Archiv der Kategorie: Politik

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PA: Internationale Entwicklungsfinanzierung: NGOs fordern Ende der Verwässerung und Widersprüche

OECD präsentiert Entwicklungshilfeleistungen 2024: „Wer heute spart, zahlt morgen den vielfachen Preis in Form größerer Konflikte, Krisen und wachsender Ungleichheit“


“Infolge der multiplen Krisen und Katastrophen in den vergangenen Jahren haben viele Länder Zusammenhalt mit den Menschen in Ländern des Globalen Südens und in Krisengebieten demonstriert. Doch nun droht die internationale Zusammenarbeit – und mit ihr der weltweite Kampf gegen Hunger, Gewalt, Armut und Ungleichheiten – den Sparkursen vieler Regierungen zum Opfer fallen”, warnt Michael Opriesnig, Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes, anlässlich der Präsentation der vorläufigen öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen (Official Development Assistance, ODA) der OECD-Mitgliedsstaaten für das Jahr 2024.

Die österreichische und viele weitere Regierungen bekennen sich zum Ziel, 0,7% des jährlichen Bruttonationaleinkommens (BNE) für ihre ODA bereitzustellen. Erreicht haben es erst wenige. Österreichs vorläufige ODA für 2024 ist stark gesunken, und zwar von 0,38% auf 0,34% des BNE. Opriesnig stellt klar: “Jeder noch so kleine Prozentpunkt kann Menschen vor weiteren Krisen schützen, ihr Überleben sichern und ihre Zukunftschancen verbessern. Wer hingegen heute spart, zahlt morgen den vielfachen Preis in Form von größeren Konflikten, langwierigeren Krisen und wachsender Ungleichheit.

OECD-Länder verwässern Entwicklungshilfeleistungen

Doch auch die zusätzliche Vereinbarung, 0,2% des BNE für die ärmsten Länder bereitzustellen, halten viele OECD-Länder nicht ein. Das seien Gelder, die etwa in der Bildung fehlen, ergänzt Reinhard Heiserer, Geschäftsführer von Jugend Eine Welt. „In den ärmsten Ländern unserer EINEN Welt ist eine qualitative Schul- und Berufsausbildung unerlässlich, damit Kinder und Jugendliche der Armutsspirale entkommen und ein Leben in Würde führen. Studien zeigen eindeutig: Bildung überwindet Armut!

Die Zivilgesellschaft kritisiert zudem seit Jahren, dass OECD-Mitgliedern erlaubt wird, beispielsweise die Unterbringungskosten für schutzsuchende Menschen im Inland in die ODA einzuberechnen. “Diese Gelder kommen nicht bei benachteiligten und gefährdeten Menschen weltweit an, sondern verbleiben in den wohlhabendsten Ländern. Sie verwässern die Entwicklungshilfeleistungen und vermitteln einen falschen Eindruck der Unterstützung”, erläutert Andreas Knapp, Generalsekretär Internationale Programme der Caritas Österreich. In den letzten Jahren machten solche Ausgaben rund 27% der österreichischen ODA aus.

Internationale Konferenz soll Weichen für gerechte Entwicklungsfinanzierung stellen

Die Weichen für eine gerechte wie treffsichere Entwicklungsfinanzierung könnten auf der Financing for Development-Konferenz der UNO vom 30. Juni bis 3. Juli 2025 in Sevilla gestellt werden, meint Martina Neuwirth, Steuer- und Wirtschaftsexpertin vom VIDC. Denn zu allem Übel haben die Corona-Krisenjahre viele Länder des Globalen Südens auch noch in eine Schuldenkrise gestürzt. “Über 80 Staaten sind überschuldet. 2024 zahlten sie so viel Schuldendienst an ihre ausländischen Gläubiger wie nie zuvor: eine Milliarde US-Dollar pro Tag! Gelder, die ihnen für eine nachhaltige Entwicklung fehlen”, erklärt Neuwirth und fordert tragfähige Entschuldungen.

Da es aber auch Maßnahmen auf der Einnahmenseite brauche, solle Österreich seine Skepsis gegenüber der derzeit verhandelten UN-Steuerkonvention dringend überdenken, betont Neuwirth. “Lange wurden Steuerspielregeln hinter den verschlossenen Türen der OECD verhandelt. Auf Druck der Länder des Globalen Südens sollen diese Entscheidungen zur UNO verlagert werden, wo sie gleichberechtigt mitbestimmen können. Gerechte Regeln für alle würden Machtasymmetrien abbauen und sind für Hochsteuerländer wie Österreich eine Chance, sich Verbündete zu suchen, um Steuerschlupflöcher zu schließen.”

Klimagerechtigkeit fördern und widersprüchliche Maßnahmen beenden

Die bedrohlichen Folgen der Erderhitzung haben die Rufe nach systemischen Veränderungen und nach einer Entwicklungsfinanzierung, die Klimagerechtigkeit födert, in den letzten Jahren weiter verstärkt”, gibt Andrea Barschdorf-Hager, Geschäftsführerin von CARE Österreich, zu bedenken. “Hitze, Dürren, Fluten und andere Wetterextreme zerstören bereits jetzt die Lebensgrundlagen vieler Menschen, verursachen Nahrungsmittel- und Wasserknappheit und führen zu Vertreibung sowie Konflikten um Ressourcen. Gezielte Unterstützung im Rahmen der internationalen Entwicklung und Humanitären Hilfe kann die Situation deutlich verbessern.”

Länder des Globalen Nordens sind also gefordert, als verlässliche Partner aufzutreten und widersprüchlichen Zielen und Maßnahmen ein Ende zu setzen, welche die nachhaltige Entwicklung von Ländern des Globalen Südens untergraben. Zum Beispiel in der Handels-, Rohstoff-, Steuer-, Landwirtschafts- und Migrationspolitik. Davon würden benachteiligte und gefährdete Menschen, etwa Menschen mit Behinderungen, besonders profitieren – und langfristig die Geberländer selbst”, fasst Alex Buchinger, Geschäftsführer von Licht für die Welt, zusammen.

