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PA: Katar: Ein Jahr nach WM stehen Fortschritte still

Ein Jahr nach der Fußballweltmeisterschaft hat Katar seine Zusagen zur Verbesserung der Arbeitnehmer*innenrechte nicht umgesetzt, so Amnesty International heute. Die katarische Regierung unternimmt weiterhin nicht genug, um die Missstände bei der Behandlung von Arbeitsmigrant*innen zu beseitigen und sie angemessen vor Ausbeutung zu schützen. Seit dem Ende der WM gerieten die Fortschritte weiter ins Stocken.

Ein neuer Amnesty-Bericht mit dem Titel A Legacy in Jeopardy zeigt, dass bei der Verbesserung der Arbeitnehmer*innenrechte seit dem Ende der Weltmeisterschaft kaum Fortschritte gemacht wurden. Entschädigungen und Gerechtigkeit für Hunderttausende von Arbeiter*innen, die im Zusammenhang mit der WM Opfer von Menschenrechtsverstößen wurden, bleiben weiterhin aus. Begrenzte Fortschritte in manchen Bereichen werden durch das Fehlen von Maßnahmen zur Bekämpfung einer Vielzahl von anhaltenden Missständen und Verstößen überschattet.

„Das anhaltende Versäumnis Katars, seine im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft eingeleiteten Arbeitsreformen ordnungsgemäß durchzusetzen und zu stärken, gefährdet ernsthaft jede potenzielle Verbesserung der Situation von Arbeitnehmer*innen. Die Regierung muss dringend ihre Zusage für den Schutz der Arbeitnehmer*innen erneuern, und sowohl die FIFA als auch Katar sollten sich auf Pläne zur Wiedergutmachung für alle Betroffenen einigen“, sagte Steve Cockburn, Experte für Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit bei Amnesty International.

„Von illegalen Anwerbegebühren bis hin zu nicht gezahlten Löhnen haben Hunderttausende von Arbeitsmigrant*innen ihr Geld, ihre Gesundheit oder sogar ihr Leben verloren, während die FIFA und Katar versuchten, die Verantwortung von sich zu weisen. Bis heute, ein Jahr nach der Weltmeisterschaft, ist zu wenig getan worden, um all dieses Unrecht wiedergutzumachen. Die Arbeiter*innen, die die Weltmeisterschaft 2022 möglich gemacht haben, dürfen nicht vergessen werden.“

Steve Cockburn sagte weiter: „Katar sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass seine Handlungen nicht auf den Prüfstand gestellt werden, nur weil die WM vorbei ist, und es muss seine Bemühungen zur Verbesserung der Arbeitnehmer*innenrechte fortsetzen. Die FIFA muss aus ihren Fehlern lernen und bereit sein, ihre Verantwortung für die Menschenrechte ernst zu nehmen und Missstände, die durch ihr Versagen verursacht oder mitverursacht wurden, direkt zu beheben, um eine Wiederholung der Menschenrechtsverstöße, wie wir sie in Verbindung mit der Weltmeisterschaft in Katar erlebt haben, zu verhindern.“

Unzureichende Reformen und mangelnde Umsetzung

Katar hat 2017 ein Abkommen mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) unterzeichnet, das in den darauffolgenden Jahren zu erheblichen Änderungen der Arbeitsgesetze führte, u. a. zu Reformen des Kafala-Sponsorensystems, zu einem neuen Mindestlohn und zur Einführung von Arbeitsschutzvorschriften. Zu Beginn der Fußballweltmeisterschaft waren die Um- und Durchsetzungsmaßnahmen, die erforderlich gewesen wären, um weitere Menschenrechtsverstöße zu verhindern, jedoch noch unzureichend.

In Interviews mit Amnesty-Mitarbeiter*innen erklärten die Befragten, dass die meisten Arbeitsmigrant*innen das Land nun ohne Einschränkungen verlassen können, und stellten Fortschritte bei der Durchsetzung von Gesetzen im Zusammenhang mit Arbeiten bei hohen Temperaturen fest, insbesondere ein Verbot von Bauarbeiten im Freien während der heißesten Tageszeit. Darüber hinaus zeichneten sie jedoch ein düsteres Bild von anhaltender Ausbeutung und mangelndem politischen Willen zur Beseitigung der Mängel.

Eigentlich sollten die Arbeitnehmer*innen die Möglichkeit haben, ihren Arbeitsplatz frei zu wechseln, um Verstößen zu entgehen oder bessere Arbeitsbedingungen vorzufinden, aber obwohl sie dazu rechtlich gesehen keine Unbedenklichkeitsbescheinigung (NOC) mehr von den Arbeitgeber*innen benötigen, müssen viele in der Praxis immer noch irgendeine Form von Genehmigung einholen. Aus den Daten der Regierung geht hervor, dass in den ersten acht Monaten des Jahres 2023 zwar mehr als 150.000 Menschen den Arbeitsplatz gewechselt haben, dass aber im gleichen Zeitraum ein Drittel der Anträge von Arbeitnehmer*innen auf einen Arbeitsplatzwechsel abgelehnt wurden.

Darüber hinaus sind Arbeiter*innen für ihre Anwesenheit im Land nach wie vor von ihren Arbeitgeber*innen abhängig, wodurch ihr rechtlicher Status nicht angemessen geschützt ist und sie daran gehindert werden, ihre*n Arbeitgeber*in zu wechseln.

Lohndiebstahl ist nach wie vor die häufigste Form der Ausbeutung von Arbeitsmigrant*innen in Katar, auch bei Fahrer*innen in der wachsenden Essenslieferbranche, aber das System zur Aufdeckung und Reaktion auf verspätete und nicht gezahlte Löhne und Leistungen funktioniert noch nicht.

Als Hausangestellte beschäftigte Arbeitsmigrant*innen, bei denen es sich zumeist um Frauen handelt, sind nach wie vor besonders anfällig für schwerwiegende Verstöße, und die Regierung hat im vergangenen Jahr wenig unternommen, um diese Arbeitskräfte besser zu schützen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.

Abhilfe und Entschädigung

Die Missstände, denen Arbeitsmigrant*innen ausgesetzt waren, seit die FIFA Katar den Zuschlag für die Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft erteilt hat, können zwar nicht ungeschehen gemacht werden, doch es kann und muss Wiedergutmachung erfolgen.

Wie Amnesty International bereits dokumentiert hat, wurden während der Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar Hunderte von Arbeitsmigrant*innen, die als Sicherheitskräfte und Ordner*innen an den Austragungsorten eingesetzt und mit Kurzzeitverträgen beschäftigt wurden, ausgebeutet. Dazu gehörte, dass die Arbeitnehmer*innen rechtswidrige Vermittlungsgebühren zahlten, über ihre Arbeitsplätze getäuscht wurden und übermäßig lange arbeiten mussten, ohne freie Tage in der Woche zu haben. Fast ein Jahr später haben sie immer noch keine Entschädigung erhalten.

Presseteam Amnesty International Österreich
Eleonore Rudnay
+43-664-400 10 56
E-Mail: eleonore.rudnay@amnesty.at

PA: Katar: Einen Monat vor WM weiterhin zahlreiche Menschenrechtsverletzungen, Entschädigungsforderungen bleiben offen

Einen Monat vor dem Anpfiff der Fußball-WM sind Menschenrechtsverletzungen in Katar weiterhin weit verbreitet, so Amnesty International am 20.10. in einem neuen Bericht. Die katarischen Behörden müssen die versprochenen Arbeitsreformen im Anschluss an die WM und darüber hinaus einhalten, fordert die Menschenrechtsorganisation.

In einem kürzlich erschienen Statement fordern zahlreiche NGOs, darunter auch Amnesty International, die FIFA erneut auf, einen Entschädigungsfonds für Arbeitsmigrant*innen einzurichten. Bislang gibt es von Seiten der FIFA jedoch kein Bekenntnis, die Menschenrechtsverletzungen, die im Vorfeld der WM in Katar begangen wurden, angemessen zu entschädigen.

Die Überarbeitung des katarischen Arbeitssystems hat seit 2017 zu einigen merklichen Verbesserungen für die zwei Millionen im Land arbeitenden Arbeitsmigrant*innen geführt; Hunderttausende von ihnen arbeiten in Projekten, die für die Fußball-WM wichtig sind. Dennoch untergräbt ein Mangel an effektiver Umsetzung und Durchsetzung der Reformen die positiven Auswirkungen auf die Arbeitsmigrant*innen.

