Archiv der Kategorie: Afrika

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PA: Globalen Ungleichheiten auf der Spur: Das war die EZA-Tagung der Stadt Wien

Südwind und die Stadt Wien luden ins Rathaus zur Fachtagung mit sechs internationalen Expert:innen.

Am 31.10.2024 trafen rund 200 Interessierte im prunkvollen Ambiente des Wappensaales zusammen, um mehr über globale Ungerechtigkeit im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit zu erfahren. Unter den Gästen waren sowohl Vertreter:innen aus der Stadtverwaltung und von zivilgesellschaftlichen Organisationen als auch Botschafter:innen und internationale Expert:innen.

Karin Fischer, Leiterin des Arbeitsbereichs Globale Soziologie und Entwicklungsforschung an der Johannes Kepler Universität Linz, führte als erste Rednerin ins Thema ein. In ihrer Keynote begab sie sich auf die Spurensuche der globalen Ungleichheit und definierte dadurch Bruchlinien unserer Welt. Anhand der kritischen Warenkettenforschung deckte Fischer versteckte strukturelle Machtungleichgewichte auf. „Hinter unserem Rücken sind wir in die globalen Warenketten eingegliedert “, so Fischer. Diese folgen einem dominanten Verteilungsprinzip – denn: „wer hat, dem wird gegeben und wo viel ist, ist leicht mehr“. Die Verschuldungskrise der Länder des Globalen Südens war ebenso Thema wie der Reichtum in Steueroasen und Privatstiftungen. In diesem Sinne plädierte Fischer dazu, den Blick auf die Reichen dieser Welt zu legen.

Dem folgend beleuchtete Max Lawson, Leiter der Abteilung Ungleichheitspolitik und Interessenvertretung bei Oxfam International in Großbritannien, den Einfluss von internationalen Konzernen: Lawson präsentierte per Videoschaltung die Erkenntnisse des neuesten Berichts von Oxfam „Inequality Inc. How corporate power divides our world“. Die schier unglaubliche Akkumulation von Vermögen der Reichsten der Welt stand ebenso im Fokus, wie die Verflechtung zwischen den reichsten – meist männlichen – Einzelpersonen und der Macht der Unternehmen: Bei sieben von zehn der größten Konzerne weltweit sind Milliardäre Vorstandsvorsitzende oder deren Großaktionäre. Gleichzeitig sind Monopole bzw. Oligopole Treiber der Ungleichheit. In den genannten Lösungsstrategien dürften Vermögenssteuern daher nicht fehlen. Dass dies letzten Endes auch den Reichsten selbst ein Anliegen ist, zeige der Zusammenschluss Superreicher, so genannter Patriotic Millionaires, die sich für eine Erhöhung ihrer Steuern einsetzen, um dadurch einen stabilen Staat, ökonomische Sicherheit und sozialen Frieden zu ermöglichen.

Dass Ungleichheiten kein Schicksal sind, sondern das Ergebnis von Entscheidungen, war Thema des Vortrags von Tanya Cox, Direktorin von CONCORD (European Confederation of NGOs working on sustainable development and international cooperation) aus Brüssel. Demnach folgen politische Entscheidungen dem ökonomischen Wachstumsparadigma. Dieses wiederum wird jedoch verkürzt bemessen, nämlich anhand des Bruttoinlandsproduktes und damit nur anhand des materiellen Wachstums. Für einen Paradigmenwechsel ist es daher unumgänglich, unternehmerisches Handeln unter andere Vorzeichen zu stellen. In den von Cox vorgeschlagenen Lösungsstrategien schwingt die Hoffnung mit, dass menschgemachte Strukturen wandelbar sind und daher, mit genug Willen, in positive Richtungen verändert werden können.

Die nächsten beiden Redner:innen aus dem Globalen Süden strichen als wirkungsvollen Lösungsansatz um die großen ökologischen Ungleichheiten zu verringern, das Konzept der Agrarökologie hervor. Laut Simon Bukenya, Programmmanager in Uganda bei AFSA, der Alliance for Food Sovereignity in Africa, geht mit der Stärkung von Kleinbauern und -bäuerinnen, eine Stärkung der Resilienz für Klimaveränderungen einher und eine gestärkte Ernährungssouveränität. Denn es sind vor allem die Kleinbauern und -bäuerinnen, die die Menschheit ernähren, nicht die industrielle Landwirtschaft. Damit die Entwicklungszusammenarbeit hier einen Beitrag leisten kann, sollten laut Bukenya die Finanzierungsmechanismen überdacht werden, die derzeit vor allem große landwirtschaftliche Strukturen bevorzugen.

