Junge Erwachsene kommen in den letzten Jahren verstärkt unter Druck. Räume, um sich auszuprobieren und den eigenen Lebensweg über Experimente und Umwege zu finden, schrumpfen und damit auch die Bereitschaft, sich ehramtlich zu engagieren.
Eine Reflexion zur beschleunigten Lebenswelt junger Erwachsener von Johannes Ruppacher, Geschäftsführer von VOLONTARIAT bewegt.
Als 30-Jähriger bin ich Teil der Zielgruppe, die VOLONTARIAT bewegt ansprechen will. Wir organisieren Freiwilligeneinsätze in Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas, um junge Menschen für entwicklungspolitische Anliegen zu sensibilisieren und sie als zivilgesellschaftliche AkteuerInnen zu gewinnen. Wir wünschen uns „active citizens“, also Personen, die Verantwortung übernehmen, sich einbringen, politisch aktiv und davon überzeugt sind, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse beeinflussbar sind und es Gestaltungsräume gibt. Unser Programm steht damit quer zu den Fragmentierungstendenzen, die die Gesellschaft vor allem als Vermittlungsmoment für Wertschöpfung erscheinen lassen.
Junge Erwachsene fühlen sich oft ohnmächtig und trauen sich nicht zu, positiv zum Wohl der Gesellschaft beitragen zu können. Das Leben von 20- bis 30-Jährigen ist auf den Erfolg in standardisierten Bildungssystemen und auf Output-Maximierung gerichtet. Festmachen lässt sich diese Beobachtung am Beispiel der Zentralmatura, die dazu geführt hat, dass emotionale Sicherheitsnetze für SchülerInnen wegfallen. Viele MaturantInnen berichten mir, dass sie Angst vor der Matura haben, obwohl sie ausgezeichnete SchülerInnen sind, weil sie nicht mehr darauf vertrauen, dass sie „das Richtige“ gelernt haben. Die Gewissheit, dass gute Schulerfolge auf die Schaffbarkeit der Matura hindeuten, fehlt ihnen.
Diese Angst hat direkten Einfluss darauf, was 20- bis 30-Jährige zu träumen wagen und wofür sie sich einsetzen. Sie sind mit sich und ihrem Leistungspensum oft so beschäftigt, dass der Gedanke an ein „Gap-Year“ (Jahr zwischen Matura und Ausbildung) für viele wie pure Zeitverschwendung erscheint. „Wenn ich die Familienbeihilfe nur mehr bis 24 bekommen, warum sollte ich mir dann ein Jahr Auszeit nehmen, um mich selbst besser kennenzulernen und etwas zum Wohl unserer Gesellschaft beizutragen?“, ist ein vielfach ausgedrückter Gedanke junger Menschen. Nach der Zentralmatura lauert nämlich schon die nächste Hürde. Studienplatzbeschränkungen und Aufnahmeprüfungen an Hochschulen folgen nahtlos auf die Abschlussprüfungen und viele junge Erwachsene wissen schon in der Maturaklasse, dass sie keine Verschnaufpause haben werden. Wer sich ein Jahr Auszeit nimmt, ist oft schon zu spät dran, um Aufnahmeprüfungen zu absolvieren.
Als Entsendeorganisation haben wir auf diese Realität reagiert und bieten jetzt Einsätze an, die 10-12 Monate dauern. Früher waren es verpflichtend 12 Monate. Das ändert nichts daran, dass ich nachdenklich gestimmt bin. Wo steuern wir als Gesellschaft hin, wenn es jungen Menschen nicht mehr erlaubt ist, hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken und ihr Tatendrang in Arbeit und standardisierten Tests erstickt wird? Welches Konzept vom Erwachsen-Werden verfolgen wir? Warum wird über dieses Thema so wenig differenziert gesprochen und weiß eigentlich kaum jemand von der Möglichkeit, sich ein Jahr Auszeit zu nehmen und dabei auf anderen Pfaden zu lernen?
Johannes Ruppacher ist seit 2014 Geschäftsführer von VOLONTARIAT bewegt, www.volontariat.at, info@volontariat.at