So sehen sich Tausende Arbeiter*innen auf Baustellen mit oder ohne WM-Bezug immer noch Problemen gegenüber wie verspäteten oder gar nicht gezahlten Löhnen, dem Wegfall von Ruhetagen, unsicheren Arbeitsbedingungen, Behinderungen bei einem Jobwechsel sowie wenigen Möglichkeiten, gegen all diese Verstöße rechtliche Schritte einleiten zu können. Tausende von Todesfällen von Arbeitsmigrant*innen sind weiterhin ungeklärt.

„Obwohl Katar in den vergangenen fünf Jahren wichtige Schritte in Richtung einer Verbesserung der Rechte der Arbeitsmigrant*innen gemacht hat, ist es ganz offensichtlich, dass man hier bei weitem noch nicht stehenbleiben kann. Tausende Arbeitsmigrant*innen befinden sich wegen legaler Schlupflöcher und unzureichender Reformumsetzungen immer noch in der allzu bekannten Spirale von Ausbeutung und Missbrauch“, sagt Steve Cockburn, Leiter des Bereichs wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit bei Amnesty International.

Amnesty International fordert die katarischen Behörden eindringlich auf, die Arbeitsschutzmaßnahmen zu verbessern und durchzusetzen, die Rechte der Arbeitsmigrant*innen zu stärken, fairen Lohn für die geleistete Arbeit zu zahlen und den Zugang zur Justiz und zu Entschädigungen zu ermöglichen.

„Trotz der großen und wachsenden Unterstützung von Fans, Fußballvereinen und Sponsor*innen für die Entschädigung von Arbeitsmigrant*innen, bewegt sich weder in Katar noch bei der FIFA etwas. In einem Monat beginnt die Fußball-WM und für Katar und die FIFA wird die Zeit, um noch das Richtige zu tun, schnell knapp“, sagt Steve Cockburn.

Weitreichende Menschenrechtsverstöße

Arbeitsmigrant*innen, die an Projekten mit und ohne WM-Bezug arbeiten, sehen sich in Katar weiterhin weitreichenden Menschenrechtsverstößen und Ausbeutung gegenüber. Viele Arbeitsmigrant*innen, besonders Hauspersonal in Privathaushalten und Mitarbeiter*innen im privaten Sicherheitssektor, arbeiten unter Bedingungen, die teilweise Zwangsarbeit gleichkommen.

Hausangestellte arbeiten typischerweise zwischen 14 und 18 Stunden am Tag, ohne einen wöchentlichen Ruhetag und sind in den Privathaushalten von der Außenwelt abgeschottet. Privaten Sicherheitsmitarbeiter*innen wird außerdem oft wiederholt der Ruhetag gestrichen und sie sind gezwungen, unter Androhung von Strafe zu arbeiten. Zu den angedrohten Strafen zählen willkürliche Lohnkürzungen und die Beschlagnahmung des Reisepasses, obwohl solche Praktiken gegen das katarische Recht verstoßen. Arbeitsmigrant*innen bleibt es weiter versagt, Gewerkschaften zu gründen oder sich solchen anzuschließen, obwohl dies ihnen unter internationalem Recht zusteht.

Ungeklärte Todesfälle

Nach wie vor ungeklärt sind Tausende von Todesfällen von Arbeitsmigrant*innen der letzten zehn Jahre und darüber hinaus, die sich teils auf WM-Baustellen sowie außerhalb zugetragen haben. Wahrscheinlich sind Hunderte dieser Fälle zurückzuführen auf das Arbeiten in der sengenden Hitze Katars. Die neuen gesetzliche Bestimmungen zum Schutz vor Hitze stellen eine Verbesserung dar, müssen aber weiter gestärkt werden, um sie internationalen Standards anzupassen und so für adäquaten Schutz der im Freien Arbeitenden zu sorgen.

Trotz klarer Beweise für Hitze als großes Gesundheitsrisiko haben die katarischen Behörden, obwohl es international so üblich wäre, bislang wenig getan, um die Todesfälle von Arbeitsmigrant*innen, die mit der Hitze in Verbindung stehen könnten, zu untersuchen, die Todesursache zu bestätigen oder Entschädigungen an die Angehörigen zu zahlen.

Weit verbreitet ist außerdem, dass zukünftige Arbeitsmigrant*innen erpresserische Vermittlungsgebühren zahlen, um sich so einen Job in Katar zu sichern. Gebühren von 1.000 bis 3.000 Euro sorgen dafür, dass viele Arbeitsmigrant*innen Monate oder gar Jahre brauchen, ihre Schulden abzubezahlen, wodurch sie in einer Spirale der Ausbeutung gefangen sind.

Wichtige Änderungen des Kafala-Systems – das eine komplette Abhängigkeit der Arbeitsmigrant*innen von ihren Arbeitgeber*innen mit sich brachte – bedeuten, dass nun die Mehrheit der Arbeitsmigrant*innen das Recht hat, auch ohne Erlaubnis ihrer Arbeitgebenden das Land verlassen und die Arbeitsstelle wechseln zu dürfen. Jedoch besteht für die Arbeitsmigrant*innen weiterhin die Gefahr, festgenommen oder des Landes verwiesen zu werden, falls ihr*e Arbeitgeber*in ihr Visum storniert, ihre Aufenthaltsgenehmigung nicht erneuert oder sie bei den Behörden anzeigt wegen „unerlaubten Verlassens des Arbeitsplatzes“.

Die katarische Regierung meldet, sie habe seit Oktober 2020 über 300.000 Anträge auf Jobwechsel von Arbeitsmigrant*innen bewilligt. Dennoch hat Amnesty International mehrere Fälle aus den letzten Monaten dokumentiert, in denen Arbeitgeber*innen ihre Machtposition über das Stornieren von Visa, die Erneuerung von Aufenthaltsgenehmigungen und das Anzeigen wegen „unerlaubten Verlassens des Arbeitsplatzes“ ausgenutzt haben, um diejenigen auszubeuten und zu bestrafen, die sich über die Arbeitsbedingungen beschwerten oder die ihren Job wechseln wollten.

Hintergrund

Teil der seit 2017 durchgeführten Reformen in Katar sind ein Gesetz zur Regulierung der Arbeitsbedingungen von Hausangestellten, ein Fonds zur Entschädigung bei Lohndiebstahl sowie die Einführung eines Mindestlohns. Katar hat außerdem zwei wichtige Menschrechtsverträge ratifiziert, allerdings ohne das Recht der Arbeitsmigrant*innen anzuerkennen, sich einer Gewerkschaft anschließen zu dürfen.

Die für die Planung und Durchführung der Weltmeisterschaft zuständige katarische Behörde, das Supreme Committee for Delivery and Legacy, hat ebenfalls verbesserte Arbeitsstandards für Arbeiter*innen eingeführt. Allerdings gelten diese nur auf WM-Schauplätzen wie Stadien und betreffen nur einen kleinen Anteil der insgesamt an WM-Projekten beteiligten Arbeiter*innen sowie darüber hinaus nur 2% der gesamtem Arbeitsbevölkerung Katars.

Amnesty erkennt die Wichtigkeit dieser Reformen an, stellt mit dem vorliegenden Kurzbericht jedoch einen Aktionsplan vor, um weiterhin vorhandene Missstände in zehn Bereichen anzugehen.

Im vergangenen Monat zeigte eine durch Amnesty International in Auftrag gegebene internationale Umfrage eine große Zustimmung unter den Befragten und Fußballfans für die Zahlung von Entschädigungen an Arbeitsmigrant*innen, die im Vorlauf der WM 2022 Menschenrechtsverletzungen erlitten haben.

Die Ergebnisse der Umfrage unterstützen die #PayUpFIFA-Kampagne, die im Mai von einem Zusammenschluss aus Menschenrechtsorganisationen – darunter Amnesty International –, Fangruppen und Gewerkschaften ins Leben gerufen wurde und in der die FIFA und die katarischen Behörden aufgefordert werden, einen Fonds zur Entschädigung der Arbeiter*innen einzurichten und künftige Menschenrechtsverstöße zu verhindern.

Für Rückfragen:
Presseteam Amnesty International Österreich
Antonio Prokscha
+43-664-621 10 31
E-Mail: presse@amnesty.at

PA: Katar: 84 Prozent der Fußballfans fordern von FIFA Entschädigung für Arbeitsmigrant*innen

Neue Umfrage zur WM in Katar zeigt: Fast drei Viertel (73 %) der Befragten unterstützen die Zahlung von Entschädigungen durch die FIFA an Arbeiter*innen, die bei der Vorbereitung des Turniers Menschenrechtsverletzungen erlitten haben, berichtet Amnesty International und fordert die FIFA auf, vor dem Beginn der Weltmeisterschaft am 20. November 2022 ein Entschädigungsprogramm aufzusetzen.

