Archiv der Kategorie: Menschenrechte

image_pdfimage_print

Menschenrechte unter Druck

Die Menschenrechte sollten unveräußerlich sein und dem Schutz aller Menschen dienen und werden dennoch in fast allen Staaten der Welt verletzt.  Christina Bell analysiert.

In 113 Ländern wurde im Jahr 2015 die Meinungs- und Pressefreiheit willkürlich eingeschränkt, in 122 Staaten Menschen gefoltert oder anderweitig misshandelt. 30 Länder schickten Flüchtlinge in Länder zurück, in denen ihr Leben bedroht war… Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International lieferte bei der alljährlichen Präsentation ihres Jahresberichts eine bedrückende Bestandsaufnahme der Situation weltweit.

Auch Europa. Galt Europa lange Zeit als Bollwerk für die Wahrung der Menschenrechte, droht dies mittlerweile zu bröckeln: Zum Entsetzen des halben Kontinents erklärte Österreichs Außenminister Sebastian Kurz Anfang Juni, Europa solle sich doch Australiens Flüchtlingspolitik zum Vorbild nehmen. Australien erntete für drastische Maßnahmen – etwa mit Flüchtlingen besetzte Boote auf hohe See zurück zu schleppen oder die Menschen in Lagern auf abgelegenen Inseln zu internieren – massiv Kritik. Aber in Zeiten, in denen keine Lösung im Umgang mit den globalen Fluchtbewegungen in Sicht ist, scheint jeder Staat sich selbst der nächste zu sein. So auch Österreich, das vorsorglich den Notstand ausruft, ohne sich um dessen Vereinbarkeit mit Völker- und Menschenrechten zu kümmern.

„Nicht nur unsere Rechte stehen unter Druck, sondern auch Gesetze und Systeme, die die Menschenrechte schützen sollten”, sagte Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty in Bezug auf den erwähnten Amnesty-Bericht.
Das menschenrechtsfeindliche Klima bekämen auch die Vereinten Nationen zu spüren, beklagte Shetty. Manche Regierungen erschwerten die Arbeit der UNO willentlich. So habe der sudanesische Präsident Umar al-Bashir im vergangenen Jahr unbehelligt an einem Gipfel der Afrikanischen Union teilgenommen – trotz internationalen Haftbefehls wegen Kriegsverbrechen.

Unliebsame Kritik. Es ist eine beunruhigende Tendenz, die rund um den Globus zu beobachten ist, und internationale Organisationen sind davon ebenso betroffen wie die Zivilgesellschaft. Ein im Mai veröffentlichtes Paper der der Heinrich-Böll-Stiftung beschreibt, wie „Regierungen auf allen Kontinenten und unabhängig vom Regierungstyp” massiv gegen zivilgesellschaftliche Initiativen vorgehen. Die Wochenzeitung „Die Zeit” berichtete bereits 2015 über die weltweiten Repressionen gegen NGOs und ortete dahinter eine Krise der Demokratie: Deren Akzeptanz befinde sich auf dem niedrigsten Stand seit 1989. Hätten sich bislang selbst die meisten der autoritären Regierungen offiziell zu den Menschenrechten bekannt, zögen sie nun immer offener gegen sie zu Felde.

Auch die Institutionen, die die Menschenrechte hochhalten, geraten zunehmend unter Druck: Staaten wollen nicht auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam gemacht werden – weder von NGOs noch von Menschenrechts-Institutionen. Attacken und Diffamierungen gegen nationale Menschenrechtskommissionen seien vielerorts zu beobachten, sagte der australische Wissenschaftler Brian Burdekin 2015 in einem Interview. Die Reaktion der australischen Regierung auf Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik lieferte dafür nur ein Beispiel.

Weniger Unterstützung. Ein anderer Weg im Umgang mit unliebsamen Kritikern ist das finanzielle Aushungern. Beispiel CIDH: Die Interamerikanische Menschenrechtskommission machte jüngst von sich reden, als sie verkündete, „in einer extremen Finanzkrise mit schwerwiegenden Auswirkungen auf ihr Mandat und ihre Kernfunktionen” zu stecken. Grund für die dramatische Lage sei einerseits ein Rückgang der Unterstützung aus Europa aufgrund der Flüchtlingssituation, andererseits aber vor allem die mangelnde Hilfe durch die lateinamerikanischen Staaten. 40 Prozent der Mitarbeiter müssten demnächst entlassen werden, dadurch würden „tausende Opfer von Menschenrechtsverletzungen“ schutzlos zurückgelassen, so die Kommission.
Zwei der jüngsten Tätigkeiten der CIDH – die nach Mexiko entsandte ExpertInnengruppe, die das Verschwinden der 43 Studenten untersuchte oder die Überprüfung der Ermittlungen im Mord an der Aktivistin Berta Cáceres in Honduras – erklären gleichzeitig den mangelnden Finanzierungswillen der Staaten. Denn allgemein gilt: je gravierender die Menschenrechtslage in einem Land, desto weniger möchte die Regierung darauf aufmerksam gemacht werden.

