Archiv der Kategorie: Politik

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Aviso: Gedenkkundgebung „10 Jahre Rana Plaza“ am 24. April in Wien

Ein Breites Bündnis der Clean Clothes Kampagne erinnert an 1.175 Tote beim Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch und lädt zum Aktionstag ein: 24. April, 17:30 Uhr.

Wien, 17. April 2023. Der verheerende Einsturz des Rana Plaza-Gebäudes in Savar/Bangladesch am 24. April 2013 war der traurige Gipfel von vielen Bränden und Unfällen in der Textilproduktion in Ländern des Globalen Südens, bei denen immer wieder zahlreiche Menschen ums Leben kamen oder verletzt wurden. Die gefährlichen Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie waren damit in aller Munde und die weltweite Betroffenheit groß. Trotz wichtiger Schritte bei der Verbesserung der Gebäudesicherheit sind die Arbeitsbedingungen in der globalen Textilproduktion nach wie vor prekär, gefährlich und die Löhne noch immer nicht existenzsichernd für die Arbeiter:innen. Die Partner der Clean Clothes Kampagne fordern daher ein strenges EU-Lieferkettengesetz, das Unternehmen menschenrechtliche Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Lieferketten vorschreibt.

1.175 Tote mahnen! Die Clean Clothes Kampagne – bestehend aus 13 Plattform-Organisationen – und weitere Vertreter:innen der Zivilgesellschaft laden zum gemeinsamen Gedenken an die verunglückten Arbeiter:innen ein:   

Gedenken: #NieWiederRanaPlaza 
Mit Rede- und Musikbeiträgen und symbolischer Erinnerung an 1.175 Texilarbeiter:innen. 

Wann: Montag, 24. April 2023, 17:30 – 19:30 Uhr 
Wo: Platz der Menschenrechte, Museumsquartier, 1070 Wien 

Redebeträge kommen unter anderem von Zeitzeug:innen, Vertreter:innen von Südwind, GLOBAL 2000, der Gewerkschaft PRO-GE, weltumspannend arbeiten (ÖGB), den Nationalratsabgeordneten Michel Reimon und Julia Herr sowie der ehemaligen EU-Parlamentarierin Ulrike Lunacek. 

Am Nachmittag des 24. Aprils informieren Aktivist:innen von Südwind auf der Mariahilfer Straße über 10 Jahre Rana Plaza und die Notwendigkeit für ein strenges Lieferkettengesetz.

Medienvertreter:innen sind herzlich eingeladen! Auf Nachfrage vermittelt die Clean Clothes Kampagne gerne auch exklusive Hintergrundgespräche mit Expert:innen und Betroffenen in Bangladesch.

Rückfragehinweis:
Vincent Sufiyan, Kommunikationsleiter Südwind,
Tel.: +43 650 96 77 577, E-Mail: vincent.sufiyan@suedwind.at

Gertrude Klaffenböck, Clean Clothes Kampagne Österreich,
Tel.: +43 (0)1 405 55 15 331, E-Mail: gertrude.klaffenboeck@suedwind.at
www.cleanclothes.at

Veranstaltungshinweis: Europe in Polycrisis: Struggles for Survival, Climate and Energy Justice Presentation of the EuroMemorandum 2023

The EuroMemorandum is the annual report on the political and economic state of the union, published by the European Economists for an Alternative Economic Policy in Europe (the EuroMemo Group), a network of European economists, social science as well as legal scholars committed to promoting full employment with good work, social justice with an eradication of poverty and social exclusion, ecological sustainability, and international solidarity.

Speakers:
Marica Frangakis, Nicos Poulantzas Institute, Athens
Werner Raza, ÖFSE
Magnus Ryner
, Kings College London
Heikki Patomäki, University of Helsinki

The neoliberal global and European order has entered a polycrisis, understood as multiple shocks feeding each other with growing complexity. Taking its cue from the UNEP Emissions Gap Report that the time for incremental change has passed, and that only a root-and-branch economic transformation can save humanity from disaster, the 2023 EuroMemorandum analyses the polycrisis Europe faces, critiques EU policy, and offers radical policy-alternatives.

More information and programme (pdf)

Briefkampagne zur Unterstützung iranischer Journalistinnen & Journalisten

Reporter Ohne Grenzen bittet um Beteiligung.

Während der Aufstand im Iran weiterhin die weltweite Aufmerksamkeit auf das gewaltsame staatliche Vorgehen gegenüber Menschen lenkt, die gegen die Sittengesetze protestieren, wurden über 50 Journalist:innen verhaftet, weil sie über die Ereignisse berichtet hatten.

Diese Verhaftungen und die anschließende schlechte Behandlung der inhaftierten Medienschaffenden untergraben das Recht auf freie Meinungsäußerung, wie es in Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgehalten ist.

Das Schreiben von Briefen hat eine lange Tradition, wenn es darum geht, Menschenrechtsverletzende zur Rechenschaft zu ziehen und Menschen, die zu Unrecht inhaftiert sind, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Für diese Kampagne wurden zwei österreichische, zwei EU- und zwei iranische Regierungsvertreter als Zielgruppe ausgewählt.

Mehr Informationen und Formular zum Mitmachen

PA: Amnesty International Jahresbericht 2022/23: Internationale Gemeinschaft versagt bei Lösung globaler Krisen

Amnesty International veröffentlicht Jahresbericht 2022/23 zur weltweiten Lage der Menschenrechte in 156 Ländern, darunter auch Österreich. Die globale Doppelmoral bei den Menschenrechten zeige, dass die internationale Gemeinschaft nicht geschlossen hinter Menschenrechtsstandards und universellen Werten steht. Die entschlossene Reaktion der westlichen Welt auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine stehe im Kontrast zu weitgehender Untätigkeit bei schweren Menschenrechtsverstößen in anderen Ländern.

