Archiv der Kategorie: Wirtschaft

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PA: Neue Studie von Südwind-Partner in Bangladesch zeigt erschreckende Arbeitsbedingungen in der Lederindustrie

75 Prozent der Befragten arbeiten ohne angemessene Schutzausrüstung, 63 Prozent leiden unter gesundheitlichen Folgen aufgrund unsicherer Arbeitsbedingungen, mehr als die Hälfte erhält Löhne unterhalb des nationalen Mindestlohns, wird berichtet.

Eine neue Studie der Südwind-Partnerorganisation  Bangladesh Labour Foundation (BLF) zeigt nach wie vor große Risiken für Arbeiter:innen sowie eine enorme ökologische Belastung in der exportorientierten Lederindustrie des südasiatischen Landes auf. Dazu zählen extrem niedrige Löhne, Gesundheitsrisiken durch unsichere Arbeitsbedingungen, massive Umweltverschmutzung und erzwungene Überstunden. In die Recherche vor Ort wurden 120 Gerbereiarbeiter:innen aus 26 Gerbereien einbezogen. „Einkäufer, die Waren aus Bangladesch beziehen, scheinen alle Sicherheitsrisiken, Arbeitnehmerrechte und Umweltrisiken zu ignorieren. Leder-Arbeiter werden dadurch in höchst prekäre Situationen gebracht“, sagt Ashraf Uddin Mukut, geschäftsführender Direktor der BLF. „Abnehmer von Lederwaren müssen ihre Lieferketten offenlegen und eine faire Beschaffungspolitik garantieren.“

Fehlende Schutzkleidung und große Gesundheitsrisiken

Aus der Umfrage geht hervor, dass 111 der 120 befragten Arbeitnehmer:innen keinen Arbeitsvertrag haben. Das sind 95 Prozent aller Befragten die ohne formellen Beschäftigungsnachweis tätig sind. 75 Prozent der Befragten arbeiten ohne angemessene Schutzausrüstung und 79 Prozent sind nicht darin geschult, wie man Chemikalien sicher verwendet. Eine große Anzahl der Befragten leidet unter gesundheitlichen Problemen: 28 Prozent geben an, unter Hautkrankheiten zu leiden, 13 Prozent unter Kurzatmigkeit, 32 Prozent unter Magenbeschwerden und 63 Prozent unter Kopfschmerzen. Der nationale Mindestlohn für Gerbereiarbeit liegt bei 13.500 Taka, umgerechnet etwa 143 Euro, pro Monat. Mehr als die Hälfte (56%) der Befragten gibt an, unterhalb dieses Minimums bezahlt zu werden.

„Gerade in einem Risikosektor wie der Leder- und Schuhherstellung, wo teils unter gefährlichen Bedingungen gearbeitet wird, müssen Unternehmen ihre Verantwortung wahrnehmen und höchste Sicherheitsstandards sowie eine seriöse Überprüfung garantieren“, so Lieferketten-Expertin Gertrude Klaffenböck von Südwind. „Leider ist viel zu oft das Gegenteil der Fall: Anstatt Menschenrechtsvergehen aktiv vorzubeugen und dagegen vorzugehen, bedienen sich Modeunternehmen der Missstände, die durch intransparente Lieferketten noch begünstigt werden.“ Gemeinsam mit der internationalen Initiative Togehter for Decent Leather fordert Südwind daher verbindliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen in Form eines strengen Lieferkettengesetzes. Klaffenböck: „Für einen wirksamen Schutz von Umwelt und Menschenrechten entlang globaler Lieferketten muss die Politik einen strengen Rechtsrahmen vorgeben.“

Starke Umweltverschmutzung bei den untersuchten Gerbereien

Für die Studie befragten BLF und die gemeinnützige Forschungsorganisation RAPID insgesamt 120 Arbeiter:innen aus 26 Gerbereien im Gerberei-Zentrum Savar in Dhaka. Dieses Industriegebiet wurde neu entwickelt nach schwerwiegenden Umwelt- und Gesundheitsproblemen im ehemaligen Zentrum in Hazaribagh. Mit dem deklarierten Ziel, internationale Umweltstandards erfüllen zu wollen, kündigte die Regierung die Umsiedlung an und versprach dabei bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Arbeiter:innen. Nach nur kurzer Zeit sind die Umweltauswirkungen auch in Savar enorm. Der Grund sind nicht funktionierende Kläranlagen. Im März 2022 sah sich das Umweltministerium gezwungen, aufgrund der massiven Verschmutzung des Dhaleshwari-Flusses die Schließung von gleich sieben Gerbereien anzuordnen.

Export ins Ausland ohne Transparenz

Mit einem Wert von 1,24 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 ist der Export von Leder, Lederwaren und Schuhen die drittgrößte Quelle für Exporteinnahmen für Bangladesch, nach Konfektionskleidung und Wohntextilien. Zwar ist China der wichtigste Abnehmermarkt für Lederwaren aus Bangladesch aber auch Europa ist ein wichtiges Exportziel.  In welchem Markensortiment das in Bangladesch produzierte Leder genau landet ist aufgrund mangelnder Transparenz in internationalen Lieferketten oft schwierig nachzuvollziehen.  

Together for Decent Leather

Die österreichische Menschenrechtsorganisation Südwind ist einer von sieben Partnern des europäisch-asiatischen Konsortiums Together for Decent Leather. Dieses hat sich zum Ziel gesetzt, die Arbeitsbedingungen entlang der internationalen Lieferketten von Lederwaren zu verbessern und zu einem Ende von ausbeuterischer Arbeit beizutragen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Zentren der Lederproduktion in Südasien, insbesondere in den Bezirken Vellore und Chennai in Tamil Nadu in Indien, im Großraum Karachi in Pakistan und im Großraum Dhaka in Bangladesch. Together for Decent Leather setzt sich dafür ein, dass Unternehmen ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten erfüllen und Regierungen wirksame Schutzmaßnahmen und Regelungen einführen, um die Einhaltung internationaler Arbeitsnormen zu verbessern.

Gesamtbericht zum Download: „Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen in der Lederindustrie von Bangladesch“ (deutsche Übersetzung)

Über die Bangladesh Labour Foundation (BLF):
BLF ist eine nichtstaatliche, gemeinnützige, überparteiliche Organisation, die die Interessen der arbeitenden Bevölkerung in Bangladesch vertritt. Weitere Informationen:  www.blfbd.com

Über Research and Policy Integration for Development Society (RAPID)
RAPID ist eine private, gemeinnützige und überparteiliche Forschungsorganisation in Bangladesch. Weitere Informationen: http://www.rapidbd.org

Rückfragehinweis:
Vincent Sufiyan
Kommunikationsleiter Südwind
Mail: vincent.sufiyan@suedwind.at
Tel.: 0650 96 77577
 
Ashraf Uddin Mukut (BLF)
Geschäftsführender Direktor, BLF
E-Mail: ashraf@blfbd.com
Tel.: +88 0182 0312 276

PA und Interviewmöglichkeit: Chile am historischen Scheideweg – Referendum zu neuer Verfassung am 4. September

Am 4. September stimmt die Bevölkerung Chiles über den Entwurf für eine neue Verfassung ab. In einer aktuellen Presseaussendung von DISKURS. Das Wissenschaftsnetz gibt der Politikwissenschaftler Ulrich Brand von der Uni Wien Einblick in den Verfassungsentwurf sowie in die Hintergründe und möglichen Folgen des historischen Referendums. Er argumentiert, dass das vorgeschlagene Modell einer „solidarischen Republik“ auch für andere Länder wegweisend sein könnte.