Appell an Regierung: Ambitionierte Entwicklungsfinanzierung im Doppelbudget 2025 und 2026

Forderungen nach einer widerspruchsfreien Politik und nach einem Stopp der ODA-Verwässerungen könnten auf der Konferenz in Sevilla neuen Rückenwind erhalten, richtet sich Lukas Wank, Geschäftsführer der AG Globale Verantwortung, abschließend an die österreichische Außenministerin Beate Meinl-Reisinger. „Auf der Entwicklungsfinanzierungskonferenz kann Österreich sein internationales Profil als engagierter Akteur schärfen. Wir hoffen, dass Österreich an dieser mitwirkt und deren Ergebnisse umsetzt. Und wir appellieren, dass sich im angekündigten Doppelbudget 2025 und 2026 das Bekenntnis der Bundesregierung zu einer ambitionierten Entwicklungsfinanzierung widerspiegelt, und zwar durch bedarfsgerechte Mittel für internationale Entwicklung und Humanitäre Hilfe. Je schwerer die Zeiten sind, desto mehr sind Länder gefordert, zusammenzuarbeiten: für eine weltweit friedliche, stabile und gerechte Zukunft.


Die AG GLOBALE VERANTWORTUNG ist der Dachverband von 38 österreichischen NGOs der internationalen Entwicklung und Humanitären Hilfe. Unsere Mitgliedsorganisationen führen jährlich 1.000 Projekte in über 120 Ländern der Welt durch und tragen zu einem menschenwürdigen Leben für alle auf einem gesunden Planeten bei.

Rückfragen & Kontakt

AG Globale Verantwortung
Hannah Hauptmann, MA
Telefon: +43 699/172 042 07
E-Mail: presse@globaleverantwortung.at

Veranstaltungshinweis: „Die Aufklärung vor Europa retten“

Nikita Dhawan Professorin für Politikwissenschaft, TU Dresden, über ihr Buch im Gespräch mit Martina Neuwirth, Projektreferentin bei VIDC Global Dialogue.

Mittwoch, 7. Mai 2025, 18:00 bis 19:30 Uhr
Diplomatische Akademie Wien, Favoritenstraße 15a, 1040 Wien

Globale wirtschaftliche und politische Verwerfungen, die Zunahme an Konflikten und Kriegen. Der schärfer werdende Ton zwischen dem „Westen“ und dem – wahlweise – „Osten“ oder dem „(Globalen) Süden“. Das Infragestellen „aufgeklärt-westlicher Werte“ und die Krise der Demokratie. Und über allem die existenzbedrohende Umwelt- und Klimakrise.
Ist die Art, wie wir auf Krisen reagieren, schon Teil der Krise? Können wir am Erbe der Aufklärung, der Basis der Moderne, festhalten? Denn die Aufklärung steht nicht nur für Vernunft und Freiheit, sondern auch für die Idee einer Zivilisierungsmission Europas, die die brutale Kolonisierung der „Unzivilisierten“ in Afrika, Asien und Lateinamerika rechtfertigen sollte. Der Kolonialismus, so Dhawan, hinterlässt nach wie vor „seine Spuren in den geopolitischen, sozialen und wirtschaftlichen Fragen der Gegenwart“. Höchste Zeit also, „blinde Flecken“ zu hinterfragen und das „giftige Erbe“ der Aufklärung mitzudenken.
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PA: Bündnis präsentiert Faktencheck zu Lieferkettengesetz und Omnibus

Zum EU-Lieferkettengesetz kursieren viele Mythen. Das Bündnis „Menschenrechte brauchen Gesetze“, zu dem auch Südwind gehört, hält mit einem Faktencheck dagegen.

Rund um das EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) kursieren zahlreiche Fehlinformationen. Die Kampagne “Menschenrechte brauchen Gesetze”, ein Zusammenschluss aus Arbeitnehmer:innenvertretungen und NGOs, setzt dem einen kompakten Faktencheck entgegen. Morgen, am Donnerstag, dem 3. April, stimmt das EU-Parlament über die Verschiebung des Lieferkettengesetzes um ein weiteres Jahr ab. Der Faktencheck soll dabei helfen, die aktuell laufende Omnibus-Debatte besser einordnen zu können.

“Echte Entbürokratisierung erfordert konkrete Regeln, die auf Fakten beruhen. Das EU-Lieferkettengesetz ist eine historische Chance für faire und nachhaltige Globalisierung”, sagt Stefan Grasgruber-Kerl, Lieferkettenexperte bei Südwind. “Die aktuellen Deregulierungspläne gefährden nicht nur Menschenrechte und Klima, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit verantwortungsvoller Unternehmen”, ergänzt Bettina Rosenberger, Geschäftsführerin des Netzwerks Soziale Verantwortung.

Durch den Faktencheck wird unter anderem deutlich, dass das EU-Lieferkettengesetz Vorteile für kleine und mittlere Unternehmen bringt, weil es gleiche Regeln für alle schafft. Unternehmen (meist KMU), die bereits jetzt nachhaltig handeln und auf faire Produktionsbedingungen achten, haben derzeit einen wirtschaftlichen Nachteil. Durch das Lieferkettengesetz müssen künftig auch große Konzerne nachziehen. KMU selbst sind nur indirekt vom EU-Lieferkettengesetz betroffen. Für jene, die selbst als Produzenten in der Lieferkette großer Unternehmen tätig sind, sind Unterstützungen vorgesehen.

Rückfragen & Kontakt

Stefanie Marek
Pressesprecherin Südwind
+43 (0)680 1583016
stefanie.marek@suedwind.at
https://www.suedwind.at“ target=“_blank“>www.suedwind.at

PA: Dramatische Verschärfung der Krise: Vertreibung und Versorgungsengpässe im Westjordanland

Die humanitäre Lage im nördlichen Westjordanland hat sich aufgrund anhaltender Gewalt, Vertreibungen und Militäroperationen dramatisch verschlechtert. Seit Januar hat sich die Zahl der vertriebenen Palästinenser*innen im Westjordanland innerhalb weniger Wochen im Vergleich zu den Vormonaten verdreifacht. Mehr als 42.000 Menschen mussten die Flüchtlingslager in Jenin, Tulkarem, Nur Shams und El Far’a verlassen. Viele Gemeinden sind von der Grundversorgung abgeschnitten.  