Vollständiger Amnesty International Jahresbericht 2022/23 zum Download (Englisch)
Österreich-Kapitel zum Download (Deutsch)

Die Invasion Russlands in der Ukraine führte zu zahlreichen Kriegsverbrechen, löste eine weltweite Energie- und Nahrungsmittelkrise aus und zerrüttete ein bereits geschwächtes multilaterales System. Darüber hinaus trat die Doppelmoral westlicher Staaten zutage, die auf den Angriffskrieg des Kremls zwar deutlich reagierten, schwere Menschenrechtsverletzungen anderswo jedoch duldeten oder gar an ihnen beteiligt waren, so Amnesty International in der alljährlichen Bewertung der weltweiten Lage der Menschenrechte.

Der Amnesty International Report 2022/23 zur weltweiten Lage der Menschenrechte dokumentiert, wie Straflosigkeit und Instabilität durch Doppelmoral und unzulängliches Vorgehen gegen Menschenrechtsverstöße in aller Welt angefacht wurden – so z. B. das laute Schweigen zur Menschenrechtsbilanz Saudi-Arabiens, die Untätigkeit zu Ägypten oder Israel.

Der Amnesty Report wirft auch ein Licht auf Chinas skrupellose Taktiken, um internationale Maßnahmen gegen die in Xinjiang begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu vermeiden. Gleichzeitig beleuchtet Amnesty das auf Eigeninteresse zurückzuführende Unvermögen globaler und regionaler Institutionen, angemessen auf Konflikte zu reagieren, die u.a. in Äthiopien, Myanmar und Jemen Tausende von Menschenleben gekostet haben.

„Die russische Invasion der Ukraine ist ein Beispiel dafür, was passieren kann, wenn Staaten der Ansicht sind, ungestraft Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das Völkerrecht begehen zu können“, mahnt Agnès Callamard, internationale Generalsekretärin von Amnesty International.

„Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde vor 75 Jahren aus der Asche des Zweiten Weltkriegs geschaffen. Ihr Herzstück ist die allgemeingültige Anerkennung der Rechte und Grundfreiheiten aller Menschen. Die Menschenrechte sollten ein Leuchtfeuer sein, damit wir das zunehmend unbeständige und gefährliche Fahrwasser, in dem sich Welt bewegt, sicher durchkreuzen können. Wir dürfen nicht abwarten, bis die Welt erneut in Flammen steht.“

Freipass für Krieg und Unterdrückung

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine löste eine der schwersten humanitären und menschenrechtlichen Notlagen in der jüngeren Geschichte Europas aus. Mit dem russischen Angriffskrieg gingen massenhafte Vertreibung, Kriegsverbrechen, eine globale Energieverknappung und Ernährungsunsicherheit einher.

Der Westen reagierte sofort mit Wirtschaftssanktionen gegen Russland und schickte militärische sowie humanitäre Hilfe in die Ukraine. Der Internationale Strafgerichtshof leitete Ermittlungen zu Kriegsverbrechen in der Ukraine ein und die UN-Generalversammlung verurteilte die russische Invasion als Akt der Aggression.

Dieser resolute und begrüßenswerte Ansatz stand jedoch in krassem Gegensatz zu früheren Reaktionen auf schwerwiegende Verstöße durch Russland und anderen Akteur*innen, und auch in scharfem Kontrast zu völlig unzureichenden Maßnahmen angesichts gegenwärtiger Konflikte wie z. B. in Äthiopien und Myanmar.

Für Palästinenser*innen im besetzten Westjordanland war 2022 eines der tödlichsten Jahre seit Beginn der systematischen Erfassung der Opferzahlen durch die Vereinten Nationen im Jahr 2006: Über 150 Menschen, darunter Dutzende Kinder, wurden von israelischen Streitkräften getötet. Israelische Behörden vertrieben nach wie vor Palästinenser*innen aus ihren Wohnungen und Häusern, und die Regierung entwickelte Pläne zur drastischen Ausweitung illegaler Siedlungen im gesamten Westjordanland. Anstatt ein Ende dieser Menschenrechtsverletzungen zu fordern, gingen viele westliche Regierungen dazu über, diejenigen anzugreifen, die dieses Unrecht anprangern.

EU-Mitgliedstaaten öffneten ihre Grenzen für Menschen, die aufgrund des russischen Angriffskriegs aus der Ukraine flohen, und bewiesen damit, dass die EU als einer der wohlhabendsten Blöcke der Welt durchaus in der Lage ist, eine große Anzahl schutzsuchender Personen aufzunehmen und ihnen Zugang zu Gesundheitsleistungen, Bildungsmöglichkeiten und Wohnraum zu geben. Allerdings hielten viele von ihnen ihre Türen fest verschlossen, wenn es um Menschen ging, die vor Krieg und Unterdrückung aus Syrien, Afghanistan oder Libyen flohen.

Aus Doppelmoral erwachsen weitere Menschenrechtsverstöße

„Die Reaktionen auf den russischen Einmarsch in die Ukraine haben aufgezeigt, was alles möglich ist, wenn nur der nötige politische Wille vorhanden ist. Wir haben gesehen, wie weltweit russische Völkerrechtsverstöße verurteilt, Verbrechen untersucht und Grenzen für Geflüchtete geöffnet wurden. Diese Reaktion muss eine Vorlage dafür sein, wie wir allen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen entgegentreten“, so Agnès Callamard.