Wortstark strich auch Melissa Murwira, Managerin der Organisation Young Volunteers for Environment in Simbabwe die Wichtigkeit von landwirtschaftlichem Know-How hervor. Die Überwindung von generationenübergreifenden Ungleichheiten ist nach Murwira nur dann erfolgreich, wenn Ältere ihr Wissen weitergeben und Jüngere die Verantwortung übernehmen – und dabei ernst genommen werden. Junge Menschen werden oft an den Tisch gebeten, nur um sie dabei zu haben. Diese Oberflächlichkeit gilt es zu überwinden und stattdessen einen echten Austausch zu ermöglichen. Murwira plädiert dafür die Jugend nicht als vielzitierte sprichwörtliche „Zukunft“ anzusehen, sondern schon heute als wichtige Entscheidungsträger:innen der Gegenwart miteinzubeziehen. Bestärkt vom im Oktober stattgefundenen „1.000 Youth Summit“ in Addis Abbeba, den Murwira maßgeblich mitgestaltete, schließt sie mit den hoffnungsvollen Worten: „Wir brauchen unsere eigenen Lösungen und wir sind bereit zu handeln!“

Als letzte Rednerin des Abends brachte Marisa Kröpfl, Programmkoordinatorin bei Licht für die Welt Österreich ein Good Practice-Beispiel aus der EZA aufs Podium, das inklusive ländliche Entwicklung als Erfolgsrezept für die Überwindung von Ungleichheiten aufzeigt. Das in vier Ländern wirkende Projekt SPARK zielt darauf ab, Menschen mit Behinderungen einen gleichberechtigten Zugang zu landwirtschaftlichen Entwicklungsprogrammen zu sichern. Zusätzlich trägt das dadurch erzeugte stabile Einkommen in ländlichen Strukturen zum Abbau von Ungleichheiten bei. Der Ansatz, die Menschen selbst zu fragen, was sie denn brauchen, anstatt vorgefertigte Lösungen zu liefern, sei ein entscheidender Erfolgsfaktor von SPARK und aktiviert die kreativen Ressourcen aller Beteiligten. Kröpfl: „Wenn man einmal angefangen hat, Lösungen zu finden, hört man auch nicht mehr auf.“

Fazit und Gemeinsamkeit aller Vorträge ist die strukturelle Ebene globaler Ungleichgewichte, die nur durch politischen Willen und zivilgesellschaftlichen Zusammenschluss gemeinsam verändert werden kann. Der Kampf gegen globale Ungleichheit ist ein großer und schwieriger, aber für eine lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten unumgänglich.

Fotos:

Hier geht es zur Bildgalerie.
Copyright: Inna Kravchenko

Rückfragehinweis:

Olivia Tischler
Regionalstelle Wien
Tel.: 01 / 405 55 15 – 327
E-Mail: olivia.tischler@suedwind.at

https://www.suedwind.at/projekt/eza-tagung-wien

PA: COP29: Klima-Allianz fordert Fortschritte bei der Klimafinanzierung und Fristen für fossiles Aus

Die Allianz für Klimagerechtigkeit fordert einen Ausstiegspfad für fossile Energie, ein neues Finanzierungsziel für Klimaschutz, Anpassung und Ausgleich für Schäden und Verluste.

Die vergangenen beiden Jahre waren weltweit geprägt von Wetterextremen und Temperaturrekorden. Gleichzeitig hinken die Klimaschutzmaßnahmen von fast allen Industriestaaten weit hinter ihren Zielen hinterher. Alle nationalen Klimapläne (NDCs) eingerechnet, bewegt sich die globale Erwärmung auf einen katastrophalen Wert von 2,6 Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts zu. Mit jedem Jahrzehnt, in dem sich der Treibhausausstoß ungebremst fortsetzt, werden die Folgen gravierender und die Risiken für die menschliche Sicherheit größer. Die Allianz für Klimagerechtigkeit fordert daher von den Verhandler:innen auf der Weltklimakonferenz (COP29) in Baku eine deutliche Nachschärfung der Klimaschutzmaßnahmen, einen konkreten Ausstiegspfad aus fossilen Energieträgern und eine gerechte Finanzierung, um die Folgen der Klimakrise abzufedern und Betroffenen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

„Der Kampf gegen die Klimakrise darf nicht zu einer neuen Schuldenfalle für Afrika werden“, sagt Simon Bukenya von der Alliance for Food Sovereignity in Africa und fordert, die Mittel für den Kampf gegen die Klimakrise als Zuschüsse zu vergeben und lokale Expertise einzubeziehen. „Diejenigen, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, verdienen finanzielle Unterstützung, die ihre Selbstbestimmung respektiert. Viel zu oft standen die wirtschaftlichen Interessen der Geberländer einer wirksamen Hilfe im Weg. Kredite waren an strenge wirtschaftliche und politische Auflagen geknüpft, was die afrikanischen Länder in eine neue Abhängigkeitsebene brachte. Es bedarf dringend eines Umdenkens: weg von globalen Machtspielen, hin zu einem gemeinsamen Kampf gegen die Klimakrise“, sagt Simon Bukenya. 

Neues Ziel für Klimafinanzierung
Ein zentraler Verhandlungspunkt der COP29 in Baku ist die Entscheidung über ein neues internationales Klimafinanzierungsziel. Dieses soll über die derzeitige Zusage der Industriestaaten von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr hinausgehen und ab 2026 gültig sein. „Die zukünftige finanzielle Unterstützung für Klimamaßnahmen in den ärmsten Ländern der Welt muss sich am tatsächlichen steigenden Bedarf messen“, fordert Martin Krenn, Klimaexperte der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz. „Um die Herausforderungen der Klimafinanzierung zu meistern, braucht es neue Steuern für die reichsten Umweltsünder ebenso wie eine umfassende Reform des Finanzsystems. Österreich muss als reicher Staat mit überdurchschnittlichen Pro-Kopf-Emissionen seinen gerechten internationalen Beitrag auch finanziell leisten“, fordert Krenn. „Die Aufwendungen für globalen Klimaschutz, für den Schutz der Bevölkerung im Globalen Süden und für den Wiederaufbau nach klimabedingten Katastrophen sind zuallererst Investitionen in eine stabile Zukunft!“

Qualitative Aspekte für Finanzierung
Die Allianz für Klimagerechtigkeit fordert von den Verhandler:innen der EU und von Österreich vollen Einsatz für eine bedarfsorientierte Finanzierung. Wohlhabende Länder müssen demnach ein neues Finanzierungsziel unterstützen, das Klimaschutz, Anpassung und Schäden und Verluste abdeckt, aus echten öffentlichen Zuschüssen anstatt schuldengenerierenden Krediten besteht und den steigenden Herausforderungen angemessen ist.

