Iran: Zahl der Hinrichtungen wegen Drogendelikten verdreifacht – auch sonstige Hinrichtungen enorm gestiegen

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Die iranischen Behörden haben in diesem Jahr mindestens 173 Personen wegen Drogendelikten hingerichtet, die nach systematisch unfairen Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt wurden. Das sind zwei Drittel aller heuer im Iran vollstreckten Exekutionen; und fast dreimal so viele wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Auch die Zahl der Exekutionen insgesamt hat heuer deutlich zugenommen – mit 282 hingerichteten Menschen sind es fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Wenn die Behörden die Hinrichtungen in diesem alarmierenden Tempo fortsetzen, könnte die Zahl der getöteten Gefangenen bis zum Jahresende bei fast tausend liegen.

Betroffen waren vor allem Menschen aus marginalisierten und wirtschaftlich benachteiligten Verhältnissen. So entfallen rund 20 Prozent der registrierten Hinrichtungen auf Angehörige der verfolgten und verarmten ethnischen Minderheit der Belutsch*innen, obwohl diese nur fünf Prozent der iranischen Bevölkerung ausmacht.

Hinrichtungen wegen Drogendelikten Verstoß gegen das Völkerrecht

„Die Hinrichtung von Menschen wegen Drogendelikten verstößt gegen das Völkerrecht. Die internationale Gemeinschaft muss sicherstellen, dass die Zusammenarbeit in Initiativen zur Bekämpfung des Drogenhandels weder direkt noch indirekt zum willkürlichen Entzug des Lebens und anderen Menschenrechtsverletzungen im Iran beiträgt“, so Diana Eltahawy, stellvertretende Direktorin für die Region Naher Osten und Nordafrika bei Amnesty International, angesichts der veröffentlichten Zahlen.

Den Hinrichtungen im Zusammenhang mit Drogendelikten gehen häufig mangelhafte Ermittlungen der iranischen Antidrogenpolizei und anderer Sicherheitsorgane voraus. Prozesse wegen Drogendelikten werden vor Revolutionsgerichten geführt und sind systematisch unfair, da den Gefangenen das Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren, einschließlich des Zugangs zu einem Rechtsbeistand, verweigert wird und durch Folter erpresste „Geständnisse“ als Beweismittel für ihre Verurteilung verwendet werden.

Amnesty fordert, dass „Staaten und zwischenstaatliche Gremien die iranischen Behörden für diese willkürlichen Hinrichtungen auf das Schärfste verurteilen und ein offizielles Hinrichtungsmoratorium fordern. Ihre Vertreter*innen müssen Gefangene besuchen, die zum Tode verurteilt sind, und sich um eine Teilnahme an Prozessen bemühen, bei denen Todesurteile verhängt werden könnten. Angesichts der Straflosigkeit bei willkürlichen Hinrichtungen müssen sie auch dringend nach sinnvollen Wegen zur Durchsetzung der Rechenschaftspflicht suchen.“

Ausweitung der Hinrichtungswelle

Abgesehen von den genannten Drogendelikten richteten die iranischen Behörden heuer Gefangene auch wegen anderer Handlungen hin, die nach internationalem Recht keinesfalls die Todesstrafe nach sich ziehen dürfen. So wurden etwa zwischen Jänner und Mai 2023 unter anderem fünf Menschen im Zusammenhang mit Protesten hingerichtet; ein Mann wegen „Ehebruchs“, weil er einvernehmliche sexuelle Beziehungen mit einer verheirateten Frau hatte; und zwei Nutzer*innen sozialer Medien unter anderem wegen „Abfall vom Glauben“ und „Beleidigung des Propheten des Islam“.

Tödlicher Krieg gegen Menschen in Armut

Die aktuelle Welle an Hinrichtungen betrifft vor allem schutzbedürftige und in Armut lebende Menschen, da sie ihre Rechte oft nicht kennen und sich keinen unabhängigen Rechtsbeistand leisten können. Die Familien der Hingerichteten haben häufig mit den schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen des Verlusts der Ernährer*in und der hohen Verschuldung aufgrund der Gerichtskosten zu kämpfen.

Die Sicherheitskräfte vergrößern die Qual der Familien zusätzlich, indem sie friedliche Demonstrationen vor den Gefängnissen, in denen Hinrichtungen geplant sind, gewaltsam niederschlagen, wobei Demonstrierende über den Einsatz von Tränengas und scharfer Munition berichten.

HINTERGRUND

Laut dem aktuellen Todesstrafenbericht 2022 von Amnesty International hat der Iran im vergangenen Jahr nach China die meisten Hinrichtungen durchgeführt.

Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und ohne Ausnahme ab, ungeachtet der Art und Umstände des Verbrechens, der Schuld oder Unschuld der Person oder der Hinrichtungsmethode. Die Todesstrafe verletzt das Recht auf Leben und ist die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen.

Rückfragehinweis:
Presseteam Amnesty International Österreich
Eleonore Rudnay
+43-664-400 10 56
E-Mail: eleonore.rudnay@amnesty.at