Kinder ohne Kindheit

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2025 hätte ein besonderes Jahr werden sollen. Bereits 2015 einigte sich die internationale Staatengemeinschaft im Rahmen der Agenda 2030 (SDGs) auf ein ambitioniertes Ziel: im SDG 8 Unterziel 7 wurde festgelegt, jede Form von Kinderarbeit bis zum Jahr 2025 vollständig zu beenden. Dieses Ziel wurde nicht erreicht. Laut einem aktuellen Bericht von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und UNICEF vom Juni 2025 sind weltweit 138 Millionen Kinder und Jugendliche von Kinderarbeit betroffen.

Ob der Welttag gegen Kinderarbeit am 12. Juni, der Internationale Tag der Kinder am 20. September oder der Tag der Kinderrechte, am 20. November – all diese Kindertage haben ein gemeinsames Anliegen: Sie sollen auf die Bedürfnisse und Rechte von Kindern aufmerksam machen! In Österreich wird insbesondere im September der Weltkindertag gefeiert – ein Anlass, um den Blick auf die aktuelle Situation von Kindern weltweit und in Österreich zu richten.

In dieser Rechercheliste stellt die ISJE Infos zu Institutionen, Expert:innen, Terminen und Publikationen zum Thema Kinderrechte und Kinderarbeit zusammen.

Kinderrechte Weltweit

Die Kinderrechte sind international durch die 54 Artikel der UN-Kinderrechtskonvention (KRK) von 1989 geregelt – ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen, das von fast allen Ländern der Welt ratifiziert wurde. Trotz der breiten Anerkennung von Kinderrechten und SDGs klafft eine große Lücke zwischen Anspruch und Realität. Hier ein Überblick über die wichtigsten Rechte.

Recht auf Schutz vor Gewalt

Viele Kinder sind weiterhin Gewalt, Ausbeutung, Missbrauch und Vernachlässigung ausgesetzt. Besonders alarmierend ist die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten. Von Oktober 2023 bis Mai 2025 wurden laut Berichten mehr als 50.000 Kinder im Gazastreifen getötet. Hier das Statement von Edouard Beigbeder, UNICEF-Regionaldirektor für den Nahen Osten und Nordafrika. 

Gewalt betrifft nicht nur Kinder in Kriegsgebieten. Laut UNICEF werden 1,6 Milliarden Kinder (zwei von drei) zu Hause regelmäßig gewalttätig bestraft; mehr als zwei Drittel sind sowohl körperlicher Bestrafung als auch psychischer Aggression ausgesetzt. Hier zum Factsheet.

Recht auf Bildung

Rund 250 Millionen Kinder und Jugendliche gehen laut UNICEF weltweit nicht zur Schule. Dies betrifft besonders Kinder in Krisenregionen und ländlichen Gebieten. Nach wie vor ist die Landwirtschaft der größte Arbeitgeber von Kindern weltweit, wie UNICEF und die ILO im aktuellen Bericht zu Kinderarbeit feststellten. Laut diesem sind 68 Prozent aller 5- bis 11-Jährigen Kinderarbeiter:innen in diesem Sektor beschäftigt. Hier zum Bericht

Recht auf Gesundheit

Fortschritte wurden gemacht – etwa bei der Senkung der Kindersterblichkeit. Aber: Viele Kinder haben keinen Zugang zu sauberem Wasser, ausreichend Nahrung oder medizinischer Versorgung. Hunger bleibt ein zentrales Problem – auch infolge von Konflikten und Klimawandel. Das WHO Child Health and Well Being Dashboard zielt darauf ab, den Fortschritt anhand mehrerer Kernindikatoren zu erfassen und enthält Daten aus 196 Ländern. Hier zum Dashboard

Recht auf Beteiligung

In vielen Ländern haben Kinder noch immer kaum eine Stimme in politischen oder gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen, die sie betreffen. Beteiligung ist eines der am wenigsten umgesetzten Rechten.

Themen und Fragestellungen

  • Was bedeuten die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten für Kinder und ihre Rechte?
  • Welche Auswirkungen haben globale Mittelkürzungen auf Kinder und ihr Recht auf Bildung oder ihr Recht auf Gesundheit?
  • In welchen Produkten steckt Kinderarbeit (z.B.: Kakao, Kaffee, Tee, Baumwolle, Leder, Elektronik)?
  • Wie können Gesetze für unternehmerische Sorgfaltspflichten Kinder vor Ausbeutung schützen?
  • Wie kann der Zugang zu Bildung und Gesundheit insbesondere in ländlichen und krisengeschüttelten Gebieten verbessert werden?

Kinderrechte in Österreich

Obwohl die UN-Kinderrechtskonvention (KRK) der meistratifizierte Menschenrechtsvertrag weltweit ist, gelten Kinderrechte nach wie vor als wenig beachtetes Rechtsgebiet. Auch in Österreich, wo die KRK 1992 in Kraft trat, laufen die Kinderrechte Gefahr, verletzt zu werden, wie aktuell Artikel 9 der KRK, der sicherstellt, dass ein Kind nicht gegen den Willen seiner Eltern von diesen getrennt wird. Denn mit 1. Juli trat die Notverordnung zum Stopp der Familienzusammenführungen in Kraft.