Die Doppelmoral des Westens gab Ländern wie China, Ägypten und Saudi-Arabien die nötige Deckung, um Kritik an ihrer Menschenrechtsbilanz auszuweichen. Obwohl in China massive Menschenrechtsverletzungen gegen die Uigur*innen und andere muslimische Minderheiten begangen wurden, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen, entkam Peking einer internationalen Verurteilung durch die Generalversammlung, den Sicherheitsrat und den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen.

Einerseits richtete der UN-Menschenrechtsrat das Amt eines Sonderberichterstatters zur Beobachtung der Menschenrechtslage in Russland ein und rief im Nachgang der tödlichen Proteste im Iran einen Untersuchungsmechanismus ins Leben. Andererseits stimmten die Mitglieder des Menschenrechtsrats gegen weitere Untersuchungen oder Debatten zu den von den Vereinten Nationen selbst gesammelten Erkenntnissen über mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit im chinesischen Xinjiang. Auch eine Resolution zur anhaltenden Überprüfung der Menschenrechtslage auf den Philippinen scheiterte.

„Internationale Menschenrechtsnormen wurden je nach Fall unterschiedlich angewendet, was eine eklatante Scheinheiligkeit und Doppelmoral offenbarte. Staaten können nicht im einen Moment Menschenrechtsverletzungen kritisieren und in den nächsten vergleichbaren Aggressionen in anderen Ländern hinnehmen, nur weil ihre Interessen auf dem Spiel stehen. Das ist gewissenlos und untergräbt die Grundprämisse allgemeingültiger Menschenrechte“, so Agnès Callamard.

Unterdrückung von Kritik rund um den Globus

Im Jahr 2022 wurden in Russland Menschen vor Gericht gestellt und Medien geschlossen, weil sie den Krieg in der Ukraine erwähnten. In Afghanistan, Äthiopien, Belarus, Myanmar, Russland und vielen anderen von Konflikten heimgesuchten Ländern auf der ganzen Welt wurden Journalist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und Oppositionelle inhaftiert.

In diversen Ländern verabschiedeten die Behörden neue Gesetze zur Einschränkung von Demonstrationen. Neue Technologie wurde als Waffe gegen Menschen eingesetzt, um diese zum Schweigen zu bringen, öffentliche Versammlungen zu verhindern oder Fehlinformationen zu verbreiten.

Im Iran reagierten die Behörden auf die beispiellosen Massenproteste gegen Jahrzehnte der Unterdrückung mit äußerster Brutalität. Durch den rechtswidrigen Einsatz von scharfer Munition, Metallgeschossen, Tränengas und tätlicher Gewalt wurden Hunderte Menschen getötet, darunter auch zahlreiche Minderjährige.

In Peru kam es im Dezember nach der Entmachtung von Präsident Castillo zu einer politischen Krise und zu Protesten, bei denen die Sicherheitskräfte rechtswidrige Gewalt anwandten, insbesondere gegen Indigene und Kleinbäuer*innen.

Frauenrechte in der Schusslinie

Besonders die Rechte von Frauen waren in zahlreichen Ländern unter Druck. In den USA hob der Oberste Gerichtshof eine langjährige verfassungsrechtliche Garantie für den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen auf. In Polen wurden Aktivist*innen strafverfolgt, weil sie anderen geholfen hatten, Abtreibungspillen zu besorgen.

Frauen und Mädchen in Afghanistan wurden durch neue Verordnungen der Taliban besonders stark in ihren Rechten eingeschränkt, vor allem, was die Rechte auf Selbstbestimmung, Bildung, Arbeit und Zugang zu öffentlichen Orten anging.

„Das Bedürfnis staatlicher Stellen zur Ausübung von Kontrolle über die Körper von Frauen und Mädchen, über ihre Sexualität und ihr Leben führt allenthalben zu entsetzlicher Gewalt, Unterdrückung und verlorenem Potenzial“, so Agnès Callamard.

Globale Untätigkeit trotz existenzieller Bedrohungen

Im Jahr 2022 waren die Nachwirkungen der Coronapandemie weltweit noch zu spüren. Auch die Folgen des Klimawandels und die durch den Krieg in der Ukraine entstandenen Wirtschafts- und Nahrungsmittelkrisen wirkten sich negativ auf die Menschenrechte aus. In Afghanistan lebten 97 Prozent der Bevölkerung in Armut. In Haiti war 40 Prozent der Bevölkerung von akuter Ernährungsunsicherheit bedroht, nachdem es durch die Gewalt von Banden zu einer politischen und humanitären Krise kam.

Die Erderwärmung verstärkte extreme Wetterereignisse, die in mehreren Ländern südlich der Sahara und in Südasien Hunger und Krankheiten zur Folge hatten; so etwa nach den Flutkatastrophen in Pakistan und Nigeria. Doch selbst vor diesem Hintergrund agierten Regierungen nicht im Interesse der Menschheit. Die kollektive Untätigkeit beim Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen zeigte einmal mehr auf, wie unwirksam die derzeitigen multilateralen Systeme sind.

„Die Welt erfährt gerade eine Welle von Krisen: zahlreiche Konflikte, eine unbarmherzige Weltwirtschaft mit unerträglicher Schuldenlast für allzu viele Staaten, Steuermissbrauch durch Konzerne, Instrumentalisierung von Technologie, die Klimakrise und Veränderungen in den globalen Machtdynamiken. Unsere Aussicht, diese Krisen zu überwinden, ist gleich null, wenn unsere internationalen Institutionen nicht angemessen funktionieren“, warnt Agnès Callamard.

