Archiv der Kategorie: Globalisierung

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PA: Massiver Lohnraub: Schulden von Huber-Chef auf 6.5 Millionen Euro gestiegen

Betroffene und Arbeitsrechtsorganisationen, darunter Südwind, fordern Gerechtigkeit für die Arbeiter:innen. Auch Modemarken sollen zahlen.

Bangkok, Thailand, am 7. August 2025. Es handelt sich um einen der größten Fälle von Unterschlagung von Abfindungszahlungen in der globalen Bekleidungsindustrie: Mehr als 900 ehemalige Arbeiter:innen von Body Fashion Thailand Limited, die vor fünf Jahren illegal aus zwei Fabriken in Nakhon Sawan und Samut Prakan entlassen wurden, haben mittlerweile Anspruch auf 6.5 Millionen Euro an ausstehenden Abfindungen, Löhnen und Boni plus Zinsen. 

Trotz mehrerer thailändischer Gerichtsurteile zugunsten der Betroffenen weigert sich der Fabrikbesitzer Robert Ng (Ng Man Choong), ein internationaler Geschäftsmann und Eigentümer der österreichischen Huber Holding, seit Jahren zu zahlen. Die globalen Marken, die Unterwäsche von Body Fashion bezogen haben, darunter auch Huber, ziehen sich aus der Verantwortung.

Arbeiter:innen stehen vor dem Nichts: „Ich sehe keine Zukunft mehr für mich.“

„Ich habe keine Abfindung bekommen. Ich habe nicht einmal meinen Lohn für die letzten anderthalb Monate erhalten“, sagt die 48-jährige ehemalige Body Fashion-Arbeiterin Prasit Koedphithak. Sie arbeitete 22 Jahre lang bei Body Fashion, insgesamt schuldet Robert Ng ihr 711.541 Baht (18.977 Euro). „Seit ich entlassen wurde, habe ich keine Arbeit mehr gefunden. Ich musste mir Geld leihen und habe jetzt Schulden. Ich sehe keine Zukunft mehr für mich.“

„Ich habe dort 24 Jahre lang gearbeitet. Als die Fabrik geschlossen wurde, haben wir beide unsere Arbeit verloren und hatten im April noch keinen Lohn erhalten. Wir hatten keine Ersparnisse“, sagt die ehemalige Body Fashion-Arbeiterin Jaruwan Karak, 50 Jahre alt. Ihr werden insgesamt 807.036 Baht (21.524 Euro) geschuldet. Ihrem Mann schuldet Ng insgesamt 665.751 Baht (17.756 Euro). „Ich habe kein Geld, also habe ich mir von allen möglichen Leuten Geld geliehen, bis mir niemand mehr etwas leihen wollte. Ich musste mich an Kredithaie wenden. Mein Sohn wurde zweimal von der Universität verwiesen, weil er seine Studiengebühren nicht bezahlt hat. Unser Haus steht kurz vor der Zwangsvollstreckung. Der einzige Trost, der mich aufrecht hält, ist der Gedanke an meine Kinder und meine Eltern“, erzählt sie weiter.

Huber muss Konsequenzen für Robert Ng ziehen

Huber Holding, ein führendes österreichisches Unterwäscheunternehmen, hat während der Zeit des Lohndiebstahls Ware von Body Fashion bezogen. Der Eigentümer von Body Fashion, Robert Ng, ist nicht nur auch Eigentümer von Huber Holding, sondern gleichzeitig auch Geschäftsführer der Huber Holding GmbH sowie Vorstandsvorsitzender der Huber Holding AG. Huber Holding hat öffentlich erklärt, dass sich das Unternehmen nicht für die Situation verantwortlich fühlt.

„Wir fordern Herrn Ng als Eigentümer von Body Fashion und Huber Holding auf, den Arbeiter:innen unverzüglich den gesamten ausstehenden Lohn und die Abfindungen zu zahlen“, sagt Gertrude Klaffenböck von der österreichischen Menschenrechtsorganisation Südwind. „Es ist empörend, dass weder die Unternehmensleitung von Huber noch der Aufsichtsrat Verantwortung übernehmen oder Konsequenzen für Herrn Ng aus diesem Lohndiebstahl ziehen.“

Marken müssen Verantwortung übernehmen

Zahlreiche bekannte Marken und Einzelhändler arbeiten weiterhin mit Robert Ng zusammen. „In einer Branche, in der alle namhaften Marken und Einzelhändler sich zu ethischen Geschäftspraktiken bekennen, sollte jemand, der offen Millionen von Dollar von seinen Mitarbeitern stiehlt, zur Pariah werden“, sagt Scott Nova, Geschäftsführer des Worker Rights Consortium. „In den Augen von Amazon, Next, M&S und Nordstrom macht es einen offenbar zu einem begehrten Geschäftspartner. Die moralische Gleichgültigkeit dieser Unternehmen ist unglaublich.“

„Die unverantwortlichen Geschäftspraktiken von Ng haben nicht nur den Beschäftigten von Body Fashion geschadet, sondern stellen auch eine potenzielle Bedrohung für Tausende von Beschäftigten dar, die in seinem Bekleidungsimperium arbeiten. Wir werden weiterhin unser globales Netzwerk mobilisieren, um Rechenschaft einzufordern“, sagt Johnson Yeung, Koordinator bei der Clean Clothes Campaign.

Die globale Lieferkette für Bekleidung muss sich ändern

„Dies ist ein entscheidender Fall, um die globale Lieferkette für Bekleidung zur Verantwortung zu ziehen – eine Lieferkette, die ungestraft die schwächsten Arbeitnehmer ausbeutet und bewusst Rechtsräume sucht, in denen die Rechtsstaatlichkeit schwach ist und Arbeitnehmer den schlimmsten Formen von Missbrauch durch Unternehmen ausgesetzt sind“, sagt David Welsh, Landesdirektor des Solidarity Center in Thailand. „Marken wie Victoria’s Secret und Triumph International, die jahrzehntelang enorme Gewinne auf dem Rücken armer thailändischer Arbeiterinnen erzielt haben, können sich nicht hinter ihrer üblichen fadenscheinigen Behauptung verstecken, dass sie keine Verantwortung für das Verhalten in den Fabriken tragen, von denen sie ihre Waren beziehen. Die Hauptverantwortung liegt jedoch beim Eigentümer der Fabrik und CEO der Marke Huber, der weiterhin Millionen in der globalen Industrie verdient und dabei Gesetze ignoriert.“

Eine Übersicht über Robert Ng’s Textil-Imperium finden Sie hier.
Fotos und Hintergrundinformationen zum Fall finden Sie hier.
Eine Aufzeichnung der Pressekonferenz ist via Facebook verfügbar.