Unter Berufung auf den Art. 72 AEUV argumentiert die Bundesregierung, dass es in Österreich eine gesamtstaatliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und inneren Sicherheit gebe. Namhafte Organisationen haben die Verordnung samt Begründung begutachtet und Stellungnahmen eingebracht, diese wurden vom Bundesministerium für Inneres jedoch nicht veröffentlicht. Weshalb sich die Organisationen entschieden haben diese im Juni selbst zu veröffentlichen. Laut Caritas Österreich kann keinesfalls von einem Notstand gesprochen werden. “Hier wird nicht auf eine Notstandsituation reagiert – hier wird das Menschenrecht auf Familienleben massiv untergraben,” sagt auch Aimée Stuflesser, Expertin für Asyl und Migration bei Amnesty International Österreich.

Hier die Stellungnahmen: 

Institutionen und Organisationen

Die Dreikönigsaktion (DKA) ist das Hilfswerk der Katholischen Jungschar in Österreich. Sie setzt sich für die Rechte von Kindern und Jugendlichen, und ein Leben in Würde für alle Menschen weltweit ein. Aktuell läuft die Initiative und Social-Media-Challenge #tanzengegenkinderarbeit! von DKA, Jugend eine Welt, Fairtrade Österreich, Kindernothilfe Österreich, Butterfly Rebels und solidar Austria. 

ECPAT ist eine internationale Organisation, die sich für die Beendigung der sexuellen Ausbeutung von Kindern einsetzt. Die Abkürzung steht für „End Child Prostitution, Pornography and Trafficking of Children for Sexual Purposes“.

Jugend Eine Welt – Don Bosco Entwicklungszusammenarbeit ist eine österreichische Hilfsorganisation, die sich seit 1997 weltweit für die Verbesserung der Lebensperspektiven von Kindern und Jugendlichen in Asien, Afrika, Lateinamerika, dem Nahen Osten und Osteuropa einsetzt. 

MOLACNNATS ist ein Zusammenschluss nationaler Organisationen von arbeitenden Kindern und Jugendlichen in sieben Ländern in Lateinamerika und der Karibik, die daran arbeiten ihre Rechte als Kinderarbeiter:innen durchzusetzen.

Das Netzwerk Kinderrechte Österreich ist ein unabhängiges Netzwerk von 55 Organisationen und Institutionen zur Förderung der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Österreich. Es setzt sich dabei für die Rechte aller Kinder und Jugendlichen ohne jede Diskriminierung ein.

ProNats ist ein deutscher Verein, der sich für die Rechte von arbeitenden Kindern weltweit einsetzt. Gemeinsam mit Kindergewerkschaften im Globalen Süden setzt sich der Verein dafür ein, dass Kinderrechte gestärkt werden, anstatt nur Verbote zu fordern, welche die Lebensrealität arbeitender Kinder außer Acht lässt.

UNICEF ist das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen. Die Organisation setzt sich weltweit für die Rechte und das Wohlergehen von Kindern ein.

Der Verein Welt der Kinder engagiert sich für eine kindgerechte Gesellschaft. Vorrangig soll die Teilhabe junger Menschen an der Gestaltung von Gesellschaft gestärkt und der Schutz vor Gewalt erhöht werden. 

Expert:innen                                                                                                                  

Sabine Andresen ist Professorin für Familienforschung und Sozialpädagogik an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Ihre Schwerpunkte sind unter anderem Kindheit und Familie, internationale Child Well-Being Forschung, sowie Kinder- und Familienarmutsforschung. 

Franz Jedlicka setzt sich als Friedensforscher für eine gewaltfreie Kindererziehung ein. Um die gewaltfreie Erziehung zu verbreiten und die Körperstrafe in der Kindererziehung zu bekämpfen, hat Franz Jedlicka die WHITE HAND Kampagne ins Leben gerufen.

Benjamin Pütter ist international anerkannter Kinderarbeits-Experte. Er ist zweiter Vorsitzender von India Child Care und Partner von Childhood in Freedom. Für sein Buch „Kleine Hände – großer Profit“ hat Pütter undercover in Indien Kinderarbeit dokumentiert –in Steinbrüchen, Teppich-Fabriken und Hinterzimmern.

Elisabeth Schaffelhofer-Garcia Marquez ist Expertin beim Zentrum polis – Politik Lernen in der Schule in Wien. Als Juristin und Journalistin hat sie langjährige Erfahrung in Politischer Bildung und Menschenrechtsbildung und hat sich auf Kinderrechte spezialisiert.

Kailash Satyarthi ist Kinderrechtsaktivist in Indien, der sich seit den 1980er Jahren für die Rechte von Kindern einsetzt. Er wurde 2014 gemeinsam mit Malala Yousafzai mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Seine Organisation „Kailash Satyarthi Children’s Foundation“ widmet sich Kinderarbeit, Kinderhandel und sexuellem Kindesmissbrauch.

Helmut Sax ist Rechtswissenschaftler am Ludwig Boltzmann Institut in Wien. An der Universität Wien hält er Seminare über Kinderrechte in Theorie und Praxis, um diese stärker im juristischen Diskurs zu verankern. 

Termine

20. September: Internationaler Kindertag

09. Oktober: Forum – Kinder- und Jugendpartizipation von Welt der Kinder in Innsbruck 

20. November:  Internationaler Tag der Kinderrechte

13. bis 15. November: Zukunftsdialoge Globales Lernen 2025

21. bis 23. November: Entwicklungstagung an der Universität Innsbruck zum Thema Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen. Mit Workshops wie: Die Rechte zukünftiger Generationen von FIAN Österreich.

Publikationen