Wien / London (15.9.2022) – Die FIFA soll Arbeitsmigrant*innen, deren Menschenrechte während der Vorbereitungen für die Fußballweltmeisterschaft 2022 verletzt wurden, entschädigen. Diese Forderung wird von fast drei Viertel der Bevölkerung (73%) in 15 Ländern unterstützt. Das ergab eine neue, von Amnesty International in Auftrag gegebene weltweite Umfrage. Noch höher ist die Zustimmung bei denjenigen, die sich wahrscheinlich mindestens ein Spiel des Turniers ansehen werden (84 %).

Die YouGov-Umfrage, an der sich mehr als 17.000 Erwachsene in 15 Ländern beteiligten, ergab auch, dass eine deutliche Mehrheit (67 %) befürwortet, dass sich ihre nationalen Fußballverbände öffentlich zu den Menschenrechtsverstößen im Zusammenhang mit der WM 2022 in Katar äußern und dabei auch die Entschädigung von Arbeitsmigrant*innen unterstützen.

„Diese Ergebnisse senden ein deutliches Signal an die Führung der Fußballwelt. Überall auf der Welt sind sich die Menschen einig, dass die FIFA aktiv werden und versuchen sollte, das Leid der Arbeitsmigrant*innen in Katar abzumildern, indem sie Entschädigungen zahlt. Sie wollen auch, dass ihre nationalen Verbände eine viel entschiedenere Haltung einnehmen“, sagte Steve Cockburn, Leiter des Bereichs wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit bei Amnesty International.

„Weniger als 50 Tage vor dem Anpfiff der WM tickt die Uhr. Aber noch hat die FIFA Zeit, das Richtige zu tun. Die Fans wollen keine Weltmeisterschaft, die unauslöschlich mit Menschenrechtsverletzungen behaftet ist. Die Vergangenheit kann nicht ungeschehen gemacht werden, aber ein Entschädigungsprogramm ist ein klarer und gangbarer Weg, wie die FIFA und Katar für die Hunderttausenden von Arbeiter*innen, die dieses Turnier möglich gemacht haben, zumindest ein gewisses Maß an Wiedergutmachung leisten können.“

Weltweite Unterstützung für #PayUpFIFA

Die Ergebnisse unterstützen die #PayUpFIFA-Kampagne, die im Mai 2022 von einem Zusammenschluss aus Menschenrechtsorganisationen – darunter Amnesty International und Human Rights Watch –, Fangruppen und Gewerkschaften ins Leben gerufen wurde. Die Kampagne fordert die FIFA dazu auf, einen Fonds zur Entschädigung der Arbeiter*innen einzurichten und künftige Menschenrechtsverstöße zu verhindern.

Die Organisationen fordern, dass die FIFA mindestens 440 Millionen Dollar für den Fonds bereitstellt – so viel, wie sie an Preisgeldern bei der Weltmeisterschaft ausschüttet. Die FIFA wird durch das Turnier schätzungsweise 6 Milliarden Dollar einnehmen.

Nach dem Start der Kampagne teilte die FIFA Amnesty International mit, dass sie den Vorschlag in Erwägung ziehe. Bisher hat sie aber noch keine öffentliche Stellungnahme abgegeben.

Die #PayUpFIFA-Kampagne erinnert auch daran, dass die nationalen Fußballverbände, deren Mannschaften an der Weltmeisterschaft teilnehmen, gemäß internationalen Menschenrechtsstandards verpflichtet sind, Arbeitsmigrant*innen zu unterstützen.

Obwohl die Fußballverbände von Belgien, Dänemark, den Niederlanden, Großbritannien, Deutschland und Norwegen auf Anfrage von Journalist*innen ihre Unterstützung für das Prinzip der Entschädigung zum Ausdruck gebracht haben, hat bisher kein Fußballverband eine offizielle Erklärung abgegeben, in der er die FIFA ausdrücklich auffordert, ein solches Entschädigungsprogramm einzurichten.

Methode

Alle Zahlen, sofern nicht anders angegeben, stammen von YouGov Plc. und basieren auf einer Umfrage, an der sich 17.477 Erwachsene beteiligten. Die Umfrage fand zwischen dem 16. August und dem 6. September 2022 online statt. Die Zahlen wurden gewichtet und sind repräsentativ für alle befragten Länder (Erwachsene ab 18 Jahren), darunter Argentinien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Vereinigtes Königreich, Kenia, Mexiko, Marokko, den Niederlanden, Norwegen, Spanien, die Schweiz und die USA.

Fast drei Viertel (73 %) der Befragten und 84 % derjenigen, die wahrscheinlich mindestens ein WM-Spiel sehen werden,erklärten, dass sie den Vorschlag unterstützen würden, dass die FIFA einen Teil der Einnahmen der WM 2022 zur Entschädigung von Arbeitsmigrant*innen verwendet, die bei der Vorbereitung des Turniers Menschenrechtsverstößen ausgesetzt waren. Nur 10 % der Befragten sprachen sich gegen eine Entschädigung durch die FIFA aus, die restlichen 17 % wussten nicht, wie sie sich entscheiden sollten.

Die stärkste Unterstützung gab es in Kenia, wo 93 % der Befragten eine Entschädigung befürworteten. Tausende Kenianer*innen arbeiten in Katar, wo Amnesty International zahlreiche Verstöße dokumentiert hat, darunter die Zwangsarbeit von kenianischen Beschäftigten bei Sicherheitsdiensten, Bauarbeitern und Hausangestellten.

Hintergrund

Seit 2010, als die FIFA Katar den Zuschlag für die Fußballweltmeisterschaft 2022 erteilte, ohne eine Verbesserung des Arbeitnehmer*innen-Schutzes zu verlangen, wurden Hunderttausende von Arbeitsmigrant*innen beim Bau und bei der Wartung der Stadien, Hotels, Verkehrsmittel und anderer Infrastrukturen, die für die Ausrichtung des Turniers erforderlich sind, Opfer von Menschenrechtsverstößen.

Seit 2018 hat Katar eine Reihe wichtiger arbeitsrechtlicher Reformen eingeführt, um die Rechte der Arbeitnehmer*innen zu verbessern. Die mangelnde Durchsetzung führt jedoch dazu, dass es weiterhin zu schwerwiegenden Verstößen kommt.

Amnesty International fordert die FIFA und Katar auf, ein Entschädigungsprogramm unter umfassender Beteiligung von Arbeitnehmer*innen, Gewerkschaften, der Internationalen Arbeitsorganisation und der Zivilgesellschaft aufzusetzen. Das Programm sollte noch vor Beginn des Turniers am 20. November 2022 initiiert werden.

Das Programm muss nicht nur eine Reihe von Entschädigungskosten abdecken, einschließlich der Erstattung nicht gezahlter Löhne, der von Hunderttausenden von Arbeitnehmer*innen gezahlten horrenden Vermittlungsgebühren und der Entschädigung für Verletzungen und Todesfälle, sondern auch Initiativen zum Schutz der Arbeitnehmer*innen-Rechte in der Zukunft unterstützen.

Rückfragen:
Presseteam Amnesty International Österreich
Antonio Prokscha
+43-664-621 10 31
E-Mail: presse@amnesty.at

PA: Katar: FIFA soll Millionen Dollar für ausgebeutete Arbeitsmigrant*innen zahlen

Preisgelder in Höhe von 440 Millionen Dollar warten bei der Fußball-WM in Katar auf die teilnehmenden Mannschaften. Entschädigungen in mindestens derselben Höhe soll die FIFA für Hunderttausende Arbeitsmigrant*innen bereitstellen, deren Menschenrechte im Zuge der Vorbereitungen auf die WM verletzt wurden, fordert Amnesty International in einem neuen Bericht sechs Monate vor Beginn der WM.