Rückfragehinweis:
Stefanie Marek
Pressesprecherin Südwind
stefanie.marek@suedwind.at
+43 680 158 30 16

Aviso: Online-Pressekonferenz: Jetzt sprechen die Betroffenen – Massiver Lohnraub-Skandal mit Spur nach Österreich

Über 6,5 Millionen Euro Lohnschulden, Vorarlberger Unterwäschemarke Huber involviert –  Südwind lädt gemeinsam mit betroffenen Arbeiter:innen zur Online-Pressekonferenz am 7. August, 9:00 Uhr.

Nach ihrer rechtswidrigen Entlassung aus zwei thailändischen Textilfabriken warten sie bis heute auf die Auszahlung von über 6,5 Millionen Euro (7,6 Mio. USD) an Abfindungen, Löhnen und Sozialleistungen. Trotz mehrerer gerichtlicher Entscheidungen in Thailand zugunsten der Arbeiter:innen und zahlreicher Versuche der Kontaktaufnahme mit Auftraggebern und Unternehmen gab es bis heute keine Wiedergutmachung.

Im Zentrum des Falls steht der Vorstandsvorsitzende der österreichischen Unterwäschemarke Huber Holding (mit den Marken HanroHOMHuber BodywearSkinyRobert Ng (Ng Man Choong). Ng ist CEO eines großen internationalen Modekonzerns mit mehreren Marken und war gleichzeitig der Besitzer der besagten thailändischen Textilfabriken. Auch Huber Holding hat im Zeitraum des Lohndiebstahls Ware aus diesen Textilfabriken bezogen.

Die österreichische Menschenrechtsorganisation Südwind hat den Fall in Zusammenarbeit mit Worker Rights ConsortiumSolidarity Center Thailand und der Clean Clothes Kampagne aufgearbeitet und setzt sich seitdem für Wiedergutmachung ein. Die an der Aufdeckung beteiligten Organisationen laden gemeinsam mit betroffenen Arbeiter:innen zur Pressekonferenz.

Inhalt der Pressekonferenz:

  • Die Folgen für das Leben der betroffenen Textilarbeiter:innen
  • die komplexen Unternehmensverflechtungen von Robert Ng über mehrere Kontinente
  • die Bedeutung des Falls in Bezug auf menschenrechtliche Sorgfaltspflichten von globalen Konzernen,
  • und die politische Relevanz im Hinblick auf das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Thailand und das derzeit entstehende thailändische Lieferkettengesetz.

Die Gesprächspartner:innen:

  • Prasit Koedphithak, ehemalige Angestellte bei Body Fashion
  • Jaruwan Karak, ehemalige Angestellte bei Body Fashion
  • David Welsh, Country Director, Solidarity Center Thailand
  • Scott Nova, Executive Director, Worker Rights Consortium
  • Gertrude Klaffenböck, Koordinatorin der Clean Clothes Kampagne Österreich, Südwind
  • Johnson Yeung, International Urgent Appeald Coordinator, Clean Clothes Campaign

Wann: Donnerstag, 7. August 2025
Uhrzeit: 09:00 Uhr MESZ, (14:00 Uhr Bangkok-Zeit)
Wo: FCCT Clubhouse, Maneeya Center, Bangkok
Online-Livestream: Facebook FCCT Thailand

Sprache: Englisch und Thai (eine Simultanübersetzung Thai-Englisch wird zur Verfügung gestellt)

Rückfragehinweis:
Stefanie Marek
Pressesprecherin Südwind
+ 43 680 158 30 16
stefanie.marek@suedwind.at

PA und Interviewmöglichkeiten: Welternährungsbericht 2025: 673 Millionen Menschen sind vom Hunger betroffen 

673 Millionen Menschen weltweit haben im vergangenen Jahr laut dem neuen Welternährungsbericht an Hunger leiden müssen. Das sind 8,2 Prozent der Weltbevölkerung – ein leichter Rückgang im Vergleich zum Vorjahr. Doch während sich die Lage in einigen Ländern bessert, verschärft sich der Hunger vor allem in Afrika und in Konfliktgebieten wie dem Gazastreifen, wo sich eine Massenhungersnot ausbreitet. Die drastischen Kürzungen der internationalen Hilfe durch USAID, der Bundesregierung und vieler anderer Staaten lassen befürchten, dass die Zahl der hungernden Menschen 2025/2026 deutlich ansteigen werden.  

„Der Welternährungsbericht offenbart eine eklatante Ungerechtigkeit. Während einige Länder in Asien deutliche Fortschritte gemacht haben, versinken andere Länder vor allem in Afrika und im Nahen und Mittleren Osten immer tiefer in Hungerkrisen. Wir können nicht von Fortschritten sprechen, während Millionen von Menschen zurückgelassen werden. Hunger ist nicht unvermeidlich, sondern eine direkte Folge politischer Entscheidungen. Wir haben die Mittel, den Hunger zu beenden. Es ist eine Frage des politischen Willens und der Solidarität“, sagt Jan Sebastian Friedrich-Rust, Geschäftsführer von Aktion gegen den Hunger.   

Das sind die Schlüsselzahlen des Welternährungsberichts 2025:

  • Im Jahr 2024 litten 673 Millionen Menschen (8,2 % der Weltbevölkerung) an Hunger. 
  • Jeder fünfte Mensch in Afrika (306,5 Millionen) ist unterernährt. Fast die Hälfte aller hungernden Menschen weltweit lebt in Afrika. Prognosen zufolge wird dieser Anteil bis 2030 auf 60 Prozent steigen. 
  • Insgesamt 2,3 Milliarden Menschen, das sind 28 Prozent der Weltbevölkerung, waren von moderater oder schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen. Das bedeutet, dass sie entweder keinen regelmäßigen Zugang zu ausreichender Nahrung hatten oder so wenig zu essen hatten, dass sie einen ganzen Tag lang nichts aßen. 
  • Frauen und Kinder sind überproportional von Ernährungsunsicherheit betroffen: Nur 48 Prozent der Frauen und 25 Prozent der Kinder in Afrika erreichen eine minimale Ernährungsvielfalt.
  • 150,2 Millionen Kinder unter fünf Jahren leiden unter Wachstumsstörungen. 

