Archiv der Kategorie: Entwicklungszusammenarbeit

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Inklusion! Wenn wir etwas ändern wollen…

… müssen wir bei uns selbst anfangen
Ein Kommentar und Gedankenexperiment als möglicher Einstieg ins Thema Inklusion mit zahlreichen weiterführenden Links. Von Johanna Mang und Magdalena Kern, Licht für die Welt.


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Das Wort „Behinderung“ ist in der Öffentlichkeit oft mit Assoziationen wie „nicht können“ oder „auf den Rollstuhl angewiesen“ verknüpft. Die „besonderen Bedürfnisse“ und der Unterstützungsbedarf stehen im Vordergrund. Die Fähigkeiten und Potenziale der einzelnen Menschen werden dabei in den Hintergrund gerückt. Diese öffentliche Wahrnehmung ist eine der größten Barrieren für Inklusion in Österreich und in Folge auch in der Entwicklungszusammenarbeit.

Weltweit leben rund eine Milliarde (= 1.000.000.000) Menschen mit Behinderungen, 80 Prozent davon in Ländern des globalen Südens. Behinderung und Armut sind besonders im Globalen Süden eng miteinander verbunden. Einerseits können Mangelernährung und fehlende gesundheitliche Versorgung zu dauerhaften Behinderungen führen. Andererseits tragen Behinderungen zu Armut bei, da Menschen mit Behinderungen auf vielen Ebenen benachteiligt sind. Sie werden daran gehindert ein selbstbestimmtes Leben zu führen, ihr Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt ist erheblich eingeschränkt. Ihre Teilhabe an, beziehungsweise Inklusion in der Gesellschaft wird dadurch erschwert.

Damit Inklusion wirklich möglich wird – in Österreich, in Ländern des Globalen Südens – brauchen wir ein anderes Bild, ein anderes Verständnis und eine andere Haltung. Nämlich: Vielfalt ist normal und wir haben die menschenrechtliche Verpflichtung, diese Vielfalt in unserer Gesellschaft zu respektieren und zu leben. Dabei kommt den Medien und JournalistInnen eine ganz besondere Rolle zu, weil sie durch ihre Arbeit Bilder in den Köpfen erzeugen, die uns alle prägen.

Oftmals fällt es uns leicht, anderen zu sagen, was sie machen sollen. Viel schwieriger ist es, sich selbst einmal an der Nase zu nehmen. Dazu möchten wir Ihnen einen Selbsttest anbieten.

Eine Handreichung zur Selbsterfahrung und Überwindung der Barrieren im eigenen Kopf:

Nehmen Sie sich eine Woche Zeit und machen Sie an jedem Tag einen kleinen Schritt, um sich dem Thema Inklusion zu nähern. Wählen Sie für jeden Tag zumindest eine Option aus und versuchen Sie es! Selbstverständlich können Sie kreativ und kritisch sein und eigene, bessere Ideen realisieren! Wenn Sie selbst eine Behinderung haben, dann bieten Sie Ihre Erfahrungen anderen direkt an, oder laden andere ein mitzumachen! Werden Sie Sparring-PartnerIn für sieben Tage!

Was es zu gewinnen gibt, wenn Sie diese sieben Tage mitmachen, finden Sie am Ende dieses Artikels.

Tag 1 – Dialog führen

  • Schauen Sie sich in Ihrer Familie, Ihrem Freundeskreis und in Ihrem Wohnumfeld um. Sie werden sicher Menschen mit Behinderungen kennen. Fragen Sie diese nach ihren Erfahrungen, Erwartungen und Zielen.
  • Überlegen Sie, wie viele Menschen mit Behinderungen Sie in Ihrem engeren Berufsumfeld kennen. Welche Erfahrungen in der schulischen und beruflichen Laufbahn haben Ihre KollegInnen/haben Sie selbst gemacht? Fragen Sie im Personalbüro, was es braucht, um mehr Menschen mit Behinderungen anzustellen.
  • Fragen Sie die PolitikerInnen in Ihrer Gemeinde, Ihrem Bezirk, welche Maßnahmen zu Inklusion und Barrierefreiheit geplant sind. Fragen Sie das Außenministerium, was in den kommenden fünf Jahren in Sachen Inklusion in der Entwicklungszusammenarbeit unternommen wird.