Wien/London, 19.05.2022 – In einem offenen Brief gemeinsam mit anderen Menschenrechtsorganisationen und Fan-Gruppen fordert Amnesty International den FIFA-Präsidenten Gianni Infantino auf, gemeinsam mit Katar ein umfassendes Wiedergutmachungsprogramm aufzusetzen. Der Weltfussballverband und Katar müssen abgesehen von den Entschädigungszahlungen auch sicherstellen, dass sich diese Menschenrechtsverletzungen nicht wiederholen, weder in Katar noch bei zukünftigen Turnieren. Als Entschädigungssumme für die zahlreichen Menschenrechtsverstöße, die seit 2010 begangen wurden, soll die FIFA laut Forderung der Organisationen nicht weniger als den Betrag der Preisgelder dieser WM in Höhe von 440 Millionen Dollar bereitstellen.

„Nach internationalem Recht und dem Regelwerk der FIFA haben sowohl Katar als auch die FIFA jeweils die Pflicht und die Verantwortung, Menschenrechtsverletzungen zu verhindern und den Betroffenen Abhilfe bereitzustellen. Der von Amnesty International und anderen geforderte Wiedergutmachungsfonds ist angesichts des Ausmaßes der erlittenen Verstöße völlig gerechtfertigt und ist nur ein kleiner Teil der sechs Milliarden Dollar, die die FIFA mit dem Turnier einnehmen wird“, betont Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International, angesichts des heute veröffentlichten Berichts und offenen Briefs.

FIFA trägt Mitverantwortung an den Menschenrechtsverstößen in Katar

2010 hatte die FIFA Katar die Austragung der Weltmeisterschaft zugesprochen, ohne im Gegenzug auch nur die geringste Verbesserung des Arbeitsschutzes zu fordern. „Angesichts der Geschichte von Menschenrechtsverletzungen in Katar wusste die FIFA um die offensichtlichen Gefahren für die Arbeitnehmer*innen – oder hätte davon wissen müssen –, als sie dem Land den Zuschlag für das Turnier gab. Dennoch wurden in der Bewertung der katarischen Bewerbung die Arbeitnehmer*innen- und Menschenrechte mit keinem Wort erwähnt, und es wurden keine Bedingungen für den Schutz der Arbeitnehmer*innen gestellt“, kritisiert Callamard. „Die FIFA hat seitdem viel zu wenig getan, um derartige Gefahren zu auszuschließen oder zu mindern. Indem sie die Augen vor vorhersehbaren Menschenrechtsverletzungen verschlossen hat und sie nicht stoppte, hat sie unbestreitbar zu den Menschenrechtsverstößen gegen Arbeitsmigrant*innen beigetragen, die an Projekten im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft in Katar beteiligt waren.“

Entschädigungssumme könnte sogar noch höher sein

Nach Schätzungen von Amnesty International dürfte die Summe von 440 Millionen Dollar das Minimum sein, um eine Reihe von Entschädigungszahlungen zu decken und Initiativen zum Schutz der Arbeitnehmer*innenrechte in der Zukunft zu unterstützen. Die Gesamtsumme für die Erstattung nicht gezahlter Löhne, die von Hunderttausenden von Arbeitnehmer*innen gezahlten erpresserischen Vermittlungsgebühren und die Entschädigung für Verletzungen und Todesfälle könnte auch höher ausfallen und sollte im Rahmen eines partizipativen Prozesses mit Gewerkschaften, Organisationen der Zivilgesellschaft, der Internationalen Arbeitsorganisation und anderen ermittelt werden.

Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen nicht erfüllt

„Es mag zu spät sein, um das Leid vergangener Menschenrechtsverstöße zu lindern, aber die FIFA und Katar können und müssen handeln, um Wiedergutmachung zu leisten und weitere Verstöße zu verhindern. Die Entschädigung der Arbeiter*innen, die so viel für die Realisierung der WM 2022 getan haben, und die Ergreifung von Maßnahmen, die sicherstellen, dass solche Verstöße nie wieder vorkommen, könnten einen wichtigen Wendepunkt im Umgang der FIFA mit den Menschenrechten darstellen“, so Agnès Callamard.

Gemäß der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und ihren eigenen Vorschriften muss die FIFA Menschenrechtsverletzungen beseitigen, zu denen sie beigetragen hat. Diese Verantwortung sollte sich laut Amnesty nicht nur auf die Arbeitnehmer*innen erstrecken, die fußballspezifische Einrichtungen wie Stadien und Trainingsplätze, von der FIFA akkreditierte Hotels und das Übertragungszentrum bauen, sondern auch auf die für den Betrieb dieser Einrichtungen erforderlichen Dienstleistungen, inklusive Arbeitnehmer*innen, die am Bau und an der Instandhaltung der Verkehrs-, Unterkunfts- und sonstigen Infrastruktur beteiligt sind.

Auch der Staat Katar ist verpflichtet, für die Wiedergutmachung jeder Menschenrechtsverletzung in seinem Hoheitsgebiet zu sorgen, unabhängig davon, ob sie mit der Fußballweltmeisterschaft zusammenhängt oder nicht. Zwar wurden durch die Initiativen des Supreme Committee for Delivery and Legacy, die für die Planung und Durchführung der Weltmeisterschaft zuständigen katarischen Behörde, und das begrüßenswerte Arbeitsreformprogramm Katars einige Fortschritte erzielt, doch ihr begrenzter Geltungsbereich und ihre geringe Umsetzung haben dazu geführt, dass schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen fortbestehen und Arbeitsmigrant*innen nur eingeschränkt Zugang zu Rechtsmitteln haben, so die Analyse von Amnesty International. „Jahrelang wurde die Ausbeutung derer, die diese Weltmeisterschaft möglich gemacht haben, unter den Teppich gekehrt. Es ist an der Zeit, dass die FIFA und Katar gemeinsam an einem umfassenden Entschädigungsprogramm arbeiten, das die Arbeitnehmer*innen in den Mittelpunkt stellt“, fordert Agnès Callamard.

Hintergrund

Seit 2010 wurden Hunderttausende von Arbeitsmigrant*innen beim Bau der Stadien, Hotels, Verkehrsmittel und anderer Infrastrukturen, die für die Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft 2022 erforderlich sind, Opfer von Menschenrechtsverletzungen. Die überwiegende Mehrheit der Arbeitsmigrant*innen in Katar hat beispielsweise illegale Anwerbegebühren von durchschnittlich mehr als 1.300 US-Dollar gezahlt, um sich den Arbeitsplatz zu sichern. Bis vor zwei Jahren waren Arbeitsmigrant*innen in ihrer Möglichkeit eingeschränkt, den Arbeitsplatz zu wechseln oder das Land zu verlassen.

Seit 2018 hat Katar eine Reihe wichtiger arbeitsrechtlicher Reformen eingeführt, die die Rechte der Arbeitnehmer*innen verbessern sollen, doch aufgrund mangelnder Durchsetzung kommt es nach wie vor zu Verstößen. Verbesserungen für Beschäftigte an offiziellen FIFA-Standorten wie z. B. in Stadien wurden 2014 mit den Supreme Committee’s Worker Welfare Standards eingeführt, aber diese Standards werden nicht allgemein eingehalten und gelten nur für eine Minderheit der Hunderttausenden von Beschäftigten an WM-bezogenen Projekten. 2018 startete der Oberste Ausschuss eine Initiative, die u.a. eine Vereinbarung mit Auftragnehmer*innen auf offiziellen WM-Stätten zur Erstattung der Einstellungsgebühren von 48.000 Arbeitnehmer*innen umfasst, wiewohl dies wiederum nur eine Minderheit aller Arbeitnehmer*innen ist, die an für die WM wichtigen Projekten gearbeitet haben.

Für Interviewanfragen und Rückfragen wenden Sie sich bitte an presse@amnesty.at.

Presseteam Amnesty International Österreich
Mag. Eleonore Rudnay
+43 664 400 10 56
E-Mail: eleonore.rudnay@amnesty.at

PA: Katar-WM: Amnesty International übergibt Petition an FIFA

Amnesty International hat mehr als 280.000 Unterschriften von Fußballfans aus aller Welt an die FIFA übergeben, um diese aufzufordern, mehr für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmenden zu tun, die die Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar ermöglichen.

Wien/ Zürich, 14.03.2022. Die FIFA muss die Bedenken der Fußballfans ernst nehmen und konkrete Maßnahmen ergreifen, um die Rechte von Arbeitsmigrant*innen zu verbessern. Die FIFA muss dazu ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen und ihren ganzen Einfluss geltend machen, um Katar dazu zu bringen, sein Programm für Arbeitsreformen vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft in weniger als acht Monaten umzusetzen.