Dringende Reform der internationalen Institutionen

Es ist entscheidend, dass die internationalen Institutionen und Systeme, die unsere Rechte schützen sollen, gestärkt werden statt sie weiter auszuhöhlen. Hierfür müssen zunächst die Uno-Menschenrechtsmechanismen vollständig finanziert werden. Nur so können die notwendigen Untersuchungen getätigt werden, die eine Rechenschaftspflicht ermöglichen und für Gerechtigkeit zu sorgen.

Amnesty International fordert zudem eine Reform des Uno-Sicherheitsrats, des wichtigsten Entscheidungsgremiums der Vereinten Nationen. Vor allem Staaten im Globalen Süden, die bislang häufig ignoriert wurden, müssen vermehrt zu Wort kommen und missachtete Menschenrechtsthemen müssen besser beachtet werden.

Eine lebendige Menschenrechtsbewegung

„Es ist nicht einfach, angesichts von Gewalttaten und Menschenrechtsverletzungen die Hoffnung zu behalten. Doch im gesamten letzten Jahr haben couragierte Menschen gezeigt, dass wir nicht machtlos sind”, so Agnès Callamard.

„Wir haben beeindruckende Akte des Widerstands erlebt: von afghanischen Frauen, die gegen die Taliban-Herrschaft protestierten, bis hin zu iranischen Frauen, die sich ohne Kopftuch zeigten oder sich die Haare abschnitten, um gegen die diskriminierenden Verschleierungsgesetze ihres Landes zu demonstrieren. Millionen Menschen gingen auf die Straße, um eine bessere Zukunft einzufordern. Das sollte den Mächtigen eine Warnung sein, dass wir es nicht einfach hinnehmen werden, wenn unsere Würde, Gleichheit und Freiheit angegriffen werden.”

Rückfragen:

Presseteam Amnesty International Österreich
Antonio Prokscha
+43-664-621 10 31
E-Mail: antonio.prokscha@amnesty.at

Interviewmöglichkeit: Update – Humanitäre Lage in der Türkei nach Erdbeben

International-Nothilfekoordinator Heinz Wegerer live aus dem Katastrophengebiet in der Türkei am Donnerstag, den 23.03 und Freitag, den 24.03.2023.

Die humanitäre Situation nach dem Erdbeben in der Türkei verschlechtert sich weiterhin. Mehr als 55.000 Menschen sind bei dem Erdbeben am 6. Februar ums Leben gekommen, mindestens 200.000 Gebäude wurden zerstört, 24 Millionen Menschen sind betroffen, Hunderttausende wurden obdachlos.

Heinz Wegerer live vor Ort im Katastrophengebiet in der Hatay Region
Der Hilfswerk International Nothilfekoordinator, Heinz Wegerer, ist derzeit in Iskenderun, in der Hatay Region in der Türkei und begleitet die Verteilung der Hilfswerk International-Hilfspakete. Die Situation beschreibt Wegerer auch fast eineinhalb Monate nach der Erdbebenkatastrophe als dramatisch: „An Alltag ist hier nicht zu denken. Es fehlt den Menschen an Unterkünften, ausreichend Nahrung und Hygieneartikeln.“

Möglichkeit von Live-Interviews mit Nothilfekoordinator vor Ort
Heinz Wegerer steht am Donnerstag, 23.03.2024 und am Freitag, 24.03.2024 für telefonische oder Video-Interviews direkt aus dem Erdbebengebiet zur Verfügung. Für die Koordination der Interviews wenden Sie sich bitte an: 

Christian Zacharnik
corporate identity prihoda gmbh
christian.zacharnik@cip.at | +43 676 4333 731

Hilfswerk International Soforthilfe in der Türkei und in Syrien
Das Hilfswerk International ist seit dem Erdbeben am 6. Februar 2023 vor Ort und hilft der betroffenen Bevölkerung rasch und zielgerichtet. Das Hilfswerk International verteilt Zelte, Hygieneartikel und Nahrungsmittel an die Bevölkerung in der Hatay Region und in Idlib. Damit werden 14.700 Menschen erreicht.

Weitere Informationen finden Sie unter: https://www.hilfswerk.at/international/

Veranstaltungshinweis: 6. Humanitarian Congress Vienna im Zeichen des Humanitären Imperativs

Mit Blick auf aktuelle Konflikte, Kriege und weitere Krisen wird der sechste Humanitarian Congress Vienna am 16. Juni 2023 der Frage nachgehen, welche Maßnahmen notwendig sind, um die Humanitären Prinzipien zu stärken und sicherzustellen, dass der Humanitäre Imperativ im Rahmen Humanitärer Hilfe eingehalten wird.

Jeder Mensch hat das Recht, Humanitäre Hilfe zu erhalten oder zu gewähren, lautet der Humanitäre Imperativ; Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit die Humanitären Prinzipien. Mit dem Kongresstitel Non-Negotiable: The Humanitarian Must-Haves rücken die Veranstalterinnen – Österreichisches Rotes Kreuz, Caritas Österreich, AG Globale Verantwortung, Ärzte ohne Grenzen und SOS-Kinderdorf Österreich – diese in den Fokus des diesjährigen Humanitarian Congress Vienna. Nach coronabedingter Pause, die 2022 von einer virtuellen Konversation aufgelockert wurde, holt der Kongress erstmals seit 2019 wieder internationale Stakeholder*innen Humanitärer Hilfe in den Großen Saal der Universität Wien.

