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Der illegale Handel mit Kulturgütern

Kaum beachtet, aber ein Riesengeschäft: Mit geraubten Antiken werden Milliarden gemacht.

Aktuell kommen sie oft aus Syrien (Stichwort Palmyra), dem Irak oder Ägypten: Antike Objekte werden oft geraubt und aus den Herkunftsländer geschmuggelt. Vieles landet in Europa, nicht zuletzt in Wien. Der Handel mit Statuen, Mosaiken etc. ist ein „big business“.

Wie aktuelle Berichte zeigen, wird der Umsatz auf sechs bis acht Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.
Den ErmittlerInnen sind oft die Hände gebunden: Wenn die Polizei Objekte in die Hände bekommt ist es laut Bundeskriminalamt meist nicht möglich, nachzuweisen, dass sie geraubt und geschmuggelt wurden.

Aber es tut sich was, auch in Österreich: ArchäologInnen, JuristInnen und KulturfahnderInnen vernetzen sich, um besser aktiv werden zu können. Und: Es wurde ein neues Gesetz, das Kulturgüterrückgabegesetz, auf den Weg gebracht, das Abhilfe schaffen soll.

Nur: Das Gesetz wird von vielen ExpertInnen heftig kritisiert. Beispiel  Aufzeichnungen: Nachweise von Erwerbungen müssen demnach nur sieben Jahre lang aufbewahrt werden. HändlerInnen illegaler Ware könnten ganz einfach darauf verweisen, dass der Erwerb länger als sieben Jahre zurückliegt, befürchtet etwa das Bundeskriminalamt (BK). Das BK hatte gefordert, dass diese Aufbewahrungsfrist zumindest auf 30 Jahre ausgeweitet wird. Ist das neue Gesetz also eine vertane Chance?


Infos dazu:

Artikel im Südwind-Magazin

Sendereihe auf Ö1 von 7.3.-11.3. (9:30 Uhr jeweils) zum Nachhören

Buch „Das schmutzige Geschäft mit der Antike -Der globale Handel mit illegalen Kulturgütern“ von Günther Wessel

Andreas Schmidt-Colinet, ist Archäologe, der sich schon lange mit der Thematik beschäftigt – er lebt u.a. auch in Wien und hat in Palmyra geforscht.

Kulturgutfahndung im Bundeskriminalamt

Forschungsgesellschaft Kunst & Recht (arbeitet immer wieder zu rechtlichen Aspekten, u.a. im „Bulletin Kunst & Recht“)

Weitere Infos & Kontakte auf Anfrage!

Die Seele der Revolution lebt noch

Von Nermin Ismail

Stau. Hitze. Auf den Straßen Kairos geht nichts weiter. Laute Musik ertönt aus den einzelnen Autos. Meist Lieder, die die Nation und die Heimat preisen und von der Liebe zu Ägypten sprechen. Zwei Frauen sitzen am Fenster des Autos und halten sich mit einer Hand am Dach fest, mit der anderen schwingen sie die ägyptische Fahne: Rot-Weiß-Schwarz ist omnipräsent.

Der sechste August wurde zum neuen Nationalfeiertag erklärt. Unter dem Motto „Masr betefrah“ („Ägypten freut sich“) gingen viele Menschen auf die Straße, um den neuen Suezkanal zu feiern, das Prestigeprojekt des Militärregimes.

„Unser Präsident tat das Unmögliche. In nur einem Jahr wurde ein neuer Suezkanal erbaut“, erklärt eine ältere Dame.

Acht Billionen Dollar kostete der Ausbau des Kanals, die Feierlichkeiten 30 Millionen. Geld mit dem die Regierung unter Abdel Fattah al-Sissi viel größere Probleme im Land hätte angehen können, wie die Obdachlosigkeit, die Armut oder das unrühmliche Bildungssystem. „Ägyptens Geschenk für die Welt“, steht in blauer Schrift auf Plakaten. Doch nichtägyptische Medien berichteten eher negativ über die Ausweitung des Kanals. Das teure Geschenk, sei nicht notwendig gewesen, titulierte The Washington Post. Das Projekt sei eher von politischem Kalkül als von wirtschaftlicher Bedeutsamkeit getragen. Zur Stärkung seiner Popularität wählte al-Sissi das wichtigste Symbol der nationalen Unabhängigkeit Ägyptens – den Suezkanal.