„Es muss sofort gehandelt werden, um den Zugang zu sauberem Wasser, sanitären Einrichtungen, Hygieneartikeln und sicheren Unterkünften für die vertriebene und betroffene Bevölkerung zu gewährleisten. Viele Vertriebene haben kein Zuhause und müssen vorübergehend in Sammelunterkünften untergebracht werden. Zehntausende leben in nahezu unbewohnbaren Verhältnissen. Der fehlende Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen verschärft die Gesundheitsrisiken, und viele Gemeinden haben Schwierigkeiten, die Hygienestandards einzuhalten”, erklärt Vincent Stehli, Leiter Programme von Aktion gegen den Hunger.

Der Zugang zu lebenswichtiger Hilfe ist blockiert

Militäroperationen, Bewegungseinschränkungen, Zwangsvertreibungen und Straßensperren behindern den Zugang zu humanitärer Hilfe. Notunterkünfte sind überfüllt und unzureichend ausgestattet – in 70 Prozent fehlen grundlegende Hygieneartikel, was ein hohes Gesundheitsrisiko darstellt. Verzögerungen an Checkpoints und verweigerte Genehmigungen erschweren humanitäre Einsätze zusätzlich. Die Situation erinnert zunehmend an die militärischen Taktiken, die aus Gaza bekannt sind.

Im Lager Jenin wurden mehr als 15 Kilometer Straßen und 21 Kilometer Wasserleitungen zerstört. In den Lagern Tulkarem und Nur Shams sind fast 400 Häuser vollständig und weitere 2.500 teilweise zerstört. Alle Lager sind mit Erdwällen und Barrieren abgeriegelt Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten schätzt, dass es im gesamten Westjordanland über 849 mögliche Hindernisse wie zum Beispiel Straßensperren gibt. Verweigerte Genehmigungen und Sicherheitsrisiken erschweren die humanitäre Hilfe zusätzlich.

Wie Aktion gegen den Hunger im Westjordanland hilft

Aktion gegen den Hunger ist seit 2002 vor Ort tätig. Seit Beginn der jüngsten Militäroperationen hat Aktion gegen den Hunger Tausende Lebensmittelpakete, Hygienesets und Trinkwasser an vertriebene Familien in Jenin, Tubas und Tulkarem verteilt. Darüber hinaus wurden Öfen, Küchenutensilien und Heizgeräte bereitgestellt und mobile Latrinen in den Vertriebenenzentren errichtet.

„Tausende Menschen sind obdachlos und haben keinen Zugang zur Grundversorgung. Unser Team arbeitet unermüdlich, um Nothilfe zu leisten. Aber die Einschränkungen und Risiken machen unsere Arbeit extrem schwierig”, sagt Vincent Stehli. „Aktion gegen den Hunger benötigt 4 Millionen US-Dollar, um auf die Folgen der Militäroperationen zu reagieren und die Grundversorgung nach der Rückkehr der Menschen in ihre Häuser und Gemeinden sicherzustellen. Diese Schätzung beinhaltet die Verteilung von Lebensmittelpaketen, Non-Food-Artikeln, Hygienekits, die Verteilung von Wasserflaschen, Wassertransporte, Bargeld-Nothilfe sowie die Reparatur von Unterkünften, Wasser- und Sanitäranlagen”, erläutert Stehli.

Aktion gegen den Hunger führt weiterhin Schadens- und Bedarfsanalysen durch, um zukünftige Nothilfemaßnahmen zu planen. Aufgrund der Massenvertreibungen besteht weiterhin ein dringender Bedarf an lebensnotwendigen Gütern wie Bettzeug, Hygieneartikeln und Babypflegeprodukten. Darüber hinaus sind alle vertriebenen Familien in den Unterkünften auf externe Nahrungsmittelhilfe angewiesen.  

Hinweis an die Redaktionen

Sprecher*innen verfügbar: Gerne vermitteln wir Interviews, Gastbeiträge oder Hintergrundgespräche.

Über Aktion gegen den Hunger

Aktion gegen den Hunger ist eine humanitäre und entwicklungspolitische Hilfsorganisation, die weltweit in 56 Ländern und Regionen aktiv ist und über 21 Millionen Menschen unterstützt. Seit mehr als 45 Jahren kämpft Aktion gegen den Hunger gegen Mangelernährung, schafft Zugang zu sauberem Wasser und gesundheitlicher Versorgung. 8.987 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten Nothilfe und unterstützen Menschen beim Aufbau nachhaltiger Lebensgrundlagen.

Pressekontakt

Vassilios Saroglou / Markus Winkler
Tel. 030 – 279 099 776
E-Mail presse@aktiongegendenhunger.de
Website www.aktiongegendenhunger.de

Online: Peace&Justice-Talk #2 – Der große Umbruch

Wie wirkt sich die aktuelle Geopolitik auf Entwicklungsfinanzierung aus und inwiefern sind Frieden und Konflikttransformation davon betroffen?

Die neue Gesprächsreihe zum SDG 16, Thema der Entwicklungstagung 2025 in Innsbruck, organisiert vom Paulo Freire Zentrum, diskutiert Perspektiven von Akteur*innen aus Forschung und Zivilgesellschaft auf je einen zentralen Aspekt der Tagung.

Am Montag, 7. April 2025, um 15 Uhr live am Instagram-Account der Entwicklungstagung sowie als Aufzeichnung auf YouTube.

Es spricht:

  • Lukas Schlögl (Senior Researcher der ÖFSE – Österreichische Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung mit Schwerpunkt Entwicklungsfinanzierung)

Eine neue Unruhe hat die Welt der Entwicklungspolitik erfasst: Seit Donald Trumps Ankündigung, die US-Entwicklungsagentur US-Aid zu schließen, ist so manche Gewissheit ins Wanken geraten. Auch Großbritannien und die Niederlande haben beschlossen, Gelder der Entwicklungszusammenarbeit direkt für Rüstung umzuwidmen. Das Prophetenwort von den „Schwertern, die zu Pflugscharen gemacht werden“, wird derzeit in sein Gegenteil umgekehrt.

Für die Umsetzung der Sustainable Development Goals verheißt dies nichts Gutes, war zuletzt ohnehin bereits abzusehen, dass die 17 Ziele nicht erreicht werden können. Insbesondere das SDG 16 wirkt aktuell etwas aus der Zeit gefallen. Wird es EZA-finanzierte Prozesse der Konflikttransformation in Zukunft noch geben? Und was wird aus den österreichischen UN-Blauhelmmissionen, ein ohnehin umstrittener Teil der EZA-Ausgaben?