Das Erbe der Pinochet-Diktatur
Wenn der Entwurf angenommen wird, würde die neue Verfassung jene von 1980 ersetzen, die unter dem damaligen Diktator Augusto Pinochet erlassen wurde. Univ.-Prof. Dr. Ulrich Brand von der Universität Wien sagt: „Trotz einiger Veränderungen ist der neoliberale Charakter der Verfassung von 1980 bis heute in Kraft. Damals wurde unter anderem festgelegt, dass der Staat sich weitgehend aus dem Wirtschaftsleben raushält und das Bildungs- und Rentensystem überwiegend privat organisiert sind. Sogar Wasser galt fortan nicht mehr als öffentliches Gut, sondern als private Ware, mit der Großkonzerne viel Geld verdienten. Insgesamt nahm die soziale und wirtschaftliche Spaltung in Chile deutlich zu.“ Das häufig als Wirtschaftswunderland bezeichnete Chile zeichne sich Brand zufolge dadurch aus, dass das Wirtschaftswachstum den Wohlhabenden zugutekomme und die Umwelt zerstöre. Landwirtschaft und Bergbau verbrauchen enorm viel Wasser, die Lachszucht in engen Käfigen basiere auf hohem Antibiotikakonsum. Und die monokulturelle Forstwirtschaft im Süden führe immer wieder zur Vertreibung der indigenen Bevölkerung.

Protest gegen den neoliberalen Ist-Zustand
Seit vielen Jahren nehme der Unmut über die herrschende Politik zu, was sich in den letzten Jahrzehnten in vielfältigen Protesten äußerte. „Doch der unmittelbare Anlass für die aktuellen Veränderungen waren die wochenlangen Mobilisierungen ab Oktober 2019. Die damalige rechts-konservative Regierung konnte sich nur mit dem Zugeständnis an der Macht halten, dass sie darüber abstimmen lässt, ob es zu einer neuen Verfassung kommen soll. 78 Prozent stimmten Ende 2020 dafür, weshalb im Mai 2021 eine Verfassungsgebende Versammlung gewählt wurde. An dieser waren nicht die Politiker*innen im Amt beteiligt, sondern Menschen aus verschiedensten Gruppen in Bezug auf Alter, Herkunft und Berufen. Diese legte im Juli 2022 einen Entwurf vor,“ so Ulrich Brand, der auch den Forschungsverbund Lateinamerika an der Universität Wien leitet. Ein weiteres Ergebnis der Mobilisierungen war, dass im Dezember 2021 mit Gabriel Boric zum ersten Mal seit dem Wahlsieg von Salvador Allende vor über 50 Jahren ein linker Präsident gewählt wurde.

Die Verfassung: Ein großer Wurf für Menschen und Natur
Die nun zur Abstimmung stehende Verfassung ist aus Sicht des Wiener Politikwissenschaftlers deshalb spannend, weil sie zentrale Probleme unserer Zeit thematisiert. So besagt Artikel 1 des Entwurfs: „Chile ist ein sozialer und demokratischer Rechtsstaat. Er ist plurinational, interkulturell, regional und ökologisch.“ Zugleich wird Chile darin als „solidarische Republik“ und seine Demokratie als paritätisch definiert, d.h. die öffentlichen Ämter müssen paritätisch nach Geschlechtern besetzt werden.

Brand nahm Anfang August an einer internationalen Konferenz in Santiago de Chile teil, bei der es um den Verfassungsentwurf ging. Er sagt: „Das Prinzip der Plurinationalität bricht mit dem Selbstbild einer homogenen, kreolisch-weißen Nation, in der die Existenz der Indigenen weder anerkannt noch ihre Rechte garantiert sind. Menschen indigener Herkunft, die etwa elf Prozent der Bevölkerung Chiles stellen, werden im Verfassungsentwurf als Völker anerkannt und erhalten weitreichende kollektive Rechte, darunter etwa das Recht auf Sprache sowie auf eine eigene Gerichtsbarkeit. Darüber hinaus würde im Falle einer Annahme des Entwurfs zum ersten Mal in der Weltgeschichte der Grundsatz der Geschlechterparität für alle politischen und öffentlichen Gremien in einer nationalen Verfassung festgelegt.“

Doch der Entwurf sei noch in einer weiteren Hinsicht wegweisend: Wie bereits in der Verfassung von Ecuador aus dem Jahr 2008 würden nun auch in Chile erstmals die Rechte der Natur konstituiert. „Es geht also nicht mehr nur um die zu schützende Um-Welt, sondern auch um den Erhalt der Grundlagen allen menschlichen und nicht-menschlichen Lebens.“, sagt Brand und führt aus: „Gemeingüter wie Wasser und Luft sollen dabei besonders geschützt werden, die Privatisierung von Wasser wird ausgeschlossen. Ernährungssouveränität und der Schutz von traditionellem Saatgut werden zu wichtigen Staatszielen erklärt. Und wer die Natur zerstört, muss sie reparieren.“

Rechte und Reiche machen gegen den Entwurf mobil
Dass der Verfassungsentwurf angenommen wird, sei keineswegs ausgemacht. Das liege vor allem daran, dass es mächtige Gruppen gebe, die kein Interesse daran haben, mit der neoliberalen Verfassung von 1980 zu brechen: „Deutlich wurde bei meinem Aufenthalt in Chile, wie stark die politische Rechte und die Reichen gegen die neue Verfassung mobilisieren. Sie haben einiges an Macht und Vermögen zu verlieren, wenn die Gesellschaft gerechter und ökologisch nachhaltiger werden soll. Es wird ein knappes Ergebnis, weil die großen Medien in den Händen der Wohlhabenden sind und komplett gegen den Verfassungsentwurf mobilisieren. Doch die Mobilisierung für eine Annahme des Entwurfs ist beeindruckend.“

Am Morgen des 5. September werden wir in Österreich das Ergebnis erfahren. „Sollte die Bevölkerung den Entwurf annehmen“, so Prof. Brand abschließend, „beginnt erst der steinige Weg zur Umsetzung von politischen, sozialen und wirtschaftlichen Rechten für die Bevölkerungsmehrheit, für Gleichheit zwischen den Geschlechtern, für indigene Rechte und für jene der Natur. Die neue Verfassung könnte Strahlkraft in der ganzen Welt entwickeln, um die Krisen des 21. Jahrhunderts solidarisch und ökologisch zu bearbeiten.“

Über den Experten:

Ulrich Brand ist Professor für Internationale Politik am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien und leitet dort den Forschungsverbund Lateinamerika. ulrich.brand@univie.ac.at

Ulrich Brand steht gerne für Interviews bereit. Ein druckfähiges Portraitfoto von ihm finden Sie hier: https://www.diskurs-wissenschaftsnetz.at/wp-content/uploads/2022/08/Foto-Ulrich-Brand.jpg

Kontakt für Rückfragen:
Dr. Alexander Behr
Diskurs. Das Wissenschaftsnetz
+43 650 34 38 37 8
alexander.behr@univie.ac.at

Eine Initiative von Diskurs. Das Wissenschaftsnetz

Über DISKURS
Diskurs. Das Wissenschaftsnetz ist eine Initiative zum Transfer von wissenschaftlicher Evidenz engagierter Wissenschafter*innen in die Öffentlichkeit. Wir setzen uns dafür ein, dass wissenschaftliche Erkenntnisse entsprechend ihrer Bedeutung im öffentlichen Diskurs und in politischen Entscheidungen zum Tragen kommen. Mehr Informationen finden Sie auf der Website https://diskurs-wissenschaftsnetz.at/


PA: Internationales Abkommen für die Weltmeere in Aussicht

Von der breiten Öffentlichkeit fast unbemerkt verhandeln seit 2018 Mitglieder der Vereinten Nationen ein neues rechtlich bindendes Abkommen zu Schutz und nachhaltiger Nutzung der Meeresbiodiversität in internationalen Gewässern. Nach insgesamt fünf Verhandlungsrunden und einer langen Covid-Unterbrechung, soll ein aktuelles Treffen in New York City vom 15. bis 26. August 2022 das letzte sein.