Tag 2 – Barrieren erleben

  • Machen Sie mit einer Augenbinde und sehender Begleitung (!) einen längeren Spaziergang. Und wenn Sie wieder zu Hause sind, kochen Sie sich so ihr Lieblingsgericht. Immer noch mit Augenbinde.
  • Borgen Sie sich einen Rollstuhl aus und benutzen Sie damit öffentliche Verkehrsmittel. Gehen Sie einkaufen und probieren Sie, ob Sie im Rollstuhl in Ihr Lieblingslokal hineinkommen – und dort das WC benutzen können. Wenn Sie selbst RollstuhlfahrerIn sind, leiten Sie andere bei ihrem Selbstversuch an.
  • Stoppeln Sie sich Ihre Ohren zu und verbringen Sie einen Abend in Ihrem Freundeskreis. Versuchen Sie so, dem Gespräch zu folgen und zu kommunizieren. Schauen Sie, welche Sendungen an diesem Tag im öffentlichen Fernsehen in Gebärdensprache übersetzt werden. Zählen sie diese und setzen Sie sie ins Verhältnis mit allen Sendungen!

Tag 3 – Nachlesen & Nachfassen

  • Werfen Sie einen Blick in die UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. (1) Wenn Ihnen diese zu komplex ist, dann empfehlen wir sehr die Version in einfacher Sprache. (2) Besuchen Sie die Website des Unabhängigen Monitoringausschussses, der die Umsetzung der Konvention überwacht. (3)
  • Abonnieren Sie die Aussendungen und Newsletter österreichischer und internationaler Vereine, die Sie über Inklusion aktuell informieren. (4a, 4b, 4c, 4d)
  • Machen Sie sich schlau, was barrierefreie Internetseiten heutzutage können. (5a, 5b)
  • Entdecken Sie den Leitfaden zur Darstellung von Menschen mit Behinderungen in den Medien. (6)
  • Vertiefen Sie sich weiter in das Thema Inklusion in der Entwicklungszusammenarbeit – lesen Sie die nachstehenden Artikel, oder lesen Sie die Stellungnahme des Monitoringausschusses. (7 a), Oder melden Sie sich direkt bei Licht für die Welt mit Ihren Fragen. (7 b)

Tag 4 – Gemeinsam erleben

  • Es gibt einige (wenige) wirklich inklusive Schulen – fragen Sie nach, ob Sie dort hineinschnuppern dürfen. Beispiele sind: das evangelische Realgymnasium, 1220 Wien (8) Caritas Schule am Himmel (9a), die Schulen im Bezirk Reutte Tirol. (9b)
  • Laufen/walken/rollen Sie beim Vienna Night Run mit. Dies ist die einzige große Laufveranstaltung, bei der alle gemeinsam unterwegs sind, sei es zu Fuß, mit Stöcken oder Krücken, im Rolli, mit sehenden BegleitläuferInnen usw.
  • Besuchen Sie die barrierefreie Führung des Kunsthistorischen Museums. (10)
  • Finden Sie aktuelle Veranstaltungen, die wirklich barrierefrei sind.

Tag 5 – Überlegen Sie …

  • In Partnerländern der Entwicklungszusammenarbeit haben 80 – 90 % aller Jugendlichen mit Behinderungen keine Arbeit. (11) Platzieren Sie sich vor einer Höheren Schule und warten Sie, bis alle herausströmen. Jetzt stellen Sie sich vor, was wäre, wenn 90 % davon nie eine Arbeit finden würden.
  • Welche Arten von Barrieren fallen Ihnen ein? Kennen Sie Beispiele für bauliche, gesetzliche, gesellschaftliche, finanzielle, … weitere?
  • Wann haben Sie das letzte Mal jemanden mit einer Behinderung in den Nachrichten gesehen? Wann haben Sie zuletzt in der Sportschau von Siegen aus dem Paralympischen Sport gesehen? Welche Filme kennen Sie, in denen SchauspielerInnen mit Behinderungen eine Hauptrolle spielen (und nicht SchauspielerInnen ohne Behinderung diese Rolle übernehmen)?

Tag 6 – Setzen Sie selbst Schritte

  • Verfassen Sie Ihren nächsten Artikel/Sendung auch in einfacher Sprache und stellen diesen dann Ihrem LeserInnen-/HörerInnen-/SeherInnenkreis zur Verfügung. (12)
  • Geben Sie sich und anderen Zeit. In Ihrer Kommunikation schauen Sie, dass andere zu Wort kommen. Wenn sich jemand schwer dabei tut, geben Sie die Zeit, die ihr Gegenüber braucht. Fragen Sie einfach nach, wenn Ihnen etwas nicht verständlich ist und bleiben Sie im Dialog.
  • Wenn Sie einen Menschen treffen und sich fragen, ob sie/er gerade eben Unterstützung braucht, dann fragen Sie direkt und bieten Unterstützung an.

