Kampfgeist auf Kurdisch

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Foto: privat

Die Kurden um Kobane punkten nicht nur militärisch gegen den IS, sondern machen auch in anderen Belangen Hoffnung. Leo Gabriel teilt frische Eindrücke aus der Region.

Chance für Medien. Angesichts der weltweiten Bedrohung durch die selbsternannten und fälschlicherweise als „Islamischen Staat“ bezeichnete Terrororganisation sind Journalistenreisen durch die Kampfgebiete Syriens heute eine Seltenheit geworden. Zu groß ist die Angst der Berichterstatter vor den orangenfarbigen Hemden geworden, die so manchem Kollegen von der internationalen Presse zum tödlichen Verhängnis geworden sind.
Dabei wird allerdings vergessen, dass auch der seit dreieinhalb Jahren tobende Krieg in Syrien durchaus Strukturen aufweist; dass es hier ebenso wie in anderen Kriegsgebieten Fronten gibt und dass es neben dem Menschen-verachtenden Bösen auch kosntruktive politisch-militärische Kräfte gibt.

Hoffnung Rojava. Ich beziehe mich dabei auf das von der kurdischen PYD (Partiya Yekitîya Demokrat, dt. „Partei der Demokratischen Union“) dominierte Rojava, jenen relativ dicht besiedelten Landstreifen, der sich entlang der Grenze zur Türkei von der irakischen Grenze bis in die Gegend von Aleppo zieht. Nur wenige wissen, warum dieser im äußersten Nordosten gelegene Landesteil Syriens zu einem Hoffnungsregion für alle jene geworden ist, die ausgezogen waren, um sich die lange ersehnte Freiheit von diktatorischen Regime Bashar al Assads zu erkämpfen.

Rojava als „Westkurdistan“, wie es auf einer Website der PYD im Oktober 2013 umrissen wurde. Karte: Creative Commons/Panonian
Rojava als „Westkurdistan“, wie es auf einer Website der PYD im Oktober 2013 umrissen wurde. Karte: Creative Commons/Panonian

Die politischen Wurzeln der PYD gehen auf die einst viel geschmähte und oft als „terroristisch“ verteufelte PKK Abdullah Öcalans zurück. Kaum bekannt ist, dass heute im syrischen Teil Kurdistans seit etwa 1 1/2 Jahren ein politischer Prozess in Gang gekommen ist, der ausgehend von den Kommunen in den Stadtteilen und Dörfern das von Assad eingeführte hierarchisch kontrollierte System der Bath-Partei unterwandert hat.

Foto: Leo Gabriel
Foto: Leo Gabriel

Kobane. Die Stunde der Freiheit der kurdischen Autonomiebewegung ist paradoxerweise gerade zu jenem Zeitpunkt gekommen, als sie sich in ihrer größten Bedrängnis seit Jahrzehnten befunden hat; nämlich als die Einheiten des IS glaubten, die Stadt Kobane im Zentrum von Rojava einnehmen zu können. Dass jedoch die Kurden nach wochenlangen Kämpfen, mit Unterstützung der irakisch-kurdischen Perschmergas der IS eine vernichtete Niederlage bereiteten, kam nicht von ungefähr. Mit ihrem Konzept der „integralen Verteidigung“ gelang es ihnen aufgrund ihres hohen Organisationsgrades dem IS sozusagen den Boden unter den Füßen zu entziehen, indem sie die gesamte Zivilbevölkerung inklusive der Kinder und Alten evakuierten und Kobane in einen Kessel verwandelten, aus dem es kein Entrinnen gab.

Politische Erfolge. Mehr noch als diese militärischen Erfolge lassen sich die politischen sehen. In Windeseile gründete die PYD in Allianz mit etwa zwei Dutzend anderer Gruppierungen, zu denen auch die an sich regimetreuen christlichen Assyrer und Alawiten und Jesiden zählen, ein Parlament, in dem die Frauenquote 40 Prozent beträgt und in dem 20 Prozent der Abgeordneten parteiunabhängig sind. Dieses Parlament hat es innerhalb eines Jahres geschafft eine interkulturelle Erziehungsreform und eine komplette Neustrukturierung des gesellschaftlichen Systems umzusetzen, das jetzt, am 13. März mit den ersten allgemeinen Kommunalwahlen ihren Höhepunkt erreicht.
Dabei ist die Regierung von Rojava überaus bemüht und interessiert, die von ihr kontrollierten Gebiete internationalen Berichterstattern zu öffnen.