Im März 2021 hat Amnesty die FIFA in einem ausführlichen vierseitigen Schreiben an FIFA-Präsident Gianni Infantino aufgefordert, ihren internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Gemäß den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte muss die FIFA sicherstellen, dass die Menschenrechte bei der Organisation und Durchführung der Weltmeisterschaft geachtet werden, u. a. durch eine eigene, unabhängige und regelmäßige Überwachung der WM-Projekte und -Standorte sowie durch die Wahrung der Sorgfaltspflicht, um Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Turnier zu erkennen und zu verhindern.

Als Ausrichterin der WM ist die FIFA nach internationalen Standards dafür verantwortlich, die mit dem Turnier verbundenen Menschenrechtsrisiken zu minimieren. Je näher das Turnier rückt, desto dringender müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf die Tausende von Hotelangestellten, Kellner*innen, Taxifahrer*innen, Reinigungskräften und Sicherheitskräften richten, die sowohl an den offiziellen Austragungsorten der Weltmeisterschaft als auch an anderen Standorten tätig sind und entscheidend dazu beitragen, dass alle Fußballspieler, Funktionäre und Fans die WM 2022 in Katar genießen können.

Die in dieser Woche stattfindenden Qualifikationsspiele sind eine Mahnung, dass das Zeitfenster, in dem die FIFA Einfluss auf Katar nehmen kann, immer kleiner wird – sie muss jetzt handeln, um sicherzustellen, dass die Weltmeisterschaft 2022 ein Turnier ist, auf das man stolz sein kann, und nicht eines, das in erster Linie durch Arbeitsrechtsverletzungen von sich reden macht.

Amnesty würdigt die Schritte, die von der FIFA in den letzten Jahren unternommen wurden, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. Allerdings zeigen laufende Recherchen von Amnesty, dass es noch etliche Defizite gibt und schwere Arbeitsrechtsverletzungen nach wie vor weit verbreitet sind. Dies macht deutlich, dass noch viel zu tun ist. Die FIFA könnte einen echten Beitrag für die Rechte von Arbeitsmigrant_innen in Katar leisten – aber die Zeit drängt.

Die FIFA und Katar müssen einen soliden Aktionsplan aufstellen, um sicherzustellen, dass Arbeitsmigrant_innen in allen mit der Weltmeisterschaft verbundenen Sektoren angemessen bezahlt und fair behandelt werden und nicht der Willkür ausbeuterischer Arbeitgeber_innen ausgeliefert sind. Insbesondere trägt die FIFA die Verantwortung dafür, dass für alle Schäden, die Arbeitnehmende im Rahmen der bisherigen WM-Projekte erlitten haben, in Zusammenarbeit mit den katarischen Behörden und anderen relevanten Interessengruppen angemessene Abhilfe durch Rechtshilfe und Entschädigungen geschaffen wird.

Presseteam Amnesty International Österreich
Lerchenfelder Gürtel 43/4/3, 1160 Wien
Antonio Prokscha
Tel.: +43-664-621 10 31
E-Mail: antonio.prokscha@amnesty.at

PA: AMNESTY zu Katar: Noch ein Jahr bis zur WM – jüngste Reformen werden untergraben

Nur noch ein Jahr bis zum Anpfiff der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 und Katar muss seine Versprechen einlösen, das Kafala-Sponsorensystem abzuschaffen und die rechtliche Situation der Arbeitsmigrant*innen im Land besser zu schützen, erklärt Amnesty International anlässlich der Veröffentlichung eines neuen Berichts.

16. 11. 2021, London / Wien . Im „Reality Check 2021“ analysiert die Organisation erneut die Veränderungsprozesse hinsichtlich der Arbeitsbedingungen in Katar und kommt zu dem Schluss, dass die Fortschritte im Jahr 2021 stagniert haben. Mehr noch: Alte missbräuchliche Praktiken sind wieder aufgetaucht. Die schlimmsten Elemente des Kafala-Systems, also der Abhängigkeit der Arbeitsmigrant*innen von ihren Arbeitgeber*innen, wurden wieder aufgenommen und so einige der jüngsten Reformen untergraben.

In ihrer Analyse stellte Amnesty International außerdem fest, dass die verspätete oder ausbleibende Zahlung von Löhnen und anderen vertraglichen Leistungen nach wie vor zu den häufigsten Verstößen gegen die Rechte von Arbeitsmigrant*innen in Katar zählt. Dennoch haben diese nach wie vor kaum Zugang zur Justiz, und es ist den Beschäftigten weiterhin untersagt, sich zu organisieren, um gemeinsam für ihre Rechte einzutreten.

Reformen wurden eingeführt – aber nicht ausreichend umgesetzt
Katar hat seit 2017 eine Reihe positiver Reformen zugunsten von Arbeitsmigrant*innen durchgeführt, doch trotz dieser eingeleiteten Prozesse ist der Alltag vieler Arbeitsmigrant*innen in Katar nach wie vor hart und die Ausbeutung geht weiter – was unter anderem daran liegt, dass die Reformen nicht angemessen umgesetzt werden.

Arbeitsmigrant*innen von ihren Arbeitgeber*innen kontrolliert
So hat Katar zwar die Anforderung einer Ausreisegenehmigung und einer Unbedenklichkeitsbescheinigung (No-Objection Certificate – NOC) für die meisten Arbeitsmigrant*innen abgeschafft, sodass sie theoretisch das Land verlassen und den Arbeitsplatz wechseln können, ohne die Zustimmung ihrer Sponsor*innen einzuholen; aber de facto besteht für Arbeitgeber*innen weiterhin die Möglichkeit, den Arbeitsplatzwechsel von Beschäftigten zu blockieren und ihren rechtlichen Status zu kontrollieren. Auch durch die Einbehaltung von Gehältern und Sozialleistungen wird es Beschäftigten erschwert, den Arbeitsplatz zu verlassen. Arbeitsmigrant*innen sind auch weiterhin von ihren Arbeitgeber*innen abhängig, um nach Katar einreisen und sich dort aufhalten zu können – so können Arbeitgeber*innen können nach wie vor Klage wegen „unerlaubtem Verlassen des Arbeitsplatzes“ einreichen und Aufenthaltsgenehmigungen annullieren – Praktiken, die zur Kontrolle der Arbeitskräfte missbraucht werden.

Ausbeutung nach wie vor in massivem Ausmaß
Die Versäumnisse der katarischen Behörden werden auch in Bezug auf die unsicheren Arbeitsbedingungen sichtbar. Trotz der Einführung einiger neuer Schutzmaßnahmen für Arbeiter*innen bestehen nach wie vor große Risiken – so sehen die neuen Verordnungen beispielsweise keine verpflichtenden Ruhezeiten vor, die dem lokalen Klima oder der Art der Tätigkeit angemessen sind, was zu massiven gesundheitlichen Problemen führen kann. Im August 2021 dokumentierte Amnesty International das Versäumnis der katarischen Behörden, den Tod Tausender Arbeitsmigrant*innen zu untersuchen, obwohl es Beweise für einen Zusammenhang zwischen vorzeitigen Todesfällen und unsicheren Arbeitsbedingungen gab.

Amnesty-Forderung: Katarische Behörden müssen Reformprozess dringend beschleunigen
Angesichts der zunehmenden Kritik an der Menschenrechtslage in Katar im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft fordert Amnesty International die Behörden des Gastgeberlandes nun erneut auf, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um den Reformprozess zu beschleunigen. „Die Uhr tickt, aber es ist noch nicht zu spät, die unterschriebenen Reformvorhaben in Taten umzusetzen. Jetzt ist es an der Zeit, dass die katarischen Behörden echte Entschlossenheit zeigen und ihr Programm für Arbeitsreformen in vollem Umfang umsetzen. Alle bisherigen Fortschritte werden zunichte gemacht, wenn Katar sich mit einer schwachen Umsetzung der Maßnahmen zufrieden gibt und die für Verstöße Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft zieht“, so Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich. Sie findet klare Worte: „Die offensichtliche Selbstgefälligkeit der Behörden führt dazu, dass Tausende von Arbeitsmigrant*innen weiterhin der Gefahr ausgesetzt sind, von skrupellosen Arbeitgeber*innen ausgebeutet zu werden. Viele sind nicht in der Lage, den Arbeitsplatz zu wechseln oder dagegen vorzugehen, wenn Löhne nicht gezahlt werden. Sie haben kaum Hoffnung auf rechtliche Abhilfe, eine Entschädigung oder gar umfassende Gerechtigkeit. Nach der Fußballweltmeisterschaft wird das Schicksal der in Katar verbleibenden Arbeitsmigrant*innen noch ungewisser sein.“

Appell an Veranstalterin FIFA
Amnesty International fordert auch die WM-Veranstalterin FIFA auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und die mit dem Turnier verbundenen Menschenrechtsrisiken zu erkennen, zu verhindern, zu mindern und zu beheben. Dazu gehören auch Risiken für Beschäftigte in Branchen wie dem Hotel- und Gastgewerbe und dem Transportwesen, die massiv expandieren, um die Durchführung der Spiele zu erleichtern. Zudem muss die FIFA öffentlich ihre Stimme erheben, um die Regierung von Katar aufzufordern, ihr Programm für Arbeitsreformen noch vor dem Eröffnungsspiel der Weltmeisterschaft umzusetzen.