Tag 7 – Revue passieren lassen und weitererzählen

Denken und spüren Sie zurück, was Sie in den vergangenen sieben Tagen erlebt haben. Was war denn das größte „Aha“-Erlebnis? Was das Allerschönste? Und was ist Ihnen so richtig schwergefallen? Teilen Sie Ihre ganz persönlichen Geschichten und Einsichten mit anderen!

Ihr Gewinn und zugleich eine Warnung: Wenn Sie mitmachen, dann wird sich Ihr Blickwinkel verändern. Sie werden künftig anders durch die Welt gehen – Sie gewinnen Vielfalt. Und/oder Sie können anderen zu dieser Blickwinkeländerung verhelfen. Achtung, eine solche Veränderung lässt sich nicht rückgängig machen! Sie werden interessiert bleiben! Gut so!

Und Sie werden auch erkennendass der Weg zu einer wirklich inklusiven Gesellschaft noch sehr, sehr lang ist…Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen Weg positiv mitzugestalten, hier in Österreich und im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit!

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Linkliste

1 https://monitoringausschuss.at/download/grundlagen/un-konvention/BGBl_III_105_2016.pdf
2 https://monitoringausschuss.at/download/grundlagen/un-konvention/un-konvention_ll.pdf
3 https://monitoringausschuss.at/
4a https://www.bizeps.or.at/
4b http://www.behindertenrat.at/
4c https://lebenshilfe.at/
4d https://www.licht-fuer-die-welt.at/
5a http://www.behindertenrat.at/barrierefrei-gestalten/barrierefreie-kommunikation/barrierefreies-internet
5b http://www.einfach-barrierefrei.net/
6https://www.bundeskanzleramt.gv.at/documents/131008/370304/Empfehlung_zur_Darstellung_von_Menschen_mit_Behinderungen_in_den_Medien.pdf/0916d9df-1c41-4303-8c82-1122d52eac64
7a https://monitoringausschuss.at/download/ma_sn_entwicklungszusammenarbeit_2012_04_12-pdf/
7b info@licht-fuer-die-welt.at
8 https://www.erg-donaustadt.at/
9a https://www.schule-am-himmel.at/
9b  http://derstandard.at/2000008060997/Sonderschulfrei-im-Inklusionsbezirk
10 https://www.khm.at/erfahren/kunstvermittlung/barrierefreie-angebote/
11 https://www.light-for-the-world.org/sites/lfdw_org/files/download_files/lftw_employable_web_0.pdf
12 https://www.capito.eu/
13 http://der.orf.at/kundendienst/service/barrierefrei100.html

Inklusion und Entwicklung…

… Recherche-Hinweise, Links, Veranstaltungen

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ÖZIV-Medienpreis: Seit 2006 wird der ÖZIV-Medienpreis für herausragende Beispiele für die Berichterstattung über Menschen mit Behinderungen vergeben. Der Preis ist mit 1.000 Euro dotiert. GewinnerInnen 2017 waren Nina Kreuzinger (Falter) und Patricia Aradi (ORF).
http://www.oeziv.org/medien-presse/der-oeziv-medienpreis/


Termine

  • 1. Dezember: Preisverleihung des Wheelday-Jugend-Wettbewerbs 2017 (mehr Infos dazu siehe Projekte)
  • 3. Dezember: Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen
  • 4. Dezember: Entwicklungspolitische Tagung: Leave no one behind! Inklusion in der EZA. Mit nationalen und internationalen Gästen, Wiener Rathaus. MEHR
  • 3. – 10. Dezember 2017: European Disability and Development Week „Together for Inclusion“, #EDDW17. Europaweite Aktionswoche zum Thema Inklusion und Entwicklung.