Programm im Überblick

Auf eine Eröffnungsrede von Bundesministerin Leonore Gewessler und einer Keynote von Janez Lenarčič, EU-Kommissar für Humanitäre Hilfe und Krisenschutz, folgen vier aufeinanderfolgende Podiumsdiskussionen mit hochrangigen, internationalen Panellist*innen:

The Humanitarian Imperative Is Non-Negotiable
When Nature Strikes Back – Humanitarian Aid In Times Of Climate Change
Forgotten Crises – Forgotten Suffering
Starvation As A Method Of Warfare – As Old As War Itself, Outlawed But Deadly Popular and Creatively Used

Aber nicht nur Panellist*innen, sondern auch Vertreter*innen aus Politik, Medien, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaft sowie Interessierte im Publikum sind dazu eingeladen, den Dialog über humanitäre Strategien und Grundsätze, Good-Practice-Beispiele, aktuelle Entwicklungen sowie Zukunftsvisionen fortzuführen und neue Perspektiven einzubringen.

Pressevertreter*innen können sich unter presse@globaleverantwortung.at akkreditierten, Interviews mit Panellist*innen anfragen und um Aufnahme in den Presseverteiler bitten.

PA: Iran: Sicherheitskräfte foltern inhaftierte Kinder mit Peitschenhieben, Elektroschocks und sexualisierter Gewalt

Sechs Monate nach dem Beginn der landesweiten Proteste im Iran, ausgelöst durch den Tod von Mahsa (Zhina) Amini, veröffentlicht Amnesty International Belege über die Gewalt an Kindern, die während und nach den Protesten festgenommen wurden. 

Die Untersuchungen decken Foltermethoden auf, die die die Revolutionsgarden, die paramilitärischen Basij, die Polizei für öffentliche Sicherheit und andere Sicherheits- und Geheimdienstkräfte gegen inhaftierte Kinder im Alter von 12 Jahren angewandt haben, um sie zu bestrafen und um erzwungene „Geständnisse“ zu erlangen. Dazu gehören Schläge, Auspeitschungen, Elektroschocks, Vergewaltigungen und anderer sexualisierte Gewalt. So wird etwa berichtet, dass mehrere Buben gezwungen wurden, sich mit gespreizten Beinen in eine Reihe mit erwachsenen Häftlingen zu stellen, und ihnen Elektroschocks im Genitalbereich verabreicht wurden.

„Iranische Staatsangestellte haben Kinder aus ihren Familien gerissen und sie unvorstellbaren Grausamkeiten ausgesetzt. Es ist abscheulich, dass Beamt*innen verletzlichen und verängstigten Kindern und ihren Familien solch massive Schmerzen zufügen und sie mit schweren körperlichen und seelischen Narben zurücklassen. Diese Gewalt gegen Kinder offenbart eine gezielte Strategie, um den lebendigen Geist der Jugend des Landes zu unterdrücken und sie davon abzuhalten, Freiheit und Menschenrechte einzufordern“, sagte Diana Eltahawy, stellvertretende Regionaldirektorin von Amnesty International für den Nahen Osten und Nordafrika.

Forderung nach Freilassung der Kinder und nach universeller Gerichtsbarkeit durch die Staaten

„Die Behörden müssen sofort alle Kinder freilassen, die nur wegen ihres friedlichen Protestes inhaftiert worden sind. Es gibt keine Aussicht auf wirksame unparteiische Ermittlungen zur Folterung von Kindern im Iran. Daher fordern wir alle Staaten auf, die universelle Gerichtsbarkeit über iranische Beamt*innen auszuüben, einschließlich denjenigen mit Befehlsgewalt oder höherer Verantwortung, die im begründeten Verdacht stehen, für Verbrechen nach internationalem Recht wie der Folterung von Kindern strafrechtlich verantwortlich zu sein.“

Masseninhaftierung von Kindern

Die iranischen Behörden haben zugegeben, dass im Zusammenhang mit den Protesten insgesamt mehr als 22.000 Menschen festgenommen wurden. Genaue Angaben zu der Anzahl festgenommener Kinder fehlen. Laut staatlichen Medien machten Kinder aber einen erheblichen Teil der Demonstrant*innen aus. Amnesty International schätzt, dass Tausende Kinder unter den Verhafteten gewesen sein könnten. Diese wurden wie Erwachsene zunächst − oft mit verbundenen Augen − in Haftanstalten gebracht, die von den Revolutionsgarden, dem Geheimdienstministerium, der Polizei für öffentliche Sicherheit, der Ermittlungseinheit der iranischen Polizei (Agahi) oder den paramilitärischen Basij betrieben werden. Nach tage- oder wochenlanger Isolationshaft oder gewaltsamem Verschwindenlassen wurden sie in anerkannte Gefängnisse verlegt.

Entführungen und Folter

Außerdem entführten Agent*innen in Zivil Kinder während oder im Anschluss an Proteste von der Straße, brachten sie an inoffizielle Orte wie in Lagerhäuser, wo sie sie folterten, bevor sie sie an abgelegenen Orten aussetzten. Diese Entführungen erfolgten ohne ordnungsgemäßes Verfahren und dienten dazu, Kinder zu bestrafen, einzuschüchtern und von der Teilnahme an den Protesten abzuhalten. 

Freilassungen gegen Kaution oder „Reue“

Die meisten der in den letzten sechs Monaten verhafteten Kinder wurden offenbar wieder freigelassen, manchmal gegen Kaution, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind oder ein Gerichtsverfahren eingeleitet wird. Viele wurden erst freigelassen, nachdem sie ein „Reue“-Schreiben unterzeichnet und versprochen hatten, sich von „politischen Aktivitäten“ fernzuhalten und an regierungsfreundlichen Kundgebungen teilzunehmen.

