Archiv der Kategorie: Humanitäre Hilfe

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Recherchematerial: SDG 2 – Kein Hunger

„Zunächst braucht der Körper des Opfers seinen Vorrat an Zucker und Fett auf. Er verfällt in einen apathischen Zustand, der ihm alle Energie, Willenskraft und Widerstandsfähigkeit nimmt. Rasch verlieren die Opfer, ihrer Energiereserven beraubt, an Gewicht. Das Immunsystem bricht zusammen.“ Jean Ziegler, 2025

Hunger ist ein Massaker. Jeden Tag sterben ungefähr 24.000 Menschen an den Folgen von Hunger – alle 13 Sekunden ein Kind unter fünf Jahren. Es ist der Skandal unserer Zeit, schreibt Jean Ziegler, der ehemalige UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, in seinem neuesten Buch „Trotz alledem: Warum ich die Hoffnung auf eine bessere Welt nicht aufgebe“. Denn trotz ausreichender globaler Nahrungsmittelproduktion und Überfluss leiden Millionen von Menschen an Hunger und den Folgen von Mangelernährung, weil für sie sichere und nahrhafte Lebensmittel nicht zugänglich oder nicht bezahlbar sind. Weltweit hungert etwa jeder zehnte Mensch. Diese Realität bedroht die Erreichung des Ziels für nachhaltige Entwicklung 2 (SDG 2) und darüber hinaus auch die gesamte Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, da Hunger Menschen ihrer Gesundheit und Lebensgrundlagen beraubt sowie die Stabilität von Gesellschaften und Staaten untergräbt. Die diesjährige Ausgabe des Berichts der Welternährungsorganisation (FAO) untersucht diese Dynamik und zeigt, wie wichtig koordinierte, evidenzbasierte Strategien sind, um Hunger und alle Formen von Unterernährung (SDG-Ziel 2.2) zu beenden – insbesondere bei Kindern, Jugendlichen und Frauen.

Eine Initiative im Sudan, die bei diesen besonders vulnerablen Gruppen ansetzt, sind Gemeinschaftsküchen. Durch den Krieg wurden über zehn Millionen Menschen vertrieben, und über acht Millionen Menschen im Sudan leiden laut Welthungerhilfe an Hunger. Die Gemeinschaftsküchen sind meist von Frauen geführte Organisationen (WLOs). Sie verteilen Mahlzeiten und unterstützen vertriebene Familien – und das ohne ausreichende Finanzierung. UN Women Austria berichtete im August 2025, dass eine WLO, die in acht sudanesischen Bundesstaaten tätig ist, mehr als die Hälfte ihrer Küchen schließen musste, da die Mittel fehlten.

Vollständiger Text der Agenda 2030: A/RES/70/1

Ziel 2 mit seinen Unterzielen:  https://www.sdgwatch.at/de/ueber-sdgs/2-kein-hunger/

Good to know – Infografiken und Infos auf einen Blick

Der Welthunger-Index (WHI) der Welthungerhilfe liefert eine umfassende Berechnung und Bewertung der globalen Hungersituation. Derzeit klassifizieren die nationalen WHI-Werte die Ernährungslage in 7 Ländern als „sehr ernst“: Haiti, Jemen, Madagaskar, Somalia und Südsudan, Burundi und Demokratische Republik Kongo. In weiteren 35 Ländern ist das Hungerniveau als ernst eingestuft.

Die Integrated Food Security Phase Classification (IPC) ist ein Instrument zur Einstufung der Ernährungssicherheit, des Ausmaßes von Unterernährung und Hunger, sowie zur Ableitung notwendiger Hilfsmaßnahmen. Sie wurde von der Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) entwickelt. Derzeit befinden sich weltweit 108.73 Millionen Menschen in einem Zustand der Krise oder schlimmer. Die Website bietet Länderanalysen an.

Auf der Website Our World in Data sind Daten und Visualisierungen zu Hunger und Unterernährung verfügbar.

Aspekte & Fragestellungen rund um SDG 2 – Kein Hunger

Hunger als Waffe

Alex de Waal, Direktor der World Peace Foundation an der Fletcher School of Law and Diplomacy, spricht deutlich von Hunger als Waffe. Diese wird bewusst als Kriegsstrategie eingesetzt, etwa in Äthiopien, wo in der Region Tigray systematisch Farmen und Ernten zerstört wurden und Nahrungsmittellieferungen blockiert wurden. Auch beim israelischen Gaza-Feldzug wurde Hunger bewusst als Waffe eingesetzt, so de Waal. Weitere Infos dazu auf der Website der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen und in der Edition N° 36 Im Kriegszustand von Le Monde diplomatique.

Mediales Verhungern

Warum macht Hunger keine Schlagzeilen?

Lediglich etwa 10 Prozent der Beiträge entfallen auf den Globalen Süden, obwohl dort etwa 85 Prozent der Weltbevölkerung leben, so Literatur- und Medienwissenschaftler Ladislaus Ludescher. Hunger ist geographisch gesehen mit dem Globalen Süden verbunden und macht, obwohl es Millionen betrifft, keine Schlagzeilen und wirkt sich kaum auf politisch Agenden aus. Im Südwind-Magazin thematisiert Ludescher das mediale Schweigen und die Auswirkungen.

Ernährung, Klima und Landwirtschaft

Wie wirkt sich die Klimakrise auf Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität aus?

  • Die Zunahme an Extremwetterereignissen wirkt sich direkt auf Ernteerträge aus. Eine aktuelle Studie der ETH Zürich kommt etwa zu dem Schluss, dass frühe Hitze Pflanzen auch in Mitteleuropa anfälliger für spätere Hitzewellen macht. Das führt zu 5–55 % höheren Verlusten bei Mais, Soja, Weizen und Gerste in den USA und Europa. Einen Infoartikel zu dieser Thematik bietet auch Our World in Data.
  • Klimawandel begünstigt die Ausbreitung eingeschleppter Schädlinge, durch mildere Winter und höhere Temperaturen.
  • Wasserknappheit: 72 Prozent des weltweit genutzten Süßwassers wird für die Produktion von Lebensmitteln verwendet. Zu den wasserärmsten Gegenden der Welt zählen insbesondere Länder in Nordafrika und Nahost. Mehr Infos dazu im Wasseratlas 2025 der Heinrich-Böll-Stiftung.

Weiterführende Infos

Die FAO zeigt in ihrem aktuellen Bericht zur Ernährungssicherheit The State of Food Security and Nutrition in the World 2025 auf wie die hohe Inflation in vielen Ländern die Kaufkraft und den Zugang zu gesunder Ernährung beeinträchtigt. Besonders gefährdete Gruppen sind Frauen und ländliche Gemeinden. Der Bericht betont die Bedeutung von Maßnahmen zur Stabilisierung der Märkte und fordert Investitionen in widerstandsfähige Agrar- und Lebensmittelsysteme, um langfristige Ernährungssicherheit zu gewährleisten.

Der aktuelle UNICEF Bericht zur Kinderernährung Feeding Profit. How food environments are failing children. (2025) hat festgestellt, dass starkes Übergewicht weltweit erstmals Untergewicht als die häufigste Form der Fehlernährung bei Kindern und Jugendlichen abgelöst hat. Diese Entwicklung ist trotzdem besorgniserregend, denn der Bericht stellt fest, dass Kinder und Jugendliche mit billigen und aggressiv vermarkteten hochverarbeiteten Lebensmitteln und zuckerhaltigen Getränken konfrontiert werden.