Interessante Aspekte und Recherche-Ideen zu Inklusion und Entwicklung


Projekte in Österreich mit internationalem Bezug

WeltWegWeiser: Internationale Freiwilligeneinsätze für Freiwillige mit Behinderungen. Ein Projekt von Jugend eine Welt in Kooperation mit BIZEPS (Behindertenberatungszentrum) http://www.weltwegweiser.at/inklusion/

Wheelday. Entwicklung bewegt: In dem Projekt von IUFE wird auf die Situation von Menschen mit Behinderungen in Entwicklungsländern und in ländlichen Regionen Österreichs aufmerksam machen. Es finden dazu verschiedenste Wheelday-Aktivitäten in allen österreichischen Bundesländern statt – und jede/r kann mitmachen! Am 1. Dezember findet die Preisverleihung des Wheelday-Jugend-Wettbewerbs 2017 statt.  http://www.wheelday.at/

BIZEPS: Behindertenberatungszentrum für Selbstbestimmtes Leben mit eigener News-Seite und Wissensportal https://www.bizeps.or.at/

Licht für die Welt: Internationale Hilfsorganisation mit dem Schwerpunkt Inklusion: https://www.licht-fuer-die-welt.at/


Leitlinien/ Internationale Reglements

Infos zur UN-Behindertenrechtskonvention: https://www.behindertenrechtskonvention.info/

Österreichischer Unabhängiger Monitoringausschuss zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen: https://monitoringausschuss.at/

Nachhaltige UN-Entwicklungsziele (SDGs): https://www.bundeskanzleramt.gv.at/entwicklungsziele-agenda-2030

Analyse der SDGs im Hinblick auf Inklusion (von Licht für die Welt):  https://www.light-for-the-world.org/sites/lfdw_org/files/download_files/briefing_light_for_the_world_sgds_and_disability_2017.pdf

Analyse der SDGs im Hinblick auf Inklusion (UIFE): http://www.wheelday.at/fileadmin/user_upload/SDGs___Menschen_mit_Behinderungen_IUFE_2017.pdf

Handbuch und Leitfaden zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der EZA (von der Austrian Development Agency und dem Ludwig Bolzmanninstitut für Menschenrechte):
http://www.entwicklung.at/fileadmin/user_upload/Dokumente/Publikationen/Handbuecher/Menschen_mB/HB_Menschen_mB.pdf

Internationales Handbuch für Inklusion: https://www.light-for-the-world.org/sites/lfdw_org/files/download_files/towards_inclusion_a4_web.pdf

Internationales Handbuch für Inklusion in der Entwicklungszusammenarbeit: https://www.light-for-the-world.org/sites/lfdw_org/files/download_files/count-me-in-include-people-with-disabilities-in-development-projects.pdf


Medien

Kanthari – Change from Within: Ein Film über eine Reise durch Afrika mit der blinden Nobelpreisträgerin Sabriye Tenberken und Paul Kronenberg bei der sie mutige Visionäre treffen, die trotz Schicksalsschlägen bahnbrechende soziale Projekte auf die Beine gestellt haben. http://kantharichangefromwithin.com/

Body and Soul: Ein Film über eine Liebesgeschichte zwischen einem behinderten älteren Mann und einer Frau mit Aspergersyndrom. https://www.youtube.com/watch?v=7B4hCzq7H70

GIZ: Inklusion zählt – Menschen mit Behinderung in die internationale Zusammenarbeit einbeziehen:  https://www.youtube.com/watch?v=356oiGwrGXk

Erklärfilm Inklusion (Heinrich Böll Stifung): https://www.youtube.com/watch?v=D0GtxClZlwQ

 

Father Leonhard vom Mahalir Vidiyal Trust und Direktor der Chirumalar Schule in Südindien kommt nach Wien

Father Leonard Fernando und Sister Lilly Alphonso teilen eine Vision: Bildung ist für sie die Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben. Seit mehr als 15 Jahren leben die beiden für ihre Überzeugung. Im kleinen Ort Vellakulam der südindischen Provinz Tamil Nadu bemühen sie sich mit ihrer Organisation, dem Mahalir Vidiyal Trust um die Ärmsten der Armen, auch und vor allem um die Kinder der Dalits, der Kaste der Unberührbaren.

Und ihre langjährigen Bemühungen tragen großen Erfolg: wenn in diesen Tagen das neue Schuljahr in Tamil Nadu beginnt, werden an die 500 Kinder in die beiden von Father Leonard gegründeten und mit viel privater Unterstützung finanzierten Schulen gehen und eine Chance auf Bildung bekommen können!

Einen zweiten Schwerpunkt stellt die inzwischen große Anzahl von Selbsthilfegruppen für Frauen dar, die von den beiden in den umliegenden Dörfern initiiert werden. Durch Ausbildung, Teilnahme an sozialen Programmen, Beratung zum äußerst stigmatisierten Thema HIV/AIDS wird den Frauen konkrete Hilfestellung geboten.