Kontakte nach Rojava können in Österreich jederzeit gerne von Leo Gabriel zur Verfügung gestellt werden. lgabriel@gmx.net

Humanitäres Gipfeltreffen in Wien

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Am 6. März findet in Wien der dritte Humanitäre Kongress statt. Einen Tag lang diskutieren in den Räumlichkeiten des Hauptgebäudes der Universität Wien nationale und internationale VertreterInnen aus dem Bereich der Humanitären Hilfe aktuelle Themen.Collage_HUKO013.indd 2013, beim bisher letzten Kongress, waren 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer dabei.

Themen: 2015 gibt es einige Highlights – thematisch gesehen etwa ein Panel, dass kritisch hinterfragt, ob Humanitäre Hilfe Krisen nicht auch indirekt verlängert. Gleich zwei Panels widmen sich dem Einsatz moderner Kommunikationstechnologien – Apps sowie Social Media. Für das gesamte Programm siehe hier

Khangkomp
Kyung-Wha Kang. Foto: United States Mission Geneva, Wiki Commons License

Gäste: Für den Humanitären Kongress werden einige internationale Gäste in Wien sein: Von Kyung-Wha Kang (Assistant Secretary-General for Humanitarian Affairs and Deputy Emergency Relief Coordinator, United Nations) über internationale NGO-VertreterInnen wie Jose Antonio Bastos (Präsident von Ärzte ohne Grenzen Spanien) bis hin zum katholischen Priester Dieudonne Nzapalainga und dem Imam Layama Oumar Kobine (beide aus der Zentralafrikanischen Republik). Interessante Persönlichkeiten sind auch Giuseppina Maria Nicolini (Bürgermeisterin von Lampedusa, Italien) und Tareke Brhane, der selbst übers Mittelmeer fliehen musste und nun für „Save the Children“ in Lampedusa arbeitet.

Giuseppina Maria Nicolini. Foto: Humanitärer Kongress
Giuseppina Maria Nicolini. Foto: Humanitärer Kongress

Österreich ist u.a. vertreten mit Sozialminister Alfred Hundstorfer, Erhard Busek, Wolfgang Petrisch und Annelies Vilim, Geschäftsführerin des NGO-Dachverbandes AG Globale Verantwortung.

Kontakt

Pressefragen direkt an:

Romana Bartl press[at]humanitariancongress.at

 

Kollateralschäden einer Epidemie

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Auch westafrikanische Länder, die nicht von Ebola betroffen sind, kämpfen mit negativen Folgen: Senegal muss Einbußen im Tourismusbereich kompensieren.

Von Richard Solder*

NutzerInnen gesucht: Strandanlagen am "Lac Rose" in Senegal. Foto: Richard Solder/Südwind
NutzerInnen gesucht: Strandanlagen am „Lac Rose“ in Senegal. Foto: Richard Solder/Südwind

(Dakar/Wien. 22.12.2014).
Palmen wehen im Wind
, im Hintergrund dudeln Sommer-Hits, ein Kellner steht verloren zwischen verwaisten Liegestühlen und blickt über den Pool auf den See. Die Strandanlagen am Retba-See (Lac Retba, auch Lac Rose genannt), rund 30km von der senegalesischen Hauptstadt Dakar entfernt, sind normalerweise gerade um diese Jahreszeit gut besucht. Von TouristInnen, die dem Winter in Europa entfliehen wollen, vor allem französisch-sprechenden. Dieses Jahr kommen nur wenige.

Die Angst vor Ebola hat auch einen Effekt auf Senegal. Das Land liegt in Westafrika, teilt sich eine Grenze mit dem von Ebola betroffenen Guinea. In Senegal wurde bisher, im Sommer 2014, nur ein Fall von Ebola registriert. Seit September ist das Land gänzlich Ebola-frei, die WHO lobte das Management. Doch die Nähe zu den Kerngebieten der Epidemie und die Berichterstattung über das Virus haben zu wirtschaftlichen Konsequenzen für Senegal geführt.

Senegal gilt zwar als Entwicklungsland, steht aber gerade im regionalen Vergleich in vielen Bereichen gut da. Dakar lockt als Kongress-Stadt viele Tagungsgäste an, zuletzt fand Anfang Dezember der Gipfel der Francophonie statt.

Das Land erwartet nun laut IWF ein um 0,4 Prozent geringeres Wachstum in 2014, vor allem wegen dem Einbruch des Tourismus. Auch das Wachstum in 2015 wird davon betroffen sein. Mithilfe von öffentlichen Ausgaben will der Senegal gegen diese wirtschaftliche Herausforderung kämpfen.