Vergewaltigungen und Schläge

Viele der Kinder wurden geschlagen; weitere Foltermethoden sind Auspeitschungen, die Verabreichung von Elektroschocks, die erzwungene Verabreichung unbekannter Pillen und das Halten der Köpfe der Kinder unter Wasser. Staatliche Bedienstete haben außerdem Vergewaltigung und andere sexualisierte Gewalt, einschließlich Elektroschocks an den Genitalien, Berühren der Genitalien und Drohungen mit Vergewaltigung, als Waffe gegen inhaftierte Kinder eingesetzt, um ihren Willen zu brechen, sie zu demütigen und zu bestrafen.

Unmenschliche Haftbedingungen, keine medizinische Versorgung

Zahlreiche Kinder wurden unter grausamen und unmenschlichen Haftbedingungen festgehalten, etwa extreme Überbelegung, unzureichender Zugang zu Toiletten und Waschgelegenheiten, Mangel an ausreichender Nahrung und Trinkwasser, extreme Kälte und längere Einzelhaft. Mädchen wurden von ausschließlich männlichen Sicherheitskräften festgehalten, die keine Rücksicht auf ihre geschlechtsspezifischen Bedürfnisse nahmen. Kindern wurde eine angemessene medizinische Versorgung verweigert, auch für Verletzungen, die sie unter der Folter erlitten hatten.

Amnesty International hat die Fälle von sieben Kindern im Detail dokumentiert und Zeugenaussagen und Berichte von Betroffenen und Familien gesammelt und auf  www.amnesty.at veröffentlicht.

Rückfragen:
Presseteam Amnesty International Österreich
Eleonore Rudnay
+43-664-400 10 56
E-Mail: eleonore.rudnay@amnesty.at

Veranstaltungshinweis: Online Discussion Forum – Socially Just Climate Policies at a Global Scale – Which Way forward?

The effects of the climate crisis, as well as those of the COVID-19 pandemic and the war in Ukraine are having global impacts. However, the ability to adapt and mitigate the consequences is unevenly distributed between the Global North and the Global South. The Global South, which is most affected, still does not have a strong voice in international discussions.

While there is a consensus on the need for socially just climate policies globally, it is still unclear how to achieve this. Several internationally discussed topics, such as carbon pricing or the debates around loss and damage, point to important ethical questions and potential trade-offs. Will developing and emerging countries need to choose between industrial development and climate goals? Will the poor have to pay the bill for the reduction of global greenhouse gases? Is it fair that many poor countries, who have contributed little to human-induced climate change, are experiencing severe loss and damage? How will their financing needs be met, given their limited technical and financial capacity to address the impacts of climate change?

We would like to invite you to an online discussion forum. The aim is to draw attention to the effects of the current polycrisis while focusing on the Global South. There is an urgent need to address the consequences in the form of renewed and solidary multilateral cooperation. The discussion will feature our latest “Austrian Development Cooperation 2022” flagship report, which addresses these issues and will also be presented there.

Speakers:
Farah Mohammadzadeh Valencia (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change),
Rueanna Haynes (Climate Analytics Caribbean and Team Lead of Alliance of Small Island States Support) and
Gertraud Wollansky (BMK – Federal Ministry for Climate Action, Environment, Energy, Mobility, Innovation and Technology).

Programme (pdf)

Please register at: registration@oefse.at

After Registration the access code will be sent to you. By participating in this event, you consent to the publication of photographs and film footage that are produced by the organizers during the event.

PA: Pestizidfreie Ernährungssysteme stärken Geschlechtergerechtigkeit

Menschenrechtsorganisation für das Recht auf Nahrung zum internationalen Frauentag am 8. März:
Besserer Zugang von Frauen zu Land und natürlichen Ressourcen, das Ende der Abhängigkeit von chemischen Pestiziden, die Stärkung kleinbäuerlicher Saatgutsysteme und der Umstieg auf agrarökologische Landwirtschaft fördern sowohl Geschlechter- als auch Klimagerechtigkeit.

Die Verletzlichkeit und Marginalisierung von Frauen in ländlichen Gebieten des globalen Südens nimmt mit anhaltender Abhängigkeit von chemischen Inputs zu. Zugleich haben Frauen eine entscheidende Rolle bei der Minimierung von Pestizidschäden und Umweltzerstörung. Die Stärkung von Frauen und Mädchen trägt daher wesentlich zu klimagerechten Ernährungssystemen bei.

Weltweit 385 Millionen akute Pestizidvergiftungen jährlich

Es gibt keine genauen Daten dazu, wie hoch der Frauenanteil unter den rund 385 Millionen Bäuer*innen und Landarbeiter*innen ist, die jährlich akute Pestizidvergiftungen erleiden. Mit dem enormen Anstieg des weltweiten Pestizideinsatzes müssen die besonderen Auswirkungen auf Frauen und Mädchen jedoch klar berücksichtigt werden: In einigen Regionen des Globalen Südens arbeitet mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Frauen in der Landwirtschaft. Dabei sind sie häufig zum Teil hochgefährlichen Pestiziden ausgesetzt, deren Anwendung in der EU zwar verboten ist, die aber dennoch hier hergestellt und gewinnbringend exportiert werden.