Die Politikwissenschafterin Alice Vadrot von der Uni Wien, deren Forschungsgruppe die Verhandlungen in vor Ort beobachtet, bekräftigt in einer aktuellen Presseaussendung von Diskurs. Das Wissenschaftsnetz, dass eine Einigung zwischen Staaten aufgrund unterschiedlich gelagerter Interessen schwierig sein wird und auch ein ambitionierter Vertrag den Erhalt der marinen Biodiversität nur dann gewährleisten kann, wenn eine umfassende gesellschaftliche Transformation stattfindet.

Den dramatischen Rückgang der marinen Biodiversität aufhalten

Der Mensch hat bereits 40% der Meeresoberfläche verändert, „tote Zonen“ im Meer geschaffen und den Bestand an lebenden Korallen in den letzten 150 Jahren fast halbiert.[2] Der Klimawandel, die Versauerung der Ozeane und Sauerstoffarmut bilden ein tödliches Trio, das sich unter bestimmen Bedingungen besonders drastisch auf Meereslebewesen und Organsimen auswirken kann.[3] Trotz zunehmender wissenschaftlicher Fakten über den Zustand der marinen Biodiversität, sind nur 7,44% der Ozeane geschützt.[4] Das neue Meeresabkommen sieht vor, diesem Missstand mit einer Ausweitung von Meeresschutzgebieten in der hohen See und verbindlichen Umweltverträglichkeitsprüfungen zu begegnen. „Ob sich die Staatengemeinschaft auf einen Vertragstext einigen kann, hängt davon ab, ob es ihnen gelingen wird, die tiefen Gräben zwischen den Interessen des globalen Südens und Nordens in der Frage nach der gerechten Verteilung von marinen Ressourcen zu überwinden. Noch ist nicht klar, ob die Verhandlungen in New York überhaupt zu einem Ergebnis führen oder eine 6. Verhandlungsrunde nötig sein wird“, so Vadrot, die den Prozess hin zu einem internationalen Abkommen zum Schutz mariner Biodiversität seit 2018 mit ihrem Team im Rahmen eines vom Europäischen Forschungsrat finanzierten Projekts beforscht.[5]

„Paper-Parks“ verhindern und schädliche Aktivitäten besser kontrollieren

Ein wichtiger Punkt des zukünftigen Vertrags ist das Kapitel zu Meeresschutzgebieten auf hoher See. „Hier ist es wichtig, dass die Etablierung von Meeresschutzgebieten in Zukunft nach wissenschaftlichen Kriterien und bestenfalls unter Einbezug eines wissenschaftlichen Beirats erfolgt“, so Ina Tessnow von Wysocki, Doktorandin im genannten Projekt. Nur unter diesen Bedingungen könne garantiert werden, dass solche Gebiete in Zukunft nicht als politische Instrumente dienen. „Für die Identifikation von Gebieten sollte das Vorsorgeprinzip gelten, welches besagt, dass auch im Falle von unvollständigen Informationen, denkbaren Umweltbelastungen vorgebeugt werden soll“, so Tessnow-von Wysocki weiter. Darüber hinaus sei es wichtig, konkrete Kontroll- und Verwaltungsschritte zu definieren, damit sogenannte „Paper Parks“, die lediglich auf dem Papier existieren, verhindert werden können.

Umweltverträglichkeitsprüfungen sollen neuen Aktivitäten auf den Weltmeeren vorangehen, sowie bereits laufende Aktivitäten hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Umwelt evaluieren. Das neue Instrument soll bereits existierende Vorschriften im Rahmen der UN-Seerechtskonvention weiter konkretisieren. Ein Großteil der Staaten der Vereinten Nationen ist sich einig: Der Prozess der Umweltverträglichkeitsprüfungen für Aktivitäten in internationalen Gewässern sollte durch eine internationale Behörde geregelt sein, welche umweltschädigende Aktivitäten überwacht. Welche Aktivitäten davon in Zukunft betroffen sein könnten, ist noch unklar. Staaten scheuen sich davor, eine Liste mit Aktivitäten in den Vertragstext aufzunehmen und die Kontrolle an eine internationale Behörde abzugeben“, so Vadrot „Wenn die Bewertung und finale Entscheidung über solche Aktivitäten ausschließlich beim Staat liegt, der die Aktivität ursprünglich vorgeschlagen hatte, würde sich wenig ändern. Interessenskonflikte, die ohnehin bereits den internationalen Meeresschutz erschweren, könnten dadurch sogar noch verschärft werden. Eine internationale Behörde, die die Durchführung und Bewertung von Umweltverträglichkeitsprüfungen überwacht, könnte dem entgegenwirken“, gibt Arne Langlet, ebenfalls Doktorand im MARIPOLDATA Projekt, zu bedenken.

Die Kluft zwischen globalem Norden und Süden schließen

Weitere Kernpunkte des zukünftigen Abkommens sind die Verhandlung der Bedingungen für die kommerzielle Nutzung mariner genetischer Ressourcen sowie der Kapazitätsaufbau und Zurverfügungstellung von Meerestechnologie. „In diesem Kapitel herrscht vermutlich die größte Uneinigkeit zwischen Industrie- und Entwicklungsnationen. Hier müssen Staaten deutliche Schritte aufeinander zugehen, um einen Kompromiss zu finden. Dabei gilt es, eine Balance zu finden zwischen den verschiedenen Interessen: auf der einen Seite die Forschung mit marinen genetischen Ressourcen nicht zu aufwendig und bürokratisch zu machen und, auf der anderen Seite, einen fairen Verteilungsmechanismus zu finden, sodass auch Entwicklungsländer von solcher Forschung profitieren können“, so Vadrot. Eine Aussicht wäre es, die Idee eines „Flatrate“-Ansatzes zu verfolgen, der im Umfeld des letzten Treffens der Biodiversitätskonvention in Nairobi und der UN-Ozeankonferenz in Lissabon aufkam.[6] „Nach diesem Ansatz würden Industrienationen einen fixen Betrag pro Jahr in einen Entwicklungsfond einzahlen, um unbegrenzten Zugang und das Recht auf die Nutzung dieser Ressourcen zu erhalten“, so Langlet.