„Wenn wir über Klima-Finanzierung sprechen, müssen wir auch über Klima-Schulden sprechen. Die Verantwortung für die historische Klimaschuld liegt unbestreitbar bei den Ländern des Globalen Nordens“, sagt Maria Hammer, Südwind-Sprecherin für Klimagerechtigkeit. „Die Höhe der Klimafinanzierung alleine ist noch nicht ausschlaggebend. Die Finanzierung für Klimaschutzmaßnahmen muss auf verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren und die spezifischen Bedürfnisse der Menschen vor Ort berücksichtigen. Was es keinesfalls braucht sind noch mehr Scheinlösungen und Geschäftemacherei im Zeichen von Greenwashing.“

Klare Ausstiegspfade und Einhaltung von Klimazielen
„Es ist immer noch möglich, einen 1,5 Grad-Pfad der Erderhitzung einzuhalten, mit Solarenergie, Windkraft und natürlichen Senken wie Mooren und Wäldern, die zusammen die Möglichkeit für schnelle und umfassende Emissionsreduktion bieten“, sagt Reinhard Uhrig, Klimasprecher vom WWF Österreich. „Der Klimaschutzbeitrag der EU kann und muss ambitioniert sein: Klimaneutralität bis 2040 als EU-Klimaziel – so wie Österreich sich das vorgenommen hat – bietet die Chance für Leadership in der Transformation.“ Nachdem auf der letztjährigen Konferenz der Ausstieg aus fossilen Energieträgern beschlossen wurde, müsse jetzt der nächste Schritt gesetzt werden mit klaren Ausstiegsplänen und -fristen. Wissenschaftlich notwendig ist ein Aus für die besonders klimaschädliche Kohlekraft mit 2030, gefolgt vom Ende der Verbrennung von Erdgas im Jahr 2035 und schließlich bis 2040 der Ausstieg aus Erdöl in den reichen Ländern des Globalen Nordens.

Kontakte vor Ort:
Martin Krenn, KOO – Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz, +43 676 769 8431, m.krenn@koo.at, in Baku vom 14.11. bis 23.11.

Maria Hammer, Südwind-Sprecherin für Klimagerechtigkeit, Tel.: +43 1 405 55 15 – 326, maria.hammer@suedwind.at, in Baku vom 16.11. bis 24.11.

Angelika Derfler, Südwind-Sprecherin für Klimagerechtigkeit, angelika.derfler@suedwind.at, in Baku vom 16.11. bis 24.11.

Dr. Reinhard Uhrig, Klimasprecher von WWF Österreich, Tel.: +43 676 83488 254, E-Mail: reinhard.uhrig@wwf.at, Online-Teilnahme

Simon Bukenya, Alliance for Food Sovereignity in Africa, +256 759 832922, simon.bukenya@afsafrica.org

Rückfragehinweis:
Stefanie MarekPressesprecherin SüdwindTelefon: +43 680 1583016E-Mail: stefanie.marek@suedwind.at
Website: https://www.suedwind.at

ZUM PRESSROOM

Veranstaltungshinweis: Sudan’s devastating war on people. What international response?

The panel discussion is part of the three-day Sudanese diaspora conference „Sudan Reconstruction“ with representatives from ten European countries in Vienna.   

Five years ago, a peaceful civil society uprising managed to oust Sudan´s long-term dictator Omar Al Bashir. A military coup in October 2021 put an end to hope for democracy and in April 2022, the two power-sharing military forces initiated a cruel war.  As a result, ten million people have been displaced and 25 million face the threat of a man-made massive famine.

The war in Sudan had also devastating effects on its already unstable neighboring countries. Its strategic location at the Red Sea has huge implications for the Arab Peninsula as well as for international trade and migration. Multiple international players have a stake in this crisis. Different mediation efforts have had little success.  Despite the humanitarian catastrophe and international implications of this crisis, there seems to be little attention to it by Western media and decision-makers.

Panel discussion:
Thursday, 24 October 2024, 19:00 – 21:00
Bruno Kreisky Forum, Armbrustergasse 15, 1190 Wien

With Suliman Baldo (key note), Director of the Sudan Transparency and Policy Tracker, Dániel Weiss (online), Deputy Head of Division for the Horn of Africa and East Africa (EEAS), Amira Osman, co-founder of the Gender Centre for Research and Training (GCRT) in Sudan and Osama Kheir Mohamed, diaspora youth activist.