Wege aus der Krise: Die Organisationen Südwind und Dreikönigsaktion haben ein Factsheet zu Agrarökologie zusammengestellt.  Das Konzept der Agrarökologie beinhaltet mehr als biologische Landwirtschaft, auch wenn es auf deren Prinzipien aufbaut: Es geht um einen Kreislauf, in dem Boden, Pflanzenwachstum, Ernährung und Gesellschaft in wechselseitiger Beziehung stehen. Besonders Lebensmittelverschwendung und Fleischkonsum sind entscheidende Hebel für eine nachhaltige Ernährung, mehr dazu in der Presseaussendung.

Expert:innen zu Hunger, nachhaltiger Ernährung und globaler Gesundheit

Hager Ali ist Politologin und forscht am German Institute for Global and Area Studies (GIGA) zur Rolle von Streitkräften in den arabischen und nordafrikanischen Ländern und befasst sich dabei auch mit Hunger als Kriegstaktik. Regelmäßig berät sie Ministerien und andere Organisationen zu Demokratieförderung, Sicherheit und innerstaatlichen Konflikte in der MENA-Region und der Sahelzone.

Christian Haddad ist Politikwissenschafter. Seine Forschungsinteressen umfassen unter anderem globale Gesundheitspolitik, Politische Ökonomien der Gesundheitsforschung & Entwicklung.

Michael Hauser forscht am Institut für Entwicklungsforschung der BOKU zu Agrarökologie, Krisen und Resilienz. Er untersucht wie Menschen und ihre Organisationen komplexe Risiken in Agrar- und Ernährungssystemen bewältigen.

Janina Kehrist Professorin für Medizinanthropologie und Global Health am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien sowie Co-Leiterin des neuen Forschungsverbundes „Gesundheit in Gesellschaft“ an der Universität Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte sind unter anderem politische Anthropologie von Gesundheit und Krankheit, Biopolitik und planetarische Gesundheit.

Stefanie Lemke ist Universitätsprofessorin an der Universität für Bodenkultur (BOKU) und befasst sich mit Ernährungssicherheit. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Menschenrecht auf angemessene Nahrung und Ernährung, Ernährungssicherung, Gender, Intersektionalität, Ernährungssouveränität und nachhaltige Ernährungssysteme. Im Fokus ihrer Forschung ist Subsahara-Afrika.

Ladislaus Ludescher ist Postdoktorand am Germanistischen Seminar Heidelberg und Habilitand an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. In einer Langzeitstudie hat er Sendungen deutschsprachiger Leitmedien ausgewertet. Die Studie gelangt zu dem Schluss, dass die Länder des Globalen Südens in der Berichterstattung massiv und konstant vernachlässigt werden.

Naomi Reinschmidt ist Sozial- und Kulturanthropologin mit dem Schwerpunkt soziale Bewegungen und Umweltthemen. Sie ist im Koordinationsteam der Hunger.Macht.Profite Filmtage und arbeitet als  Bildungsreferentin  bei ÖBV- Via Campesina Austria zu Ernährungssouveränität.

Petra Rust ist Ernährungswissenschafterin. Sie befasst sich mit nachhaltiger Ernährung und Ernährung von vulnerablen Gruppen (insbesondere Kinder, Jugendliche).

Organisationen

Organisationen, die sich für menschwürdiges Leben und gegen Hunger einsetzen:

Brot für die Welt ist eine Nichtregierungsorganisation und entwicklungspolitische Aktion der evangelischen Kirchen in Österreich, die für globale Gerechtigkeit und gegen Hunger und Armut eintritt.

Caritas Österreich betreut derzeit rund 81 Projekte für eine Zukunft ohne Hunger. Maßnahmen zu verbesserten Anbaumethoden, Schulungen über Kompostierung, Düngung, Lagerung und Vermarktung der Ernte ebenso wie die Verteilung von Saatgut, landwirtschaftlichen Geräten und Nutztieren unterstützen Familien in den am stärksten betroffenen Ländern der Welt.

Die Dreikönigsaktion – Hilfswerk der Katholischen Jungschar Österreichs setzt sich für das Menschenrecht auf Nahrung ein. Die DKA tritt für einen Wandel der Agrar- und Ernährungspolitik weltweit ein, informiert über Agrarökologie und unterstützt Kleinbäuer:innen.

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) ist die mit ca. 3.400 Mitarbeitenden weltweit größte und älteste Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Sie zählt World Food Programme (WFP) und dem Internationale Fund for Agricultural Development (IFAD) zu den drei in Rom ansässigen Ernährungsinstitutionen des UN-Systems.

FAIRTRADE verbindet Konsument:innen, Unternehmen und Produzent:innen. Faire Handelsbedingungen unterstützt Kleinbäuer:innen sowie Arbeiter:innen in den Ländern des Globalen Südens.

FIAN Österreich setzt sich als Menschenrechtsorganisation für das Recht auf Nahrung ein. Als Teil von FIAN International kämpft FIAN Österreich seit 1986 für ein hungerfreies Leben für alle Menschen ein. FIAN hat Beraterstatus bei den Vereinten Nationen.

ÖBV – Via Campesina Austria ist die Vereinigung der Berg- und Kleinbäuer:innen in Österreich. Die bäuerliche Basisbewegung betreibt Agrarpolitik und Bildungsarbeit. Der Verein ist Teil der weltweiten Kleinbäuer:innen-Bewegung „La Via Campesina“ mit Organisationen in 73 Ländern und 200 Millionen Mitgliedern.

Slow Food ist eine weltweite Bewegung lokaler Gruppen und Aktivisten, die das gemeinsame Ziel verfolgen, allen Menschen den Zugang zu guten, sauberen und fairen Lebensmitteln zu ermöglichen. Edward Mukiibi ist Lebensmittel- und Landwirtschaftspädagoge, Agrarwissenschaftler und Präsident von Slow Food.

Die Tafel Österreich rettet Lebensmittel und versorgt damit kostenfrei armutsbetroffene Menschen in Sozialeinrichtungen. Jährlich landen in Österreich über eine Million Tonnen genießbarer Lebensmittel im Müll.

UNICEF unterstützt Kinder und Mütter weltweit mit Ernährungsprogrammen. Für 2025 benötigt die UN-Organisation 9,9 Mrd. US-Dollar, um Kinder in Konflikt- und Krisengebieten in einer zunehmend instabilen Welt zu unterstützen. Die Organisation warnt, dass 4,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren aufgrund der Kürzungen lebenswichtiger Leistungen ihr Leben verlieren könnten. Weitere sechs Millionen werden bis Ende 2026 voraussichtlich nicht mehr zur Schule gehen können.

Bücher zum Thema Hunger, Menschenrecht auf Nahrung, Ernährung und Gesellschaft

„Das größte lösbare Problem der Welt“ Die mediale Vernachlässigung des Globalen Hungers (2025)

Ladislaus Ludescher ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsche Literatur und ihre Didaktik an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. In seiner Medienuntersuchung hat er 39 Medien ausgewertet, darunter über 8.000 Ausgaben von Nachrichtensendungen. Das Buch und einzelne Kapitel können hier heruntergeladen werden.

Trotz alledem: Warum ich die Hoffnung auf eine bessere Welt nicht aufgebe (2025)

In seinem neuen Buch erinnert der Soziologe Jean Ziegler daran, dass im globalen Süden seit Jahrzehnten ein Vernichtungskrieg gegen die Schwächsten der Menschheit wütet, mit allein 2023 über sechzig Millionen Todesopfern.