Im Gespräch mit Gerald Faschingeder wird Lukas Schlögl die aktuellen Herausforderungen im Feld der internationalen Entwicklungsfinanzierung benennen und dabei auf globale, wie auch auf nationale Trends eingehen.

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PA: Syrien: Massaker an alawitischen Zivilpersonen müssen als Kriegsverbrechen untersucht werden

Der neuen syrischen Regierung nahestehende Milizen haben nach Informationen von Amnesty International am 8. und 9. März 2025 in der Küstenstadt Banias mehr als 100 Menschen getötet. Die Organisation hat 32 der Tötungen untersucht und ist zu dem Schluss gekommen, dass sie vorsätzlich gegen die alawitische Minderheit gerichtet und rechtswidrig waren. Die Regierung muss sicherstellen, dass die Verantwortlichen für diese Gräueltaten zur Rechenschaft gezogen werden, fordert Amnesty International. Zudem müssen sofort Schritte unternommen werden, um sicherzustellen, dass Personen nicht aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit verfolgt werden. 

„Die Verantwortlichen für diese brutalen Massentötungen müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Unsere Beweise deuten darauf hin, dass regierungsnahe Milizen in grausamen Vergeltungsangriffen gezielt Zivilist*innen der alawitischen Minderheit ins Visier genommen und kaltblütig aus nächster Nähe erschossen haben. Zwei Tage lang haben die Behörden nicht eingegriffen, um das Morden zu beenden. Wieder einmal hat die syrische Zivilbevölkerung die höchsten Kosten zu tragen, da die Konfliktparteien versuchen, ihre Rechnungen zu begleichen“, so Agnès Callamard, Internationale Generalsekretärin von Amnesty International.

Kriegsverbrechen müssen rasch und unabhängig untersucht werden

Sie betont: „Die vorsätzliche Tötung von Zivilist*innen, von Verletzten, von Kämpfer*innen die sich ergeben haben oder gefangen genommen wurden ist ein Kriegsverbrechen. Die Staatengemeinschaft ist verpflichtet, die Vorwürfe rechtswidriger Tötungen rasch unabhängig und unparteiisch zu untersuchen.“

Bewaffnete Männer fragten die Menschen, ob sie Alawit*innen seien, bevor sie sie bedrohten oder töteten. In einigen Fällen schienen sie sie für die von der früheren Regierung begangenen Verbrechen verantwortlich zu machen, wie Zeug*innen Amnesty International berichteten. Die Familien der Opfer wurden von den Behörden gezwungen, ihre Angehörigen in Massengräbern ohne religiöse Rituale oder eine öffentliche Zeremonie zu bestatten.

„Die jüngsten Massaker an der alawitischen Minderheit hinterlassen neue Narben in einem Land, das jahrzehntelang unter schweren Menschenrechtsverstößen durch die Assad-Regierung und bewaffnete Gruppierungen zu leiden hatte. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die neue Regierung für Gerechtigkeit sorgt und diese Verbrechen aufdeckt, um einen Bruch mit der Vergangenheit und Nulltoleranz gegenüber Angriffen auf Minderheiten aufzuzeigen. Ohne Gerechtigkeit besteht die Gefahr, dass Syrien in einen Kreislauf aus weiteren Gräueltaten zurückfällt.“

Zum Geschehen:

Rechtswidrige Tötungen von Alawit*innen

Am 6. März 2025 verübten bewaffnete Gruppen, die mit der ehemaligen Regierung von Präsident Baschar al-Assad verbunden waren, mehrere koordinierte Angriffe auf Sicherheits- und Militäreinrichtungen in den Küstengouvernements Latakia und Tartus. Daraufhin leiteten das Verteidigungs- und das Innenministerium der neuen syrischen Regierung, unterstützt von mehreren Milizen, eine Gegenoffensive ein, die zu einer erheblichen Eskalation der Gewalt führte. Am 8. März gaben die Behörden bekannt, dass sie die Kontrolle über alle betroffenen Gebiete wiedererlangt hatten. In den darauffolgenden Tagen töteten mit der derzeitigen Regierung verbundene Milizen gezielt alawitische Zivilist*innen in Städten entlang der Küste. Darunter war auch die Stadt Banias, die 2013 Schauplatz eines Massakers der Regierung von Bashar al-Assad war. 

Untersuchungsausschuss muss ausreichend Ressourcen haben

Am 9. März versprach Präsident Ahmad al-Sharaa, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, setzte einen Untersuchungsausschuss ein, der die Ereignisse an der Küste untersuchen soll, und bildete einen Ausschuss zur Wahrung des inneren Friedens. Während der Untersuchungsausschuss ein positiver Schritt zur Aufklärung der Ereignisse und zur Identifizierung der mutmaßlichen Täter zu sein scheint, müssen die Behörden sicherstellen, dass der Ausschuss über das Mandat, die Befugnisse, das Fachwissen und die Ressourcen verfügt, um diese Morde wirksam zu untersuchen. Dazu gehören der Zugang zu Zeug*innen und Familien der Opfer und die Möglichkeit, diese zu schützen, sowie der Zugang zu den Massengräbern und die erforderliche forensische Expertise. Die Regierung sollte auch sicherstellen, dass der Ausschuss ausreichend Zeit hat, um seine Ermittlungen abzuschließen. 

Zu den Untersuchungen von Amnesty International vor Ort:

Amnesty International befragte 16 Personen, darunter fünf in der Stadt Banias und sieben in anderen Gebieten an der Küste, zwei in anderen Teilen Syriens und zwei außerhalb Syriens. Das Crisis Evidence Lab von Amnesty International überprüfte zudem neun Videos und Fotos, die zwischen dem 7. und 21. März 2025 mit Researcher*innen geteilt oder in sozialen Medien gepostet wurden, führte Waffenanalysen durch und analysierte Satellitenbilder. 