Vor Ort ist Ebola nur am Rande ein Thema: Am Flughafen werden alle Ankommende und Abreisende mittels Thermometer auf Fieber kontrolliert, an Verkehrsknotenpunkten und in den Straßen erinnern Plakate an Sicherheitsvorkehrungen. Ansonsten ist in den kleineren Städten sowie in der lebendigen Metropole Dakar „business as usual“ angesagt.

Der Deutschen Gesellschaft für Internationalen Zusammenarbeit (GIZ) zu Folge macht der tertiäre Sektor in Senegal etwa 60 Prozent des BIP aus. Der Tourismus ist dabei der zweitwichtigste Devisenbringer.

Deutsche Tourismus-Verbände bestätigten bereits im Herbst, dass Ebola zwar nur bedingt negative Folgen für den Tourismus in anderen Teilen des afrikanischen Kontinents hatte – jedoch aber für Reiseziele in Westafrika, darunter Senegal, aber auch Gambia.

In Österreich lässt sich kein negativer Trend ausmachen. Laut dem Österreichischen ReiseVerband sind Destinationen in Westafrika generell für österreichische TouristInnen zu unwichtig, um nun einen Effekt nachverfolgen zu können. Die Senegal vorgelagerten Kapverdischen Inseln würden unabhängig gesehen und nicht mit Senegal bzw. Westafrika in Verbindung gebracht, so Josef Peterleithner, Sprecher des Österreichischen ReiseVerband, auf Anfrage.


* Der Autor konnte im Rahmen einer Projektreise Anfang Dezember des Bildungsprojektes Parlez-vous global nach Senegal reisen. Auch auf die Projektreise hatte die Ebola-Epidemie einen Effekt: Das Projekt fördert den Wissens-Austausch zwischen LehrerInnen in vier europäischen (Österreich, Frankreich, Italien und Rumänien) sowie drei afrikanischen Staaten (Senegal, Benin, Burkina Faso) rund um die Themen Migration und WeltbürgerInnenschaft. Das Programm beinhaltet auch eine Austausch-Reise nach Senegal. Statt 10 LehrerInnen fuhr allerdings nur eine österreichische Lehrerin mit. DirektorInnen bzw. der Stadtschulrat Wien verhinderte die Mitfahrt der anderen.

Informationen zum österreichischen Projektteil finden Sie hier

Österreich startet ins EYD

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Auftakt mit PK und Medientermin am Montag in Wien – Hintergrundinfos zum #EYD2015

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2015 ist dasRat_Auswärtige_Angelegenheiten_(12050539634) Europäische Jahr für Entwicklung (EYD 2015). Nachdem der offizielle europaweite Start am 9.1. in Riga erfolgte, ist am Montag, dem 26.1. Österreich dran. Beim Medientermin mit dabei: Außenminister Sebastian Kurz (Foto links) und EU-Entwicklungskommissar Neven Mimica (Foto rechts), zudem wird es eine Diskussion mit Schülerinnen und Schülern sowie interaktive Stationen von Entwicklungszusammenarbeits-Organisationen geben.

Zeit: 10:00 – 12:00, anschließend Mittagessen bis 13:00
Ort:  Katastrophenhilfezentrum Österreichisches Rotes Kreuz, Oberlaaer Straße 300-306, 1230 Wien

Details zu hier

Um halb 10 Uhr lädt Minister Kurz zur Pressekonferenz 

Follow #EYD2015 bzw. #EYD2015AUT


Was ist das EYD 2015? Kompakte Infos

Im Europäischen Jahr für Entwicklung wird es viele Events geben. Die ADA aktualisiert laufend einen Veranstaltungskalender

(Fotos: BMEIA, Vlada Republike Hrvatske)

OECD prüft Österreichs Entwicklungspolitik

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Vorsichtiges, „diplomatisches“ Fazit – Reaktionen dementsprechend sehr unterschiedlich

Die Entwicklungspolitik Österreichs wird – wie die aller Mitgliedsländer des OECD-Entwicklungsausschusses (DAC) etwa alle fünf Jahre von anderen Mitgliedern überprüft. Jetzt war es wieder so weit. Die OECD präsentierte heute die Ergebnisse.

Das Fazit soll wohl vor allem motivieren – es wurden Erfolge (Einbindung des Privatsektors) wie auch Misserfolge (Nicht-Erreichen der 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklung und Humanitäre Hilfe) gelistet.