Neues (Anti-)Terrorgesetz
Eine Stimmung der Angst ist spürbar, so wie ein Gefühl der Unsicherheit. Mitte August explodierte ein Auto vor einem Gebäude der Sicherheitskräfte im Norden der Stadt. Der IS bekannte sich zum Anschlag, bei dem 29 Menschen verletzt wurden. Erst im Juni starb der Generalstaatsanwalt Hisham Barakat nach einem Attentat auf seinen Autokonvoi. Wenige Tage nach der Eröffnung des Suezkanals ist ein neues Anti-Terrorgesetz in Kraft getreten. JournalistInnen, die von den offiziellen Meldungen ägyptischer Behörden abweichen, drohen hohe Geldstrafen von bis zu 500.000 ägyptische Pfund. Auslöser dafür war die Berichterstattung über eine Anschlagserie Anfang Juli am Sinai, bei der 21 Soldaten umkamen. Seit dem Sturz des demokratisch gewählten Mohamed Mursi, kämpft die Armee vermehrt gegen Jihadisten auf dem Sinai. So wurde auch das Strafgesetzbuch in Sachen Ahndung terroristischer Aktivitäten verschärft. Das neue Gesetz sei ein Ersatz für das Notstandsgesetz, das zu Mubaraks Zeiten der Polizei mehr Rechte einräumte und die Meinungsfreiheit einschränkte, erklärt Wael Eskandar, Autor und Aktivist, im The Guardian.

„Ich soll mich über den neuen Suezkanal freuen? Warum? Hab ich denn vom alten was gehabt?“, fragt sich der junge Schauspieler auf der Bühne.

Verzweifelte Jugend
„1980 und hinauf“, ist der Name eines Theaterstücks, in dem die Generation der jungen Ägypter vorgestellt wird und sich über  politische Geschehnisse lustig macht. In den sozialen Netzwerken kursieren Bilder von Menschen, die während der Revolution gestorben sind, Fotos von Straßenkindern und andere Aufnahmen, die von Armut und Hoffnungslosigkeit in Ägypten zeugen – zynisch kommentiert mit dem Regierungsmotto anlässlich der Einweihung des Suezkanals: „Ägypten freut sich“.

„Die Revolution 2011 war ein Traum. Wir sind jetzt aufgewacht, mitten in einem Albtraum unter einer verblendeten Masse, die sich alles vom Staat und den Medien sagen lässt und nur ans Überleben denkt“, erzählt der junge Architekt Mohamed.

Von der damaligen Euphorie ist vier Jahre später kaum etwas übrig geblieben. Viele seiner Freunde möchten auswandern, er nicht:

„Das Leben ist hier ein Kampf. Alles richtet sich gegen dich. Deswegen müssen wir hier bleiben und kämpfen, damit sich etwas ändert. Die Revolution hat uns, auch wenn nur für eine kurze Zeit, gezeigt, was es heißt frei zu sein.“

Gerne denkt Mohamed an die ersten Tage der Revolution zurück. Damals als die Ägypter und Ägypterinnen vereint gegen die Repression des Mubarak-Regimes und die Polizeigewalt aufstanden. Er trauert diesen Tagen nach, auch seinen Freunden, die er in den letzten Jahren verloren hat.

„Der jetzige Präsident ist nicht demokratisch gewählt, er wurde vom Militär eingesetzt. Wir hatten keine wirkliche Wahl.“

Mohamed ist er erzürnt. Im Sommer vor zwei Jahren fand die Räumung des Protestlagers in Rabaa statt.

„Tausende Menschen verloren ihr Leben bei der Räumung, als das Militär die Demonstrationen für die Legitimität des Präsidenten im wahrsten Sinne des Wortes erlosch.“

2011 ging Ägypten einen Schritt nach vorn, heute sei das Land mehrere Schritte zurückgegangen. Die Seele der Revolution lebe dennoch in dieser Generation weiter, so einfach werde sie nicht sterben und sie wird wieder erwachen, hofft Mohamed. Im Moment seien die Kräfte zu gespalten, doch irgendwann wird dieses System scheitern, weil es repressiv ist und dann ist Zeit für die Fortsetzung der Revolution.


Nermin Ismail ist Politikwissenschaftlerin und freie Journalistin in Wien. Sie reist viel im arabischen Raum und analysiert die aktuellen Geschehnisse. Neben ihren Publikationen in Printmedien, arbeitet sie auch im ORF. nerminismail.com