik-Perspektiven“. In Interviews und Gastkommentaren beschäftigt er sich mit aktuellen Fragen und Trends der internationalen Zusammenarbeit.
www.ottacher.at
Transforming our world:
The 2030 Agenda for Sustainable Development
Deklaration, die voraussichtlich bei der UN-Generalversammlung am 25. September beschlossen wird.
SDGs zwischen Anspruch und Umsetzung
Hilde Wipfel hat das UN-Dokument durchgesehen und auf zwei Seiten kompakt ihre Analyse festgehalten.
Auf die Plätze, fertig …
Nora Holzmann hat im Südwind-Magazin die SDGs zum Anlass genommen, um bei österreichischen PolitikerInnen nachzufragen, was sie darüber denken und welche Standpunkte sie zu Entwicklungspolitik allgemein vertreten.
The Global Goals For Sustainable Development
How to communicate the sustainable development goals to the public. Überlegungen von Will Tucker im The Guardian.
Video: The Worls Largest Lesson. Introduced by Malala Yousafzai