Hier geht’s zur Aussendung der OECD und in weiterer Folge zum Bericht.

Dementsprechend auch die Reaktion des Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA) und der Globalen Verantwortung, dem Dachverband der entwicklungspolitischen und humanitären NGOs. Während das BMEIA vor allem das Lob sieht, betont die Globale Verantwortung die Defizite:

OECD-Lob für Einbindung des Privatsektors und ADA in Moldau

Das Glas ist halbleer, nicht halbvoll

Newsletter 3/2014: Ebola, Entwicklungsziele & das EYD2015

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Ebola: Kollateralschäden einer Epidemie – MDGs, eine Bilanz – #EYD2015: erste Infos

  • 900px-Flag_of_Senegal.svgBeispiel Senegal: Auch westafrikanische Länder, die nicht von Ebola betroffen sind, kämpfen mit negativen Folgen. Mehr
  • MDGs: was wurde erreicht, was nicht? MehrMDGs-targets
  • 2015 wird das  Europäische Jahr der Entwicklung. Die ISJE stellt schon jetzt essentielle Informationen zusammen. MehrEYD_motto_DE

Newsletter abonnieren? Bitte einfach ein formloses Mail an: office@isje.at

Erste Infos zum EYD2015

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2015 wird das  Europäische Jahr der Entwicklung. Die ISJE stellt essentielle erste Informationen zusammen.

(Wien, 22.12.2014). Unsere Welt.Unsere Würde. Unsere Zukunft. Dieses Motto wird man 2015, dem Europäischen Jahr der Entwicklung, oft hören. EYD_emblem_3lines-DEWie bei EYD_motto_DEvergleichbaren Initiativen wird das Jahr (das auf Englisch European Year of Development heißt und EYD abgekürzt wird) im Web 2.0 begleitet werden. #EYD2015 ist der Hashtag, dem zu folgen ist, @EYD2015 das dazu gehörende Profil, hier geht’s zum Facebook-Auftritt:

Nationale Ansprechpartner in Österreich sind auf der einen Seite das BMEIA als nationaler Koordinator bzw. die ADA, die Austria Development Agency, als verantwortliche Organisation für das
Aktionsprogramm in Österreich. Auch die AG Globale Verantwortung ist ein wichtiger Ansprechpartner.

Die Informationsstelle Journalismus & Entwicklungspolitik wird als Schnittstelle zwischen Medien und NGOs agieren und Infos zum EYD2015 liefern und ist ebenfalls für Anfragen da.

 Was wird konkret zu erwarten sein?

  • Jede Menge Veranstaltungen zu Themen rund um Entwicklungszusammenarbeit (EZA), inklusive internationaler Gäste. Auf europäischer Ebene startet das Jahr mit einem Eröffnungsevent am 9.1. in Lettland. In Österreich folgt am 26.1. der Auftakt. Danach passiert viel – von Tagungen und Kongresses über Veröffentlichungen neuer Studien bis hin zu Austauschprojekten mit dem globalen Süden.
  • Spannende Geschichten & interessante Menschen aus dem Alltag der Arbeit in der EZA – und zwar je nach speziellen Themenmonaten:
  • Januar – Europa in der Welt
     Februar – Bildung
     März – Frauen & Mädchen
     April – Gesundheit
     Mai – Frieden & Sicherheit
     Juni – Nachhaltiges Wachstum, Arbeitsplätze & Unternehmen
     Juli – Kinder & Jugendliche
     August – Humanitäre Hilfe
     September – Demografie & Migration
     Oktober – Ernährungssicherheit
     November – Nachhaltige Entwicklung
     Dezember – Menschenrechte
  • Neuausrichtungen: 2015 ist ein entscheidendes Jahr. Nicht nur als EYD. 2015 enden die Millenium-Entwicklungsziele. Wie wird es weiter gehen? Das Jahr soll Antworten bringen. (sol)

Weiterführende Infos und Hintergründe zum EYD2015 sowie zur europäischen Ebene:

Concord

Capacity4Dev

 

 

Endspurt für Weltentwicklungsziele

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Im Jahr 2000 unterzeichneten 189 Staaten auf dem UN-Millenniumsgipfel die Millenniumserklärung. Die im Anschluss formulierten Ziele, die Millennium Development Goals (MDGs), sollten bis 2015 erreicht sein. Eine Bilanz.