Moderator: Irene Horejs, Bruno Kreisky Forum and former EU ambassador
Welcome: Georg Lennkh (Kreisky Forum), Ishraga Hamid (Mendy), Franz Schmidjell (VIDC)

Language: English

Mehr Info und Anmeldung

PA: Hoffnungsschimmer in Afrika in Richtung Abschaffung der Todesstrafe – weltweit weiterhin steigende Tendenz

Am Internationalen Tag gegen die Todesstrafe, dem 10. Oktober, unterstreicht Amnesty International die Forderung nach Abschaffung der Todesstrafe. Besonders Kenia, Simbabwe und Gambia, drei Länder südlich der Sahara, die an der Schwelle zur Abschaffung der Todesstrafe stehen, müssten jetzt handeln – auch um andere Länder dazu zu bewegen, es ihnen gleichzutun, so die Menschenrechtsorganisation. Insgesamt haben bisher 113 Länder weltweit die Todesstrafe für alle Straftaten abgeschafft.

Für das Jahr 2023 verzeichnete Amnesty International weltweit 1.153 Hinrichtungen und damit einen Anstieg von 31 Prozent (270) im Vergleich zu 2022. Diese besorgniserregende Entwicklung hat sich 2024 fortgesetzt. So gab es eine alarmierende Zunahme von Hinrichtungen im Iran und in Saudi-Arabien, in der Demokratischen Republik Kongo wurde beschlossen, Hinrichtungen wieder aufzunehmen, und der Oberste Gerichtshof von Taiwan hat entschieden, die Todesstrafe nicht vollständig abzuschaffen.

Region südlich der Sahara: Tendenz in Richtung Abschaffung der Todesstrafe

Doch besonders Staaten südlich der Sahara sorgen heuer für einen kleinen Hoffnungsschimmer auf dem Weg zur weltweiten Abschaffung der Todesstrafe – nachdem im Jahr 2023 auch dort ein Anstieg sowohl der erfassten Hinrichtungen als auch der registrierten Todesurteile zu verzeichnen war, so Amnesty.

Aktuell liegen in Kenia und Simbabwe Gesetzesentwürfe zur Abschaffung der Todesstrafe für alle Verbrechen vor. Und in Gambia, das seit 2017 stetige Fortschritte bei der Abschaffung dieser grausamen Strafe gemacht hat, wurde ein Prozess zur Verfassungsänderung eingeleitet, der unter anderem die Abschaffung der Todesstrafe in der Verfassung festschreiben soll. In allen drei Ländern wurde seit mehr als einem Jahrzehnt keine Hinrichtung mehr vollstreckt und mehrere Todesurteile umgewandelt. Insgesamt haben bisher 24 Länder südlich der Sahara die Todesstrafe für alle Verbrechen und zwei weitere Länder sie für gewöhnliche Straftaten abgeschafft.

Hoffnung für die Region

Die letzte bekannte Hinrichtung in Kenia wurde im Jahr 1987 vollstreckt. Obwohl es in Kenia kein offizielles Hinrichtungsmoratorium gibt, hat sich in dem Land die Praxis etabliert, keine Todesurteile mehr zu vollstrecken. 2023 wurden 606 Todesurteile umgewandelt, und vier Gesetzentwürfe zur Abschaffung der Todesstrafe liegen derzeit dem Parlament vor.

Die letzte bekannte Hinrichtung in Simbabwe wurde 2005 vollstreckt, auch wenn von den Gerichten weiterhin Todesurteile verhängt werden. Präsident Emmerson Mnangagwa hat sich bei seinem Amtsantritt im November 2017 allerdings klar gegen die Todesstrafe ausgesprochen. Im Dezember 2023 wurde der Gesetzentwurf zur Abschaffung der Todesstrafe im offiziellen Amtsblatt von Simbabwe veröffentlicht, und im Februar 2024 gab das Regierungskabinett seine Unterstützung für den Entwurf bekannt. Aktuell liegt der Gesetzentwurf dem Parlament vor.

In Gambia wurde die letzte Hinrichtung im Jahr 2012 vollstreckt. Damals wurden neun Soldat*innen durch ein Exekutionskommando erschossen. Seit dem Amtsantritt von Präsident Adama Barrow im Januar 2017 hat Gambia jedoch bemerkenswerte Fortschritte im Kampf gegen die Todesstrafe gemacht: Das Land hat ein offizielles Moratorium für Hinrichtungen erlassen, ist einem internationalen Abkommen zur Abschaffung der Todesstrafe beigetreten und wandelt Todesurteile regelmäßig um.

Todesstrafe hat keine einzigartige abschreckende Wirkung

„Je mehr Länder die Todesstrafe für alle Straftaten abschaffen, desto isolierter werden die verbleibenden Länder und desto schwerer wird es für sie, an der Todesstrafe festzuhalten“, so Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich. Und weiter: „Länder, die nach wie vor auf die Todesstrafe setzen, glauben so die Sicherheit ihrer Bevölkerung zu erhöhen. Das ist jedoch ein Trugschluss. Die Todesstrafe hat keine einzigartige abschreckende Wirkung und verstößt gegen das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben.“

Rückfragen
Presseteam Amnesty International Österreich
Eleonore Rudnay
+43-664-400 10 56
E-Mail: eleonore.rudnay@amnesty.at

Interviewmöglichkeiten: Transformation der Humanitären Hilfe in afrikanischen Ländern

Der österreichische entwicklungspolitische Dachverband AGGV begrüßt im Oktober zwei Expert*innen aus Uganda, die aus lokaler Perspektive über die Transformation der Humanitären Hilfe in afrikanischen Ländern berichten werden.