Konkurrenz zwischen Internationalen Organisationen vermeiden und Kooperation fördern

Es gibt bereits internationale Behörden, die sich um verschiedene Aspekte der Regulierung der Meere und ihrer Ressourcen kümmern. Unter anderem die Seebodenbehörde, verschiedene Fischereiabkommen und die Schifffahrtsorganisation. Aus politikwissenschaftlicher Sicht bestehe die Gefahr, dass sich Kompetenzen überschneiden und Staaten diese Überschneidungen ausnutzen und internationale Organisationen gegeneinander ausspielen: „Der neue Vertrag der Hohen See soll Synergien zwischen Organisationen identifizieren und Kooperationen stärken. Allerdings zeigen unsere Analysen des Vertragstextes, dass die Paragrafen, die die Grundlage für Kooperationen legen sollten, stark ausgedünnt wurden und immer weniger Organisationen namentlich genannt werden. Dadurch besteht mehr Interpretationsspielraum und das Risiko, dass Staaten diese Undeutlichkeit ausnutzen könnten“, gibt Langlet zu bedenken.

Den Ozean als Ganzes schützen und marine Biodiversität als Allgemeingut erhalten

Ein Grundproblem des internationalen Meeresschutzes ist die Aufteilung der Meere in verschiedene Rechtszonen sowie die Fragmentierung von Regelwerken entlang einzelner Sektoren und Regionen. „Aus wissenschaftlicher Sicht und in Anbetracht der Erkenntnis, dass marine Ökosysteme durch „ökologische Konnektivität“[7](Vernetzung) miteinander verbunden sind, müsste ein ganzheitlicher Ansatz entwickelt werden, damit marine Biodiversität für zukünftige Generationen als Allgemeingut erhalten werden kann.[8] Das neue Abkommen könnte hier die Richtung vorgeben, z.B. durch die Einführung von verbundenen Meeresschutzgebieten, ambitioniertere Umweltverträglichkeitsprüfungen und Berücksichtigung von Auswirkungen über die von Menschenhand gezogenen Grenzen in der Hohen See hinweg“, so Tessnow-von Wysocki.

Abschließend spricht sich Vadrot dafür aus, die Umsetzung des Vertrags im Blick zu behalten und frühzeitig den Grundstein für einen erfolgreiche Durchsetzung zu legen. Voraussetzungen dafür seien, unter anderem, einen wissenschaftlichen Beirat mit klaren Aufgaben und eine internationale Behörde mit genügend Kompetenzen zur Durchsetzung und Kontrolle der neuen Regelungen zu schaffen. „Ein neues Abkommen für die Weltmeere hätte enorme Symbolwirkung und das Potential den Meeresschutz neu zu ordnen. Bleiben die großen Sprünge und ein klares Bekenntnis zu transformativem Wandel aus, ist auch ein Vertragsabschluss nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn es darum geht, der ökologischen Krise zu begegnen“, schließt Vadrot.

Aktuelles von den Verhandlungen:

MARIPOLDATA BLOG: https://www.maripoldata.eu/blog/

Für Rückfragen:
Danyal Maneka
Diskurs. Das Wissenschaftsnetz
+43 650 30 11 273

maneka@diskurs-wissenschaftsnetz.at
https://diskurs-wissenschaftsnetz.at/

Dr. Alexander Behr
Diskurs. Das Wissenschaftsnetz
+43 650 34 38 37 8

office@diskurs-wissenschaftsnetz.at
https://diskurs-wissenschaftsnetz.at/

PA: ADA: 579 Projekte und Programme wurden 2021 umgesetzt

Die Austrian Development Agency (ADA), die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, veröffentlicht den Geschäftsbericht 2021.

Wien, 21. Juli 2022 – Der Geschäftsbericht der Austrian Development Agency (ADA), der Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit wurde veröffentlicht und veranschaulicht anhand von vielen Projektbeispielen, was die ADA mit ihren Partnern in den Schwerpunktländern der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit 2021 bewirken konnte.

Der ADA-Geschäftsbericht 2021 ist online hier abrufbar.

Auch das vergangene Jahr stellte die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit wieder vor große Herausforderungen und war besonders von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie geprägt. Diese führte weltweit zu einer Verschärfung der Armut und Ungleichheit und hat die Lebensbedingungen vieler Menschen insbesondere in den Ländern des Globalen Südens verschlechtert. Weiters haben politische Instabilität, Nahrungsmittelunsicherheit sowie Dürren und Überschwemmungen als Folgen des Klimawandels mehr Menschen in die Flucht beziehungsweise Migration getrieben. Bewaffnete Konflikte haben in zahlreichen Ländern bereits Erreichtes wieder zunichte gemacht.

Gemeinsam gegen die Pandemie
Zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie unterstützte die ADA die COVAX-Initiative mit 7,5 Millionen Euro. Im Rahmen dieser Initiative wurden über die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis Ende Dezember 2021 933 Millionen Impfstoffdosen gegen COVID-19 an 92 Länder mit schlechter Einkommens- und Gesundheitsversorgungssituation geliefert, darunter acht Schwerpunktländer der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit.

Hunger aktiv bekämpfen
Weiters konnte die ADA auf humanitäre Krisen und Konflikte mit hoher Flexibilität reagieren und 2021 56,34 Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds abwickeln. Im Kampf gegen den weltweiten Hunger kamen davon 4,6 Millionen Euro dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) zugute.

Umwelt- und Klimaschutz im Fokus
Die thematischen Schwerpunkte sind auch weiterhin der Kampf gegen Armut und Hunger, Friedensförderung sowie Umwelt- und Klimaschutz.
„Im Sinne der Agenda 2030 war und ist unser oberstes Ziel, ökologisch verantwortungsvoll zu handeln und die nachhaltige Entwicklung in unseren Schwerpunktländern zu fördern. Wir unterstützen und begleiten daher Entwicklungsprogramme mit einem klaren Umwelt- und Klimaschutzfokus und setzen auch entsprechende Projekte der Europäischen Kommission um“, so ADA-Geschäftsführer, Dr. Friedrich Stift.

Erfolgreich Brücken bauen
Der ADA Geschäftsbericht 2021 zeigt anhand von zahlreichen Projektbeispielen, was die ADA im vergangenen Jahr mit der Unterstützung aller Partner der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere den zivilgesellschaftlichen Organisationen, öffentlichen und wissenschaftlichen Einrichtungen, den Unternehmen und all jenen, die vor Ort und auch in Österreich die Projekte und Programme der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit umsetzen, erreicht hat.
Insgesamt hat die ADA 2021 579 Projekte und Programme mit einem Gesamtvolumen von knapp 644 Millionen Euro umgesetzt.

„Die Erfolge, die wir als Österreichische Entwicklungszusammenarbeit gemeinsam mit unseren Partnern erreicht haben, bestätigen uns auf unserem Weg, bessere Lebensbedingungen für die Menschen in unseren Partnerländern Realität werden zu lassen“, so Stift.

Austrian Development Agency
Die Austrian Development Agency, die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, unterstützt Länder in Afrika, Asien, Südost- und Osteuropa bei ihrer nachhaltigen Entwicklung. Gemeinsam mit öffentlichen Einrichtungen, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen setzt die ADA derzeit Projekte und Programme mit einem Gesamtvolumen von über 640 Millionen Euro um.

>> Foto-Link zum Fotoalbum

Rückfragehinweis:
Austrian Development Agency,
die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit
Mag. (FH) Dagmar Achter
Fachreferentin Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: +43 (0)1 90399-2413
Mobil: +43 (0) 676/839 03 413
dagmar.achter@ada.gv.at
 www.entwicklung.at

Recherchehinweis: SDG 7 – Bezahlbare und Saubere Energie

Infos und Input rund um SDG 7 – Bezahlbare und Saubere Energie

Durch den Ukraine-Krieg und die Teuerung ist Energie eines der wichtigsten Themen derzeit. Und die aktuellen Entwicklungen wirbeln einige andere Aspekte gehörig durcheinander: Erneuerbaure Energien sind – Stichwort Klimakrise und -aktivismus, seit Jahren ein Dauerbrenner.