Weltweit ist das Ausmaß des Hungers nach wie vor deutlich höher als vor der Covid-19-Pandemie und liegt weit über dem Niveau von 2015, als die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) verabschiedet wurden. Im Jahr 2024 litten 96 Millionen Menschen mehr an Hunger als zu diesem Stichtag. Das SDG-Ziel 2, den Hunger auf der Welt zu beenden, scheint nicht mehr erreichbar zu sein, wenn nicht deutlich umgesteuert wird.  

Die Auswirkungen der Inflation auf die Ernährungsunsicherheit 

Der Bericht macht zudem deutlich, dass die Lebensmittelpreise seit 2020 weltweit schneller steigen als die allgemeine Inflation. Diese Entwicklung erschwert insbesondere für vulnerable Bevölkerungsgruppen den Zugang zu gesunder Ernährung.  Grund dafür sind laut Bericht die Covid-19-Pandemie und der Krieg in der Ukraine.  

„Der Welternährungsbericht vernachlässigt die Auswirkungen der Klimakrise auf die Inflation und berücksichtigt auch nicht, dass die Spekulation mit Nahrungsmitteln eine wesentliche Rolle bei der Preissteigerungen spielt. Lebensmittel sind keine Ware wie jede andere: Nahrung ist ein grundlegendes Menschenrecht. Es ist unerlässlich, den internationalen Lebensmittelmarkt zu regulieren, um das Recht auf Nahrung und Ernährung für alle Menschen zu verwirklichen“, so Friedrich-Rust.  

Aktuelle massive Budgetkürzungen spiegeln sich noch nicht im Bericht wider  

Die Daten des Welternährungsberichts reichen nur bis 2024 und sagen nichts über die drohende humanitäre Krise aus. Denn während der humanitären Bedarfe im Jahr 2025 steigen, bricht die Finanzierung der internationalen Hilfe zusammen. Mit dem offiziellen Ende der US-Entwicklungsagentur USAID verliert die internationale Gemeinschaft den wichtigsten Geber im Bereich der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit. Aber auch andere wichtige Geberländer wie Deutschland, Frankreich, Belgien, Großbritannien, Schweden und die Niederlande kürzen ihre Budgets für internationale Hilfe drastisch.  

In Deutschland sieht der Haushaltsentwurf Kürzungen beim Bundesentwicklungsministerium (BMZ) von 8 Prozent vor, das Ministerium verliert damit das dritte Jahr in Folge rund eine Milliarde Euro. Für die im Auswärtigen Amt angesiedelte Humanitäre Hilfe sind Kürzungen um 53 Prozent vorgesehen. Das international zugesagte Ziel, mindestens 0,7 % des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe bereitzustellen, wird damit deutlich verfehlt. 

„Die internationale Hilfe steht an einem Wendepunkt. Zunehmende Konflikte, Klima- und Hungerkrisen verschärfen die globale Lage und lassen die humanitären Bedarfe steigen. Gleichzeitig sinken die verfügbaren Mittel massiv, und die Instrumente zur Koordinierung der internationalen humanitären Hilfe werden geschwächt. Die kurzfristigen Einsparungen führen zu einer langfristigen Verschärfung von Krisensituationen. Wenn die Welt aus den Fugen gerät, wird es auch für uns auf Dauer weniger Sicherheit, Frieden und Wohlstand geben“, so Jan Sebastian Friedrich-Rust. 

Hinweis an die Redaktionen

Aktion gegen den Hunger ist eine humanitäre und entwicklungspolitische Hilfsorganisation, die weltweit in 57 Ländern und Regionen aktiv ist und rund 26,5 Millionen Menschen unterstützt. Seit mehr als 45 Jahren kämpft Aktion gegen den Hunger gegen Mangelernährung, schafft Zugang zu sauberem Wasser und gesundheitlicher Versorgung. 8.769 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten Nothilfe und unterstützen Menschen beim Aufbau nachhaltiger Lebensgrundlagen.

Pressekontakt
Vassilios Saroglou / Markus Winkler
Tel. 030 – 279 099 776
E-Mail presse@aktiongegendenhunger.de
Website www.aktiongegendenhunger.de

PA: Neue Studie: Mehrheit der Österreicher:innen will faire Mode!

Umfrage zeigt breite Zustimmung für faire Arbeitsbedingungen und Menschenrechte – Südwind fordert strengere Gesetze für Unternehmen

Eine neue repräsentative Studie zeigt: Die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung wünscht sich starke Veränderungen in der Modeindustrie mit klaren Regeln für Unternehmen, fairen Löhnen und Transparenz entlang der Lieferkette.

Im Auftrag von Südwind und der Clean Clothes Kampagne (CCK) wurden Konsumverhalten und Einstellungen zum Thema gerechter Wandel in der Modeindustrie untersucht. Die Ergebnisse sind eindeutig: Mehr als zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) sind bereit, für fair produzierte Kleidung mehr zu bezahlen. 87Prozent sind dafür, dass nachhaltige Modemarken existenzsichernde Löhne zahlen und Arbeitsrechte achten sollen.

„Die Menschen in Österreich wollen faire Löhne, Transparenz und Umweltstandards in der Modeindustrie – aber mit bewusstem Konsum allein lassen sich systemische Ungerechtigkeiten nicht lösen. Damit soziale Verantwortung zum Standard wird, müssen Politik und Wirtschaft klare Rahmenbedingungen schaffen“, sagt Gertrude Klaffenböck, Südwind-Sprecherin für Mode-Lieferketten.

Breite Unterstützung für Menschenrechte

Die Studie zeigt einen starken Rückhalt für faire Produktionsbedingungen: 80 Prozent der Befragten in Österreich lehnen es ab, dass Marken ihre Produktion in Billiglohnländer verlagern, ohne auf Menschenrechte zu achten. 86 Prozent lehnen es ab, dass Modemarken ihre Marktmacht nutzen, um Lieferant:innen und Näher:innen zu unfairen Verträgen zu zwingen.