Für Interviewanfragen und Rückfragen wenden Sie sich bitte an presse@amnesty.at.

Presseteam Amnesty International Österreich
Lerchenfelder Gürtel 43/4/3, 1160 Wien
Mag. Eleonore Rudnay
+43 664 400 10 56
E-Mail: eleonore.rudnay@amnesty.at

PA: Katar – WM 2022: Todesfälle von Arbeitsmigranten nicht untersucht

Der Tod vieler Arbeitsmigrant*innen in Katar bleibt wegen mangelnder Untersuchungen seitens der Behörden bis heute ungeklärt. In einem neuen Bericht dokumentiert Amnesty International, wie die wahrscheinliche Todesursache – stundenlange Arbeit in extremer Hitze – nicht untersucht und stattdessen pauschal Totenscheine verfasst und die Todesfälle auf „natürliche Ursachen“ oder vage definierte Herzfehler zurückgeführt wurden.

London /Wien, 26. August 2021. Für den neuen Bericht In the Prime of their Lives befragte Amnesty International medizinische Expert*innen und überprüfte die Regierungsangaben zu Tausenden von Todesfällen; außerdem wurden 18 Totenscheine analysiert und die Familien von sechs Männern, die zum Zeitpunkt ihres Todes zwischen 30 und 40 Jahre alt waren, befragt.

15 der 18 Totenscheine enthielten keine Informationen über die zugrundeliegenden Ursachen, stattdessen wurden Bezeichnungen wie „akutes Herzversagen natürlicher Ursache“, „Herzversagen unspezifiziert“ und „akutes Atemversagen aufgrund natürlicher Ursache“ verwendet. Ähnliche Formulierungen wurden in den Berichten für mehr als die Hälfte der 35 Todesfälle verwendet, die seit 2015 als „nicht arbeitsbedingt“ auf den WM-Baustellen verzeichnet wurden. Dies lässt darauf schließen, dass in den betreffenden Fällen wahrscheinlich keine aussagekräftigen Untersuchungen durchgeführt wurden. Dr. David Bailey, ein führender Pathologe und Mitglied der WHO-Arbeitsgruppe zur Bescheinigung von Todesursachen, erklärte gegenüber Amnesty International: „Im Grunde stirbt am Ende jeder an Atem- oder Herzversagen, und die Formulierungen sind ohne eine Erklärung des Grundes dafür bedeutungslos.“

Forderung nach Entschädigungszahlungen an die Familien
„Wenn relativ junge und gesunde Männer nach langen Arbeitsstunden in extremer Hitze plötzlich sterben, wirft dies ernste Fragen über die Arbeitsbedingungen in Katar auf. Den Tod von Arbeitsmigranten nicht zu untersuchen und zu verhindern, ist ein Verstoß gegen die Verpflichtung Katars, das Recht auf Leben zu wahren und zu schützen“, sagt Steve Cockburn, Leiter des Bereichs wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit bei Amnesty International. „Wir fordern die katarischen Behörden auf, alle Todesfälle von Arbeitsmigranten vollständig zu untersuchen. Wenn die Arbeiter gefährlichen Bedingungen wie extremer Hitze ausgesetzt waren und keine andere Todesursache festgestellt werden kann, muss Katar den Familien eine angemessene Entschädigung zukommen lassen und unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um den Schutz für andere Arbeiter zu verbessern.“

Das Ausmaß der ungeklärten Todesfälle
Die von Amnesty durchgeführte Analyse von Angaben zu Sterbefällen aus verschiedenen Quellen deutet darauf hin, dass die Quote der ungeklärten Todesfälle von Arbeitsmigrant*innen in Katar bei fast 70 Prozent liegen könnte. Statistiken der katarischen Behörden zeigen, dass zwischen 2010 und 2019 mehr als 15.000 Personen nicht-katarischer Staatsangehörigkeit gestorben sind. Wie viele davon Arbeitsmigrant*innen waren, die aufgrund der Arbeitsbedingungen starben, lässt sich aus diesen Daten nicht schliessen, da die Todesursachen nicht systematisch erhoben werden. Auch gibt es keine umfassenden Statistiken zu Todesfällen bei allen WM-Projekten. Plötzliche Todesfälle Amnesty untersuchte die Todesfälle von sechs Arbeitsmigranten im Detail: vier Bauarbeiter, ein Wachmann und ein LKW-Fahrer. Bei keinem der Männer waren gesundheitliche Probleme bekannt und alle hatten die vorgeschriebenen medizinischen Tests bestanden, bevor sie nach Katar reisten. Keine der Familien hat nach dem Tod des Angehörigen eine Entschädigung erhalten. Auch wurde keiner der von Amnesty befragten Familien irgendeine Form der Obduktion angeboten, um die eigentliche Todesursache ihrer Angehörigen zu ermitteln. Dies bedeutete, dass nicht festgestellt werden konnte, ob die Arbeitsbedingungen zum Tod der Angehörigen beigetragen hatten. Somit war die Möglichkeit einer Entschädigung durch den Arbeitgeber oder die katarischen Behörden ausgeschlossen.

Suman Miah, 34 Jahre, arbeitete als Bauarbeiter. Er starb am 29. April 2020, nachdem er eine lange Schicht bei Temperaturen von bis zu 38°C absolviert hatte. Amnesty traf die Familie von Suman Miah, darunter seine beiden kleinen Kinder, in ihrem Haus in Bangladesch. Sie erfuhren von seinem Tod durch seine Kollegen und wurden weder von den katarischen Behörden kontaktiert noch wurde ihnen eine Autopsie angeboten. „Ich konnte die Nachricht zunächst nicht glauben. Ich hatte noch ein paar Stunden zuvor mit ihm gesprochen“, sagte Suman Miahs Frau Sumi Akter. Die bangladeschische Wohlfahrtsbehörde zahlte der Familie von Suman Miah 300.000 bangladeschische Taka (ca. 3.500 US-Dollar), aber diese Summe deckte gerade mal die Schulden, die er durch Anwerbegebühren während seiner Migration nach Katar gemacht hatte.

Hintergrund: Pflicht eines Staates, das Recht auf Leben zu schützen
Die Pflicht eines Staates, das Recht auf Leben zu schützen, sowie seine Verpflichtung, gesunde Arbeits- und Umweltbedingungen zu gewährleisten, muss durch Gesetze oder andere Maßnahmen untermauert werden. Bis vor kurzem bestand der wichtigste Schutz gegen berufsbedingte Hitzebelastungen in Katar in einem Verbot der Arbeit im Freien zu bestimmten Zeiten, nämlich zwischen dem 15. Juni und dem 31. August. Im Mai 2021 verlängerte Katar das Verbot der Sommerarbeitszeit vom 1. Juni bis zum 15. September und führte weitere Vorschriften ein, darunter ein Verbot der Arbeit im Freien, wenn der Index für Hitze und Feuchtigkeit 32 Grad erreicht. Die neuen Rechtsvorschriften geben den Arbeitnehmer*innen auch das Recht, die Arbeit zu unterbrechen und sich beim Ministerium für Verwaltungsentwicklung, Arbeit und Soziales zu beschweren, wenn sie sich Sorgen angesichts der hohen Temperaturen machen.

Professor David Wegman, ein Experte für Gesundheit und Sicherheit im Baugewerbe, erklärte gegenüber Amnesty, dass das neue Gesetz zwar eine Verbesserung darstelle, aber „weit hinter dem zurückbleibe, was für den Schutz der Arbeiter notwendig sei.“ Die neuen Vorschriften sehen keine obligatorischen Ruhezeiten vor, stattdessen wird den Arbeitnehmern das Recht zugestanden, bei heißem Wetter das Arbeitspensum „in ihrem eigenen Tempo zu verrichten“. In Anbetracht der extrem ungleichen Machtverhältnisse zwischen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen in Katar ist es laut Expert*innen jedoch unwahrscheinlich, dass sich die Arbeitnehmer*innen ihre Arbeitszeiten selbst einteilen.

