Das Fairphone als Erfolgsgeschichte – die nur symbolische Wirkung hat. Der deutsche Soziologe und Elektronik-Industrie-Experte Peter Pawlicki sprach im Rahmen einer ISJE-Veranstaltung Klartext.
Nein, Peter Pawlicki ist keiner, der die Fairphone-Unternehmung ablehnt. Im Gegenteil: Pawlicki, Soziologe mit Fokus auf die Elektronikindustrie, begrüßt die Idee und unterstützt Fairphone. Als ein Vertreter der Wissenschaft ist er Mitglied der Fairphone Arbeitsgruppe „Made with care“, die sich ansieht, wie die Produktionsbedingungen strukturell und schrittweise verbessert werden können.
Er verfolgt die Entwicklungen um Fairphone also ganz genau. Umso interessanter sind dadurch seine Einschätzungen. Und Pawlicki, der Ende November im Rahmen eines JournalistInnen-Workshops von ISJE, FJUM und Clean-IT im C3 in Wien war, ist einer, der Klartext spricht: Wird das Fairphone etwas verändern können? Der Soziologe verweist auf die Relation: 35.000 Exemplare ließ Fairphone in einer zweiten Serie im Jahr 2014 produzieren. Pawlicki: „Selbst wenn Fairphone demnächst 50.000 produzieren lässt – wen interessiert das?“, so der Deutsche provokant. Denn zum Vergleich: Das neue iPhone wurde allein am ersten Wochende mehr als zehn Million mal verkauft.
Wegen der kleinen Stückzahl war es laut Pawlicki am Anfang sogar schwierig, Zuliefer-Betriebe zu finden, die die Fairphones herstellen wollen. Die zweiwöchige Produktion ist alles andere als ein großes Geschäft.
Beim Fairphone, so Pawlicki weiter, „geht es nicht darum, von heute auf morgen etwas zu verändern, sondern zu zeigen, dass andere Wege möglich sind“.
Und abseits von Smartphones? Am ehesten von allen IT-Geräten sei noch die Computermaus „fair“ herstellbar (siehe auch den Versuch durch Nager IT), bei allen anderen scheitert es an den vielen Komponenten, aus denen die Produkte bestehen.
Grundsätzlich sieht Pawlicki bei der globalen Elektronikindustrie, die sich nicht zuletzt auf China konzentriert und bei der in vielen Fällen Menschen auf unterschiedlichste Weise ausgebeutet werden, ein strukturelles Problem: Die Zuliefer-Netzwerke sind streng hierarchisch, und sehr konzentriert. Von oben nach unten wird Druck weitergegeben.
Markenfirmen wie Samsung, Apple oder HP fahren die großen Gewinne ein, während schon die Hersteller wie Pegatron oder Quanta Acht geben müssen, da jeder Fehltritt finanzielle Probleme bedeuten könnten (Foxconn bleibe hier eine Ausnahme).
Bewusster Einkauf (allein) sei keine Lösung. Für Pawlicki ist eine „Hebelwirkung“ notwendig: Es müssten Regulierungen her, auf staatlicher und EU-Ebene. Das habe in anderen Bereichen sehr wohl funktioniert. Zudem brauche es weiterhin von NGOs & Co eine zivilgesellschaftliche Initiative sowie öffentliche Beschaffung, die auf fair hergestellte Produkte setzt. (sol)
Peter Pawlicki arbeitete lange Zeit am Institut für Sozialforschung der Universität Frankfurt an mehreren Forschungsprojekten zur internationalen Arbeitsteilung in der Elektronikindustrie. Im Rahmen seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit Entwicklungsnetzwerken der Halbleitersparte. Zuletzt arbeitet er bei der IG Metall als Projektsekretär zum Thema Arbeit und Innovation. Er ist Mitglied des internationalen GoodElectronics Netzwerkes und beobachtet Entwicklungen wie etwa das Fairphone.
Kontakt über die ISJE
Interview mit Peter Pawlicki auf dem Blog „Faire Computer“
In Österreich arbeitet das Clean IT zu dieser Thematik. U.a. will das Projekt ein Netzwerk öffentlicher Akteure etablieren, das auf „saubere“ oder „faire“ IT setzt.
Q&A: Wie (un)fair ist die Elektronikindustrie?