Eine kleine Gruppe von Engagierten, hat sich im Verein VANAKKAM (www.vanakkam.at) zusammengefunden, um von Österreich aus die Arbeit des Mahalir Vidiyal Trust nach Kräften zu unterstützen.

Father Leonard, Direktor des Mahalir Vidiyal Trust, wird sich von Montag, 04. 09. 2017 bis Sonntag, 10. 09.2017 in Wien, OÖ und   aufhalten, der Verein VANAKKAM bietet Interviewmöglichkeiten.

Alle Anfragen bitte direkt an Peter Schönhuber
(Tel.: 0680 2120753 bzw peter.schoenhuber@vanakkam.at )

Social Entrepreneurs & die SDGs

Die Austrian Development Agency lädt am 7. September, 17:30 Uhr, zur Podiumsdiskussion in den Dachsaal der Urania (Uraniastraße 1, 1010 Wien).

Was können Social Entrepreneurs zur Umsetzung der SDGs beitragen? Dieser Frage widmet sich das Podium beim diesjährigen DialogEntwicklung der Austrian Development Agency (ADA). Nach einer Begrüßung durch ADA-Geschäftsführer Martin Ledolter und Bundesminister Sebastian Kurz hält Thomas Gass, der beigeordnete Generalsekretär der UN Hauptabteilung für Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten, den Keynote-Vortrag. Darauf folgt eine Podiumsdiskussion mit VertreterInnen aus dem NGO-Bereich sowie aus dem sozialen Unternehmertum.

Alle Details

Thomas Gass 2015 im DW-Interview zu den SDGs

ISJE-Interview mit Social Entrepreneur Martin Wesian

„Wir lassen uns von niemandem dreinreden“

Wie hartnäckige WeltverbesserInnen eine Million Euro in Entwicklungsprojekte stecken: Johannes Steinbach über die freiwillige Selbstbesteuerung im Rahmen der „Erklärung von Graz“.

EVG
Die Motoren der „Erklärung von Graz“ (EVG): Tina Weisshaupt (sitzend) mit Wido Stracke, dem für die EZA des Landes Steiermark verantwortlichen Landesrat Christian Buchmann und mit Burghild Gerhold (stehend v.l.) beim FairStyria-Tag 2015. Foto: Land Steiermark/FairStyria

Vor 40 Jahren hat es begonnen: Am letzten Juni-Sonntag im Jahr 1976 fasste eine Gruppe kritischer KonsumentInnen in Graz den Beschluss, einen Verein zu gründen, dort Monat für Monat einen (selbst)bestimmten Anteil des Einkommens einzuzahlen und damit Projekte in sogenannten Entwicklungsländern zu unterstützen. Die Höhe der einzelnen Monatsbeiträge wird von jedem einzelnem Mitglied selbst festgesetzt und variiert dementsprechend. In Summe waren es zuletzt jährlich mehr als 10.000 Euro, die von 30 engagierten Menschen als „partieller Konsumverzicht“ eingezahlt wurden.
Feiern will man vorerst noch nicht: Exakt zum Jubiläum wird am 28. Juni, dem FairStyria-Tag des Landes Steiermark, ein Infostand betreut – mit der früheren Gymnasialprofessorin Burgi Gerhold als Obfrau des Vereins, dem Sozialversicherungsjuristen Wido Stracke und mit Tina Weisshaupt, die im Verlagswesen tätig war. Sie werden dem Publikum – hauptsächlich jungen Menschen – für alle Fragen der „Erklärung von Graz für solidarische Entwicklung“ (EvG), wie sich dieser Verein für Entwicklungszusammen­arbeit seit 40 Jahren nennt, Rede und Antwort stehen.

Autonome Entscheidungen. Jedes Jahr entscheidet eine „Projektversammlung“, wohin die Unterstützung gehen soll. „Wir lassen uns von niemandem dreinreden, sondern fassen unsere Beschlüsse autonom“, unterstreicht Tina Weisshaupt, Schriftführerin des Vereins, das Grundprinzip.
Gleichzeitig dankt sie dem Land Steiermark, in dem es seit 1981 ein Budget für Entwicklungszusammenarbeit gibt, für die erhaltenen Förderungen: „Da können wir die Öffentlichkeit ein wenig in ihre Pflicht nehmen, die eigentlich eine viel größere sein sollte “, betont sie ihren Standpunkt. Die österreichische Bundesregierung hatte ja einst beschlossen, 0,7 Prozent des Bruttonationalproduktes für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben – heute sind wir bei etwa 0,28 Prozent (für das Jahr 2014, die Zahlen für 2015 liegen noch nicht vor).