 Von Christina Bell

(Wien, 22.12.2014). 8 Ziele, 21 Unterziele, 60 Indikatoren. Mit den Millennium Development Goals (MDGs – siehe z.B. hier) sagte die internationale Gemeinschaft unter anderem Armut, Kinder- und Müttersterblichkeit sowie tödlichen Krankheiten wie AIDS und Tuberkulose den Kampf an. Die mdgs_deZielsetzungen, die durchaus umstritten waren, wurden zu internationalen Leitlinien der Entwicklungszusammenarbeit, an denen sich Entwicklungsprojekte in Kenia genauso orientierten wie Gesundheitsreformen in Brasilien oder Fraueninitiativen in Indien.

Die Bilanz, soviel steht fest, wird durchwachsen ausfallen: Als größte Errungenschaft gilt die Erreichung des ersten Ziels, die Halbierung des Anteils der in Armut lebenden Menschen. Das gelang bereits 2010. Hierfür zeichnet allerdings weniger die Entwicklungszusammenarbeit als vor allem das rasante Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern China und Indien verantwortlich, wie der Entwicklungszusammenarbeits-Praktiker Friedbert Ottacher unlängst in einem Artikel im Südwind-Magazin festhielt.

(Teil-)Erfolge konnten auch beim Thema Bildung, konkret bei den Einschulungsraten, sowie bei Kinder- und Müttersterblichkeit erzielt werden.

Wenig erreicht wurde hingegen im Bereich ökologische Nachhaltigkeit (MDG7): Weder eine deutliche Reduktion des Kohlendioxid-Ausstoßes, noch ein Stopp des Artensterbens gelang der internationalen Gemeinschaft in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten.

Insgesamt ist die Hoffnung, die man mit den Zielen verband, über die Jahre zunehmend einer Skepsis gewichen. Vor allem die Zusagen der reichen Länder enttäuschten. Dabei nahm sowieso nur eines von acht Milleniumszielen direkt die Industrieländer in die Pflicht: MDG 8, der Aufbau einer globalen Entwicklungspartnerschaft. Dieses war zudem so vage gehalten, dass es sich de facto nicht überprüfen lässt.

Messbar sind hingegen die finanziellen Beiträge zur Umsetzung der MDGs. Die Hilfszahlungen der Industrieländer erreichten 2013 zwar einen Höchststand, wie auch Johannes Trimmel in einem Interview erklärt. Die Zahlungen verfehlen aber die seit Jahrzehnten immer wieder in Aussicht gestellten 0,7 Prozent des BIP bei weitem. Zudem ist die Unterstützung für die ärmsten Entwicklungsländer rückläufig.

Zu den Stärken der MDGs zählten ihre Mobilisierungskraft und recht gute Kommunizierbarkeit, wie Jens Martens in einem Bericht zu globalen Nachhaltgkeitszielen argumentiert: Die MDGs lenkten mit einfacher Sprache die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf Armutsbekämpfung. Dass der Publicity keine echten Lösungsansätze folgten, kritisiert unter anderem die nigerianische Wissenschaftlerin und Bloggerin Chika Ezeanya.

Vieles soll nun anders werden. Die Vorbereitungen der Nachfolge-Agenda laufen auf Hochtouren. Fest steht bereits eine Zusammenführung mit den parallel in Planung befindlichen Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) deren Schaffung bei der Rio+20-Konferenz 2012 festgelegt worden war. Seit Juli gibt es den Draft – er überzeugte nicht alle.
Beschlossen werden die Ziele, die wie ihre Vorgänger, die MDGs nicht rechtlich bindend sein werden, nach einer weiteren Überarbeitungsphase im September 2015.


Christina Bell ist Redakteurin beim Südwind-Magazin. Die Journalistin, die ein Master-Degree in Human Rights besitzt, zeichnete für einen Schwerpunkt zu den MDGs verantwortlich (siehe Südwind-Magazin 11/2014)

Globale Nachhaltigkeitsziele für die Post-2015-Entwicklungsagenda von Jens Martens

Abschied von der Führungsrolle von Andreas Novy

Blog von Chika Ezeanya, geboren in Nigeria, Wissenschaftlerin, Autorin und Bloggerin: www.chikaforafrica.com

Die Post-2015-Agenda. Reform oder Transformation?, Österreichische Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung

Der jüngste MDG-Bericht der Vereinten Nationen

 

„Wen interessiert das?“

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Das Fairphone als Erfolgsgeschichte – die nur symbolische Wirkung hat. Der deutsche Soziologe und Elektronik-Industrie-Experte Peter Pawlicki sprach im Rahmen einer ISJE-Veranstaltung Klartext.