Aufgrund von Konflikten etwa im Sudan und in Äthiopien, sowie von Dürren, Stürme und Flutkatastrophen infolge der Klimakrise steigt die Zahl der Menschen, die auf Humanitäre Hilfe angewiesen sind. Zuletzt hatten weltweit bis zu 757 Mio. Menschen nicht genug zu essen, über 20% leben in afrikanischen Ländern. Auch zahlreiche österreichische NGOs sind in der Region tätig.

Bereits am 3. Oktober wird Ivan Atuyambe in einem Workshop der Frage nachgehen, welches Potenzial der humanitäre Sektor daraus schöpfen kann, wenn Entscheidungsprozesse stärker auf lokale Akteur*innen übertragen werden. Ivan Atuyambe ist aktuell Head of Policy and Thought Leadership der Mastercard Foundation in Ruanda und ein bekannter Fürsprecher der afrikanischen Digitalwirtschaft, in der junge Schlüsselkräfte für die digitale Transformation und eine nachhaltige Entwicklung ausgebildet werden, die weltweit händeringend gesucht werden. Er setzt sich für die gesellschaftliche wie politische Teilhabe und Mitsprache junger Menschen ein.

Ivan Atuyambe auf LinkedIn

Am 14. und 15. Oktober zu Gast in Wien: Catherine Komuhangi. Die Beraterin wandelt Daten aus humanitären Einsätzen und der Menschenrechtsarbeit in afrikanischen Ländern in verwertbare Erkenntnisse um, die evidenzbasierte Entscheidungen und Innovationen in Hilfseinsätzen und in der internationalen Zusammenarbeit ermöglichen.

Catherine Komuhangi auf LinkedIn

Interviewvereinbarungen:

Hannah Hauptmann, MA
Referentin für Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Globale Verantwortung – Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
Apollogasse 4/9, 1070 Wien
Tel: 01/522 44 22-15
Mobil: +43 699/17 20 42 07
www.globaleverantwortung.at
www.facebook.com/globaleverantwortung
www.linkedin.com/company/globaleverantwortung

PA: Sudan: Bericht von Ärzte ohne Grenzen zeigt dramatische Mütter- und Kindersterblichkeit in Süd-Darfur

Eine der dramatischsten Situationen weltweit für werdende Mütter und ihre Kinder herrscht im sudanesischen Süd-Darfur. Schwangere, Gebärende, Wöchnerinnen und ihre Kinder sterben an vermeidbaren Krankheiten, wie ein am Mittwoch veröffentlichter Bericht von Ärzte ohne Grenzen zeigt. Der medizinische Bedarf übersteigt bei weitem, was die Organisation leisten kann.

Der Bericht Driven to oblivion: the toll of conflict and neglect on the health of mothers and children in South Darfur zeigt allein für zwei von Ärzte ohne Grenzen unterstütze Kliniken in Süd-Darfur zwischen Januar und August eine derart hohe Müttersterblichkeit, dass die dortigen Fälle mehr als sieben Prozent aller Fälle von Müttersterblichkeit in den von Ärzte ohne Grenzen unterstützten Einrichtungen weltweit im Jahr 2023 ausmachen. Eine Untersuchung von Kindern auf Mangelernährung zeigte ebenfalls Raten weit über dem Schwellenwert für Notlagen.  

„Eine derartige Krise habe ich in meiner Laufbahn nicht gesehen“, sagt Gillian Burkhardt, Expertin für sexuelle und reproduktive Gesundheit von Ärzte ohne Grenzen in Nyala, Süd-Darfur. „Hier spielen sich mehrere Gesundheitskrisen gleichzeitig ab, aber internationale Hilfen der UN und anderer sind kaum zu sehen. Neugeborene, Schwangere und junge Mütter sterben in schockierender Zahl. Ihr Tod wäre in vielen Fällen vermeidbar, aber hier ist fast alles zusammengebrochen.“ 

„Das hier sichtbare Missverhältnis, der enorme Bedarf an medizinischer Versorgung, Nahrungsmitteln und grundlegenden Dienstleistungen auf der einen Seite und die durchweg fehlenden internationalen Hilfen auf der anderen Seite, ist beschämend. Wir fordern die Geber, die Vereinten Nationen und die internationalen Organisationen auf, die finanziellen Mittel für die medizinische Versorgung und die Versorgung mit Lebensmitteln für Mütter dringend aufzustocken und ihr Angebot vor Ort stark auszuweiten“, so Gillian Burkhardt. 

Im Zeitraum Januar bis August starben 46 Mütter im Nyala Teaching Hospital und im Kas Rural Hospital, in denen Teams von Ärzte ohne Grenzen unter anderem Geburtshilfe anbieten. Weil funktionierende Gesundheitseinrichtungen fehlen und die Transportkosten für viele Mütter unbezahlbar sind, erreichen sie die Kliniken häufig in kritischem Zustand. Von den dort verstorbenen Müttern starben etwa 78 Prozent innerhalb der ersten 24 Stunden nach Aufnahme. Häufigste Todesursache bei den Müttern in allen von Ärzte ohne Grenzen unterstützten Einrichtungen in Süd-Darfur war eine Sepsis. Weil nur noch wenige Gesundheitseinrichtungen arbeiten können, sind viele Frauen gezwungen, ihr Kind unter unhygienischen Bedingungen zur Welt zu bringen – ohne grundlegende Dinge wie Seife, saubere Entbindungsmatten oder sterile Instrumente.  