SDG 7 betont, dass man Energie global und nachhaltig angehen muss.

SDG 7 im Detail

7.1 Bis 2030 den allgemeinen Zugang zu bezahlbaren, verlässlichen und modernen Energiedienstleistungen sichern

7.2 Bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energie am globalen Energiemix deutlich erhöhen

7.3 Bis 2030 die weltweite Steigerungsrate der Energieeffizienz verdoppeln

7.a Bis 2030 die internationale Zusammenarbeit verstärken, um den Zugang zur Forschung und Technologie im Bereich saubere Energie, namentlich erneuerbare Energie, Energieeffizienz sowie fortschrittliche und saubere Technologien für fossile Brennstoffe, zu erleichtern, und Investitionen in die Energieinfrastruktur und saubere Energietechnologien fördern

7.b Bis 2030 die Infrastruktur ausbauen und die Technologie modernisieren, um in den Entwicklungsländern und insbesondere in den am wenigsten entwickelten Ländern, den kleinen Inselentwicklungsländern und den Binnenentwicklungsländern im Einklang mit ihren jeweiligen Unterstützungsprogrammen moderne und nachhaltige Energiedienstleistungen für alle bereitzustellen

Zum vollständigen Resolutionstext in deutscher Übertragung

Aspekte & Fragestellungen rund um SDG 7

  • Wie sollen in Anbetracht der mehrfachen Krisen SDG 7 erreicht werden?

  • Wie kann auf den „Gas-Krieg“ im Zuge der russischen Invasion in der Ukraine reagiert werden?

  • Wieviel Schaden in Sachen Erneuerbare Energien und SDG 7 werden kurzfristige Suchen nach Erdgas-Alternativen anrichten bzw. wie stark verzögern sie den Umstieg auf Erneuerbare Technologien?

  • Welche Strategien fahren europäische Länder dabei, wer setzt umso mehr auf Erneuerbare Energien, wer weniger als davor?

  • Alternative Globaler Süden: Welche Rolle können Energie-liefernde Staaten etwa aus Afrika nun spielen – welches Potential gibt es, wie schnell ist das abrufbar, und – wiederum – wie schaut es mit dem Faktor SDG 7 aus?

  • Kritik aus dem Globalen Süden: Es gibt Äußerungen, die der EU bzw. europäischen Staaten im Zuge der Situation eine neokolonialistische Haltung vorwerfen – es ginge dem Norden jetzt nur darum, sich selbst möglichst gut mit Energie zu versorgen, auf Kosten z.B. afrikanischer Länder.

  • Viel Österreich-Bezug: Inwieweit wird die Rolle von Atomenergie auf der Ebene der EU nun gestärkt?

  • Klimabewegung: Welche Rolle nimmt sie nun ein in Bezug auf das Thema bzw. SDG 7 – und wird sie weniger beachtet als vor der russischen Invasion und der Gaskrise?

  • International gesehen spielt der gesamte Themenkomplex für Österreich bei der Entwicklungszusammenarbeit eine wichtige Rolle. Projekte der Austrian Development Agency (ADA) widmet sich Energieaspekten in den Schwerpunktländern der EZA und in anderen Regionen des Globalen Südens.

  • Desertec, mit dem in der Sahara im großem Maßstab für Europa Strom gewonnen werden soll?

Weiterführendes & Ansprechpersonen

Infos rund um die Umsetzung der SDGs in Österreich (zivilgesellschaftliche Initiative):
SDG Watch Austria

Verantwortlich für das EAG-Gesetzespaket ist das Bundesministerium für Umwelt & Energie

Kritische Einschätzungen zur Energie-Situation hierzulande etwa von:

Assoz. Prof. Mag. Dr. Reinhard Steurer (BOKU Wien): „Wir machen uns etwas vor“

Mag. Dr. Renate Christ (ehem. Generalsekretärin des IPCC): „Wir brauchen ein Gesamtkonzept“

Interessensvertretungen:

Der Österreichische Biomasseverband bezieht laufend zur Energiepolitik Stellung.

Erneuerbare Energie Österreich
www.erneuerbare-energie.at

IG Windkraft
igwindkraft.at
Kontakt Presse
Mag. Martin Jaksch-Fliegenschnee
+43(0)660-20-50-755
m.fliegenschnee@igwindkraft.at

Thema Globaler Süden:

„Wir wollen euer Geld für fossile Energien nicht“, sagt etwa Ina-Maria Shikongo, sie Klima-Aktivistin und und lebt in Namibia:

Mehrere NGOs haben gute Kontakte zu Klimaaktivist*innen aus dem Globalen Süden. Die ISJE vermittelt gerne auf Rückfrage: office@isje.at

Das panafrikanische Medium „The Continent“ veröffentlichte in der Ausgabe 90 einen Plan, wie Afrika in Sachen Energie innerhalb einer kurzen Zeitspanne einen Sprung nach vorne machen könnte: Electricity for all. In eight years.

Was bedeutet der Ukraine-Krieg für Afrika? Darüber spricht in diesem Podcast die Korrespondentin Bettina Rühl.

Martin Sturmer von afrika.info, siehe auch: 
Holzkohle gefährdet Zukunft der Wälder | afrika.info

Ein Beitrag des paneuropäischen Mediennetzwerkes Euractiv fasst zusammen, welche Chancen Afrika und Europa nun beim Gas in einer verstärkten wirtschaftlichen Kooperation sehen.

Für Umwelt und Energiethemen in Bezug auf den Krieg in der Ukraine ist Angelina Davydova eine spannende Ansprechpartnerin.

Interessante Firma: Windkraft Simonsfeld spielt im Konzert der großen Windstromproduzenten mit, das Unternehmen von Vorstand Martin Steininger setzt auf Verantwortung und Nachhaltigkeit.

Beispiele für Projekte der Austrian Development Agency:

  1. Soltrain – solarthermische Ausbildung im südlichen Afrika (SADC-Raum): Mit Sonnenenergie in die Zukunft, etwa in Namibia.

2. Unterstützung für das Globale Netzwerk Regionaler Energiezentren (Global Network of Regional Sustainable Energy Centres, GN-SEC):

Seit 2010 baut die Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO) das Globale Netzwerk für regionale nachhaltige Energiezentren auf. Dabei arbeitet sie eng mit Wirtschaftsgemeinschaften in Entwicklungsländern zusammen.

Die Kompetenzzentren für erneuerbare Energien und Energieeffizienz setzen wichtige Impulse für gesellschaftliche Veränderungsprozesse in Richtung nachhaltige Energielösungen und Klimaneutralität. Mittlerweile umfasst das Netzwerk acht Zentren: in Afrika (Ägypten, Kap Verde, Namibia, Uganda), im pazifischen Raum (Tonga), in der Karibik (Barbados), in Zentralamerika (El Salvador) und in der Region Himalaya-Hindukusch (Nepal).

Die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit war federführend an der Entstehung der Zentren beteiligt. Heute haben sie zahlreiche internationale Partner, etwa die Europäische Union, die Weltbank und verschiedene bilaterale Entwicklungsagenturen.

Aktuelles Interview mit Martin Lugmayr (UNIDO) zum Thema. Kontakt von Martin Lugmayr auf Anfrage!

Weiteren Einblick in ADA-Projekte im Bereich Erneuerbare Energie gibt es hier und hier.