Wie kommt der Hunger in die Welt? Antworten auf die Fragen meines Sohnes (2024)

Jean Ziegler, langjähriger UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, nimmt die Fragen seines Sohnes als Ausgangspunkt für seinen Klassiker der Globalisierungskritik. Die Erde könnte 12 Milliarden Menschen ernähren, tatsächlich aber werden sehr viele niemals satt. Ziegler hat die Fakten zum Welthunger zusammengetragen. Sein Befund ist deutlich: Hunger ist nicht Schicksal, sondern gemacht.

Rettet die Böden. Ein Plädoyer für eine nachhaltige Raumentwicklung (2024)

Zu viel fruchtbarer Boden wird täglich unwiederbringlich zerstört. Gernot Stöglehner, Universitätsprofessor für Raumplanung an der Universität für Bodenkultur Wien, befasst sich in seinem Buch mit Klimakrise, Ernährungssicherheit und autoorientierter Mobilität.

Regenerativ. Aufbruch in ein neues ökologisches Zeitalter (2024)

Mediziner und Biologe Martin Grassberger ist auch landwirtschaftlicher Facharbeiter und schreibt darüber, warum nachhaltig nicht mehr ausreicht. Regeneration statt Degeneration, sowohl von Landwirtschaft, Wasserkreislauf als auch Gesellschaft und Gesundheitssystemen.

Farming for Future. Leben und Arbeiten in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft (2024)

Lisa Bolyos ist Künstlerin und Redakteurin. In ihrem Buch kommen Bäuer:innen von sieben kleinbäuerlichen Betrieben zu Wort. Sie erzählen von der EU-Agrarpolitik, Schulden, Klimakrise, Ungleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit, aber auch Solidarität.

Termine zu Veranstaltungen mit Fokus auf Hunger

Oktober bis November 2025: FIAN Österreich und ÖBV – Via Campesina Austria organisieren die Hunger.Macht.Profite Filmtage zum Recht auf Nahrung.

14. Oktober 2025: f.eh-Symposium | Natur – Mensch – Gesundheit: Das unterschätzte Potenzial der Vielfalt

16. Oktober 2025: Welternährungstag

10.  bis 14. November 2025: Malnutrition Awareness Week 2025 der österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Ernährung (AKE)

27. November 2025: Österreichische Gesellschaft für Ernährung – Jahrestagung 2025 | Digitalisierung im Ernährungssektor: Ernährung 4.0 – Potenziale und Herausforderung

17. Dezember 2025: Die Hungerkrise | Vortrag an der Wirtschaftsuniversität Wien, Library & Learning Center Festsaal 1

Aviso: Radkonvoi der Menschlichkeit am Welttag der Humanitären Hilfe

Am diesjährigen Welttag der Humanitären Hilfe (19.08.2025) treten Caritas Österreich, Diakonie Katastrophenhilfe, Globale Verantwortung, Licht für die Welt, Österreichisches Rotes Kreuz und Volkshilfe in die Pedale und fordern einen Aufbruch zu mehr Menschlichkeit, um auf die tiefgreifende Wirkkraft der zivilgesellschaftlichen Arbeit für Mensch und Gesellschaft aufmerksam zu machen. 

An drei Stationen appellieren sie an die Bundesregierung, sich klar für die Einhaltung des Humanitären Völkerrechts, die Stärkung der Zivilgesellschaft und für mehr Menschlichkeit einzusetzen. Österreichs internationalen Verpflichtungen entsprechend ist die Regierung gefragt, dazu beizutragen, den weltweit gestiegenen humanitären Bedarf zu stillen und multiplen Krisen vorzubeugen, sie einzudämmen und zu bewältigen. Christoph Pinter, Leiter des UNHCR-Büros in Österreich, wird ebenfalls einen Redebeitrag halten.

Route und Redebeiträge

Dienstag, 19. August 2025

Platz der Vereinten Nationen, 1220 Wien
Treffpunkt: 09:00 Uhr, Start: 09:30 Uhr
Mit Redebeiträgen von

  • Lukas Wank, Geschäftsführer der AG Globale Verantwortung
  • Christoph Pinter, Büroleiter von UNHCR Österreich

über die neue Realität in der internationalen Zusammenarbeit in einer Zeit, in der weltweit der humanitäre Bedarf und die Anzahl schutzsuchender Menschen drastisch steigen.Forum der Zivilgesellschaft, Albert-Schweitzer-Haus
ca. 10:15 Uhr | Schwarzspanierstraße 13, 1090 Wien
Mit Redebeiträgen von

  • Andrea Reisinger, Abteilungsleiterin Internationale Katastrophen und Krisen beim Österreichischen Roten Kreuz
  • Erich Fenninger, Geschäftsführer der Volkshilfe
  • Katharina Lehner, Leiterin der Diakonie Katastrophenhilfe

über die Aushöhlung des Humanitären Völkerrechts, die Notwendigkeit, die zivilgesellschaftliche Arbeit in Österreich, Europa und weltweit auch zukünftig abzusichern und die Klimakrise als Krisentreiberin.

Platz der Menschenrechte, 1070 Wien
ca. 10:45 Uhr
Mit Redebeiträgen von

  • Jacqueline Bungart, Expertin für Humanitäre Hilfe bei Licht für die Welt
  • Andreas Knapp, Generalsekretär Internationale Programme der Caritas Österreich

über die Situation von besonders gefährdeten Menschen in Krisen und welche entwicklungspolitischen und humanitären Prioritäten die österreichische Bundesregierung jetzt setzen sollte, um diese zu unterstützen.

Übersicht herunterladen (PDF)

Bei Interesse an einem Interview mit einer Sprecherin oder einem Sprecher wenden Sie sich gerne an presse@globaleverantwortung.at.

Hintergrund

Ob in Ost- und Westafrika, im Nahen Osten, in der Ukraine oder in anderen Krisengebieten: Die Anzahl der Menschen, die weltweit auf Humanitäre Hilfe angewiesen sind und Schutz suchen, ist in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Dennoch wenden sich immer mehr Regierungen, unter Verweis auf wirtschafts-, verteidigungs- oder migrationspolitische Eigeninteressen, von ihrem Bekenntnis zu internationaler Zusammenarbeit ab. Die weitreichenden Folgen der Budgetkürzungen im Bereich der Entwicklungspolitik und Humanitären Hilfe, die sich letztlich auch auf die eigenen Länder auswirken, scheinen sie dabei zu ignorieren. So wird etwa die Klimakrise auch zehn Jahre nach der Flüchtlingskrise 2015 als Krisentreiberin unterschätzt, obwohl der Krieg in Syrien seinen Anfang in einer langanhaltenden Dürre nahm. Wissenschafter*innen rechnen infolge des USAID-Stopps mit bis zu 14 Millionen Toten bis 2030. Der sinkende Zusammenhalt mit benachteiligten und gefährdeten Menschen und das nachlassende Engagement für eine lebenswerte Umwelt droht zunehmend auch die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte in Europa zu gefährden.

Rückfragen:
Hannah Hauptmann
Referentin für Presse und Öffentlichkeitsarbeit

Globale Verantwortung – Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
Apollogasse 4/9, 1070 Wien
Tel: 01/522 44 22-15
Mobil: +43 699/17 20 42 07
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UNICEF zur Mangelernährung im Sudan: Kinder sind „nur noch Haut und Knochen“

Zusammenfassung der Aussagen von Sheldon Yett, UNICEF-Vertreter im Sudan, bei der heutigen Pressekonferenz im Palais des Nations in Genf.

„In der vergangenen Woche reiste ich von Port Sudan in die Bundesstaaten Aj Jazeera und Khartum und konnte mit eigenen Augen sehen, welche Auswirkungen diese Krise – die größte humanitäre Krise der Welt – auf Kinder und Familien hat.