Auch die Bereitschaft, mehr für nachhaltige Kleidung zu zahlen, ist hoch: 66 Prozent sind bereit, für umweltfreundliche Kleidung mehr auszugeben. Besonders deutlich: 81 Prozent unterstützen faire Preise an Zulieferer, auch wenn dadurch die Kleidung teurer wird.

Nachhaltiger Konsum braucht rechtlichen Rahmen

Um dem Wunsch nach Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit in der Modeindustrie nachzukommen, fordert Südwind die Umsetzung des EU-Lieferkettengesetzes, mit strenger nationaler Kontrolle. „Unternehmen müssen gesetzlich verpflichtet werden, entlang ihrer gesamten Lieferkette für faire Löhne, sichere Arbeitsbedingungen und Umweltstandards zu sorgen. Modemarken müssen offenlegen, wo und unter welchen Bedingungen ihre Produkte hergestellt werden. Nur so kann der Wandel hin zu einer gerechten Modeindustrie gelingen“, so Gertrude Klaffenböck.

Über die Umfrage:

Das Marktforschungsinstitut iVOX hat im Auftrag der Clean Clothes Kampagne eine repräsentative Umfrage durchgeführt. Ziel war es, Wissen, Einstellungen und Verhaltensweisen rund um das Konzept des gerechten Wandels („Just Transition“) in der Modeindustrie zu erfassen. Die Umfrage wurde in sechs Ländern (Österreich, Belgien, Kroatien, Finnland, Italien und die Niederlande) online durchgeführt. Die Stichprobe bestand aus 6.000 Teilnehmer:innen (jeweils 1.000 pro Land), repräsentativ nach Geschlecht, Alter, Bildungsabschluss und Sprache. Der Befragungszeitraum war zwischen 9. Dezember und 20. Dezember 2024.

Download Studienergebnisse: Faire Mode“ (PDF – 2 Seiten)

Rückfragehinweis:
Vincent Sufiyan
Kommunikationsleitung Südwind
Tel.: +43 650 96 77577
E-Mail: vincent.sufiyan@suedwind.at

Stellungnahme: USAID-Aus und die schleichende Abwicklung des globalen Zusammenhalts

Lukas Wank, Geschäftsführer der AG Globale Verantwortung – Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe – äußert sich in einer Stellungnahme zum endgültigen Aus der US-Entwicklungsbehörde USAID, den fehlenden globalen Zusammenhalt und die zunehmenden Angriffe auf die Zivilgesellschaft.

Wenn Leben nichts mehr zählen. Die schleichende Abwicklung des globalen Zusammenhalts

Gestern stellte USAID endgültig seine Arbeit ein. Nur wenige Stunden zuvor erschien ein Artikel in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift The Lancet über die Leben, welche NGOs durch Unterstützung der US-Entwicklungsbehörde in einer 21-jährigen Studienperiode retten konnten. In Ländern niedrigen und mittleren Einkommens ging die Sterblichkeit um 15% zurück, die von unter fünfjährigen Kindern sogar um ein Drittel. In absoluten Zahlen sind das 91 Millionen Menschen, davon 30 Millionen Babys und Kleinkinder, die nicht sterben mussten. USAID ermöglichte unter anderem den Aufbau wichtiger Strukturen für die Gesundheitsversorgung und bekämpfte erfolgreich HIV/AIDS, Tuberkulose, Malaria und weitere tödliche Krankheiten. Doch besiegelte US-Außenminister Marco Rubio die Zerschlagung dieser Erfolgsgeschichte mit den zynischen Worten, dass USAID seit Ende des Kalten Kriegs doch kaum etwas vorzuweisen habe. Der Artikel warnt, dass ohne die Unterstützung der Behörde 14 Millionen Menschen bis 2030 sterben könnten. Ihren Tod nimmt die US-Regierung in einer Zeit in Kauf, in der sich die Vereinten Nationen zu einer „Triage des menschlichen Überlebens“ gezwungen sehen. Doch sind die humanitären Ausgaben der UN-Mitgliedsstaaten so gering, dass die UNOCHA aktuell nicht einmal einem Drittel der rund 310 Millionen notleidenden Menschen auf der Welt Humanitäre Hilfe zusichern kann. Dafür würde ein Prozent der Gelder reichen, welche die Länder im letzten Jahr für Verteidigung ausgaben.

EU ignoriert, dass eine soziale, ökologische und ökonomische Reform längst überfällig ist

Der fehlende Zusammenhalt mit benachteiligten und gefährdeten Menschen und die schrumpfende internationale Zusammenarbeit sind auch eine Bankrotterklärung für die EU. Zahlreiche EU-Länder wie Österreich haben ebenfalls die Mittel für internationale Entwicklung, Humanitäre Hilfe und entwicklungspolitische Inlandsarbeit gekürzt. Dabei sind wohlhabende Länder überproportional für die Ursachen globaler Krisen und Konflikte verantwortlich, etwa für Ressourcenknappheit, Erderhitzung und die Zerstörung von Lebensräumen. Regierungen, EU-Kommission und Fraktionen im EU-Parlament scheinen in Anbetracht des vielgepriesenen, gewinnverheißenden Wettbewerbsvorteils zu ignorieren, dass eine grundlegende soziale, ökologische und ökonomische Reform längst überfällig ist. Diese ist für viele Menschen – weltweit genauso wie in Europa – vielleicht die einzige Chance auf eine lebenswerte und sichere Zukunft. Dennoch höhlt die EU derzeit den dafür wesentlichen Green Deal aus und hat Entwicklungsgelder zugunsten der wirtschaftsorientierten Global Gateway Strategy umgeschichtet.