Die fünf Bewohner*innen der Stadt Banias, die Amnesty International befragte, berichteten, dass 32 ihrer Verwandten und Nachbar*innen, darunter 24 Männer, sechs Frauen und zwei Kinder, zwischen dem 8. und 9. März 2025 von regierungsnahen Milizen vorsätzlich getötet worden waren. Von den 32 Getöteten wurden 30 im Viertel al-Qusour getötet. Amnesty International erhielt zudem die Namen von 16 Zivilist*innen, deren Angehörige berichteten, dass sie in Latakia und im Umland von Tartus vorsätzlich getötet wurden.

Die UNO konnte insgesamt 111 Tötungen von Zivilpersonen in den Gouvernements Tartous, Latakia und Hama dokumentieren. Die UNO geht jedoch davon aus, dass die Zahl der an der Küste getöteten Menschen deutlich höher ist. Nach Angaben des Hochkommissariats für Menschenrechte handelte es sich in vielen der dokumentierten Fälle um „außergerichtliche Hinrichtungen, die auf sektiererischer Grundlage durchgeführt wurden, angeblich von nicht identifizierten bewaffneten Personen, die die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung unterstützen, und von Gruppierungen, die mit der früheren Regierung in Verbindung stehen“. Das Syrian Network for Human Rights (SNHR) dokumentierte die rechtswidrige Tötung von 420 Zivilpersonen und entwaffneten Kämpfer*innen (hors de combat), darunter 39 Kinder, zumeist durch mit den Behörden verbundene Milizen. 

Zeugenberichte: Tötungen in Wohnhäusern

Vier Bewohner*innen des Viertels al-Qusour in Banias berichteten, dass sie am 7. März 2025 Schüsse hörten. Am nächsten Tag drangen Dutzende von Milizionären, die mit der derzeitigen Regierung verbunden sind, in das Viertel ein. Dann begannen die Tötungen. Sie setzten sich am 8. und 9. März fort.

Samira* berichtete Amnesty International, dass eine Gruppe bewaffneter Männer am 9. März gegen 10 Uhr morgens in ihr Haus eindrang und ihren Mann mit einem Kopfschuss tötete. Einer der Männer fragte sie und ihren Mann, ob sie Alawit*innen seien, und gab dann der alawitischen Gemeinschaft die Schuld am Tod seines Bruders. Sie sagte: „Ich habe sie angefleht, [meinen Mann] nicht zu entführen. Ich erklärte ihnen, dass wir nichts mit den Morden in der Vergangenheit oder dem Tod seines Bruders zu tun hätten.“ Samira sagte, die Männer hätten ihren Mann auf das Dach gebracht und ihm gesagt, sie würden ihm zeigen, wie Alawit*innen Sunnit*innen getötet hätten. „Nachdem sie gegangen waren, ging ich auf das Dach und sah seine Leiche. Ich musste fliehen und flehte meinen Nachbar*innen an, die Leiche zu beschützen.“ Amnesty International hat sechs Bilder ausgewertet, auf denen die Leiche des Mannes, der eine sichtbare Kopfwunde hatte, in einer Blutlache liegt. Samira sagte, dass neben ihrem Mann auch der Ehemann ihrer Nachbarin und ihr Schwager getötet wurden.

Gegen 11 Uhr am 8. März erhielt Ahmad* einen Anruf von einem Verwandten, der ihm mitteilte, dass bewaffnete Männer sein Haus gestürmt und seinen Vater erschossen hätten. Ahmad sagte Amnesty International: „Meine Mutter erzählte mir, dass vier bewaffnete Männer am frühen Morgen unser Haus betraten. Ihre erste Frage war, ob [meine Familienmitglieder] Alawit*innen seien.“ Die Männer begannen, Ahmads Bruder zu verprügeln, sein Vater versuchte, sie aufzuhalten. „Meinem Vater wurde befohlen, sich wegzudrehen. Als er das tat, schoss ihm ein bewaffneter Mann in den Rücken, wobei die Kugel aus seiner Brust austrat. 20 Minuten später kamen sie zurück und nahmen die Leiche mit.“ Amnesty International hat sich ein Video angesehen, auf dem Blut auf dem Boden verstreut ist, das laut Ahmad seinem Vater gehörte. 

Saed* war über das Wochenende zu Besuch bei seinen Eltern. Gegen 10 Uhr am 9. März betrat eine Gruppe bewaffneter Männer das Gebäude. „Ich rief meiner Familie zu, mir zu folgen, und rannte durch die Tür auf das Dach. Sie waren hinter mir. Ich erreichte das Dach, aber meine Familie war nicht da… Dann hörte ich, wie die bewaffneten Männer meinen Bruder fragten, ob er Alawit oder Sunnit sei. Mein Bruder antwortete, aber seine Stimme zitterte. Mein zweiter Bruder griff ein und sagte zu ihnen: ‚Nehmt alles, was ihr wollt, aber lasst uns in Ruhe‘. Dann hörte ich die Stimme meines Vaters und dann klang es, als würden sie sie nach unten bringen. Danach hörte ich Schüsse.“ Wenige Minuten später fand Saed die Leichen seines Vaters und seiner Brüder erschossen am Eingang des Gebäudes. Amnesty International prüfte Bilder, auf denen drei Leichen außerhalb eines Gebäudes zu sehen waren, bei dem es sich offenbar um ein Wohnhaus handelte. Ein medizinischer Mitarbeiter eines nahe gelegenen Krankenhauses bestätigte Amnesty International, sie hätten von Milizen und Zivilschutzteams Dutzende von Leichen erhalten, die im Krankenhaus in Banias, meist außerhalb des Kühlschranks der Leichenhalle, in Stapeln aufbewahrt wurden. Die Familien mussten die Leichen durchsuchen, um ihre Angehörigen zu finden.

In Massengräbern aufgestapelt

Zeug*innen berichteten Amnesty International, dass viele der an den Morden beteiligten Männer Syrer waren, dass sich aber auch einige Ausländer unter ihnen befanden. Nach Angaben von Anwohner*innen griffen die Behörden weder ein, um das Morden zu beenden, noch boten sie den Anwohner*innen sichere Wege, um vor den bewaffneten Männern zu fliehen.