Während meiner Reise sah ich zerstörte Häuser, Wohnungen und Gebäude. Ich sah unser Lagerhaus in Khartum, geplündert und in Trümmer gelegt. Ich sah, wie unsere humanitären Hilfsgüter dort vernichtet worden waren. Ich sah entwurzelte Gemeinden und Kinder, die zur Flucht gezwungen wurden und nun in überfüllten Stadtvierteln leben.

Ich traf Mütter, die sehr weite Strecken zu Fuß zurückgelegt hatten, um Sicherheit zu finden, und Gesundheitshelferinnen und Gesundheitshelfer, die trotz aller Risiken Kranke und unterernährte Menschen versorgten. Ich sah auch unsere Teams und Partner, die unermüdlich arbeiteten, oft unter gefährlichen und ungewissen Bedingungen, um weiterhin lebensrettende Hilfe zu leisten.

Ich besuchte Jebel Aulia, eine von zwei Ortschaften im Bundesstaat Khartum, die als extrem hungergefährdet gelten.

Die Ortschaften Jebel Aulia und Khartum tragen 37 % der Unterernährungsbelastung des Bundesstaates. Diese Gegenden sind zudem am stärksten von der anhaltenden Gewalt und eingeschränktem Zugang betroffen. Ich konnte mit eigenen Augen sehen, dass Kinder nur begrenzten, aber zunehmenden Zugang zu sauberem Wasser, Nahrung, Gesundheitsversorgung und Bildung haben. Mangelernährung ist weit verbreitet, viele Kinder sind nur noch Haut und Knochen. Familien und Kinder leben oft in kleinen, beschädigten oder unfertigen Gebäuden. Die Straßen sind eng, schlammig und häufig unpassierbar – und werden es mit den anhaltenden Regenfällen täglich mehr.

Cholera hat sich in diesem Viertel rasch ausgebreitet. Die wenigen funktionierenden Gesundheits- und Ernährungszentren sind völlig überfüllt.

Gemeinsam mit unseren Partnern tun wir alles, was wir können. Die Sicherheitslage ist nach wie vor prekär, verbessert sich aber. Nach monatelangen Anstrengungen haben wir endlich Zugang zu dieser Gemeinde. Wir unterstützen weiterhin Gesundheits- und Ernährungsdienste, Wasser- und Sanitärversorgung und verlegen dringend benötigte Hilfsgüter dorthin, wo sie am nötigsten gebraucht werden. Wir schaffen auch sichere Räume, in denen Kinder lernen, spielen und heilen können. Doch das Ausmaß der Not ist erschütternd, und gemeinsam mit unseren Partnern arbeiten wir am Rande unserer Kapazitäten.

Leider gilt all das für das gesamte Land, die Lage verschlechtert sich rapide. Kinder sterben an Hunger, Krankheit und direkter Gewalt. Sie sind von genau den Diensten abgeschnitten, die ihr Leben retten könnten.

Das ist kein hypothetisches Szenario. Es ist eine bevorstehende Katastrophe. Wir stehen kurz davor, eine ganze Generation von Kindern unwiederbringlich zu verlieren – nicht, weil wir nicht das Wissen oder die Mittel hätten, um sie zu retten, sondern weil wir kollektiv daran scheitern, mit der Dringlichkeit und dem Ausmaß zu handeln, die diese Krise erfordert. Wir brauchen Zugang zu diesen Kindern.

Durch die jüngsten Kürzungen bei den Finanzmitteln mussten viele unserer Partner im Bundesstaat Khartum und anderen Regionen im Sudan ihre Aktivitäten zurückfahren. Wir stocken unsere Einsätze auf, aber wir können das nicht allein bewältigen.

Wir benötigen Ressourcen und dauerhaft gesicherten Zugang, um in den Gebieten, die wir nun erreichen können, schnell und umfassend zu handeln. Die rekordhohen Aufnahmezahlen von Kindern in Behandlungszentren für akute schwere Unterernährung in Orten wie Jebel Aulia und weiten Teilen von Aj Jazeera zeigen eindeutig, wie gewaltig der Bedarf in den neu zugänglichen Regionen ist.

Wir müssen lebensrettende Dienste für Kinder rasch ausweiten – dafür brauchen wir sicheren und dauerhaften Zugang, überall dort, wo sich Kinder befinden.

Besonders kritisch ist dies in Gebieten an der Frontlinie, die derzeit völlig von Hilfe abgeschnitten sind: Al Fasher, Dilling und Kadugli. Jeder Tag ohne Zugang zu diesen Orten erhöht das Risiko für das Leben von Kindern.

Eine der geflüchteten Mütter sagte uns: ´Seit Beginn des Krieges ist meine Tochter verstummt. Ich spüre, wie ihr Herz vor Angst rast. ´

Ihre Worte sind eine erschütternde Erinnerung an die unsichtbaren Wunden, die dieser Krieg den Kindern im Sudan zufügt.

Während dieser Reise, ein Jahr nach Ausbruch des Konflikts, habe ich das Schlimmste gesehen, was ein Krieg anrichten kann – und das Beste, wozu die Menschlichkeit imstande ist. Die Kinder im Sudan sind widerstandsfähig. Sie haben nun über zwei Jahre Krieg überstanden. Aber sie können ohne Hilfe nicht überleben.

Wir rufen weiterhin zu anhaltenden diplomatischen Bemühungen für den Frieden auf. Und solange der Konflikt andauert, müssen wir alle gemeinsam alles in unserer Macht Stehende tun, um Kinder zu unterstützen – wir dürfen nicht zulassen, dass sie den höchsten Preis für diesen Krieg zahlen.

Die Welt darf jetzt nicht wegsehen. Nicht jetzt.“

Foto- und Videomaterial zur redaktionellen Nutzung.

UNICEF Österreich
Michael Blauensteiner
Telefon: +43 660 38 48 821
E-Mail: blauensteiner@unicef.at
Website: https://unicef.at

PA: UN Women statement on the escalating humanitarian catastrophe in Gaza

One million women and girls in Gaza are facing mass starvation, violence and abuse. Malnutrition is soaring and essential services have long collapsed, forcing women and girls to adopt increasingly dangerous survival strategies.

“Women and girls in Gaza are facing the impossible choice of starving to death at their shelters, or venturing out in search of food and water at the extreme risk of being killed. Their children are starving to death before their eyes. This is horrific, unconscionable and unacceptable. It is inhumane,” said UN Women Executive Director Sima Bahous. “This suffering must end immediately. We need unhindered humanitarian access at scale and a permanent ceasefire leading to sustainable peace.”s at scale and a permanent ceasefire leading to sustainable peace.” 

Women-led organizations inside Gaza describe how women are boiling discarded food scraps to feed their children, and risking being killed when searching for food and water. Women and girls have run out of basic supplies, which are critical to preserving their health, safety and basic dignity. 

Women and children have borne the brunt of this war for far too long. More than 28,000 women and girls have been killed, most of them mothers leaving children and elderly behind with no protection or caretakers. Women are enduring pregnancies without food, and high-risk deliveries without water or medical care.

UN Women joins the call of the United Nations and humanitarian organizations to put an end to this horror. We reiterate our demand for unrestricted access to humanitarian assistance at scale for women and girls, the release of all hostages, and an immediate ceasefire leading to sustainable peace.

We echo the hopes that this week’s High-Level International Conference for the Peaceful Settlement of the Question of Palestine is a turning point, leading to a viable two-state solution with Israel and Palestine living side by side in peace and security.

For more information, contact the media team at: media.team@unwomen.org.