Angriffe auf Zivilgesellschaft, die Stütze für Sozial-, Gesundheits- und Bildungssysteme ist

Die Zivilgesellschaft blickt heute nach Brüssel, wo die EU-Kommission sich zum bestehenden Klimaziel bis 2040 äußert. Sie befürchtet, dass dieses etwa durch die Option, Emissionshandelszertifikate im EU-Ausland zu kaufen, aufgeweicht werden könnte. Rechte EU-Parlamentarier*innen und ihre Parteien haben dafür bereits den Boden geschaffen: Sie kampagnisieren gegen NGOs, die wichtige Akteur*innen im europäischen und internationalen Klimaschutz sind und dafür auch EU-finanzierte Projekte durchführen. Eine Arbeitsgruppe soll nun untersuchen, wie NGOs EU-Gelder verwenden. Hinweise auf Missbrauch oder Rechtsverstöße gibt es keine. Immerhin müssen NGOs ihre Bilanz öffentlich machen und EU-finanzierte Projekte unterliegen besonders strengen Transparenz- und Kontrollvorgaben. Von dieser Farce sind Organisationen und Vereine aus allen Bereichen betroffen – auch jene die Katastrophenhilfe leisten, Krankentransporte machen oder Kindern Nachhilfe geben und Instrumente lernen. Als Dachverband von 38 österreichischen NGOs der internationalen Entwicklung, Humanitären Hilfe und entwicklungspolitischen Inlandsarbeit stellen wir uns gegen diese politisch motivierten Angriffe. Die Zivilgesellschaft ist in Europa und weltweit eine nicht wegzudenkende Stütze für Sozial-, Gesundheits- und Bildungssysteme. Sie mahnt die Politik zur Verantwortung gegenüber den vielen ein, insbesondere im Zusammenhang mit zunehmenden Ungleichheiten, Menschenrechtsverletzungen, Erderhitzung und Umweltzerstörung.

PA: FfD4-Konferenz: Österreich setzt auf privat finanzierte Entwicklungspolitik und verschleiert eigene Verantwortung

Österreich und andere EU-Länder sprechen sich bei der vierten internationalen Konferenz für Entwicklungsfinanzierung (Financing for Development, FfD4) in Sevilla für eine private, renditeorientierte Finanzierung für Entwicklungspolitik aus. Diese kann allenfalls ein Bestandteil, aber nicht das Ziel der österreichischen Entwicklungsfinanzierung sein.

Denn wie die gemeinsame Deklaration von zivilgesellschaftlichen Organisationen festhält, hat der Private Finance First-Ansatz seit seiner Einführung 2015 die Verschuldung und Ungleichheiten in Ländern des Globalen Südens sogar weiter angeheizt, deren demokratische Rechenschaftspflicht und regulatorische Rolle untergraben und stattdessen eine Vereinnahmung der weltweiten nachhaltigen Entwicklung durch Konzerne begünstigt. Die ohnehin knappen öffentlichen Mittel fließen dann dafür genutzt, um private Investoren anzuziehen.

Dieser Ansatz verschleiert, dass wohlhabende Länder wie Österreich in der aktuell verschärften globalen Lage eine besondere Verantwortung tragen, um weltweit zu Stabilität, Frieden und Gerechtigkeit beizutragen. Zumal Private kaum in Krisengebiete und das schiere Überleben von Menschen investieren. Will Österreich ein engagierter und vertrauenswürdiger Partner für Länder des Globalen Südens sein, ist es gefragt, Zukunftschancen für benachteiligte und gefährdete Menschen zu ermöglichen. Dazu gehört, endlich die internationale Verpflichtung der OECD-Mitgliedsstaaten einzuhalten, jährlich 0,7% des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungshilfeleistungen bereitzustellen.

Die AG Globale Verantwortung fordert daher ein klares Bekenntnis zur öffentlichen Entwicklungsfinanzierung und zu Schuldenerlässen für Länder, die aufgrund der globalen Krisen in eine ruinöse Schuldenspirale geschlittert sind. Laut Abschlussdokument Compromiso de Sevilla, das bereits zwei Wochen vor der FfD4-Konferenz beschlossen wurde, sprechen sich die verhandelnden Länder für den bereits laufenden UN-Prozess für eine Steuerrahmenkonvention aus. Wir appellieren, dass Österreich dies bei der nächsten Verhandlungsrunde der UN-Konvention von 4. bis 15. August bekräftigt.

Obwohl Außenministerin Beate Meinl-Reisinger zugesagt hatte, persönlich bei der FfD4-Konferenz teilzunehmen, wird sie nun Nikolaus Marschik, Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten, vertreten. Die Konferenz startete heute nach einer zehnjährigen Pause. Trotz des skandalösen Zugangsverbots für die Zivilgesellschaft zu hochrangigen Veranstaltungen bei der Konferenz werden ihre Vertreter*innen die Chance nutzen und sich für eine gerechte, inklusive und kohärente internationale Wirtschafts- und Finanzarchitektur stark machen. Denn diese ist keine Sache von Wohltätigkeit, sondern von Gerechtigkeit.

Karin Kuranda
Fachreferentin für Entwicklungspolitik der AG Globale Verantwortung

Link: Hintergrundinformationen für Journalist*innen 

Rückfragehinweis:
Hannah Hauptmann
Referentin für Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Globale Verantwortung – Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
Apollogasse 4/9, 1070 Wien
Tel: 01/522 44 22-15
Mobil: +43 699/17 20 42 07
www.globaleverantwortung.at

PA: Österreich kämpft gegen globalen Hunger

Ernährungsunsicherheit ist nach wie vor ein dringendes globales Problem. Laut den Vereinten Nationen litten 2023 etwa 733 Millionen Menschen Hunger. Bewaffnete Konflikte, der Klimawandel und Wirtschaftskrisen verschärfen die Situation. Die aktuelle Ausgabe der WELTNACHRICHTEN, des Magazins der Austrian Development Agency, befasst sich mit den Ursachen des Problems und berichtet über österreichische Lösungen, die langfristig Linderung verschaffen.

733 Millionen Menschen – in etwa 9 Prozent der Weltbevölkerung – galten im Jahr 2023 als unterernährt. In Afrika leidet gar die Hälfte der Bevölkerung unter mäßiger oder schwerer Ernährungsunsicherheit. Entwicklungszusammenarbeit leistet nicht nur erste Hilfe bei Hungersnöten, sondern entwickelt auch nachhaltige Lösungen dagegen. Die aktuelle Ausgabe der WELTNACHRICHTEN, des Magazins der Austrian Development Agency (ADA), berichtet über erfolgreiche Vorhaben mit österreichischem Engagement.
 