Zwei Anwohner*innen berichteten Amnesty International, dass sie mindestens 15 km durch die Wälder laufen mussten, um sich in Sicherheit zu bringen. Drei andere sagten, die einzige Möglichkeit zu fliehen sei gewesen, mit der HTS mitzugehen, einer ehemaligen bewaffneten Gruppe, die in die Regierungsstreitkräfte integriert ist.

Sieben Befragte berichteten Amnesty International, dass es ihnen oder ihren Angehörigen von den Behörden nicht gestattet wurde, die im Viertel al-Qusour getöteten Familienmitglieder nach religiösen Riten, an einem Ort ihrer Wahl oder in einer öffentlichen Zeremonie zu bestatten. Stattdessen wurden die Leichen auf einem leeren Grundstück neben dem Sheikh-Hilal-Friedhof in der Nähe des Viertels aufgestapelt. 

Saed* sagte, die Sicherheitskräfte hätten einen leeren Platz neben dem Friedhof ausgehoben und die Leichen dort aufgereiht. Ihm war es nicht erlaubt, Fotos zu machen oder andere Familienmitglieder bei der Beerdigung dabei zu haben: „Ich habe Hunderte von Leichen gesehen. Ich war allein bei der Beerdigung meiner Brüder. Die Leichen lagen neben- und übereinander.

Das Crisis Evidence Lab von Amnesty International hat vier Bilder der Begräbnisstätte im Stadtteil al-Qusour verifiziert, auf denen die Gräber inoffiziell markiert sind. Satellitenbilder bestätigen, dass der Boden in dem Gebiet zwischen dem 8. und 10. März 2025 abgetragen wurde.

Nach dem humanitären Völkerrecht sollten die Toten nach Möglichkeit nach den Riten der Religion, der sie angehörten, und grundsätzlich in Einzelgräbern bestattet werden. 

*Name aus Sicherheitsgründen geändert

Rückfragen
Presseteam Amnesty International Österreich
Eleonore Rudnay
+43-664-400 10 56
presse@amnesty.at

Veranstaltungshinweis: Entwicklungspolitik in der Zeitenwende

Podiumsdiskussion und Präsentation der ÖFSE Flagship Publikation „Österreichische Entwicklungspolitik 2024“.

 2025 17:00 – 19:00
C3 – Centrum für Internationale Entwicklung, Alois Wagner-Saal, Sensengasse 3, 1090 Wien

Die überfallsartige Abwicklung von USAID durch die Regierung Trump oder die Kürzung der ODA in Großbritannien zugunsten des Verteidungsetats haben die Krise der Globalen Entwicklungspolitik in den letzten Wochen verschärft. Auch die EU will aufrüsten. Was bedeuten die aktuellen Umbrüche für die Internationale Kooperation, und wohin bewegt sich die österreichische Entwicklungspolitik?

Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der Präsentation der Ausgabe 2024 der ÖFSE Flagship Publikation „Österreichische Entwicklungspolitik“. Seit 1985 gibt die ÖFSE regelmäßig die Publikation „Österreichische Entwicklungspolitik“ heraus und trägt damit zu einer differenzierten entwicklungspolitischen Diskussion bei. Am 29. April 2025 dürfen wir unsere jüngste Ausgabe der Öffentlichkeit vorstellen. Nach einer Präsentation der Finanzflüsse Österreichs an Entwicklungsländer diskutiert ein hochkarätiges Podium die aktuellen Umbrüche in der Entwicklungszusammenarbeit.

Anmeldung: anmeldung@oefse.at

Ausschreibung: Global Peace Photo Award

Der 2013 als Alfred Fried Photography Award gegründete Global Peace Photo Award ist der weltweit wichtigste Preis für Friedensfotografie und zieht jedes Jahr Einsendungen aus mehr als 120 Ländern an.

Fotograf:innen aus aller Welt zeigen uns, wie Frieden für sie persönlich aussieht.
Der Global Peace Photo Award ist inspiriert vom Leitgedanken der Friedensnobelpreisträger von 1911, Alfred Fried und Tobias Asser.

Call for Entries
Die Ausschreibung beginnt am 1. April 2025.
Senden Sie uns Ihre Einreichung bis zum 18. Mai 2025 und zeigen Sie uns: Wie sieht Frieden aus?
https://www.globalpeacephotoaward.org

Das Einreichen ist kostenlos.
Klicken Sie hier, um die Bedingungen und häufig gestellten Fragen zu lesen. (Englisch)

Preise:
Das Friedensbild des Jahres wird mit einem Geldpreis von € 7.000 ausgezeichnet. Es wird ein Jahr lang im österreichischen Parlament ausgestellt und in die ständige Kunstsammlung des österreichischen Parlaments aufgenommen.

3 Gewinner:innen in der Kategorie Stories erhalten je € 1.000 
1 Gewinner:in in der Kategorie Einzelbild erhält € 1.000
1 Kinder-Friedensbild des Jahres erhält € 1.000

Alle Sieger-Arbeiten des Global Peace Photo Award werden mit der Alfred-Fried-Friedensmedaille ausgezeichnet, die Fotograf:innen werden zur Preisverleihung im September 2024 nach Wien eingeladen, wobei Reisekosten und Unterkunft übernommen werden. Die Bilder werden ein Jahr lang im österreichischen Parlament ausgestellt.

Werke des Global Peace Photo Award wurden unter anderem im UNESCO-Hauptquartier in Paris, im Willy-Brandt-Haus in Berlin, bei der Genfer Friedenswoche, im Forum Austriaco di Cultura in Rom und beim eXposure Festival in Sharjah ausgestellt. Darüber hinaus wurden die in die engere Wahl gezogenen Bilder sowie 320 weitere bemerkenswerte Arbeiten in einer 50-minütigen Animation zusammengefasst, die siebenmal täglich auf der DIGI-WALL am Wiener Hauptbahnhof gezeigt wird, wo sie täglich von 18 000 Reisenden gesehen werden kann.

Die Siegerbilder und eine Best-of-the-Shortlist wurden auf dem Festival La Gacilly-Baden Photo gezeigt, dem größten Open-Air-Fotofestival in Europa mit über 300000 Besuchern. Unter dem Titel A Culture of Solidarity wurde eine weitere Auswahl von Bildern in Tulln, Österreich, und Celje, Slowenien, gezeigt.