Infos & Kontakte zu Projekten der österreichischen EZA liefert die Pressestelle der Austrian Development Agency:
entwicklung.at/mediathek/presse

Dr. Daniel Ayuk Mbi Egbe von der Johannes Kepler Uni Linz ist Experte für Solarenergie und Koordinator von ANSOLE, African Network for Solar Energy

 

Veranstaltungseinladung: Hintergrundgespräch mit Expert*innen aus Bangladesch und Pakistan zu Arbeitsbedingungen in Leder- und Schuh-Lieferketten

Südwind lädt am Donnerstag, 23. Juni, zum Gespräch mit Mahmudul Hasan Khan (Bangladesh Labour Foundation) und Farhat Parveen (NOW Communities, Pakistan), ins Wiener Café Westend.

Die Produktion von Handtaschen, Schuhen und anderen Lederwaren in Ländern wie Indien, Bangladesch und Pakistan ist geprägt von der Missachtung von Arbeitsrechten, einem verantwortungslosen Umgang mit Chemikalien und extrem niedrigen Löhnen. Ein neuer Berichtderösterreichischen Menschenrechtsorganisation Südwind zeigt große Mängel seitens europäischer Schuh- und Lederunternehmen beim Menschenrechtsschutz entlang ihrer globaler Lieferketten: Das Risikomanagement weist große Lücken auf und Maßnahmen für Gewerkschaftsfreiheit, existenzsichernde Löhne und nachhaltige Einkaufspraktiken sind fehlerhaft. Fünf von zehn Unternehmen verweigerten jegliche Auskunft.

Welche Auswirkungen haben diese Nachlässigkeiten in der Arbeitspraxis? Wie sehen die Arbeitsbedingungen in den Textil- und Lederfabriken für den europäischen Markt im Detail aus? Welche Maßnahmen könnten die Sicherheit für Arbeiter*innen in Bangladesch und Pakistan erhöhen? Diese und weitere Fragen diskutieren die beiden Arbeitsrechtsexpert*innen Mahmudul Hasan Khan (Bangladesh Labour Foundation) und Farhat Parveen (National Organization for Working Communities, Pakistan) bei einem Hintergrundgespräch in Wien.

                                             
Wann: Donnerstag, 23. Juni 2022 um 9 Uhr
Wo: Café Westend, Mariahilfer Straße 128, 1070 Wien

Gesprächspartner*innen:

  • Gertrude Klaffenböck, Südwind-Expertin für Lieferketten
  • Farhat Parveen, Executive Director, NOW Communities
  • Mahmudul Hasan Khan, Deputy Director, Bangladesh Labour Foundation

Wir bitten höflich um Anmeldung. Das Pressegespräch findet auf Englisch statt.

Anmeldung und Rückfragen:
Silvia Haselhuhn, M.A.
Südwind Pressesprecherin
Silvia.haselhuhn@suedwind.at
Mob.: 0680 15 830 16

PA: Intransparenz und Unwille beim Menschenrechtsschutz in der Schuh- und Lederwarenindustrie

Fünf von zehn Unternehmen verweigern Auskünfte über ihre Lieferketten, Menschenrechtliche Risiken werden ungenügend adressiert, berichten die NGOs Südwind und INKOTA und starten eine neue Initiative für mehr Transparenz in Leder-Lieferketten.

Wien / Berlin, 10. Juni 2022. Die Produktion von Handtaschen, Schuhen und anderen Lederwaren in Ländern wie Indien, Bangladesch und Pakistan ist weitgehend geprägt von der Missachtung von Arbeitsrechten, einem verantwortungslosen Umgang mit Chemikalien und extrem niedrigen Löhnen.
Die entwicklungspolitischen Organisationen INKOTA und Südwind haben daher bei Branchengrößen von About You über Otto bis hin zu Tamaris und Zalando nachgefragt, wie die Unternehmen die Einhaltung der Menschenrechte entlang ihrer Lieferketten von Lederkleidung und Schuhen garantieren. Der Bericht „Menschenrechtliche Sorgfaltspflicht in der Praxis“ zeichnet ein düsteres Bild von Intransparenz und mangelndem Bemühen: Fünf von zehn der befragten Schuhunternehmen verweigerten die Auskunft. Darunter auch der Branchenriese Wortmann mit der Marke Tamaris. 
„Gerade in einem Risikosektor wie der Leder- und Schuhherstellung, wo zu Billigstlöhnen und unter gefährlichen Bedingungen gearbeitet wird, müssen Händler und Hersteller ihre Verantwortung wahrnehmen und menschenwürdige Arbeitsbedingungen garantieren“, fordert Lieferketten-Expertin Gertrude Klaffenböck von Südwind. „Unternehmen, die sich bedeckt halten, sollten wissen, dass sie damit Vertrauen verlieren. Sie können sich nicht aus der Verantwortung stehlen.“ Gemeinsam mit der deutschen Partnerorganisation INKOTA startet Südwind die neue Initiative „Für Leder ohne Ausbeutung und fordert volle Transparenz von Schuh- und Lederunternehmen sowie einen klaren Rechtsrahmen in Form eines strengen Lieferkettengesetzes.

Unternehmensbefragung mit bedenklichem Ergebnis
Die Studie verdeutlicht: Bei Lederwaren werden Sorgfaltspflichten noch weniger adressiert als bei Bekleidung und Textilien. „Der Bericht zeigt einmal mehr die großen Lücken der freiwilligen Selbstverantwortung von Unternehmen auf. Ohne strengen Rechtsrahmen ignorieren viele Unternehmen Menschenrechte und Umweltbestimmungen und geben nicht einmal Auskunft darüber“, sagt Gertrude Klaffenböck. 
Zehn in Europa tätige Leder- und Schuhunternehmen wurden seit Sommer 2021 zu ihren Richtlinien und Maßnahmen im Bereich der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten befragt. Fünf Unternehmen ARA, Avocado Store, Leder und Schuh, Lorenz Shoe Group und Wortmann / Tamaris, verweigerten die Auskunft. Die anderen fünf – Zalando, Otto Group, About You, Legero united und Görtz – gaben an, ihre Strukturen und Maßnahmen an den Anspruch internationaler Leitlinien wie der OECD oder der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP) auszurichten. Die Auswertung zeigt gleichzeitig eine mangelhafte Umsetzung, etwa bei der Umsetzung von Gewerkschaftsfreiheit, existenzsichernden Löhnen und nachhaltigen Einkaufspraktiken. „Die Bemühungen sind nicht ausreichend“, resümiert Südwind-Expertin Klaffenböck.
„Auskünfte zu Risiken und konkreten Maßnahmen der Abhilfe wurden nicht gegeben. In den genutzten Prüfsystemen und Audits wird meist nur der erste Zulieferer untersucht. Somit sind bei den meisten Unternehmen etwa Gerbereien gar nicht Teil der Risikobetrachtung.“