908.505 Euro gesammelt. Alles in allem wurden Jahr für Jahr rund ein Dutzend verschiedener Projekte – je zur Hälfte in Afrika und Lateinamerika – unterstützt. In der Vereinsbuchhaltung ist alles auf den Cent genau aufgelistet. Von 1976 bis heute waren dies inklusive der Förderungen von Land Steiermark und Republik Österreich exakt 908.505 Euro. Dies entspricht – auf die heutige Kaufkraft umgerechnet – weit mehr als einer Million Euro!
Davon wird bis heute ein größerer Teil der Vorhaben durch dauerhafte Partnerschaften mit Organisationen umgesetzt, etwa Vorhaben zur Qualifikation von Mädchen und Frauen mit der Organisation „MIRIAM“ in Nicaragua und Guatemala.
Es ging durchwegs um nachhaltige Projekte für Bildung, nachhaltige Landwirtschaft und Gesundheit. Markant ist ein seit einigen Jahren konstanter Betrag von 730 Euro (seinerzeit 10.000 Schilling), der jährlich nach Burkina Faso gezahlt wird: Es handelt sich um eine Patenschaft, die es zehn Mädchen ermöglicht, die für den Schulbesuch nötigen Bücher zu kaufen, deren Familien kein Geld dafür hätten.
Wichtig ist dem Verein auch, inländische Projekte zu fördern. So hat die EvG über Jahre den interkulturellen Kindergarten in Graz sowie „DANAIDA“ – eine Beratungs- und Bildungseinrichtung für Migrantinnen unterstützt.

Johannes Steinbach arbeitet im Bereich Information und Öffentlichkeitsarbeit des Referates Europa und Außenbeziehungen im Amt der Steiermärkischen Landesregierung.


Mehr Infos zur Initiative:

Website der EvG

Infos auf der Website von FairStyria

FairStyria Tag
Der 12. FairStyria-Tag des Landes Steiermark findet heuer am Dienstag, 28. Juni 2016, erstmals im Grazer Joanneumsviertel statt und bildet den Höhepunkt der Veranstaltungen der „Fairen Wochen Steiermark“, wo in allen Regionen im Mai und Juni Präsentationen und Diskussionen stattfinden.
Details

„Die Menschen wissen, was sie brauchen“

Was Innovationen in Zusammenarbeit mit EZA leisten können und was bei der Entwicklung von Produkten für den globalen Süden zu beachten ist, darüber sprach Social Entrepreneur Martin Wesian mit der ISJE.

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Der gebürtige Vorarlberger Martin Wesian (Jahrgang 1974)  hatte die hinter der Idee für WADI. Foto: Helioz.

Die Lösung WADI (für Water Disinfection) ist ein solarbetriebenes UV-Messgerät, das anzeigt, ob Wasser trinkbar ist. Wenn dem nicht so ist, lässt man das Gerät mehrere Stunden in der Sonne liegen. UV-Strahlen filtern das Wasser in lichtdurchlässigen Flaschen und reinigen es von Keimen. WADI wurde als eines von 30 Produkten für Trinkwasseraufbereitungssysteme bei der WHO zum Test eingereicht – und bestand.
Aktuell ist WADI in Uganda, Kenia, Äthiopien, Pakistan, Indien, Sri Lanka und den Philippinen im Einsatz.
Helioz, das Start-Up, das WADI entwickelte, wird nun im Rahmen der Social Entrepreneurship Challenge von der ADA gefördert (siehe auch Info unten). Die ISJE interviewte Helioz-Gründer Martin Wesian:

Was ist das Ziel des WADI-Projektes?

In erster Linie wollen wir die trinkwasserbedingten Krankheiten reduzieren, und somit auch direkt verbundene Verbesserungen in den Bereichen Bildung, Selbstständigkeit und Armut erreichen. Erste Ergebnisse aus unseren Projekten zeigen eine um 40 Prozent reduzierte Abwesenheit von SchülerInnen beim Unterricht durch eine stabile Trinkwasserversorgung mit WADI.
Dies ist mittel- und langfristig nur mit einem selbsttragenden, ökonomischen Geschäftsmodell zu erzielen, welches uns die Bezahlung von Gehältern und allen Unkosten ermöglicht – sowie weitere Forschung und Entwicklung. Wir wollen also wirtschaftlich stabil und eigenfinanziert werden.