Lebensmittel als Luxusgut
„Häufig hungern Menschen nicht, weil Lebensmittel fehlen, sondern weil sie sich diese nicht leisten können“, schreibt Máximo Torero, Chefökonom der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), in seinem Beitrag für die WELTNACHRICHTEN. So produziere die Landwirtschaft weltweit zwar genug Lebensmittel, um alle Menschen auf der Welt zu ernähren. Dennoch landen nicht überall nahrhafte Mahlzeiten auf den Tellern. Die Lösung liegt für Torero in gestärkten Agrar- und Ernährungssystemen, verbessertem Sozialschutz und der Unterstützung von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern – alles Maßnahmen, für die sich auch Österreichs Entwicklungszusammenarbeit stark macht.
 
Entwicklungszusammenarbeit: Globale Verantwortung übernehmen – Österreichs Interessen wahren
„Die Welt steht vor einem komplexen Geflecht an Herausforderungen: Anhaltende und neue Konflikte, politische Instabilität, wirtschaftliche Ungleichgewichte und der Klimawandel bedrohen weltweit Frieden, Entwicklung und Sicherheit. Gleichzeitig schwindet das Vertrauen in die internationale Zusammenarbeit – ein fataler Mix an Krisen, der entschlossenes Handeln erfordert. Die Entwicklungszusammenarbeit leistet hier einen zentralen Beitrag: Sie verbessert langfristig die Lebensbedingungen von Menschen, stärkt stabile Strukturen und schafft Perspektiven. Österreich übernimmt dabei Verantwortung. Wir bringen unsere Expertise, Innovationskraft und Erfahrung gezielt ein, um globale Partnerschaften zu stärken und nachhaltige Entwicklung zu fördern. Das liegt auch in unserem ureigenen Interesse: Als stark exportorientiertes Land mit enger internationaler Verflechtung profitiert Österreich direkt von Stabilität, wirtschaftlicher Entwicklung und resilienten Gesellschaften weltweit“, betont ADA-Geschäftsführer Bernd Brünner, der die Leitung der Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit Anfang Juni übernommen hat.
 
Österreichisches Know-how zeigt Wirkung
Österreichs Engagement für bessere Lebensbedingungen weltweit zeigt Wirkung, wie die WELTNACHRICHTEN-Reportage aus Georgien deutlich macht: Sie geht einem Projekt auf die Spur, das von der Austrian Development Agency in dem Land im Südkaukasus unterstützt wird und traditionelle Lebensmittelproduktion, nachhaltige Tierhaltung und respektvollen Umgang mit der Natur verbindet. All das ermöglicht ein besseres Leben und Zukunftsperspektiven für die Menschen in entlegenen Bergdörfern. Auch Kooperationen mit der Wirtschaft können dazu beitragen, Herausforderungen in Entwicklungsfragen erfolgreich anzugehen – so etwa in Brasilien, wo die ADA gemeinsam mit der oberösterreichischen Firma Calvatis die Milchqualität verbessert.
 
Verena Altenberger: „Einfluss nicht in Quadratmetern denken“
Die Pongauer Schauspielerin Verena Altenberger ist davon überzeugt, dass Österreich großes Potenzial bei der Bekämpfung des globalen Hungers hat. Im Interview mit den WELTNACHRICHTEN erzählt sie von ihrer Reise nach Uganda als Botschafterin für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen, das Österreich seit Jahren finanziell unterstützt. „Wir dürfen unseren Einfluss nicht in Quadratmetern denken, sondern in den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen“, sagt Altenberger.

Ernährung im sicherheitspolitischen Visier der EU
Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine betrachtet die Europäische Union Ernährungssicherheit nicht mehr nur aus der Perspektive der humanitären Hilfe, sondern auch als außen- und sicherheitspolitische Angelegenheit. Trotz eines sicherheitspolitischen Verständnisses von Nahrungsversorgung sollte sie eine nachhaltige Agrarproduktion im Blick behalten, appelliert Agrarökonomin Bettina Rudloff in ihrem Kommentar für die WELTNACHRICHTEN.
 
Außerdem in dieser Ausgabe zu lesen:
–        Kofi Annan Award for Innovation in Africa: Österreich fördert innovative Lösungen gegen Hunger
–        Klimawandel: Die Landwirtschaft als Opfer und Schlüssel zur Lösung
–        Acht Tage im Senegal: Ein Filmtagebuch berichtet von den Dreharbeiten über ein Caritas-Projekt, das mit Unterstützung der ADA die Ernährungssicherheit in Burkina Faso, Mali und Senegal stärkt

Die WELTNACHRICHTEN berichten vierteljährlich über entwicklungspolitische Themen. Herausgeberin ist die Austrian Development Agency. Alle Beiträge, Reportagen, Interviews und Geschichten sind auch online nachzulesen. Die WELTNACHRICHTEN sind kostenlos. Bestellungen unter presse@ada.gv.at.

Austrian Development Agency
Seit ihrer Gründung im Jahr 2004 unterstützt die Austrian Development Agency (ADA) Länder in Afrika, Asien, Südost- und Osteuropa bei ihrer nachhaltigen Entwicklung. Seitdem hat die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit gemeinsam mit ihren Partnern viel erreicht – die Lebensumstände von Millionen von Menschen haben sich substanziell verbessert. Aktuell veranlassen die Klimakrise, Kriege und Konflikte jedoch immer mehr Menschen zur Flucht und verschärfen Armut und Hunger. Die Vision der ADA von einem guten Leben für alle bleibt trotz allem unverändert. Wirksame Entwicklungszusammenarbeit ist heute wichtiger denn je. Zusammen mit öffentlichen Einrichtungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Universitäten und Unternehmen ermöglicht die ADA bessere Lebensbedingungen und Perspektiven vor Ort .

Rückfragehinweis:
Austrian Development Agency (ADA),
die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit
Mag. Katharina Schreiber
Tel.: +43 (0)1 903 99-2410
katharina.schreiber@ada.gv.at
www.entwicklung.at

Hintergrundinformationen zur 4. internationalen Konferenz für Entwicklungsfinanzierung in Sevilla (30.06.-3.7.2025)

Die AG Globale Verantwortung und das Vienna Institute for Dialogue and Cooperation (VIDC) haben auf acht Seiten Hintergrundinformationen mit nützlichen Hervorhebungen erstellt.