Der aktuelle Entwurf für ein EU-Lieferkettengesetz nimmt eigens auf die besonderen Risikofaktoren der Leder- und Schuhindustrie Bezug. Der neue Bericht von Südwind und INKOTA kommt zum Schluss, dass Unternehmen im Kontext des angekündigten EU-Lieferkettengesetzes zwar mit einer Strategieentwicklung beginnen und sich auf eine Risiko-Analyse vorbereiten. Gleichzeitig fehlt es weitgehend an einer wirkungsorientierten Umsetzung und an nachvollziehbarer Berichtslegung über Beschwerden sowie der Beseitigung von Missständen. Angaben über Risiko-Einschätzungen sind oft mangelhaft, effektive Abhilfe-Mechanismen fehlen zumeist. Die zum Nachweis angegebenen Industriestandards stellen der Öffentlichkeit wenig aussagekräftige Informationen bereit. „Der Schlüssel für bessere Arbeitsbedingungen liegt in der Risikoabschätzung und wirksamen Maßnahmen, um Missstände zu vermeiden“, resümiert Klaffenböck. „Damit Risiken gut erkannt,  Probleme gelöst und präventiv verhindert werden können, bedarf es einer ambitionierten Umsetzung von menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten, mehr Transparenz und einer gesetzlichen Regelung der Haftung.“

„Frag nach“ – Neue Aktion für mehr Transparenz
„Gerade Branchengrößen wie Wortmann/Tamaris, die in ihrem Marketing einen Schwerpunkt auf soziale Verantwortung legen, müssen glaubhaft aufzeigen, wie menschenrechtliche Verantwortung in ihren Lieferketten auch tatsächlich gelebt wird. Kundinnen und Kunden haben ein Recht zu erfahren, wie ihre Schuhe, Accessoirs oder Lederkleidung hergestellt werden“, so  Gertrude Klaffenböck. Südwind fordert von Unternehmen Arbeitsrechte zu respektieren, Lieferketten offenzulegen und eine transparente Berichterstattung über die Risiko-Minimierung öffentlich zugänglich zu machen. Im Zuge der neuen gemeinsamen Initiative „Volle Transparenz – Für Leder ohne Ausbeutung“ können Konsument*innen bei der Aktion „Frag nach: Fair produziert?“ auf einfachem Wege direkt bei Tamaris nachfragen, wo, von wem und unter welchen Arbeitsbedingungen ihre Schuhe und Lederwaren hergestellt wurden.

Link zur Mail-Aktion „Frag nach: Fair produziert?“: www.suedwind.at/fairproduziert

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des Berichts: „Menschenrechtliche Sorgfaltspflicht in der Praxis

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Rückfragehinweis
Vincent Sufiyan
Kommunikationsleitung Südwind
Tel.: +43 6509677577
Email: vincent.sufiyan@suedwind.at

Gertrude Klaffenböck
Lieferketten-Expertin Südwind
Tel.: +43 676 4460833
Email: Gertrude.Klaffenboeck@suedwind.at

Veranstaltungseinladung: „Beyond Panic“ – eine Südwind-Studie zum Thema Klimagerechtigkeit

Südwind lädt zum Pressefrühstück mit Juan Jose Hurtado Paz y Paz, Geschäftsführer der Asociación Pop No’j in Guatemala am 9. Juni 2022.

Anfang Mai hat Südwind die aufsehenerregende Studie „Beyond Panic“  veröffentlicht. In Kooperation mit der Universität Bologna wurde anhand von vier Länderbeispielen – Senegal, Guatemala, Kambodscha und Kenia – gezeigt, inwiefern ausbeuterische Arbeits- und Wirtschaftspraktiken in Ländern, die besonders von der Klimakrise betroffen sind, die Ungleichheit weiter verschärfen.

Indigene Völker bewahren die biologische Vielfalt in diesen Regionen, leiden aber unter den Folgen der Naturzerstörung im Zuge einer zunehmend kapitalistischen Entwicklung.

Die Klimakrise nimmt ihnen den Lebensraum und zwingt sie zu fliehen, um zu überleben. Vor welchen Herausforderungen stehen indigene Communities in Guatemala jetzt angesichts der Klimakrise?

Juan José Hurtado ist Geschäftsführer der Asociación Pop No’j, einer gemeinnützigen Organisation in Guatemala, die mit der indigenen Maya-Bevölkerung arbeitet, insbesondere mit Frauen, Jugendlichen und Kindern. Der Auftrag der Organisation lautet: Förderung der Organisation, (Aus-)Bildung und Beteiligung der Mayas durch einen Ansatz, der auf Identität, Kultur und spezifischen Rechten beruht.

Auf seiner Reise durch Österreich bis hin zum Menschenrechtsrat in Genf macht Juan José Hurtado Station in Wien.

Wann: Donnerstag, 9. Juni 2022, 9.30 Uhr
Wo: Café Museum, Operngasse 7, 1010 Wien

Das Pressefrühstück findet auf Englisch statt. Wir bitten höflich um Anmeldung und freuen uns auf einen regen Austausch.

Anmeldung und Rückfragehinweis:

Silvia Haselhuhn, M.A.
Pressesprecherin
silvia.haselhuhn@suedwind.at
0680 1583016

Veranstaltungshinweis: „Corona & Arbeitsausbeutung im Globalen Süden“

Welchen Beitrag kann ein EU-Lieferkettengesetz leisten, um Arbeiter:innen in Zukunft besser zu schützen? Wie wirkte sich die Pandemie auf Arbeiter:innen in unterschiedlichen Sektoren aus? Diese und viele weitere spannende Fragen werden im Zuge der Veranstaltung von Netzwerk Soziale Verantwortung, Clean Clothes und Südwind diskutiert.

Der Ausbruch der Covid19-Pandemie und die damit einhergehenden Folgen stellten unsere Welt auf den Kopf. Weltweit hatte die Krise verheerende Folgen für Arbeiter:innen, insbesondere für jene, die bereits vor der Krise von Ausbeutung betroffen waren und keinen Zugang zum Gesundheitssystem hatten. Die Pandemie verschärfte die bereits bestehenden Missstände eklatant: so stornierten zahlreiche Modemarken ihre Bestellungen bei ihren Zulieferbetrieben im Globalen Süden oder weigerten sich für bereits produzierte Waren zu zahlen. In weiterer Folge verloren tausende Arbeiter:innen ihren Arbeitsplatz. Arbeiter:innen weltweit sind von Lohndiebstahl betroffen, werden nicht ausreichend vor Corona geschützt und Proteste von Gewerkschaften werden mit Gewalt beantwortet.

Mit Inputs von:
Tina Rosenberger (NeSoVe)
Gertrude Klaffenböck (Clean Clothes Kampagne)

Datum & Uhrzeit: 31.5., 18:30
Ort: VHS Praterstern, Heinestraße 41, 1020 Wien, (Zugang zum Saal durch den Hof)

Anmeldung: office@nesove.at

PA: Katar: FIFA soll Millionen Dollar für ausgebeutete Arbeitsmigrant*innen zahlen

Preisgelder in Höhe von 440 Millionen Dollar warten bei der Fußball-WM in Katar auf die teilnehmenden Mannschaften. Entschädigungen in mindestens derselben Höhe soll die FIFA für Hunderttausende Arbeitsmigrant*innen bereitstellen, deren Menschenrechte im Zuge der Vorbereitungen auf die WM verletzt wurden, fordert Amnesty International in einem neuen Bericht sechs Monate vor Beginn der WM.

Wien/London, 19.05.2022 – In einem offenen Brief gemeinsam mit anderen Menschenrechtsorganisationen und Fan-Gruppen fordert Amnesty International den FIFA-Präsidenten Gianni Infantino auf, gemeinsam mit Katar ein umfassendes Wiedergutmachungsprogramm aufzusetzen. Der Weltfussballverband und Katar müssen abgesehen von den Entschädigungszahlungen auch sicherstellen, dass sich diese Menschenrechtsverletzungen nicht wiederholen, weder in Katar noch bei zukünftigen Turnieren. Als Entschädigungssumme für die zahlreichen Menschenrechtsverstöße, die seit 2010 begangen wurden, soll die FIFA laut Forderung der Organisationen nicht weniger als den Betrag der Preisgelder dieser WM in Höhe von 440 Millionen Dollar bereitstellen.