PA und Interviewmöglichkeiten: Welternährungsbericht 2025: 673 Millionen Menschen sind vom Hunger betroffen 

673 Millionen Menschen weltweit haben im vergangenen Jahr laut dem neuen Welternährungsbericht an Hunger leiden müssen. Das sind 8,2 Prozent der Weltbevölkerung – ein leichter Rückgang im Vergleich zum Vorjahr. Doch während sich die Lage in einigen Ländern bessert, verschärft sich der Hunger vor allem in Afrika und in Konfliktgebieten wie dem Gazastreifen, wo sich eine Massenhungersnot ausbreitet. Die drastischen Kürzungen der internationalen Hilfe durch USAID, der Bundesregierung und vieler anderer Staaten lassen befürchten, dass die Zahl der hungernden Menschen 2025/2026 deutlich ansteigen werden.  

„Der Welternährungsbericht offenbart eine eklatante Ungerechtigkeit. Während einige Länder in Asien deutliche Fortschritte gemacht haben, versinken andere Länder vor allem in Afrika und im Nahen und Mittleren Osten immer tiefer in Hungerkrisen. Wir können nicht von Fortschritten sprechen, während Millionen von Menschen zurückgelassen werden. Hunger ist nicht unvermeidlich, sondern eine direkte Folge politischer Entscheidungen. Wir haben die Mittel, den Hunger zu beenden. Es ist eine Frage des politischen Willens und der Solidarität“, sagt Jan Sebastian Friedrich-Rust, Geschäftsführer von Aktion gegen den Hunger.   

Das sind die Schlüsselzahlen des Welternährungsberichts 2025:

  • Im Jahr 2024 litten 673 Millionen Menschen (8,2 % der Weltbevölkerung) an Hunger. 
  • Jeder fünfte Mensch in Afrika (306,5 Millionen) ist unterernährt. Fast die Hälfte aller hungernden Menschen weltweit lebt in Afrika. Prognosen zufolge wird dieser Anteil bis 2030 auf 60 Prozent steigen. 
  • Insgesamt 2,3 Milliarden Menschen, das sind 28 Prozent der Weltbevölkerung, waren von moderater oder schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen. Das bedeutet, dass sie entweder keinen regelmäßigen Zugang zu ausreichender Nahrung hatten oder so wenig zu essen hatten, dass sie einen ganzen Tag lang nichts aßen. 
  • Frauen und Kinder sind überproportional von Ernährungsunsicherheit betroffen: Nur 48 Prozent der Frauen und 25 Prozent der Kinder in Afrika erreichen eine minimale Ernährungsvielfalt.
  • 150,2 Millionen Kinder unter fünf Jahren leiden unter Wachstumsstörungen. 

Weltweit ist das Ausmaß des Hungers nach wie vor deutlich höher als vor der Covid-19-Pandemie und liegt weit über dem Niveau von 2015, als die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) verabschiedet wurden. Im Jahr 2024 litten 96 Millionen Menschen mehr an Hunger als zu diesem Stichtag. Das SDG-Ziel 2, den Hunger auf der Welt zu beenden, scheint nicht mehr erreichbar zu sein, wenn nicht deutlich umgesteuert wird.  

Die Auswirkungen der Inflation auf die Ernährungsunsicherheit 

Der Bericht macht zudem deutlich, dass die Lebensmittelpreise seit 2020 weltweit schneller steigen als die allgemeine Inflation. Diese Entwicklung erschwert insbesondere für vulnerable Bevölkerungsgruppen den Zugang zu gesunder Ernährung.  Grund dafür sind laut Bericht die Covid-19-Pandemie und der Krieg in der Ukraine.  

„Der Welternährungsbericht vernachlässigt die Auswirkungen der Klimakrise auf die Inflation und berücksichtigt auch nicht, dass die Spekulation mit Nahrungsmitteln eine wesentliche Rolle bei der Preissteigerungen spielt. Lebensmittel sind keine Ware wie jede andere: Nahrung ist ein grundlegendes Menschenrecht. Es ist unerlässlich, den internationalen Lebensmittelmarkt zu regulieren, um das Recht auf Nahrung und Ernährung für alle Menschen zu verwirklichen“, so Friedrich-Rust.  

Aktuelle massive Budgetkürzungen spiegeln sich noch nicht im Bericht wider  

Die Daten des Welternährungsberichts reichen nur bis 2024 und sagen nichts über die drohende humanitäre Krise aus. Denn während der humanitären Bedarfe im Jahr 2025 steigen, bricht die Finanzierung der internationalen Hilfe zusammen. Mit dem offiziellen Ende der US-Entwicklungsagentur USAID verliert die internationale Gemeinschaft den wichtigsten Geber im Bereich der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit. Aber auch andere wichtige Geberländer wie Deutschland, Frankreich, Belgien, Großbritannien, Schweden und die Niederlande kürzen ihre Budgets für internationale Hilfe drastisch.  

In Deutschland sieht der Haushaltsentwurf Kürzungen beim Bundesentwicklungsministerium (BMZ) von 8 Prozent vor, das Ministerium verliert damit das dritte Jahr in Folge rund eine Milliarde Euro. Für die im Auswärtigen Amt angesiedelte Humanitäre Hilfe sind Kürzungen um 53 Prozent vorgesehen. Das international zugesagte Ziel, mindestens 0,7 % des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe bereitzustellen, wird damit deutlich verfehlt. 

„Die internationale Hilfe steht an einem Wendepunkt. Zunehmende Konflikte, Klima- und Hungerkrisen verschärfen die globale Lage und lassen die humanitären Bedarfe steigen. Gleichzeitig sinken die verfügbaren Mittel massiv, und die Instrumente zur Koordinierung der internationalen humanitären Hilfe werden geschwächt. Die kurzfristigen Einsparungen führen zu einer langfristigen Verschärfung von Krisensituationen. Wenn die Welt aus den Fugen gerät, wird es auch für uns auf Dauer weniger Sicherheit, Frieden und Wohlstand geben“, so Jan Sebastian Friedrich-Rust. 

Hinweis an die Redaktionen

Aktion gegen den Hunger ist eine humanitäre und entwicklungspolitische Hilfsorganisation, die weltweit in 57 Ländern und Regionen aktiv ist und rund 26,5 Millionen Menschen unterstützt. Seit mehr als 45 Jahren kämpft Aktion gegen den Hunger gegen Mangelernährung, schafft Zugang zu sauberem Wasser und gesundheitlicher Versorgung. 8.769 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten Nothilfe und unterstützen Menschen beim Aufbau nachhaltiger Lebensgrundlagen.

Pressekontakt
Vassilios Saroglou / Markus Winkler
Tel. 030 – 279 099 776
E-Mail presse@aktiongegendenhunger.de
Website www.aktiongegendenhunger.de

PA: FfD4-Konferenz: Österreich setzt auf privat finanzierte Entwicklungspolitik und verschleiert eigene Verantwortung

Österreich und andere EU-Länder sprechen sich bei der vierten internationalen Konferenz für Entwicklungsfinanzierung (Financing for Development, FfD4) in Sevilla für eine private, renditeorientierte Finanzierung für Entwicklungspolitik aus. Diese kann allenfalls ein Bestandteil, aber nicht das Ziel der österreichischen Entwicklungsfinanzierung sein.

Denn wie die gemeinsame Deklaration von zivilgesellschaftlichen Organisationen festhält, hat der Private Finance First-Ansatz seit seiner Einführung 2015 die Verschuldung und Ungleichheiten in Ländern des Globalen Südens sogar weiter angeheizt, deren demokratische Rechenschaftspflicht und regulatorische Rolle untergraben und stattdessen eine Vereinnahmung der weltweiten nachhaltigen Entwicklung durch Konzerne begünstigt. Die ohnehin knappen öffentlichen Mittel fließen dann dafür genutzt, um private Investoren anzuziehen.