Wussten Sie, dass Länder des Globalen Südens den Globalen Norden finanzieren, und nicht umgekehrt? Denn die Schulden, die diese ihren Gläubigern zurückzahlen müssen, übersteigen mittlerweile die Transferleistungen wie öffentliche Entwicklungshilfeleistungen aus dem Globalen Norden.

  • Weltweit geben 54 Staaten über zehn Prozent ihrer Einnahmen für Nettozinszahlungen aus, fast die Hälfte davon auf dem afrikanischen Kontinent.
  • Grund für den enormen Schuldenberg in vielen Ländern ist die globale Krisenspirale.

Diese Entwicklung ist äußerst problematisch in einer Zeit, in der Medien fast täglich über eingeschränkte Hilfsleistungen für notleidende Menschen in Krisengebieten wie dem Gazastreifen, gekürzte entwicklungspolitische und humanitäre Budgets, eine stagnierende nachhaltige Entwicklung, einen verschleppten Klimaschutz sowie Angriffe auf die internationale Zusammenarbeit und Zivilgesellschaft berichten.

Das müde Abschlussdokument der Financing for Development-Konferenz (FfD4) von 30. Juni bis 3. Juli 2025 liegt bereits vor. Es enthält ein Bekenntnis zu einer UN-Steuerrahmenkonvention und zu mehr Steuertransparenz. Allerdings vermisst der Compromiso de Sevilla aufgrund der Gegenstimmen aus dem Globalen Norden notwendige Reformen für das internationale Schuldensystem und für die internationale Entwicklungsfinanzierung.

Dennoch werden über 800 Vertreter*innen der internationalen Zivilgesellschaft dafür sorgen, dass die FfD4-Konferenz keine vertane Reformchance für globale Gerechtigkeit und die internationale Zusammenarbeit ist, und werden die Konferenz, die nur alle zehn Jahre bietet, bestmöglich nutzen. Neben den Delegationen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie von Mahmoud Ali Youssouf, Kommissionsvorsitzender der Afrikanischen Union, werden auch die österreichische Außenministerin Beate Meinl-Reisinger sowie zahlreiche weitere Staats- und Regierungschefs nach Sevilla reisen.

Die AG Globale Verantwortung und das Vienna Institute for Dialogue and Cooperation (VIDC) haben für Sie spannende Hintergrundinformationen auf acht Seiten mit nützlichen Hervorhebungen erstellt. Wir freuen uns über Ihre Berichterstattung und stehen für Fragen zur Verfügung.

Link: Hintergrundinformationen

Südwind und Netzwerk Soziale Verantwortung: Ratsbeschluss zum EU-Lieferkettengesetz macht es zu einem wirkungslosen Papiertiger

Menschenrechtsorganisation übt scharfe Kritik an der vom EU-Rat vorgelegten Position zur Aufweichung des Lieferkettengesetzes: EU Parlament muss Menschenrechte und Umwelt retten!

In der gestern präsentierten Position des EU-Rates zu „Vereinfachungen“ des Lieferkettengesetzes werden Verpflichtungen für Unternehmen für den Schutz von Menschenrechten und Umwelt entlang globaler Lieferketten stark abgeschwächt.

„Der EU-Rat geht in seiner Position sogar über den Omnibus-Vorschlag der Kommission hinaus und verwässert die ursprüngliche Zielsetzung des Lieferkettengesetzes noch weiter. Die Verantwortung für Menschenrechte und Umwelt wird wirtschaftlichen Interessen geopfert“, sagt Bettina Rosenberger, Geschäftsführerin vom Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe). 

„Von Vereinfachungen kann keine Rede sein, wenn fast alle Wirkungsbereiche eines Gesetzes ausgehebelt werden. Was der Rat hier vorlegt, ist ein fataler Rückschritt: Aus einem Menschenrechtsinstrument wird ein Feigenblatt für Konzerne“, kritisiert Stefan Grasgruber-Kerl, Lieferkettenexperte von der Menschenrechtsorganisation Südwind. „Unter dem Vorwand der Entbürokratisierung bleibt nur mehr ein zahnloser Papiertiger übrig, der keine Vereinfachung bringt, sondern ein wirksames Gesetz zu einer lästigen Berichtspflicht degradiert“, erklärt Grasgruber-Kerl.  

Südwind und NeSoVe fordern jetzt das EU-Parlament dazu auf, sich dieser Aushöhlung entgegenzustellen und sich für ein starkes, verbindliches Lieferkettengesetz einzusetzen, das die Menschenrechte und die Umwelt schützt, statt die Konzerne.

Der neue Ratsentwurf sieht eine weitere Verschiebung des Lieferkettengesetzes um ein Jahr vor und nimmt die überwiegende Mehrheit der europäischen Wirtschaft von Sorgfaltspflichten aus: Die Schwellenwerte werden auf 5.000 Beschäftigte und 1,5 Milliarden Euro Umsatz angehoben – von ursprünglich 1.000 Beschäftigte und 450 Millionen Euro Umsatz. Auch die Beschränkung auf direkte Zulieferer verringert den Wirkungsbereich massiv und ignoriert die Realität globaler Lieferketten, wo Risiken häufig schon in der Produktion auftreten. Ebenso wird die zivilrechtliche Haftung, die Arbeiter:innen und Betroffenen von Umweltverschmutzungen Entschädigung gebracht hätte, ausgehebelt.


Rückfragehinweis: 
Vincent Sufiyan
Kommunikationsleitung Südwind
Tel.: 0650 96 77577
E-Mail: vincent.sufiyan@suedwind.at

Landwirtschaft im Wandel – Neue Studie zeigt Wege aus der Agrar-Krise

Nachhaltige, globale Ernährungssicherheit ist möglich – Südwind und die Dreikönigsaktion fordern entschlossene Maßnahmen für eine zukunftsfähige Ernährungspolitik

Wie können Ernährungssysteme nachhaltiger, gerechter und krisenfester gestaltet werden? Mit dieser Frage beschäftigt sich die heute veröffentlichte Analyse „Landwirtschaft im Wandel – Agrarökologie und Bio-Landbau als Wegweiser für resiliente Ernährungssysteme“ von Martin Schlatzer, erstellt im Auftrag der Menschenrechtsorganisation Südwind und in Kooperation mit der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar.Die Analyse zeigt, dass Agrarökologie und biologische Landwirtschaft zukunftsfähige Alternativen darstellen. Voraussetzung für tragfähige Lösungen ist ein entsprechender politischer Rahmen in der Landwirtschafts-, Handels- und Ernährungspolitik.  