„Nach internationalem Recht und dem Regelwerk der FIFA haben sowohl Katar als auch die FIFA jeweils die Pflicht und die Verantwortung, Menschenrechtsverletzungen zu verhindern und den Betroffenen Abhilfe bereitzustellen. Der von Amnesty International und anderen geforderte Wiedergutmachungsfonds ist angesichts des Ausmaßes der erlittenen Verstöße völlig gerechtfertigt und ist nur ein kleiner Teil der sechs Milliarden Dollar, die die FIFA mit dem Turnier einnehmen wird“, betont Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International, angesichts des heute veröffentlichten Berichts und offenen Briefs.

FIFA trägt Mitverantwortung an den Menschenrechtsverstößen in Katar

2010 hatte die FIFA Katar die Austragung der Weltmeisterschaft zugesprochen, ohne im Gegenzug auch nur die geringste Verbesserung des Arbeitsschutzes zu fordern. „Angesichts der Geschichte von Menschenrechtsverletzungen in Katar wusste die FIFA um die offensichtlichen Gefahren für die Arbeitnehmer*innen – oder hätte davon wissen müssen –, als sie dem Land den Zuschlag für das Turnier gab. Dennoch wurden in der Bewertung der katarischen Bewerbung die Arbeitnehmer*innen- und Menschenrechte mit keinem Wort erwähnt, und es wurden keine Bedingungen für den Schutz der Arbeitnehmer*innen gestellt“, kritisiert Callamard. „Die FIFA hat seitdem viel zu wenig getan, um derartige Gefahren zu auszuschließen oder zu mindern. Indem sie die Augen vor vorhersehbaren Menschenrechtsverletzungen verschlossen hat und sie nicht stoppte, hat sie unbestreitbar zu den Menschenrechtsverstößen gegen Arbeitsmigrant*innen beigetragen, die an Projekten im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft in Katar beteiligt waren.“

Entschädigungssumme könnte sogar noch höher sein

Nach Schätzungen von Amnesty International dürfte die Summe von 440 Millionen Dollar das Minimum sein, um eine Reihe von Entschädigungszahlungen zu decken und Initiativen zum Schutz der Arbeitnehmer*innenrechte in der Zukunft zu unterstützen. Die Gesamtsumme für die Erstattung nicht gezahlter Löhne, die von Hunderttausenden von Arbeitnehmer*innen gezahlten erpresserischen Vermittlungsgebühren und die Entschädigung für Verletzungen und Todesfälle könnte auch höher ausfallen und sollte im Rahmen eines partizipativen Prozesses mit Gewerkschaften, Organisationen der Zivilgesellschaft, der Internationalen Arbeitsorganisation und anderen ermittelt werden.

Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen nicht erfüllt

„Es mag zu spät sein, um das Leid vergangener Menschenrechtsverstöße zu lindern, aber die FIFA und Katar können und müssen handeln, um Wiedergutmachung zu leisten und weitere Verstöße zu verhindern. Die Entschädigung der Arbeiter*innen, die so viel für die Realisierung der WM 2022 getan haben, und die Ergreifung von Maßnahmen, die sicherstellen, dass solche Verstöße nie wieder vorkommen, könnten einen wichtigen Wendepunkt im Umgang der FIFA mit den Menschenrechten darstellen“, so Agnès Callamard.

Gemäß der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und ihren eigenen Vorschriften muss die FIFA Menschenrechtsverletzungen beseitigen, zu denen sie beigetragen hat. Diese Verantwortung sollte sich laut Amnesty nicht nur auf die Arbeitnehmer*innen erstrecken, die fußballspezifische Einrichtungen wie Stadien und Trainingsplätze, von der FIFA akkreditierte Hotels und das Übertragungszentrum bauen, sondern auch auf die für den Betrieb dieser Einrichtungen erforderlichen Dienstleistungen, inklusive Arbeitnehmer*innen, die am Bau und an der Instandhaltung der Verkehrs-, Unterkunfts- und sonstigen Infrastruktur beteiligt sind.

Auch der Staat Katar ist verpflichtet, für die Wiedergutmachung jeder Menschenrechtsverletzung in seinem Hoheitsgebiet zu sorgen, unabhängig davon, ob sie mit der Fußballweltmeisterschaft zusammenhängt oder nicht. Zwar wurden durch die Initiativen des Supreme Committee for Delivery and Legacy, die für die Planung und Durchführung der Weltmeisterschaft zuständigen katarischen Behörde, und das begrüßenswerte Arbeitsreformprogramm Katars einige Fortschritte erzielt, doch ihr begrenzter Geltungsbereich und ihre geringe Umsetzung haben dazu geführt, dass schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen fortbestehen und Arbeitsmigrant*innen nur eingeschränkt Zugang zu Rechtsmitteln haben, so die Analyse von Amnesty International. „Jahrelang wurde die Ausbeutung derer, die diese Weltmeisterschaft möglich gemacht haben, unter den Teppich gekehrt. Es ist an der Zeit, dass die FIFA und Katar gemeinsam an einem umfassenden Entschädigungsprogramm arbeiten, das die Arbeitnehmer*innen in den Mittelpunkt stellt“, fordert Agnès Callamard.

Hintergrund

Seit 2010 wurden Hunderttausende von Arbeitsmigrant*innen beim Bau der Stadien, Hotels, Verkehrsmittel und anderer Infrastrukturen, die für die Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft 2022 erforderlich sind, Opfer von Menschenrechtsverletzungen. Die überwiegende Mehrheit der Arbeitsmigrant*innen in Katar hat beispielsweise illegale Anwerbegebühren von durchschnittlich mehr als 1.300 US-Dollar gezahlt, um sich den Arbeitsplatz zu sichern. Bis vor zwei Jahren waren Arbeitsmigrant*innen in ihrer Möglichkeit eingeschränkt, den Arbeitsplatz zu wechseln oder das Land zu verlassen.

Seit 2018 hat Katar eine Reihe wichtiger arbeitsrechtlicher Reformen eingeführt, die die Rechte der Arbeitnehmer*innen verbessern sollen, doch aufgrund mangelnder Durchsetzung kommt es nach wie vor zu Verstößen. Verbesserungen für Beschäftigte an offiziellen FIFA-Standorten wie z. B. in Stadien wurden 2014 mit den Supreme Committee’s Worker Welfare Standards eingeführt, aber diese Standards werden nicht allgemein eingehalten und gelten nur für eine Minderheit der Hunderttausenden von Beschäftigten an WM-bezogenen Projekten. 2018 startete der Oberste Ausschuss eine Initiative, die u.a. eine Vereinbarung mit Auftragnehmer*innen auf offiziellen WM-Stätten zur Erstattung der Einstellungsgebühren von 48.000 Arbeitnehmer*innen umfasst, wiewohl dies wiederum nur eine Minderheit aller Arbeitnehmer*innen ist, die an für die WM wichtigen Projekten gearbeitet haben.

Für Interviewanfragen und Rückfragen wenden Sie sich bitte an presse@amnesty.at.

Presseteam Amnesty International Österreich
Mag. Eleonore Rudnay
+43 664 400 10 56
E-Mail: eleonore.rudnay@amnesty.at