Nein, Peter Pawlicki ist keiner, der die Fairphone-Unternehmung ablehnt. Im Gegenteil: Pawlicki, Soziologe mit Fokus auf die Elektronikindustrie, begrüßt die Idee und unterstützt Fairphone. Als ein Vertreter der Wissenschaft ist er Mitglied der Fairphone Arbeitsgruppe „Made with care“, die sich ansieht, wie die Produktionsbedingungen strukturell und schrittweise verbessert werden können.

Peter Pawlicki beim JournalistInnen-Workshop am 28.11.2014 in Wien im C3. Foto: ISJE
Peter Pawlicki beim JournalistInnen-Workshop am 28.11.2014 in Wien im C3. Foto: ISJE

Er verfolgt die Entwicklungen um Fairphone also ganz genau. Umso interessanter sind dadurch seine Einschätzungen.  Und Pawlicki, der Ende November im Rahmen eines JournalistInnen-Workshops von ISJE, FJUM und Clean-IT  im C3 in Wien war,  ist einer, der Klartext spricht: Wird das Fairphone etwas verändern können? Der Soziologe verweist auf die Relation: 35.000 Exemplare ließ Fairphone in einer zweiten Serie im Jahr 2014 produzieren. Pawlicki: „Selbst wenn Fairphone demnächst 50.000 produzieren lässt – wen interessiert das?“, so der Deutsche provokant.  Denn zum Vergleich: Das neue iPhone wurde allein am ersten Wochende mehr als zehn Million mal verkauft.

Wegen der kleinen Stückzahl war es laut Pawlicki am Anfang sogar schwierig, Zuliefer-Betriebe zu finden, die die Fairphones herstellen wollen. Die zweiwöchige Produktion ist alles andere als ein großes Geschäft.

Beim Fairphone, so Pawlicki weiter, „geht es nicht darum, von heute auf morgen etwas zu verändern, sondern zu zeigen, dass andere Wege möglich sind“.

Und abseits von Smartphones? Am ehesten von allen IT-Geräten sei noch die Computermaus „fair“ herstellbar (siehe auch den Versuch durch Nager IT), bei allen anderen scheitert es an den vielen Komponenten, aus denen die Produkte bestehen.

Grundsätzlich sieht Pawlicki bei der globalen Elektronikindustrie, die sich nicht zuletzt auf China konzentriert und bei der in vielen Fällen Menschen auf unterschiedlichste Weise ausgebeutet werden, ein strukturelles Problem: Die Zuliefer-Netzwerke sind streng hierarchisch, und sehr konzentriert. Von oben nach unten wird Druck weitergegeben.

Markenfirmen wie Samsung, Apple oder HP fahren die großen Gewinne ein, während schon die Hersteller wie Pegatron oder Quanta Acht geben müssen, da jeder Fehltritt finanzielle Probleme bedeuten könnten (Foxconn bleibe hier eine Ausnahme).

Bewusster Einkauf (allein) sei keine Lösung. Für Pawlicki ist eine „Hebelwirkung“ notwendig: Es müssten Regulierungen her, auf staatlicher und EU-Ebene. Das habe in anderen Bereichen sehr wohl funktioniert. Zudem brauche es weiterhin von NGOs & Co eine zivilgesellschaftliche Initiative sowie öffentliche Beschaffung, die auf fair hergestellte Produkte setzt. (sol)


Peter Pawlicki arbeitete lange Zeit am Institut für Sozialforschung der Universität Frankfurt an mehreren Forschungsprojekten zur internationalen Arbeitsteilung in der Elektronikindustrie. Im Rahmen seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit Entwicklungsnetzwerken der Halbleitersparte. Zuletzt arbeitet er bei der IG Metall als Projektsekretär zum Thema Arbeit und Innovation. Er ist Mitglied des internationalen GoodElectronics Netzwerkes und beobachtet Entwicklungen wie etwa das Fairphone.

Kontakt über die ISJE

Interview mit Peter Pawlicki auf dem Blog „Faire Computer“

In Österreich arbeitet das Clean IT zu dieser Thematik. U.a. will das Projekt ein Netzwerk öffentlicher Akteure etablieren, das auf „saubere“ oder „faire“ IT setzt.

Kontakt Clean IT

 Q&A: Wie (un)fair ist die Elektronikindustrie?

Wie „fair“ ist das Fairphone wirklich?

www.fairphone.com