Geht es auch um Profit?

Helioz strebt eindeutig ein profitorientiertes Modell an, jedoch werden soziale und humane Ziele nicht dem Profitstreben geopfert.

Stößt Helioz auf kulturelle Unterschiede zwischen  EntwicklerInnen und den NutzerInnen?

Die gehören zu unserem alltäglichen Geschäft. Darauf muss bei der Erstellung von Marketing- und Trainingsunterlagen genauso Rücksicht genommen werden wie bei in der täglichen Kommunikation.

Haben Sie sich Sorgen gemacht, dass WADI ein Produkt aus dem globalen Norden wird, mit dem die Menschen im Süden nichts anfangen können?

Ja, diese Sorge war vor allem zu Beginn vorhanden, weshalb das erste Projekt durch den Arbeitersamariterbund mit Nomaden in Kenia durchgeführt wurde. Denn die Kultur der Gruppe ist schon sehr anders als unsere. Ob diese ein technisches Gerät wie WADI annehmen werden, war fraglich. Aber WADI wurde sehr gut aufgenommen, wie auch in quasi allen anderen Projekten.

EZA-KritikerInnen kanzeln klassische Entwicklungszusammenarbeit oft als zu wenig effizient ab. Unternehmen, die im globalen Süden aktiv sind, wird oft reine Image-Politur vorgeworfen. Welche Form der Zusammenarbeit zwischen Nord und Süd braucht es heutzutage?

Diese „Konkurrenz“ habe ich noch nie verstanden und sie ist auch nicht zielführend. Beide Seiten haben ihre Vor- und Nachteile, gebündelt kann dies aber zum Vorteil aller, aber vor allem der Nutznießer vor Ort sein. Social Enterprises versuchen hier auch den Spagat zwischen EZA und dem ökonomischen Geschäftsmodell.
Klar ist in jedem Fall, dass ohne NGOs in unserem Fall eine Implementierung unserer Produkte bei den Menschen nicht möglich wäre. NGOs verfügen über das Know-How, die Infrastruktur und vor allem auch die Motivation, Lösungen bis in die hintersten Ecken der Welt zu bringen, wo sie auch wirklich gebraucht werden. Wir geben den NGOs nur ein weiteres Werkzeug in die Hand, mit dem sie ihre Arbeit besser machen können.

Sie waren mit WADI selbst viel im globalen Süden unterwegs – was haben Sie dabei von den Menschen gelernt?

Dass sie wissen, was sie brauchen und was nicht – und zwar sehr konkret. Es herrscht Skepsis gegenüber neuen Lösungen oder Methoden aus dem globalen Norden. Angesichts vieler Fehler in der EZA von Staaten und Unternehmen ist diese auch berechtigt. WADI musste in den einzelnen Ländern viele Tests durchlaufen, bis es von den Organisationen und Regierungen akzeptiert wurde. Bei den ersten Gesprächen mit dem Ministerium für Wasser in Uganda etwa antwortete mir ein hoher Beamter auf meinen Hinweis auf die WHO mit: ‚Die WHO sind lauter überbezahlte weiße Männer, die in Genf sitzen und keine Ahnung haben, was wir hier brauchen‘. Heute ist sein Ministerium einer unserer größten Förderer. (sol)


 

Die Social Entrepreneurship Challenge

Ende 2015 startete die Austrian Development Agency (ADA) einen Aufruf: neue, innovative und frische Ideen für die Herausforderungen dieser Welt wurden gesucht. Das Ergebnis wurde im Mai präsentiert: „Wir haben 35 Anträge für 22 Projekte und 13 Studien erhalten, die unser Fördervolumen von 1 Million Euro weit übersteigen“, so der Geschäftsführer der ADA, Martin Ledolter. Die Zahl der Einreichungen hat die Erwartungen der ADA übertroffen.

„Bunte“ Projekte. Zukünftig werden durch die Social Entrepreneurship Challenge weltweit Projekte gefördert – von Lateinamerika über den Westbalkan bis nach Afrika und Asien: Darunter ein fair produzierendes Modelabel in Nigeria und Südafrika, das Frauen vor Menschenhandel bewahrt; Wissensboxen, die in Indien produziert und für spielerisches Lernen verwendet werden; oder eine e-Plattform, die Bio-BäuerInnen mit urbanen KonsumentInnen in Serbien zusammenführt – sowie WADI von Helioz.