„Eine schwangere Patientin, die aus einer ländlichen Gegend kam, brauchte zwei Tage, um das nötige Geld für eine Behandlung aufzutreiben”, beschreibt Maria Fix, medizinische Koordinatorin in Süd-Darfur. „Als sie ein Gesundheitszentrum aufsuchte, gab es dort aber keine Medikamente und sie ging wieder nach Hause. Nach drei Tagen verschlechterte sich ihr Zustand. Sie musste fünf Stunden auf einen Transport warten. Als sie zu uns kam, lag sie bereits im Koma. Sie starb an einer vermeidbaren Infektion.“  

Tausende Kinder in Süd-Darfur sind vom Hungertod bedroht, viele sterben an vermeidbaren Todesursachen. Allein im Nyala Teaching Hospital und Kas Rural Hospital starben 48 Neugeborene von Januar bis Juni 2024 an einer Sepsis. Das heißt jedes fünfte Neugeborene mit einer Sepsis überlebte nicht.  

Fast 30.000 Kinder unter zwei Jahren wurden im August in Süd-Darfur auf Mangelernährung untersucht – jedes Dritte war akut mangelernährt. Damit liegen die Werte weit jenseits der 15 Prozent, die die Weltgesundheitsorganisation als Notlage definiert.    

Vor dem Krieg war Süd-Darfurs Hauptstadt Nyala ein Zentrum für humanitäre Organisationen. Die meisten sind nicht zurückgekehrt und auch die UN haben noch immer kein internationales Personal vor Ort. Ärzte ohne Grenzen ist eine der wenigen Organisationen, die humanitäre Hilfe leistet. Von Januar bis August führte die Organisation in Süd-Darfur 12.600 prä- und postnatale Konsultationen durch und unterstützte 4.330 Entbindungen. 

Die Krise im Land könnte Familien über Generationen hinweg in einen Kreislauf von Mangelernährung, Krankheit und Gesundheitsrisiken ziehen.

Für Rückfragen | Vermittlung von Interviews | Fotomaterial
Eva Hosp
eva.hosp@vienna.msf.org
Tel.: +43 (1) 409 72 76 – 29

Veranstaltungshinweis: Workshop „Empowerment Media“ mit Pato Kelesitse

Women on Air – Globale Dialoge veranstalten mit COMMIT und der Frauen*solidarität die Online-Reihe „Empowerment Media“. Es geht um Projektvorstellungen in den Bereichen Konstruktiver Journalismus, Geschlechtergerechtigkeit und Diversität in Medien.

Di., 05.11. 2024, 17:00-18:30, Online
Empowerment Media: Pato Kelesitse
This presentation will explore the critical role of media in climate advocacy, emphasizing the power of storytelling with a focus on women’s narratives to propel climate action. We will discuss why amplifying these stories is not only impactful but essential for fostering inclusive and effective climate solutions.

Pato Kelesitse is a sustainable development practitioner, climate justice advocate, and founder of Sustain267. She hosts the Sustain267 Podcast, which amplifies African voices, solutions, knowledge, and research in climate action. Pato serves as an official party delegate to the United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC), where she negotiates on Loss and Damage issues. She is also a board member of the Climate Justice Resilience Fund and an adviser for Urgent Action Fund-Africa. Recently, she was appointed to the Botswana National Youth Council by the Minister of Youth, Gender, Sports, and Culture.

Anmeldung: bei Tania Napravnik (COMMIT): tn@commit.at (die Teilnahme ist kostenlos)

Mehr Informationen: https://noso.at/?page_id=3673

PA: Sudan: Anhaltende Waffenlieferungen befeuern Konflikt – Amnesty-Bericht

Das nur für die Konfliktregion verhängte UN-Waffenembargo verhindert nicht Rüstungsimporte in den Sudan. Für die Zivilbevölkerung verschlimmert das die bereits katastrophale humanitäre Lage.

Laut dem heute veröffentlichten englisch-sprachigen Bericht New Weapons Fuelling the Sudan Conflict wird der aktuelle Konflikt im Sudan durch den ständigen Zustrom von Waffen laufend weiter angeheizt, so Amnesty International. Dabei wird das bestehende Waffenembargos für Dafur teils eklatant missachtet – Amnesty fordert eine Ausweitung des Waffenembargos. Unter den Ländern, aus denen Waffen und Munition importiert werden, finden sich China, Russland, Serbien, die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Jemen.

Amnesty betont, dass das bestehende Waffenembargo, das derzeit nur für Darfur gilt, völlig unzureichend ist. Die Waffen, die täglich in das Land hinein kommen, verursachen Tod und unfassbares Leid in der Zivilbevölkerung. „Diese humanitäre Krise kann nicht ignoriert werden. Angesichts der drohenden Hungersnot darf die Welt die Menschen im Sudan nicht länger im Stich lassen.“ sagte Deprose Muchena, Experte für regionale Menschenrechtsfragen bei Amnesty International. 

Amnesty International fordert den UN-Sicherheitsrat auf, das Waffenembargo dringend auf den restlichen Sudan auszuweiten und auch seine Überwachungs- und Überprüfungsmechanismen auszubauen. Dabei müssen internationale Waffenlieferungen überwacht und illegale Waffeneinfuhren wirksam verhindert werden. Es müsse auch ein möglichst breites Spektrum von Waffen erfasst werden, um die aktuell gängige Abzweigung von Schrotflinten, Jagdgewehren, Schreckschusspistolen und der entsprechenden Munition in den Sudan zu bekämpfen, so Deprose Muchena.