Dieser Ansatz verschleiert, dass wohlhabende Länder wie Österreich in der aktuell verschärften globalen Lage eine besondere Verantwortung tragen, um weltweit zu Stabilität, Frieden und Gerechtigkeit beizutragen. Zumal Private kaum in Krisengebiete und das schiere Überleben von Menschen investieren. Will Österreich ein engagierter und vertrauenswürdiger Partner für Länder des Globalen Südens sein, ist es gefragt, Zukunftschancen für benachteiligte und gefährdete Menschen zu ermöglichen. Dazu gehört, endlich die internationale Verpflichtung der OECD-Mitgliedsstaaten einzuhalten, jährlich 0,7% des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungshilfeleistungen bereitzustellen.

Die AG Globale Verantwortung fordert daher ein klares Bekenntnis zur öffentlichen Entwicklungsfinanzierung und zu Schuldenerlässen für Länder, die aufgrund der globalen Krisen in eine ruinöse Schuldenspirale geschlittert sind. Laut Abschlussdokument Compromiso de Sevilla, das bereits zwei Wochen vor der FfD4-Konferenz beschlossen wurde, sprechen sich die verhandelnden Länder für den bereits laufenden UN-Prozess für eine Steuerrahmenkonvention aus. Wir appellieren, dass Österreich dies bei der nächsten Verhandlungsrunde der UN-Konvention von 4. bis 15. August bekräftigt.

Obwohl Außenministerin Beate Meinl-Reisinger zugesagt hatte, persönlich bei der FfD4-Konferenz teilzunehmen, wird sie nun Nikolaus Marschik, Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten, vertreten. Die Konferenz startete heute nach einer zehnjährigen Pause. Trotz des skandalösen Zugangsverbots für die Zivilgesellschaft zu hochrangigen Veranstaltungen bei der Konferenz werden ihre Vertreter*innen die Chance nutzen und sich für eine gerechte, inklusive und kohärente internationale Wirtschafts- und Finanzarchitektur stark machen. Denn diese ist keine Sache von Wohltätigkeit, sondern von Gerechtigkeit.

Karin Kuranda
Fachreferentin für Entwicklungspolitik der AG Globale Verantwortung

Link: Hintergrundinformationen für Journalist*innen 

Rückfragehinweis:
Hannah Hauptmann
Referentin für Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Globale Verantwortung – Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
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PA: Österreich kämpft gegen globalen Hunger

Ernährungsunsicherheit ist nach wie vor ein dringendes globales Problem. Laut den Vereinten Nationen litten 2023 etwa 733 Millionen Menschen Hunger. Bewaffnete Konflikte, der Klimawandel und Wirtschaftskrisen verschärfen die Situation. Die aktuelle Ausgabe der WELTNACHRICHTEN, des Magazins der Austrian Development Agency, befasst sich mit den Ursachen des Problems und berichtet über österreichische Lösungen, die langfristig Linderung verschaffen.

733 Millionen Menschen – in etwa 9 Prozent der Weltbevölkerung – galten im Jahr 2023 als unterernährt. In Afrika leidet gar die Hälfte der Bevölkerung unter mäßiger oder schwerer Ernährungsunsicherheit. Entwicklungszusammenarbeit leistet nicht nur erste Hilfe bei Hungersnöten, sondern entwickelt auch nachhaltige Lösungen dagegen. Die aktuelle Ausgabe der WELTNACHRICHTEN, des Magazins der Austrian Development Agency (ADA), berichtet über erfolgreiche Vorhaben mit österreichischem Engagement.
 
Lebensmittel als Luxusgut
„Häufig hungern Menschen nicht, weil Lebensmittel fehlen, sondern weil sie sich diese nicht leisten können“, schreibt Máximo Torero, Chefökonom der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), in seinem Beitrag für die WELTNACHRICHTEN. So produziere die Landwirtschaft weltweit zwar genug Lebensmittel, um alle Menschen auf der Welt zu ernähren. Dennoch landen nicht überall nahrhafte Mahlzeiten auf den Tellern. Die Lösung liegt für Torero in gestärkten Agrar- und Ernährungssystemen, verbessertem Sozialschutz und der Unterstützung von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern – alles Maßnahmen, für die sich auch Österreichs Entwicklungszusammenarbeit stark macht.
 
Entwicklungszusammenarbeit: Globale Verantwortung übernehmen – Österreichs Interessen wahren
„Die Welt steht vor einem komplexen Geflecht an Herausforderungen: Anhaltende und neue Konflikte, politische Instabilität, wirtschaftliche Ungleichgewichte und der Klimawandel bedrohen weltweit Frieden, Entwicklung und Sicherheit. Gleichzeitig schwindet das Vertrauen in die internationale Zusammenarbeit – ein fataler Mix an Krisen, der entschlossenes Handeln erfordert. Die Entwicklungszusammenarbeit leistet hier einen zentralen Beitrag: Sie verbessert langfristig die Lebensbedingungen von Menschen, stärkt stabile Strukturen und schafft Perspektiven. Österreich übernimmt dabei Verantwortung. Wir bringen unsere Expertise, Innovationskraft und Erfahrung gezielt ein, um globale Partnerschaften zu stärken und nachhaltige Entwicklung zu fördern. Das liegt auch in unserem ureigenen Interesse: Als stark exportorientiertes Land mit enger internationaler Verflechtung profitiert Österreich direkt von Stabilität, wirtschaftlicher Entwicklung und resilienten Gesellschaften weltweit“, betont ADA-Geschäftsführer Bernd Brünner, der die Leitung der Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit Anfang Juni übernommen hat.
 
Österreichisches Know-how zeigt Wirkung
Österreichs Engagement für bessere Lebensbedingungen weltweit zeigt Wirkung, wie die WELTNACHRICHTEN-Reportage aus Georgien deutlich macht: Sie geht einem Projekt auf die Spur, das von der Austrian Development Agency in dem Land im Südkaukasus unterstützt wird und traditionelle Lebensmittelproduktion, nachhaltige Tierhaltung und respektvollen Umgang mit der Natur verbindet. All das ermöglicht ein besseres Leben und Zukunftsperspektiven für die Menschen in entlegenen Bergdörfern. Auch Kooperationen mit der Wirtschaft können dazu beitragen, Herausforderungen in Entwicklungsfragen erfolgreich anzugehen – so etwa in Brasilien, wo die ADA gemeinsam mit der oberösterreichischen Firma Calvatis die Milchqualität verbessert.
 
Verena Altenberger: „Einfluss nicht in Quadratmetern denken“
Die Pongauer Schauspielerin Verena Altenberger ist davon überzeugt, dass Österreich großes Potenzial bei der Bekämpfung des globalen Hungers hat. Im Interview mit den WELTNACHRICHTEN erzählt sie von ihrer Reise nach Uganda als Botschafterin für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen, das Österreich seit Jahren finanziell unterstützt. „Wir dürfen unseren Einfluss nicht in Quadratmetern denken, sondern in den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen“, sagt Altenberger.

Ernährung im sicherheitspolitischen Visier der EU
Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine betrachtet die Europäische Union Ernährungssicherheit nicht mehr nur aus der Perspektive der humanitären Hilfe, sondern auch als außen- und sicherheitspolitische Angelegenheit. Trotz eines sicherheitspolitischen Verständnisses von Nahrungsversorgung sollte sie eine nachhaltige Agrarproduktion im Blick behalten, appelliert Agrarökonomin Bettina Rudloff in ihrem Kommentar für die WELTNACHRICHTEN.
 