Mehr Infos dazu gibt es bei der ADA

 

EZA-Mittelaufstockung

Wie ist die Angekündigung, die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit stufenweise zu erhöhen, einzuordnen? Die ISJE liefert Infos dazu.

Ende April beschloss die Regierung eine Aufstockung die Gelder für Entwicklungszusammenarbeit. Die Mittel sollen auf 154 Millionen Euro bis 2021 erhöht werden. Die Erhöhung wird stufenweise ab 2017 bis 2021 erfolgen, jährlich plus 15,5 Millionen Euro.

Was sagen EZA-Akteure dazu?

  • Nur „ein erster Schritt“ – Michael Obrovsky von der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE) warnt vor zu hohen Erwartungen. Mehr.

Hintergrund:

Laut vorläufigen Berechnung  stellte Österreich im vergangenen Jahr 1.089 Millionen Euro an öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen bereit. Das entspricht 0,32 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE).

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Quelle: entwicklung.at Zum Vergrößern auf Bild klicken.

Knapp zehn Prozent davon wurden von der ADA (Austrian Development Agency, Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit) abgewickelt. Der Großteil der Mittel fließt vom Finanzministerium an Internationale Finanzinstitute und den Europäischen Entwicklungsfonds. (Quelle: entwicklung.at)

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Quelle: entwicklung.at Zum Vergrößern auf Bild klicken.

Österreich verpflichtete sich im Jahr 1970, das von der UNO vorgegebene Ziel, 0,7 Prozent des Bruttonationalproduktes für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben, zu erreichen.

Die staatliche Entwicklungszusammenarbeit im Überblick (externer Link)

 

 

Podiumsdiskussion zu SDG’s

Unter dem Motto „Change! Alles muss anders werden. Die SDGs verändern die Welt“ diskutieren am 19. Mai (18.30 Uhr) in Wien ExpertInnen zur Umsetzung der SDGs, der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen.

logoweissIm September 2015 wurden von den UNO-Mitgliedstaaten die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) beschlossen. Die 17 Ziele sind ambitioniert – u.a. sollen Hunger und absolute Armut bis 2030 Geschichte sein. Das Neue an ihnen ist, dass sie für alle Staaten der Welt gelten und soziale, ökologische und ökonomische Aspekte verbinden.

Damit die Ziele umgesetzt werden können, muss es auf vielen Ebenen zu einem Umdenken kommen. Wird dieser Paradigmenwechsel gelingen? Wie müssen sich Politik und Wirtschaft ändern, damit die Ziele eine Chance auf Umsetzung haben? Wie muss eine entsprechende europäische Wirtschafts-, Entwicklungs- und Außenpolitik aussehen, die zur Umsetzung beiträgt? Wie werden die Ziele für nachhaltige Entwicklung diese Politiken ändern?

Darüber diskutieren am 19. Mai (18.30 Uhr):

Dr. Hannes Swoboda
Europapolitik-Experte und ehem. EU-Abgeordneter

Dr.in Andrea Barschdorf-Hager
Geschäftsführerin CARE Österreich

Univ.-Prof. MMag. Dr. Gottfried Haber
Prof. für Wirtschaftspolitik an der Donau-Universität Krems, Mitglied des Entwicklungspolitischen Beirats

Moderation: Dr. Werner Raza (Leiter der ÖFSE)

„Reitersaal“ der Österreichischen Kontrollbank, Strauchgasse 3, 1010 Wien.

Um Anmeldung wird gebeten: Auf Facebook oder per E-Mail an roland.bauer@globaleverantwortung.at

Eine Veranstaltung der AG Globale Verantwortung, in Kooperation mit der Österreichischen Entwicklungsbank. Die Veranstaltung wird durch die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit gefördert.

 

FairStyria-Tag im Zeichen des Europäischen Jahres für Entwicklung 2015

Die steirische Initiative FairStyria lädt am Mittwoch, den 30. September, in die Grazer Burg zum FairStyria-Tag ein. Mehr als 30 Projekte, die sich in unterschiedlicher Weise mit dem Motto des Europäischen Jahres für Entwicklung (EYD 2015) – „Unsere Welt – Unsere Würde – Unsere Zukunft“ – beschäftigen, werden dort vorgestellt.

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