Lebensmittelverschwendung und Fleischkonsum sind entscheidende Hebel

Weltweit hungern 733 Millionen Menschen, mehr als 2,8 Milliarden Menschen können sich keine gesunde Ernährung leisten. Auch in Österreich leben über eine Million Menschen in mittlerer bis schwerer Ernährungsunsicherheit. Gleichzeitig verschärft das derzeitige Ernährungssystem die Klimakrise, den Verlust der biologischen Vielfalt und soziale Ungleichheiten.

Die Analyse zeigt: Eine vollständige Umstellung auf biologische Landwirtschaft in Österreich wäre möglich – wenn entweder der Fleischkonsum um 10 Prozent gesenkt oder 25 Prozent weniger Lebensmittel weggeworfen würden. Im EU-weiten Maßstab unter Berücksichtigung zusätzlich von Großbritannien könnten im Jahr 2050 etwa 530 Millionen Menschen durch agrarökologisch-biologischen Anbau ernährt werden. Bereits eine Reduktion des Fleischkonsums um 20 Prozent in Österreich würde die umweltschädlichen Sojaimporte für Futtermittel – insbesondere aus artenreichen Regionen in Brasilien und Argentinien – überflüssig machen. Das würde nicht nur Regenwälder schützen, sondern auch die Abhängigkeit von volatilen Weltmärkten und die Landwirtschschaft in Summe widerstandsfähiger gegen externe Krisen machen.

„Unser Ernährungssystem steht an einem Scheideweg. Ein Weiter-wie-bisher bedeutet die Verschärfung von Hunger, Klima- und Biodiversitätskrise und sozialer Ungleichheit. Die Lösung liegt in einer grundlegenden Neuorientierung unseres Agrar- und Ernährungssystems – ganz im Sinne der Gesundheit für Planet und Mensch“, sagt Ernährungsökologe und Studienautor Martin Schlatzer vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Wien. „Agrarökologie und biologischer Landbau, gepaart mit pflanzenbetonten respektive pflanzlichen Ernährungsweisen, können regionale Wertschöpfung und Versorgungssicherheit schaffen, externe Abhängigkeiten reduzieren und Klima und Umwelt schützen. Gleichzeitig stärken sie die bäuerliche Landwirtschaft und ermöglichen gesunde Ernährung für alle.“

Ernährungswende braucht politisches Umdenken

Zusätzlich zu ökologischen Aspekten rückt Agrarökologie auch soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit in den Fokus. Um Ernährungssysteme nachhaltiger und krisenfester zu gestalten, fordert Südwind eine entschlossene politische Wende. „Die Bundesregierung muss konkrete Rahmenbedingungen schaffen, um einen gerechten Wandel zu unterstützen: Nachhaltige Ernährung muss durch eine sozial-ökologische öffentliche Beschaffung vorgelebt und gestärkt werden – insbesondere in Schulen, Krankenhäusern und öffentlichen Kantinen. Darüber hinaus braucht es endlich ein ambitioniertes Lieferkettengesetz, das Umweltstandards, Menschenrechte und Transparenz entlang globaler Wertschöpfungsketten verbindlich absichert“, sagt Gudrun Glocker, Ernährungsexpertin bei Südwind.

„Österreich hat mit seinem starken Bio-Sektor eine gute Ausgangsposition, um auf internationaler Ebene Impulse für eine gerechtere und nachhaltigere Landwirtschaft im Sinne der Prinzipien der Agrarökologie zu setzen“, sagt Isabelle Schützenberger, Expertin für Agrarökologie bei der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar. „Jetzt gilt es, diese Rolle aktiv wahrzunehmen.“

Über die Studie und den Autor:

„Landwirtschaft im Wandel – Agrarökologie und Bio-Landbau als Wegweiser für resiliente Ernährungssysteme. Standards, Synergien und systemische Chancen im Kontext globaler Krisen. Ein Wissenschaftliches Diskussionspapier“, Juni 2025 von Martin Schlatzer im Auftrag von Südwind und in Kooperation mit derDreikönigsaktion der Katholischen Jungschar.

Martin Schlatzer (1979) ist Ernährungsökologe am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Wien. Er hat an der Universität Wien Ernährungswissenschaften mit dem Fokus auf Ernährung, Umwelt und Gesundheit studiert und arbeitete von 2010 bis 2021 an der Universität für Bodenkultur (BOKU Wien) mit Schwerpunkt auf interdisziplinären Forschungsprojekten zu Landwirtschaft, Klimawandel und Ernährungssicherung. Martin Schlatzer ist zudem Speaker, Gastlektor und Autor des 2010 erschienen Buches „Tierproduktion und Klimawandel – ein wissenschaftlicher Diskurs zum Einfluss der Ernährung auf Umwelt und Klima“.

Südwind setzt sich als entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisation seit 1979 für eine nachhaltige globale Entwicklung, Menschenrechte und faire Arbeitsbedingungen weltweit ein. Durch schulische und außerschulische Bildungsarbeit, die Herausgabe des Südwind-Magazins und anderer Publikationen thematisiert Südwind in Österreich globale Zusammenhänge und ihre Auswirkungen. Mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen, Kampagnen- und Informationsarbeit, engagiert sich Südwind für eine gerechtere Welt.

Die Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar setzt sich für soziale Gerechtigkeit, nachhaltige Entwicklung und faire Lebensbedingungen weltweit ein. Im Fokus stehen dabei partnerschaftliche Projekte mit der Zivilgesellschaft im globalen Süden sowie entwicklungspolitische Bildungs- und Advocacy-Arbeit in Österreich.

Rückfragehinweis:
Vincent Sufiyan
Kommunikationsleitung Südwind
Tel.: +43 650 96 77577
E-Mail: vincent.sufiyan@suedwind.at