Die österreichische Menschenrechtsorganisation „Arbeitskreis Indianer Nordamerikas (AKIN)“ zum Internationalen Tag der Indigenen Völker und die dringende Notwendigkeit, dass auch Österreich die „ILO-Konvention 169 über indigene und in Stämmen lebende Völker“ ratifiziert.
Der 9. August wurde von den Vereinten Nationen 1994 zum
Internationalen Tag der Indigenen Völker erklärt. Das Datum markiert die erste Sitzung der UN-Arbeitsgruppe für Indigene Völker, die 1982 stattfand. Seitdem erinnert dieser Tag an die Lage der weltweit rund 6.000 Indigenen Völker mit ihren etwa 476 Millionen Angehörigen.
Besonders der illegale Abbau natürlicher Ressourcen, die Folgen des Klimawandels, systematische Menschenrechtsverletzungen, Diskriminierung sowie Landraub und Invasionen auf ihren Territorien gefährden Indigene Völker weltweit.
Das diesjährige Thema des Internationalen Tags der Indigenen Völker lautet: „Die Rolle indigener Frauen für die Bewahrung und Weitergabe traditionellen Wissens“. Gerade in den indigenen Gemeinschaften Nordamerikas genießen Frauen eine besondere Stellung und Wertschätzung als Hüterinnen traditionellen Wissens. Umso verhängnisvoller ist es, dass vor allem indigene Frauen Ziel und Opfer systemischen Rassismus sind, der sich nicht zuletzt in der erschreckend hohen Zahl von Femiziden an indigenen Frauen manifestiert – allein in Kanada wurden in den letzten drei Jahrzehnten rund 4.000 indigene Frauen und Mädchen ermordet; die Situation in den USA ist ebenfalls besorgniserregend. Viele der ermordeten indigenen Frauen und Mädchen in den USA und Kanada fehlen in ihren Gemeinschaften als Trägerinnen des Wissens.
Zwangssterilisationen von indigenen Frauen und Mädchen sollten ebenfalls dazu beitragen, diese Wissens- und Traditionslinien zu brechen. Sie sind zudem ein Mittel des Völkermords.
Die Vereinten Nationen haben wiederholt die Gewalt an indigenen Frauen in Kanada und den USA scharf kritisiert und die Regierungen aufgefordert, wirksame Maßnahmen zum Schutz indigener Frauen zu ergreifen.
Der Papstbesuch Ende Juli 2022 in Kanada lenkte auch bei uns die Aufmerksamkeit auf die verheerende Geschichte der dortigen 139 Residential Schools, die bis 1996 zumeist von der katholischen Kirche geleitet wurden. Auch hier hinterließen die Mädchen, die in kanadischen Residential Schools oder US-amerikanischen Boarding Schools starben, eine schmerzliche Lücke, denn sie konnten niemals ihre traditionelle Rolle wahrnehmen, Wissen, Tradition und Kultur ihrer Völker an die nächsten Generationen weiterzugeben.
Doch diese Angriffe gegen die indigenen Kulturen gehören längst nicht nur der Vergangenheit an. Jede Zwangsassimilierung in (weißen) Pflegefamilien, staatlichen Einrichtungen oder durch Adoptionsprogramme durchbricht die Traditionslinie – heute sind
mehr als die Hälfte aller Kinder in Kanada, die von ihren Familien getrennt und in „Obhut“ gegeben werden, indigener Herkunft, obwohl sie nur 7% der minderjährigen Bevölkerung stellen.
Die Vereinten Nationen haben für 2022–2032 die «Internationale Dekade der Indigenen Sprachen» erklärt. Durch die Residential Schools, in denen es indigenen Kindern untersagt war, ihre Sprache zu sprechen und durch die Assimilierungspolitik sind die indigenen Sprachen stark bedroht. Die UNESCO prognostiziert, dass 90% der heutigen indigenen Sprachen bis zum Ende des Jahrhunderts unwiederbringlich verschwunden sein werden.
Auch in Zeiten von Klimawandel und Ukrainekrieg dürfen wir die Situation der Indigenen Völker nicht vergessen. Der 9. August ist nicht nur der Tag der Indigenen Völker, sondern auch der Gedenktag für den Atombombenabwurf auf Nagasaki. Die nukleare Bedrohung ist
in diesen Tagen besonders brisant. Jahrzehntelang wurden Atombombenabwürfe auf dem Land der Indigenen Völker getestet, z.B. auf dem Land der Western Shoshone in Nevada.
Ohne Uran hätte es die Atombomben nicht gegeben – und keine Atomkraftwerke. Wenn jetzt wie in Deutschland über Laufzeitverlängerungen der AKWs diskutiert wird, sollte man nicht
vergessen, dass das Uran auch auf dem Land Indigener Völker, etwa im kanadischen Saskatchewan, gewonnen wird.
Ausbeutung und Zerstörung indigenen Landes widersprechen internationalen Überreinkommen, u.a. der von Österreich mit getragenen «UN-Deklaration der Rechte Indigener Völker». Sie verletzen auch die «ILO-Konvention 169 über indigene und in Stämmen lebende Völker», für deren Ratifizierung durch Österreich sich AKIN mit mehreren Partnerorganisationen einsetzt, da diese einen wichtigen Schritt zu mehr Schutz für Indigene Völker darstellt.
Kontakt für Rückfragen:
Univ. Doz. Dr. Peter Schwarzbauer (Obmann)
Arbeitskreis Indianer Nordamerikas (AKIN)
schwarzbauer@arbeitskreis-indianer.at