Laut Amnesty nutzen die Konfliktparteien moderne Drohnenstörsender, Mörser und Anti-Material-Gewehre, die in China hergestellt wurden. Die Rapid Support Forces (RSF) setzten außerdem eine ganze Reihe von neu hergestellten gepanzerten Mannschaftstransportern aus den Vereinigten Arabischen Emiraten ein. Handelsdaten belegen, dass türkische Unternehmen in den letzten Jahren Hunderttausende Schreckschusspistolen und Millionen Patronen in den Sudan exportiert haben. Amnesty International geht davon aus, dass diese Lieferungen im Sudan in großem Umfang in tödliche Waffen umgebaut werden. Damit wird deutlich, dass dieser weitgehend unregulierte Handel einer genaueren Prüfung unterzogen werden muss. Auch Kleinwaffen, die normalerweise für den zivilen Markt gedacht sind, werden zunehmend sowohl an die Regierungstruppen als auch an bewaffnete Oppositionsgruppen geliefert.

Hintergrund

Seit der Eskalation des Konflikts zwischen den sudanesischen Streitkräften (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF) im April 2023 wurden im Sudan mehr als 16.650 Menschen getötet. Amnesty International dokumentierte, dass es nicht nur bei direkten Angriffen auf Zivilpersonen sondern auch bei wahllosen Angriffen zivile Opfer gab. Einige der Verstöße der Konfliktparteien gegen das humanitäre Völkerrecht kommen Kriegsverbrechen gleich. Schätzungen zufolge wurden mehr als 11 Millionen Menschen zu Binnenvertriebenen, Millionen sind unmittelbar von einer Hungersnot bedroht.

Für den aktuellen Bericht analysierte Amnesty International mehr als 1.900 Lieferpapiere von zwei verschiedenen Handelsdaten-Anbietern. Außerdem überprüfte die Menschenrechtsorganisation frei verfügbares, digitales Beweismaterial – darunter etwa 2.000 Fotos und Videos –, das neu hergestellte oder erst kürzlich importierte Waffen im Sudan zeigt. Um die so gewonnenen Daten zu untermauern, befragten Amnesty-Mitarbeiter*innen zwischen Februar und März 2024 17 regionale Waffen- und Sudanexpert*innen. So konnten die Lieferwege der von den verschiedenen Gruppen genutzten Waffen noch besser nachvollzogen werden.

Rückfragen
Presseteam Amnesty International Österreich
Eleonore Rudnay
+43-664-400 10 56
E-Mail: eleonore.rudnay@amnesty.at

Online-Pressekonferenz: Ärzte ohne Grenzen zu humanitärer Situation im Sudan

In der Pressekonferenz wird auch ein Bericht von Ärzte ohne Grenzen über den inzwischen mehr als ein Jahr andauernden Krieg vorgestellt.

Die Veranstaltung wird am Montag, den 22. Juli 2024, ab 10.00 Uhr deutscher Zeit, unter diesem Link auf dem Youtube-Kanal von Ärzte ohne Grenzen Jordanien gestreamt.
Sie findet auf Englisch und Arabisch statt. 
 
Sprecher:innen sind: 
 Vickie Hawkins, Geschäftsführerin von Ärzte ohne Grenzen in den Niederlanden (Englisch) 
Enass Abu Khalaf, Leitung Kommunikation Nahost von Ärzte ohne Grenzen (Arabisch)  

Bei Rückfragen wenden Sie sich gerne an die Pressestelle in Berlin (presse@berlin.msf.org). 

PA: Italien: Migrant*innen unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert

Amnesty International berichtet von rechtswidriger Inhaftierung von Asylsuchenden und Migrant*innen unter Missachtung ihres Rechts auf Freiheit, Verstoß bei Haftbedingungen gegen internationales Recht und, dass italienische Gesetze und Praktiken internationalen Verpflichtungen widersprechen und Recht auf Asyl und Zugang zur Justiz verletzen. Kritik von Amnesty International sei umso dringlicher angesichts der Pläne Italiens, Haftanstalten in Albanien zu errichten. 

Wien (4.7.2024) – In Italien werden Migrant*innen und Asylsuchende unrechtmäßig in Haftanstalten festgehalten, die internationale Standards missachten, so Amnesty International heute in ihrer neuen öffentlichen Erklärung „Liberty and Dignity: Amnesty International’s observations on the administrative detention of migrant and asylum-seeking people in Italy“.

„Inhaftierung sollte die Ausnahme sein und das letzte Mittel darstellen. In den von uns besuchten Zentren trafen wir jedoch auf rassistisch diskriminierte Menschen, die niemals hätten inhaftiert werden dürfen. Darunter waren Menschen mit schweren psychischen Problemen. Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihres politischen Engagements Asyl suchen, aber aus Ländern kommen, die die italienische Regierung willkürlich als ’sicher‘ bezeichnet. Menschen, die Verantwortung für ihre Kinder tragen oder vor geschlechtsspezifischer Gewalt oder Ausbeutung am Arbeitsplatz fliehen. Diese unnötigen Inhaftierungen beeinträchtigen das Leben, die Gesundheit und die Familien dieser Menschen“, sagte Dinushika Dissanayake, stellvertretende Regionaldirektorin von Amnesty International für Europa. 