Außerdem in dieser Ausgabe zu lesen:
–        Kofi Annan Award for Innovation in Africa: Österreich fördert innovative Lösungen gegen Hunger
–        Klimawandel: Die Landwirtschaft als Opfer und Schlüssel zur Lösung
–        Acht Tage im Senegal: Ein Filmtagebuch berichtet von den Dreharbeiten über ein Caritas-Projekt, das mit Unterstützung der ADA die Ernährungssicherheit in Burkina Faso, Mali und Senegal stärkt

Die WELTNACHRICHTEN berichten vierteljährlich über entwicklungspolitische Themen. Herausgeberin ist die Austrian Development Agency. Alle Beiträge, Reportagen, Interviews und Geschichten sind auch online nachzulesen. Die WELTNACHRICHTEN sind kostenlos. Bestellungen unter presse@ada.gv.at.

Austrian Development Agency
Seit ihrer Gründung im Jahr 2004 unterstützt die Austrian Development Agency (ADA) Länder in Afrika, Asien, Südost- und Osteuropa bei ihrer nachhaltigen Entwicklung. Seitdem hat die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit gemeinsam mit ihren Partnern viel erreicht – die Lebensumstände von Millionen von Menschen haben sich substanziell verbessert. Aktuell veranlassen die Klimakrise, Kriege und Konflikte jedoch immer mehr Menschen zur Flucht und verschärfen Armut und Hunger. Die Vision der ADA von einem guten Leben für alle bleibt trotz allem unverändert. Wirksame Entwicklungszusammenarbeit ist heute wichtiger denn je. Zusammen mit öffentlichen Einrichtungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Universitäten und Unternehmen ermöglicht die ADA bessere Lebensbedingungen und Perspektiven vor Ort .

Rückfragehinweis:
Austrian Development Agency (ADA),
die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit
Mag. Katharina Schreiber
Tel.: +43 (0)1 903 99-2410
katharina.schreiber@ada.gv.at
www.entwicklung.at

Hintergrundinformationen zur 4. internationalen Konferenz für Entwicklungsfinanzierung in Sevilla (30.06.-3.7.2025)

Die AG Globale Verantwortung und das Vienna Institute for Dialogue and Cooperation (VIDC) haben auf acht Seiten Hintergrundinformationen mit nützlichen Hervorhebungen erstellt.

Wussten Sie, dass Länder des Globalen Südens den Globalen Norden finanzieren, und nicht umgekehrt? Denn die Schulden, die diese ihren Gläubigern zurückzahlen müssen, übersteigen mittlerweile die Transferleistungen wie öffentliche Entwicklungshilfeleistungen aus dem Globalen Norden.

  • Weltweit geben 54 Staaten über zehn Prozent ihrer Einnahmen für Nettozinszahlungen aus, fast die Hälfte davon auf dem afrikanischen Kontinent.
  • Grund für den enormen Schuldenberg in vielen Ländern ist die globale Krisenspirale.

Diese Entwicklung ist äußerst problematisch in einer Zeit, in der Medien fast täglich über eingeschränkte Hilfsleistungen für notleidende Menschen in Krisengebieten wie dem Gazastreifen, gekürzte entwicklungspolitische und humanitäre Budgets, eine stagnierende nachhaltige Entwicklung, einen verschleppten Klimaschutz sowie Angriffe auf die internationale Zusammenarbeit und Zivilgesellschaft berichten.

Das müde Abschlussdokument der Financing for Development-Konferenz (FfD4) von 30. Juni bis 3. Juli 2025 liegt bereits vor. Es enthält ein Bekenntnis zu einer UN-Steuerrahmenkonvention und zu mehr Steuertransparenz. Allerdings vermisst der Compromiso de Sevilla aufgrund der Gegenstimmen aus dem Globalen Norden notwendige Reformen für das internationale Schuldensystem und für die internationale Entwicklungsfinanzierung.

Dennoch werden über 800 Vertreter*innen der internationalen Zivilgesellschaft dafür sorgen, dass die FfD4-Konferenz keine vertane Reformchance für globale Gerechtigkeit und die internationale Zusammenarbeit ist, und werden die Konferenz, die nur alle zehn Jahre bietet, bestmöglich nutzen. Neben den Delegationen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie von Mahmoud Ali Youssouf, Kommissionsvorsitzender der Afrikanischen Union, werden auch die österreichische Außenministerin Beate Meinl-Reisinger sowie zahlreiche weitere Staats- und Regierungschefs nach Sevilla reisen.

Die AG Globale Verantwortung und das Vienna Institute for Dialogue and Cooperation (VIDC) haben für Sie spannende Hintergrundinformationen auf acht Seiten mit nützlichen Hervorhebungen erstellt. Wir freuen uns über Ihre Berichterstattung und stehen für Fragen zur Verfügung.

Link: Hintergrundinformationen

PA: Ambitionierte entwicklungspolitische Strategie droht ‚Papiertiger‘ zu werden

NGO-Dachverband begrüßt angesichts der globalen Lage den Beschluss des entwicklungspolitischen Dreijahresprogramms, dem es ohne ausreichend Mittel jedoch an Wirkkraft fehlen wird

“Der heutige Beschluss des Dreijahresprogramms der österreichischen Entwicklungspolitik 2025 – 2027 ist ein wichtiges Signal für globale Verantwortung. In Zeiten geopolitischer Unsicherheit, wachsender humanitärer Not und Destabilisierung legt die österreichische Bundesregierung ein strategisch kluges und inhaltlich ambitioniertes Programm vor, um benachteiligte und gefährdete Menschen in Ländern des Globalen Südens sowie in weltweiten Krisengebieten zu unterstützen”, lobt Lukas Wank, Geschäftsführer der AG Globale Verantwortung, Österreichs neue entwicklungspolitische Strategie.

Das Dreijahresprogramm biete den zuständigen Ministerien, der Austrian Development Agency sowie NGOs die notwendige inhaltliche Orientierung, um moderne und wirksame Projekte der Humanitären Hilfe, der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) und Friedensförderung zu finanzieren und umzusetzen, erklärt Wank. Es fördere wichtige Synergien zwischen diesen außenpolitischen Instrumenten und setze auf Inklusion, Klima- und Geschlechtergerechtigkeit. So trage es etwa zur weltweiten Bekämpfung von Hunger, Armut und Ungleichheiten bei.

Knappe Mittel könnten Dreijahresprogramm zum ‘Papiertiger’ machen

Angesichts der verschärften globalen Lage sei der Beschluss einer neuen entwicklungspolitischen Strategie längst überfällig gewesen, verweist Wank. Die Vereinten Nationen warnen aktuell vor einer tödlichen Hungersnot im Gazastreifen und im Südsudan. Gleichzeitig schlagen sie wegen der größten humanitären Finanzierungslücke ihrer Geschichte Alarm. Als wäre dem nicht genug, breite sich der Konflikt im Nahen Osten weiter aus. “Bleibt in dieser Situation die Finanzierung jedoch aus, droht eine schwache Außenpolitik mit Dreijahresprogramm als ‘Papiertiger’, der seine Wirkung für Menschen in Ländern das Globalen Südens und in Krisengebieten kaum entfalten kann. Seit dem Budgetbeschluss von letzter Woche steht fest, dass die Mittel für die OEZA und den Auslandskatastrophenfonds bis Ende 2026 um 32% sinken sollen”, beklagt Wank.