Submit here: www.globalpeacephotoaward.org
Follow us on Instagram: globalpeacephotoaward

Rückfragen:

Lois Lammerhuber
Global Peace Photo Award
Edition Lammerhuber
T +43 699 135 83 989
lois.lammerhuber@friedaward.com
 

Neu erschienen: Sicherheit im Wandel: Entwicklungszusammenarbeit in einer konfliktreichen Welt

Konflikte und Spannungen nehmen auf regionaler, nationaler und globaler Ebene zu. Die aktuelle Ausgabe der WELTNACHRICHTEN, des Magazins der Austrian Development Agency, berichtet darüber, wie staatliche Einrichtungen, internationale Organisationen und die Zivilgesellschaft mit der neuen Situation umgehen – und wie die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit die Förderung von Frieden und die Stabilisierung von Krisenregionen noch stärker in den Fokus rückt.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie die Kriege im Nahen Osten oder im Sudan stellen die internationale Gemeinschaft vor immer größere Herausforderungen. Auch in vielen Regionen weit weg von der Aufmerksamkeit internationaler Medien verschlimmern sich die Lebensbedingungen von Menschen aufgrund von bewaffneten Auseinandersetzungen. Die Komplexität der Konflikte erfordert neue Herangehensweisen und Lösungsansätze. Entwicklungszusammenarbeit kommt bei der Bewältigung dieser Herausforderungen eine besondere Rolle zu, macht die aktuelle Ausgabe der WELTNACHRICHTEN, des Magazins der Austrian Development Agency (ADA), deutlich.
 
ADA: „Aufbau von nachhaltigem Frieden zentrale Säule unserer Arbeit“
„Angesichts zunehmender Konflikte und Krisen bleibt der Aufbau von nachhaltigem Frieden auf der Welt eine zentrale Säule unserer Arbeit. In unserer polarisierten Welt wollen wir Wege finden, die dauerhaft zu mehr Frieden und Stabilität beitragen“, betont ADA-Geschäftsführer Friedrich Stift.
 
Unterstützung für Projekte, die Sicherheit bringen
In diesem Sinne unterstützt die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit Projekte, die auf lokaler Ebene zu mehr Sicherheit beitragen – etwa indem sie das Verständnis zwischen verschiedenen beruflichen, sozialen, religiösen oder nationalen Gruppen fördern. So bieten das Austrian Centre for Peace und das Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre Kurse in Katastrophenhilfe und Friedensarbeit in Ghana an. Die internationale Organisation Saferworld bringt Gemeinschaften in den Grenzgebieten von Kenia, Uganda und dem Südsudan zusammen. Vétérinaires Sans Frontières Suisse setzt auf lokale Expertise, um Konflikte an der Grenze zwischen Burkina Faso, Mali und Niger zu verringern. Und die Internationale Organisation für Migration fördert den Austausch zwischen jungen Bosnierinnen und Bosniern unterschiedlicher ethnischer und religiöser Herkunft, unter anderem durch gemeinsame Theateraufführungen – alles mit Unterstützung aus Österreich.
 
Österreich: Sicherheit als Zukunftsthema
Dass Entwicklungszusammenarbeit bei der Förderung von Frieden und Stabilität eine besondere Rolle zukommt, und sich Österreich der neuen internationalen Situation anpasst, zeigt auch die Verabschiedung der neuen österreichischen Sicherheitsstrategie. Sie wurde im Sommer 2024 aktualisiert und hebt die sicherheitspolitische Relevanz von Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe hervor.
 
Das schreibt auch Jan Pospisil vom Centre for Peace and Security der Coventry University in seinem Leitartikel für die WELTNACHRICHTEN. „Entwicklungszusammenarbeit wird ihre Rolle als präventiver Akteur ausbauen müssen“, sagt Pospisil, und definiert dafür 3 zentrale Handlungsfelder: konfliktlindernde Maßnahmen, vermehrte Förderung von Konfliktprävention sowie eine gestärkte europäische Sicherheitspolitik. So kann Entwicklungszusammenarbeit einen nachhaltigen Beitrag zur Friedensförderung leisten.
 
Herausforderungen bei der Arbeit vor Ort
Und das braucht es dringend. Denn die Rahmenbedingungen in den Partnerländern der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit werden fragiler. Das spüren auch die ADA-Büroleiterinnen in Moldau und Äthiopien sowie der Leiter des Österreichischen Vertretungsbüros in den Palästinensischen Gebieten. Sandra Horina, Doris Gebru-Zeilermayr und Marian Wrba berichten in den WELTNACHRICHTEN über ihren Arbeitsalltag in einem sensiblen Sicherheitsumfeld.
 
Interview mit EU-Kommissar für internationale Partnerschaften
Jozef Síkela, EU-Kommissar für internationale Partnerschaften, erläutert in seinem Interview mit den WELTNACHRICHTEN die Rolle der EU-Initiative Global Gateway. Er betont, wie diese Initiative etwa zur Bewältigung der globalen Herausforderungen im Bereich Migration beiträgt, und warnt nachdrücklich vor Budgetkürzungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit.
 
Außerdem in dieser Ausgabe zu lesen:
–       Kommentar „Demokratie in Gefahr“
–       Westbalkan: Stabilität in der Nachbarschaft fördern
–       Sahel: Menschen ins Gespräch bringen.
 
Die WELTNACHRICHTEN berichten vierteljährlich über entwicklungspolitische Themen. Herausgeberin ist die Austrian Development Agency. Alle Beiträge, Reportagen, Interviews und Geschichten sind auch online nachzulesen. Die WELTNACHRICHTEN sind kostenlos. Bestellungen unter oeza.info@ada.gv.at.

Austrian Development Agency
Seit ihrer Gründung im Jahr 2004 unterstützt die Austrian Development Agency (ADA) Länder in Afrika, Asien, Südost- und Osteuropa bei ihrer nachhaltigen Entwicklung. Seitdem hat die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit gemeinsam mit ihren Partnern viel erreicht – die Lebensumstände von Millionen von Menschen haben sich substanziell verbessert. Aktuell veranlassen die Klimakrise, Kriege und Konflikte jedoch immer mehr Menschen zur Flucht und verschärfen Armut und Hunger. Die Vision der ADA von einem guten Leben für alle bleibt trotz allem unverändert. Wirksame Entwicklungszusammenarbeit ist heute wichtiger denn je. Zusammen mit öffentlichen Einrichtungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Universitäten und Unternehmen ermöglicht die ADA bessere Lebensbedingungen und Perspektiven vor Ort.
 