Verbesserung des gesetzlichen Schutzes notwendig
Amnesty International fordert Katar auf, in seinen Gesetzen zum Schutz der Arbeiter*innen vor extremer Hitze obligatorische Ruhepausen einzuführen sowie die Untersuchung, Zertifizierung und Entschädigung von Todesfällen unter Arbeitsmigrant*innen zu verbessern.

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Presseteam Amnesty International Österreich
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PA: WM 2022 in Katar: FIFA muss faire Arbeitsbedingungen einfordern

Amnesty International meldet die Ausbeutung und Misshandlung von Arbeitsmigrant*innen in Katar im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft 2022 und fordert mit einer Petition an die FIFA den Schutz der Rechte von Arbeiter*innen.

London / Wien (22. März 2021) – Im Vorfeld der Qualifikationsrunde für die Fussballweltmeisterschaft 2022 in Katar fordert Amnesty International die FIFA auf, ihren Einfluss auf die katarischen Behörden geltend zu machen, um den Missbrauch von Arbeitsmigrantinnen und -migranten zu stoppen.
„Diese Fußballweltmeisterschaft wäre ohne Arbeitsmigrant*innen schlicht nicht möglich. Das Leben vieler Arbeiter*innen in Katar ist jedoch von Missbrauch und Ausbeutung geprägt “, sagt Steve Cockburn, Experte für wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit bei Amnesty International. 
„Als Veranstalterin der WM ist die FIFA nach internationalen Standards dafür verantwortlich, die mit dem Turnier verbundenen Risiken für Menschenrechtsverletzungen zu minimieren. Die Qualifikationsspiele dieser Woche zeigen, dass das Zeitfenster, in dem die FIFA Einfluss auf Katar nehmen kann, immer kleiner wird. Sie muss jetzt handeln, um sicherzustellen, dass die Weltmeisterschaft 2022 ein Turnier ist, auf das man stolz sein kann und nicht eines, das in erster Linie durch die Verletzung der Rechte von Arbeiter*innen von sich reden macht.“ 

Reformen unzureichend umgesetzt
Katar hat in den letzten Jahren zahlreiche positive Reformen auf den Weg gebracht, und damit zum Teil auf die erhöhte Aufmerksamkeit nach der Vergabe der Fußballweltmeisterschaft reagiert. Die Reformen werden jedoch allzu häufig nur unzureichend umgesetzt. 
Kürzlich hat Katars Schura-Rat, ein beratendes Gremium, eine Reihe von Empfehlungen vorgelegt, die – sollten sie von der Regierung angenommen werden – einen Großteil der durch die Reformen erzielten Fortschritte wieder zunichtemachen würden, u. a. durch die Wiedereinführung von Einschränkungen der Rechte von Arbeitnehmer*innen, ihren Arbeitsplatz zu wechseln und das Land zu verlassen.   

FIFA muss Einfluss nutzen
Am 15. März hat Amnesty International die FIFA in einem Schreiben an FIFA-Präsident Gianni Infantino aufgefordert, ihren internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. 
Gemäß den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte muss die FIFA sicherstellen, dass die Menschenrechte bei der Organisation und Durchführung der Weltmeisterschaft geachtet werden. Dazu zählen u. a. eine eigene, unabhängige und regelmäßige Kontrolle der WM-Projekte und -Standorte sowie die Wahrung der Sorgfaltspflicht, um Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Turnier zu erkennen und zu verhindern. Insbesondere trägt die FIFA die Verantwortung dafür, dass Arbeiter*innen für alle Schäden, die sie im Rahmen der bisherigen WM-Projekte erlitten haben, in Zusammenarbeit mit den katarischen Behörden und anderen relevanten Interessengruppen angemessen entschädigt werden.
„Die FIFA muss ihren Einfluss nutzen, um Katar dazu zu bewegen, bestehende Reformen unverzüglich umzusetzen und Vorschläge, die Arbeiter*innen ihre neu erworbenen Rechte nehmen, abzulehnen“, so Steve Cockburn. 

Fußballfans aufgefordert sich für die Rechte der Arbeiter*innen einzusetzen
Amnesty International ruft Fußballfans weltweit dazu auf, sich für Arbeitsmigrant*innen in Katar einzusetzen und die Amnesty-Petition an die FIFA zu unterzeichnen und zu teilen. Amnesty fordert die FIFA auf, alles zu tun, um die Bedingungen für jene Arbeiter*innen zu verbessern, ohne deren Arbeit das Turnier gar nicht stattfinden könnte. In 27 Ländern, darunter auch Österreich, hat Amnesty International im November 2020 auch die jeweiligen nationalen Fußballverbände aufgefordert, sich für die Rechte von Arbeitsmigrant*innen einzusetzen. 

Amnesty erkennt die Schritte an, die von der FIFA in den letzten Jahren unternommen wurden, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. Dazu gehören beispielsweise die Veröffentlichung von Leitprinzipien zu Menschenrechtsfragen 2017 und einer gemeinsamen Nachhaltigkeitsstrategie für die FIFA Fußball-WM 2022 im Oktober 2019. Die FIFA hat sich dazu verpflichtet, ein „Vermächtnis erstklassiger Standards und Praktiken für die Arbeiter*innen in Katar und weltweit“ zu hinterlassen, doch das anhaltende Problem schwerwiegenden Arbeitsmissbrauchs zeigt, dass es noch viel zu tun gibt.  

Hintergrund
Insgesamt 2,3 Millionen Arbeitsmigrant*innen verdienen in Katar ihren Lebensunterhalt, sie stellen dabei 95 Prozent der Arbeitskräfte.
Rund 20.000 davon arbeiten auf den WM-Baustellen im Land. 173.000 Personen, meist Frauen, sind als Hauspersonal angestellt. Viele von ihnen leiden unter den nach wie vor schlechten Arbeitsbedingungen: Sie erhalten ihren Lohn oft unregelmäßig, verspätet, oder überhaupt nicht. Bis vor kurzem durften sie nur mit Einverständnis ihrer Arbeitgeber*innen den Job wechseln oder das Land verlassen.
Diese Regelung ist inzwischen zwar gesetzlich abgeschafft, wird aber in der Praxis weiterhin angewandt und die Abschaffung zunehmend erneut in Frage gestellt.
Vor allem Hauspersonal ist trotz einer Gesetzesreform Missbrauch und Ausbeutung ausgeliefert: Hausangestellte müssen bis zu 18 Stunden täglich arbeiten, haben keine Ruhepausen, keinen freien Tag und werden häufig durch ihre Arbeitgeber*innen beschimpft, geschlagen und sexuell missbraucht. Die Täter*innen gehen fast immer straflos aus.

Link zur Petition: https://action.amnesty.at/petition/fifa-katar22

Rückfragen:
Presseteam Amnesty International Österreich
Lerchenfelder Gürtel 43/4/3, 1160 Wien
Martina Powell / Gesine Schmidt-Schmiedbauer
+43 664 2359138 / +43 664 4001056
E-Mail: presse@amnesty.at

PA: Die zwei Gesichter des Sports

Sport verbindet und fördert Werte wie Respekt, Toleranz, Fairness und Zusammenhalt. Er stärkt Einzelne wie Gemeinschaften – und das überall auf der Welt. Die aktuelle Ausgabe der Weltnachrichten, des Magazins der Austrian Development Agency (ADA), geht der positiven Wirkung von Sport als Motor für nachhaltige Entwicklung nach, wirft aber auch einen Blick auf dessen Schattenseiten.

Spätestens seit 2003 herrscht Konsens, dass Sport Gesellschaften weiterbringen kann: Mit der Resolution 58/5 riefen die Vereinten Nationen dazu auf, Sport zu nutzen, um Bildung, Gesundheit, Entwicklung und Frieden zu fördern. Auch in der Agenda 2030 gilt Sport als wichtiger Motor für nachhaltige Entwicklung. Sport kommt daher verstärkt als Instrument für sozialen Wandel zum Einsatz.

So hat sich in den letzten 15 Jahren die Anzahl zivilgesellschaftlicher Organisationen und Initiativen, die Sport für soziale Transformation nutzen, vervielfacht. Auch in der Entwicklungszusammenarbeit zeigen die vielen positiven Facetten des Sports Wirkung – besonders dann, wenn es um die Globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) Nummer 5 (Geschlechtergleichstellung) oder 10 (weniger Ungleichheiten) geht.