Appell: Finanzierungslücke schließen und abgesicherten Budgetpfad erarbeiten

Dies könne die Regierung verhindern, wenn sie das Programm als weit mehr als ein politisches Grundlagendokument begreift, betont Wank und schließt: „Das Dreijahresprogramm ist eine Chance, Österreichs Rolle als glaubwürdiger, engagierter Partner zu schärfen. Ein solcher Partner setzt insbesondere auf Krisen- und Konfliktprävention und ermöglicht Zukunftschancen sowie Stabilität. Wir appellieren an Außenministerin Beate Meinl-Reisinger und Finanzminister Markus Marterbauer, die entwicklungspolitische und humanitäre Finanzierungslücke rasch zu schließen und einen abgesicherten wie krisenfesten Budgetpfad für eine moderne, aktive Außenpolitik zu erarbeiten.


Die AG GLOBALE VERANTWORTUNG ist der Dachverband von 38 österreichischen NGOs der internationalen Entwicklung und Humanitären Hilfe. Unsere Mitgliedsorganisationen führen jährlich 1.000 Projekte in über 120 Ländern der Welt durch und tragen zu einem menschenwürdigen Leben für alle auf einem gesunden Planeten bei.

Rückfragen & Kontakt

AG Globale Verantwortung
Hannah Hauptmann, MA
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PA: Konferenz für internationale Entwicklungsfinanzierung: Staaten einigen sich auf müden Kompromiss

Konferenz ist dennoch Chance für die internationale Wirtschafts- und Finanzarchitektur und multilaterale Beziehungen. Österreich als UN-Standort und Sicherheitsratskandidat gefragt

„Schon zwei Wochen vor Beginn der vierten internationalen Entwicklungsfinanzierungskonferenz im spanischen Sevilla kennen wir deren Ergebnis. Zwar ist es positiv, dass sich die internationale Staatengemeinschaft auf ein Abschlussdokument einigen konnte. Allerdings verwässerten die Verhandler*innen viele engagierte Ansätze. Der Compromiso de Sevilla enthält vor allem unverbindliche Empfehlungen statt tiefgreifender Reformen für eine gerechte, inklusive und kohärente Wirtschafts- und Finanzarchitektur. Und auch dieser Kompromiss war nur möglich, weil sich die USA im letzten Augenblick zurückzogen“, analysiert Martina Neuwirth, Steuer- und Wirtschaftsexpertin des VIDC, die als Mitglied der österreichischen Delegation und zivilgesellschaftliche Expertin an der Konferenz teilnimmt.

Die vierte Financing for Development-Konferenz (FfD4) von 30. Juni bis 3. Juli biete angesichts der globalen Krisenspirale und der wachsenden Finanzierungslücke eigentlich eine große Chance. Die Staatengemeinschaft könnte den Ländern des Globalen Südens endlich den gebührenden Platz auf den internationalen Verhandlungstischen einräumen und dadurch den Multilateralismus verbessern, betont Karin Kuranda, entwicklungspolitische Fachreferentin der AG Globale Verantwortung, die ebenfalls an der Konferenz teilnimmt. Auch die Einbindung von Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft können nur die Vereinten Nationen gewährleisten. Doch insbesondere die gewählte Sprache enttäusche, erklärt Kuranda: „Das Abschlussdokument zeigt, dass die EU und andere Geberländer wie Australien, Kanada, Japan, Neuseeland, die Schweiz und Großbritannien nicht bereit sind, gleichberechtigte Verhandlungen für Länder des Globalen Südens zu ermöglichen.“

Globaler Norden bremst bei UN-Schuldenkonvention

Hinsichtlich der geforderten UN-Schuldenkonvention sehe das Abschlussdokument statt eines Bekenntnisses nur einen Prozess mit unverbindlichen Empfehlungen vor. „Das ist ein ungenügendes Mandat für einen Prozess auf UN-Ebene, der Gerechtigkeit und Transparenz schaffen soll. Denn wegen der eskalierenden globalen Krisen spitzt sich auch die weltweite Schuldenkrise zu. Denn Sparmaßnahmen aufgrund der Schuldenlasten hindern Länder des Globalen Südens an wichtigen staatlichen Ausgaben, etwa im Gesundheits-, Bildungs- und Sozial und Klimaschutzbereich. Dies gefährdet auch die Umsetzung der Agenda 2030 sowie die Einhaltung von Menschenrechten“, so Hannah Angerbauer, entwicklungspolitische Referentin der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz (KOO). Auch die EU lasse damit Milliarden Menschen im Stich. Sie habe Vorschläge für den UN-Schuldenkonventionsprozess immer wieder abgeschwächt.

Internationale Entwicklungsfinanzierung weiterhin auf wackligen Beinen

„Das Abschlussdokument ist eine vertane Reformchance für eine internationale Finanzarchitektur, die den Bedürfnissen von Menschen in Ländern des Globalen Südens und in weltweiten Krisengebieten tatsächlich gerecht wird. So betont es zwar die Bedeutung der öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen (Official Development Assistance, ODA), doch fehlen weiterhin rechtlich verbindliche Zusagen für die internationale Entwicklung und Humanitäre Hilfe. In Zeiten von Haushaltskürzungen stehen also ausgerechnet jene Bestandteile der ODA auf wackligen Beinen, die benachteiligten und gefährdeten Menschen Zukunftschancen geben und im Ernstfall Leben retten. Vor diesem Hintergrund bleiben die Verhandler*innen Lösungen für die drängendsten Herausforderungen unserer Zeit schuldig”, ist Karin Kuranda empört.

Bekenntnis zu UN-Steuerkonvention erfreulich

„Im Gegensatz dazu wollen die Verhandler*innen die bereits laufenden Verhandlungen über eine neue UN-Steuerkonvention weiter unterstützen. Im Abschlussdokument treten sie für progressive, geschlechter- und klimagerechte Steuersysteme ein. Sie bekennen sich zu mehr Steuertransparenz sowie zu einer fairen Besteuerung von Unternehmen und der Reichsten der Welt. Insbesondere die Regierungen der EU-Länder, die dem Prozess bisher eher abwartend gegenüberstanden, sind gefragt, dieses Versprechen in der nächsten Verhandlungsrunde Anfang August 2025 einzulösen“, freut sich Martina Neuwirth.

„Wir begrüßen, dass auch die österreichische Außenministerin Beate Meinl-Reisinger an der Konferenz teilnehmen wird. Als UN-Standort und möglicher Kandidat für einen temporären Sitz im UN-Sicherheitsrat trägt Österreich auch eine besondere globale Verantwortung. Trotz des müden Abschlussdokuments sind wir davon überzeugt, dass die FfD4-Konferenz den Weg für Veränderungen in der Wirtschafts- und Finanzarchitektur sowie in den multilateralen Beziehungen bereiten kann. Ein faires System ist keine Sache von Wohltätigkeit, sondern von Gerechtigkeit. Dafür werden wir uns als Teil einer starken Zivilgesellschaft in Sevilla einsetzen“, schließen Martina Neuwirth und Karin Kuranda.

Rückfragen & Kontakt

Bei Interesse an einem Interview oder weiterführenden
Informationen wenden Sie sich bitte an:


Martina Neuwirth, Steuer- und Wirtschaftsexpertin des Vienna
Institute for Dialogue and Cooperation (VIDC): neuwirth@vidc.org

Für Karin Kuranda:

Hannah Hauptmann, Referentin für Presse und Öffentlichkeitsarbeit der
AG Globale Verantwortung: presse@globaleverantwortung.at
+43 699/17 20 42 07

VIDC Global Dialogue
Manuela Tomić
Telefon: +43 1 713 35 94 – 76
E-Mail: tomic@vidc.org