Rückfragehinweis:
Austrian Development Agency (ADA),
die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit
Mag. Katharina Schreiber
Tel.: +43 (0)1 903 99-2410
katharina.schreiber@ada.gv.at
https://www.entwicklung.at/

Statement: UNICEF: Die Auswirkungen der globalen Finanzierungskrise humanitärer Hilfe in Äthiopien und Nigeria

„In den vergangenen 25 Jahren haben wir bedeutende Fortschritte im Kampf gegen die globale Mangelernährung bei Kindern erzielt. Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der unter Wachstumsverzögerung leidenden Kinder um 55 Millionen – also um ein Drittel – gesunken. Im Jahr 2024 haben UNICEF und unsere Partner 441 Millionen Kinder unter fünf Jahren mit Dienstleistungen zur Vorbeugung aller Formen von Mangelernährung erreicht. 9,3 Millionen Kinder erhielten eine Behandlung gegen schwere Auszehrung und andere Formen schwerer akuter Mangelernährung.

Diese Fortschritte waren nur möglich dank des Engagements der Regierungen und der Großzügigkeit unserer Unterstützerinnen und Unterstützer – dazu zählen staatliche Stellen ebenso wie die Privatwirtschaft und philanthropische Organisationen –, deren unerschütterliche Hilfe entscheidend für die Prävention und Behandlung von Mangelernährung bei Kindern im globalen Maßstab war.

Heute jedoch werden diese hart erarbeiteten Erfolge zunichtegemacht, denn humanitäre Hilfsorganisationen stehen vor einer anderen, sich verschärfenden Krise: einem drastischen Rückgang der finanziellen Unterstützung für unsere lebensrettende Arbeit. Doch es geht nicht nur um die Höhe der Kürzungen – das Problem liegt auch in der Art und Weise, wie diese Kürzungen vorgenommen wurden: teils abrupt und ohne Vorwarnung, was uns keine Zeit ließ, um die Auswirkungen auf unsere Programme für Kinder abzufedern.

Anfang dieser Woche habe ich die Folgen dieser Finanzierungskrise mit eigenen Augen gesehen – bei meinem Besuch in der Afar-Region im Norden Äthiopiens und in Maiduguri im Nordosten Nigerias. Aufgrund der Finanzierungslücken in beiden Ländern könnten im Laufe dieses Jahres fast 1,3 Millionen Kinder unter fünf Jahren mit schwerer akuter Mangelernährung keinen Zugang mehr zur Behandlung erhalten – und wären damit einem deutlich erhöhten Sterberisiko ausgesetzt.

In Afar, einer Region, die regelmäßig von Dürren und Überschwemmungen betroffen ist, habe ich ein mobiles Gesundheits- und Ernährungsteam besucht, das lebensrettende Hilfe für nomadische Gemeinschaften in abgelegenen Gebieten ohne Gesundheitszentren leistet. Diese Teams sind für die Unterstützung der Kinder von entscheidender Bedeutung – sie behandeln schwere Auszehrung, impfen und versorgen sie mit wichtigen Medikamenten.

Doch ohne diese Maßnahmen sind die Leben der Kinder in großer Gefahr. Derzeit sind nur 7 der 30 mobilen Gesundheits- und Ernährungsteams, die UNICEF in Afar unterstützt, überhaupt einsatzfähig – eine direkte Folge der globalen Finanzierungskrise.

Wir gehen davon aus, dass UNICEF im Mai keine gebrauchsfertige therapeutische Spezialnahrung (RUTF) mehr zur Behandlung schwer mangelernährter Kinder zur Verfügung haben wird – mit potenziell katastrophalen Folgen für die rund 74.500 Kinder in Äthiopien, die jeden Monat eine Behandlung benötigen.

In Nigeria – wo etwa 80.000 Kinder pro Monat behandelt werden müssen – könnten die RUTF-Vorräte zwischen diesem Monat und Ende Mai ebenfalls erschöpft sein.

Aber der Fokus darf sich nicht nur auf RUTF richten – oder darauf, Kinder erst zu behandeln, wenn sie bereits schwer unterernährt sind. Programme müssen auch Leistungen erbringen, die Mangelernährung von vornherein verhindern – dazu gehören Unterstützung beim Stillen, Zugang zu Mikronährstoffen wie Vitamin A sowie die Gewährleistung grundlegender Gesundheitsdienste zur Behandlung anderer Krankheiten.

Die Finanzierungskrise betrifft jedoch nicht nur Äthiopien und Nigeria … sie ist ein weltweites Phänomen, und die verwundbarsten Kinder leiden am stärksten darunter.

Unsere größte Sorge im Moment ist, dass bereits ein kurzfristiger Stopp der lebenswichtigen UNICEF-Maßnahmen das Leben von Millionen Kindern gefährden würde – zu einem Zeitpunkt, an dem der Bedarf ohnehin extrem hoch ist: UNICEF schätzt, dass im Jahr 2025 mehr als 213 Millionen Kinder in 146 Ländern und Territorien humanitäre Hilfe benötigen werden.

Wir sind entschlossen, weiterhin für die Kinder dieser Welt da zu sein – gerade in Zeiten beispielloser Not. UNICEF verpflichtet sich, gemeinsam mit unseren Partnern dafür zu sorgen, dass humanitäre und entwicklungspolitische Anstrengungen weltweit effizient, wirkungsvoll und transparent bleiben.

Während weltweit in den Hauptstädten die Überprüfung der Auslandshilfe andauert, möchte ich die Regierungsverantwortlichen daran erinnern, dass Zögern nicht nur den Kindern schadet – es erhöht auch langfristig die Kosten für uns alle. In das Überleben und Wohlergehen von Kindern zu investieren, ist nicht nur moralisch richtig – es ist auch die wirtschaftlich klügste Entscheidung, die eine Regierung treffen kann.

Foto- und Videomaterial passend zum Thema.

UNICEF Österreich
Michael Blauensteiner
Telefon: +43 660 38 48 821
E-Mail: blauensteiner@unicef.at
Website: https://unicef.at