Rote Karte für Rassismus und Homophobie
„Lange galten Homophobie oder Rassismus im Fußballsport als Kavaliersdelikte. Deshalb fördern wir etwa die Initiative „fairplay“ des Wiener Instituts für Internationalen Dialog und Zusammenarbeit, die sich gegen Diskriminierung in Fußballstadien wendet“, sagt ADA-Geschäftsführer Martin Ledolter. Das zeigt Erfolg, denn die Zahl an kritischen Sportvereinen und Fans wächst. Dazu tragen auch die „fairplay“-Workshops bei. Dort werden Ideologien, Stereotype, Werte und Normen, die zu Diskriminierung und zur Missachtung von Menschenrechten führen, hinterfragt und Strategien dagegen entwickelt.

Volltreffer für Gerechtigkeit
Wie Sport zu Geschlechtergleichstellung beitragen kann, zeigt die Geschichte der 16-jährigen Pakistani Khansa. Sie nahm an einem Fußballprogramm der internationalen Kinderhilfsorganisation Right To Play teil, stärkte dort ihr Selbstvertrauen und fasste den Mut, sich gegen den Willen ihrer Eltern zu stellen: Knapp ist sie der Zwangsverheiratung und der Abhängigkeit von einem Mann entkommen und besucht weiter Fußballtraining und Schule. Damit hat sie die Chance auf ein selbstständiges Leben.

Die dunkle Seite der Medaille
„Es gibt aber auch Bereiche, wo Sport Risiken birgt und zu Ungerechtigkeiten führt: So etwa, wenn es bei großangelegten Sportevents zu Zwangsumsiedlungen und Menschenrechtsverletzungen kommt. Oder wenn internationale Labels zu unmenschlichen Arbeitsbedingungen in Billiglohnländern wie Indonesien, Kambodscha oder Vietnam produzieren“, so Ledolter. Initiativen wie die Clean Clothes Kampagne zeigen diese Umstände auf und wollen sie verändern.

Teamplay für den Klimaschutz
Veränderung braucht es auch, wenn es um Sport und den Klimawandel geht. Reisen, Energieverbrauch oder Massenverpflegung bei Großereignissen verschwenden Ressourcen und produzieren enorme Mengen an Treibhausgasen. Umgekehrt ist der Sport selbst vom Klimawandel bedroht, wenn Wettkämpfe klimabedingt nicht stattfinden können. Einen Ausweg sucht das Sekretariat der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC): Im Dialog mit Sportorganisationen ruft es zu mehr Klimabewusstsein auf. 115 Sportorganisationen sind bereits mit an Bord.

Außerdem in den Weltnachrichten 2/2020 zu lesen:

  • Unter den Farben des Regenbogens: Wie Fußballstar Cynthia Uwak aufgrund ihrer sexuellen Orientierung aus dem nigerianischen Nationalteam geworfen wurde und heute in Finnland gegen Homophobie im Sport kämpft.
  • Spielemacher des eigenen Lebens: Rollstuhlbasketballer Saber aus Afghanistan schaffte es mit Kampfgeist vom Flüchtling mit Behinderungen zur gefeierten Sportgröße.
  • Meisterschaft der anderen Art: Beim „Homeless World Cup” stehen Menschen im Rampenlicht, die sonst oft wenig beachtet werden.
  • Friedliche Ballspiele: Im Grenzgebiet von Burkina Faso und Mali will man durch grenzüberschreitende Sportveranstaltungen ethnische Konflikte überwinden.
  • MITMACHEN! Nachhaltigkeit erlernen, erleben, erfahren: Fünf wegweisende Initiativen zeigen vor, wie wir unseren Planeten für die Generationen nach uns lebenswert gestalten.

Die Weltnachrichten berichten vierteljährlich über entwicklungspolitische Themen. Herausgeber ist die Austrian Development Agency. Alle Beiträge, Reportagen, Interviews und Geschichten sind auch online nachzulesen: http://www.entwicklung.at/weltnachrichten/ 

Die Weltnachrichten sind kostenlos. Bestellungen unter oeza.info@ada.gv.at 

Austrian Development Agency
Die Austrian Development Agency, die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, unterstützt Länder in Afrika, Asien, Südost- und Osteuropa bei ihrer nachhaltigen Entwicklung. Gemeinsam mit öffentlichen Einrichtungen, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen setzt die ADA derzeit Projekte und Programme mit einem Gesamtvolumen von 500 Millionen Euro um.

Rückfragehinweis:
Austrian Development Agency,
die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit
Zelinkagasse 2, 1010 Wien
Mag. Katharina Schreiber
Tel.: +43 676 83903414
katharina.schreiber@ada.gv.at
 www.entwicklung.at

Impressum
f: AustrianDevelopmentAgency
t: @AustrianDev
IG: austriandev

 

Interviewtermin mit Felix Jaitner, Evgenij Milevskij und Ingo Petz

Russland und die WM 2018. Spiel für Menschenrechte!?
Mi., 23. Mai 2018 // 17:00-18:30 // Wien

Vier Jahre nach den Olympischen Spielen in Sotschi findet in Russland mit der WM 2018 das nächste Sportgroßereignis statt. Das Gastgeberland möchte sich mit einem erfolgreichen Turnier in einem positiven Licht präsentieren. Die österreichische Initiative „OUR GAME – Unser Spiel für Menschenrechte“ macht auf Diskriminierung, Ausgrenzung und Ausbeutung im Vorfeld und bei der Austragung der WM 2018 aufmerksam und lässt Sportler, Wissenschaftler und Experten zu Wort kommen.

Felix Jaitner, Evgenij Milevskij und Ingo Petz stehen für Interviews zur Verfügung: Mi., 23. Mai 2018 // 17:00-18:30 // Hauptbücherei am Gürtel // Urban-Loritz-Platz 2a, 1070 Wien

Felix Jaitner: Politologe und Osteuropaexperte an der Universität Wien spricht über die jüngsten politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklungen des WM-Gastgeberlands Russland, insbesondere über die zunehmend autoritären Tendenzen des Putin-Regimes.

Evgenij Milevskij: ehemaliger Fußballprofi u. a. Spartak Moskau, Austria Wien. Managing Director Russia, Ukraine & Baltic States bei Soravia Real Estate Ltd. Der frühere Direktor des lettischen Fußballverbands ist ein ausgewiesener Kenner des russischen Fußballs.

Ingo Petz: Autor und Journalist, studierte Geschichte und Slawistik an der Universität Wolgograd. Als Mitarbeiter des Fan-Projekts fankurve-ost.de in Berlin organisiert er Seminare für junge JournalistInnen und aktive Fans aus Russland. Petz spricht über das Thema Fußball-Fankultur in Russland und Zivilgesellschaft.

Zur Vereinbarung von Interviewterminen wenden Sie sich bitte an Kurt Wachter (VIDC-fairplay Initiative), +43 1 7133594-90, wachter@vidc.org
Im Anschluss (19:00) findet eine Ausgabe von „Club 2×11 – die Fußballdiskussion“ statt. Moderiert von Georg Spitaler (ballesterer, Politologe, Historiker) sprechen die Interview-Partner über die Erwartungshaltung von Veranstaltern, Beobachtern und Fans und beleuchten die aktuelle russische Fußballszene. Diese Veranstaltung wird von ORF Sport + live übertragen und findet in Kooperation mit Büchereien Wien, ballesterer, fairplay Initiative und tipp3 statt.

OUR GAME

Die gemeinsame Initiative „OUR GAME – Unser Spiel für Menschenrechte“ vom Wiener Institut für Internationalen Dialog und Zusammenarbeit (fairplay-VIDC), Südwind und der Frauen*solidarität steht für eine innovative entwicklungspolitische Bildungs-, Kultur- und Informationsarbeit und setzt sich für bindende Menschenrechtsstandards bei Sportgroßereignissen ein. OUR GAME ist das Nachfolgeprojekt von „Nosso Jogo“, das die Fußball-WM 2014 und die Olympischen Spiele 2016 in Brasilien im Fokus hatte.

Mehr Infos zu OUR GAME finden Sie unter www.ourgame.at

Die Initiative „OUR GAME – Unser Spiel für Menschenrechte“ wird mit finanzieller Unterstützung der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit durchgeführt.