Den giftigen Auswirkungen durch Pestizide sind Frauen direkt und indirekt ausgesetzt: Direkt, indem sie entweder als Landarbeiterinnen die Mittel meist mit mangelhafter oder gar keiner Schutzausrüstung aufbringen, oder indem sie daran beteiligt sind, die Pestizide zu mischen, die behandelten Pflanzen zu ernten oder pestizidgetränkte Kleidung zu waschen. Indirekt, da sie zumeist aufgrund zugewiesener traditioneller Geschlechterrollen für die Pflege erkrankter Familienmitglieder zuständig sind und daher pestizidvergiftete Personen in der Gemeinschaft versorgen müssen.

Frauen besonders beeinträchtigt

Pestizide beeinträchtigen die körperliche, psychische und reproduktive Gesundheit von Frauen in besonderer Weise. Mehrere Studien belegen, dass der Kontakt mit Pestiziden bei Frauen zu Abweichungen ihres Monatszyklus, höheren Tot- und Fehlgeburten sowie verschiedenen Schäden bei ungeborenen Kindern führt. Häufig arbeiten Schwangere bis zum 6. Monat auf den Feldern weiter ohne Schutz vor giftigen Chemikalien.

Pestizide gehören zu den Hauptfaktoren, die die Zerstörung biologischer Vielfalt und die Klimakrise befeuern. Deren Auswirkungen der treffen Frauen in ländlichen Gebieten erwiesenermaßen besonders empfindlich, gerade in Regionen, in denen sie ohnedies stärker unter Hunger und Mangelernährung leiden. Frauen sind aber nicht nur Betroffene, sondern sie haben auch eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, nachhaltige Lösungen für klimaresistente und vielfältige Ernährungssysteme zu entwickeln, da häufig sie es sind, die traditionelle und biodiverse Saatgutsysteme wahren, ökologische Anbaumethoden wählen und durch abwechslungsreiche Ernährung wesentlich zur Gesundheit ihrer Gemeinschaften beitragen.

Pestizidfreie Ernährungssysteme stärken Geschlechter- und Klimagerechtigkeit

„Besserer Zugang von Frauen zu Land und natürlichen Ressourcen, das Ende der Abhängigkeit von chemischen Pestiziden, die Stärkung kleinbäuerlicher Saatgutsysteme und der Umstieg auf agrarökologische Landwirtschaft fördern sowohl Geschlechter-, als auch Klimagerechtigkeit“, weist Tina Wirnsberger, FIAN-Referentin für Klima und Frauen auf die Schnittstelle von Frauen, Pestiziden, Klima und Ernährung hin.

Es braucht daher entschlossene Maßnahmen, um die Pestizidbelastung von Frauen in ländlichen Gebieten zu minimieren. Das schließt das weltweite Verbot aller hochgefährlichen Pestizide (HHP) ebenso ein wie einheitliche strenge Regulierungen für den Export von chemischen Mitteln, deren Anwendung in der EU aus gutem Grund verboten ist.

Lieferkettengesetz: Agrochemiekonzerne in Verantwortung nehmen

„Österreich und die EU-Staaten müssen ihren menschenrechtlichen Pflichten nachkommen und Agrochemiekonzerne für die Schäden an Gesundheit und Umwelt und die Menschenrechtsverletzungen, die sie mit synthetischen Pestiziden anrichten, durch ein Lieferkettengesetz in die Verantwortung nehmen“, schließt Wirnsberger an das Netzwerk für Soziale Verantwortung (NeSoVe) und WIDE an, deren Mitglied FIAN Österreich ist und die am heutigen internationalen Frauentag gemeinsam die Verankerung von Frauenrechten im Lieferkettengesetz fordern.


Rückfragen an: 
Tina Wirnsberger
FIAN Österreich
Int. Menschenrechtsorganisation für das Recht auf Nahrung
Schwarzspanierstraße 15/3/1, 1090 Wien, Austria
Tel: 01 – 2350239
office@fian.at www.fian.at 

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PA: Frauenrechte ins EU-Lieferkettengesetz!

WIDE: Die spezifischen Risiken und Lebensrealitäten von arbeitenden Frauen* müssen in der EU-Richtlinie berücksichtigt werden

Anlässlich des internationalen Frauentags 2023 haben mehr als 140 Organisationen, darunter WIDE, in einem offenen Brief ihre Enttäuschung über das Fehlen einer Geschlechterperspektive im geplanten EU-Lieferkettengesetz geäußert. Sie machen speziell darauf aufmerksam, dass in der Stellungnahme des EU-Rats, dem Gremium der EU-Mitgliedsstaaten, der Verweis auf die Frauenrechte (CEDAW – die Menschenrechtskonvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau) aus dem materiellen Geltungsbereich der Richtlinie gestrichen worden ist – ein No-Go für WIDE!

Durch ein Lieferkettengesetz sollen Unternehmen dazu verpflichtet werden, Menschenrechte und die Umwelt entlang ihrer globalen Lieferketten zu schützen. Ein EU-Lieferkettengesetz hat großes Potenzial, sofern Unternehmen tatsächlich Verantwortung übernehmen müssen und es auf breiter Basis gültig ist. Das Gesetz muss eine geschlechtsspezifische Perspektive inkludieren, fordert WIDE, das entwicklungspolitische Netzwerk für Frauenrechte mit 21 Mitgliedsorganisationen in Österreich, sonst bleiben frauen*spezifische Lebensrealitäten, wie sexuelle Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz, ausgeblendet.