Ausweitung migrationsbezogener Haft 

Im Jahr 2023 verabschiedete die italienische Regierung Maßnahmen, die auf eine Ausweitung der Inhaftierung von Migrant*innen abzielen. Dazu gehörten Pläne für den Bau neuer Gewahrsamseinrichtungen, die Verlängerung der maximalen Haftzeit für die Rückführung auf 18 Monate und die Anwendung von „Grenzverfahren“ auf Asylsuchende aus „sicheren Ländern“. Das führt zu einer automatischen Inhaftierung von Menschen auf der Grundlage ihrer Staatsangehörigkeit und steht im Widerspruch zum internationalen Recht, das eine individuelle Prüfung verlangt.  

Angesichts dieser Entwicklungen und der fortlaufenden Berichte über menschenunwürdige Haftbedingungen und Behandlung besuchte Amnesty International im April 2024 zwei Haftzentren: Ponte Galeria (Rom) und Pian del Lago (Caltanissetta). In den Zentren traf Amnesty International unter anderem Menschen aus Tunesien, Iran, Georgien, Marokko, Peru, Ägypten, Gambia und China. Die öffentliche Erklärung von Amnesty International enthält die Ergebnisse der Besuche und die Informationen basieren auch auf Treffen mit Behörden, Anwält*innen und Vertreter*innen von zivilgesellschaftlichen Organisationen. 

Unmenschliche Bedingungen in den Haftzentren 

Amnesty International stellte fest, dass die Bedingungen in den Zentren nicht den geltenden internationalen Gesetzen und Standards entsprachen. Administrativ bedingte Haft darf keinen strafenden Charakter haben und sollte keine gefängnisähnlichen Bedingungen auferlegen. Trotz dieser Tatsache schienen die von Amnesty International besuchten Zentren äußerst restriktiv und aus gesundheitlicher und sicherheitstechnischer Sicht unzureichend. 

Menschen konnten sich nicht frei innerhalb der Einrichtungen bewegen und benötigten Genehmigungen und Begleitung durch die Polizei. Die Möbel und Betten waren äußerst dürftig, mit Schaumstoffmatratzen auf Betonbetten. Die Badezimmer waren in schlechtem Zustand und teilweise ohne Türen. Lichtschalter wurden von Wachen bedient und Fenster waren hermetisch geschlossen. Persönliche Smartphones waren verboten. 

„Menschen sind gezwungen, ihre gesamte Zeit in eingezäunten Bereichen zu verbringen, unter Bedingungen, die in vielerlei Hinsicht schlimmer sind als im Gefängnis, und sie werden sogar eines Mindestmaßes an Autonomie beraubt. Trotz langer Haftzeiten gibt es fast keine Aktivitäten, was in Kombination mit einem Mangel an Informationen über ihre Zukunft zu enormen psychologischen Schäden bei den Inhaftierten führt,“ sagte Dinushika Dissanayake. 

Forderungen an italienische Behörden 

„Das Versagen der italienischen Behörden, ein wirksames System von Alternativen zur Haft einzurichten, kombiniert mit einem unzureichenden rechtlichen Verfahren, das von nicht-professionellen Richter*innen überwacht wird, führt zum Missbrauch der Haft. Italiens Gesetze und Praktiken sind nicht mit internationalem Recht und Standards vereinbar und verletzen nicht nur das Recht auf Freiheit, sondern auch die Rechte auf Asyl, auf wirksame Rechtsmittel und auf rechtliche Unterstützung,“ sagte Dinushika Dissanayake. 

Diese Bedingungen verletzen das Recht der Menschen auf Würde und müssen von den italienischen Behörden verbessert werden. Pläne zum Bau neuer Zentren in Italien, kombiniert mit der Einführung obligatorischer Grenzverfahren im Rahmen des EU-Migrations- und Asylpakts und der bevorstehenden Umsetzung des Abkommens zwischen Italien und Albanien, machen Handlungen umso dringlicher, um weitere Verstöße gegen internationales Recht zu verhindern, die eine wachsende Zahl von Menschen betreffen werden. 

„Migrationsbezogene Haft sollte nur in den außergewöhnlichsten Umständen angewendet werden. Wenn sie notwendig und verhältnismäßig ist, sollten immer zuerst alternative und weniger einschneidende Maßnahmen in Betracht gezogen werden. Menschen, die internationalen Schutz suchen, dürfen nicht inhaftiert werden,“ sagte Dinushika Dissanayake.  „In den außergewöhnlichen Fällen, in denen Haft als notwendig und verhältnismäßig erachtet wird, müssen die italienischen Behörden rigorose und regelmäßige Bewertungen der Eignung der Inhaftierten für die Haft durchführen. Die Regierung muss auch sicherstellen, dass die Bedingungen in den Haftzentren die Menschenwürde wahren und angemessene, sichere Unterkünfte sowie Möglichkeiten für den Kontakt zur Außenwelt und eine sinnvolle Nutzung der Zeit bieten. Es bedarf dringend eines grundlegenden Wandels im derzeitigen strafenden Ansatz der Migrationskontrollpolitik.

Presseteam Amnesty International Österreich
Antonio Prokscha
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