„In der Entwicklungszusammenarbeit erleben wir ständig, wie Frauen und Mädchen in untergeordneter, ausbeuterischer Form in die globale Wirtschaft eingebunden sind. Das wird besonders im Textilsektor oder in der Landwirtschaft sichtbar, wo der Anteil von Frauen hoch ist. Solche Arbeitsplätze sichern oft nicht mehr als gerade mal das Überleben“, kritisiert Katharina Auer von Brot für die Welt. „Das Lieferkettengesetz ist eine Chance, um weltweit Frauen und Mädchen in prekären Arbeitsverhältnissen vor Ausbeutung, Diskriminierung und Gewalt zu schützen“, so Auer.

Derzeit erarbeitet das EU-Parlament eine Position zum vorgeschlagenen Lieferkettengesetz, danach beginnen die Trilog-Verhandlungen. „Der Kampf um ein effektives EU-Lieferkettengesetz ist noch lange nicht vorbei! Gerade in den nächsten Monaten wird es darum gehen, dass sich engagierte EU-Parlamentarier*innen für Nachschärfungen einsetzen und die Schlupflöcher im EU-Lieferkettengesetz stopfen“, fordert Bettina Rosenberger, Koordinatorin der Kampagne „Menschenrechte brauchen Gesetze!“

WIDE moniert, dass im EU-Lieferkettengesetz der Verweis auf die internationalen Frauenrechte enthalten sein muss und konkret auch die Empfehlung des CEDAW-Komitees (Nr. 30 aus 2013) in Bezug auf die Tätigkeit von internationalen Unternehmen in Konfliktgebieten. Laut CEDAW besteht eine Staatenverpflichtung dahingehend, dass nichtstaatliche Akteur*innen (Unternehmen), die extraterritorial (im Ausland) operieren, dafür zur Verantwortung zu ziehen sind, wenn ihre Aktivitäten in Konfliktgebieten zu Verstößen gegen die Rechte von Frauen führen. Eine klare Aussage für eine länderübergreifende Staatenverantwortung!

„Die Suche nach Lebensmitteln und Wasser infolge von Dürren und Überschwemmungen zwingt Frauen dazu, sich riskanten Situationen auszusetzen. Oft sind es Männer, die in Extremsituationen die knappen Ressourcen verwalten und über ihre Zugangsbedingungen bestimmen“, so die Gender-Beauftragte des lateinamerikanischen Fairtrade-Produzent*innen-Netzwerks CLAC, Rubidia Escobar. „Viele Frauen auf dem Land sind in solchen Situationen sexuellen Belästigungen, Ausbeutung und allgemeiner Gewalt ausgesetzt. Die Stärkung ihres Selbstbewusstseins und die Verbesserung ihrer Kenntnisse über Umweltzusammenhänge kann sie in die Lage versetzen, sich effektiver für alternative Lösungen einzusetzen.“

Die Verknappung von Rohstoffen und der Bedarf an neuen Energiequellen und -trägern führt zu immer mehr Druck auf die Umwelt und auf Subsistenz-Bäuer*innen im Globalen Süden, die versuchen, sich gegen den Verlust ihrer Existenzgrundlagen wegen Bergbau, Fracking oder dem Niederbrennen des Regenwalds zu verteidigen. Landraub und Gewalt gegen Umweltschützer*innen stehen eng mit Wirtschaftsinteressen im Energie- und Rohstoff-Sektor in Zusammenhang.

Frauen, die sich gegen Umweltzerstörung engagieren, riskieren mancherorts ihr Leben: so die indigene Umweltschützerin Berta Cáceres, die 2016 in Honduras ermordet wurde, oder die Mapuche-Umweltschützerin Macarena Valdés Muñoz, die im selben Jahr mutmaßlich wegen ihres Widerstands gegen den Bau eines Wasserkraftwerks in Chile ermordet wurde – die Ermittlungen verliefen im Sand. Zwei von vielen weltweit, die für ihr Engagement mit dem Leben bezahlten.

In Anbetracht der starken Betroffenheit indigener Gemeinschaften fordert WIDE, dass auch die jüngste Empfehlung des UN-Frauenrechtskomitees CEDAW (Nr. 39, 2022) berücksichtigt werden muss. Sie besagt, dass vor jeder eventuellen Genehmigung von Wirtschafts-, Entwicklungs-, Bergbau-, aber auch von Klimaschutz- und Klimaanpassungsprojekten auf indigenem Gebiet die freie und informierte Zustimmung indigener Frauen und Mädchen eingeholt werden muss. Auch diese Vorgabe muss explizit in das EU-Lieferkettengesetz einfließen!

„Als einer der größten Handelsblöcke hat die EU die Möglichkeit und die Verantwortung, ihr Engagement für die Menschenrechte unter Beweis zu stellen“, so Hannah Angerbauer von der KOO – Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz.

Die wichtigsten Forderungen des WIDE-Netzwerks sind, dass die gesamte Wertschöpfungskette durch das künftige EU-Lieferkettengesetz abgedeckt werden muss. Unternehmen aller Größenordnung müssen erfasst sein. Die international anerkannten Frauenrechte müssen klar einbezogen sein, und Betroffene von Arbeitsrechtsverletzungen oder von Umweltzerstörung müssen Zugang zur Justiz haben, sodass die Richtlinie keine neue Version einer Form von freiwilliger Unternehmensverantwortung wird, sondern einen Rechtsrahmen mit einklagbarer Haftbarkeit schafft.

Links:

European Coalition for Corporate Justice: Over 140 organisations call for gender-responsive corporate sustainability legislation, 6.3.2023

Netzwerk Soziale Verantwortung: “Menschenrechte brauchen Gesetze” WIDE-Mitglieder: https://wide-netzwerk.at/mitgliedsorganisationen/