Christina Bell ist Journalistin mit den Schwerpunkten Menschenrechte, Lateinamerika und Naturschutz. Sie lebt aktuell in Mexiko-Stadt.

Sport & Menschenrechte

 Vor der Fußball-EM und den Olympischen Spielen ist nicht nur der Sport an sich Thema.

Im Vorfeld der Fußball-Europameisterschaften in Frankreich (10. rio_2016_logoJuni bis 10. Juli 2016) und der Olympischen Spiele in Rio (5. bis 21. August 2016) steckt der internationale Sport in einer großen Krise. Die Internationalen Sportverbände wie FIFA und der IOC werden heftig kritisiert – es geht um Korruptionsverdacht bis hin zu Dopingskandalen.

Auch das Thema Menschenrechte rückt immer wieder in den Blick. Die FIFA verspricht, die Situation der Arbeiter in Katar, wo FBL-EURO-2016-FRA-DRAWWM-Stadien gebaut werden, zu verbessern. In Brasilien spitzt sich vor allem die Situation in der Favela Vila Autódromo zu – BewohnerInnen setzen sich gegen Umsiedelungen zur Wehr.

Die ISJE kann JournalistInnen in ihrer Berichterstattung rund um das Thema Sportgroßereignisse & Menschenrechte, aber auch Brasilien unterstützen. Auf Anfrage liefern wir Daten und Fakten, Kontakte und weiterführende Informationen.

Bitte kontaktieren Sie uns unter: office@isje.at

Erste Hinweise:

Die NGO-Initiative „Nosso Jogo“ ist ein wichtiger Ansprechpartner für Medien. Das Projekt hat ein Dossier mit vielen Informationen zusammengestellt.

Der Film „Dirty Games“ kommt am 2. Juni in die Kinos.

Das Südwind-Magazin widmet sich in seiner Mai-Ausgabe dem Thema Sport & Menschenrechte, sowie im Rahmen einer Podiumsdikussion am 12. Mai in Wien.

Anpfiff zum Sportjahr 2016

NossoJogo01_Logo_cProjekt „Nosso Jogo“ startet mit Dialogform durch –
Themen Menschenrechte & Nachhaltigkeit.

2016 ist ein Jahr der Sport-Großereignisse. Sowohl die Fußball-Europameisterschaft der Herren in Frankreich (10. Juni-10. Juli) als auch die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro (5.-21. August) rücken näher.

Nicht nur die Sicherheitsfrage nach den Anschlägen von Paris im November 2015 wird die Organisatoren und die Öffentlichkeit beschäftigen: Vergangene Großereignisse wie die Winterspiele in Sotschi und die Fußball-Weltmeisterschaft der Herren in Brasilien (beides fand 2014 statt) zeigten, dass Aspekte wie Menschenrechte oder auch Nachhaltigkeit rund um die Events hinterfragt werden müssen.

Am 10. März findet im Haus des Sports (1040 Wien, 10:30-17:00 Uhr) ein Dialogforum im Rahmen des Projektes Nosso Jogo statt, das unter der Schirmherrschaft des Sportministeriums steht und gemeinsam mit den NGOs fairplay/VIDC, Südwind und der Dreikönigsaktion, der Bundessportorganisation sowie dem ÖFB veranstaltet wird.
Wie nachhaltig sind Mega-Sport-Events? Was tut (Olympische Spiele) und tat (FIFA-WM) sich in Brasilien? Welche Verantwortung haben dabei die Verbände und Vereine? Solche und andere Fragen sollen beantwortet werden.
Anwesend sein werden VertreterInnen der Politik und von NGOs, Sportfunktionäre sowie internationale Gäste.

Das Dialogforum kann als Startschuss in das Sportjahr 2016 gesehen werden. Das Projekt Nosso Jogo wird in den kommenden Monaten sehr aktiv sein.

Die ISJE wird JournalistInnen wie 2016 wie vor zwei Jahren im Jahr der WM besonders in Hinblick auf Informationen und Kontakte zu Rio bzw. Brasilien zur Verfügung stehen. Rückfragen unter office@isje.at

Von Staudämmen und Rassismus

Was haben Staudämme mit Rassismus zu tun? Und warum fließen europäische Gelder in ein Projekt in Panama, dass von den indigenen Gemeinden mit allen Mitteln des Protests bekämpft wird? Anhand des panamaischen Barro Blanco Staudammprojekts lässt sich nachzeichnen, wie im Namen der internationalen Klimapolitik Menschenrechte anderswo mit Füßen getreten werden.

barro blanco 1
Weiträumige Absperrung der Baustelle.

Staudämme gelten als klimafreundlich, da sie kein CO2 ausstoßen, und erneuerbare Energie – so die Argumentation – trage zur Entwicklung eines Landes bei. Industriestaaten, die sich an treibhausgasreduzierenden Projekten in Ländern des Südens finanziell beteiligen, können sich diese CO2 Einsparung sogar gutschreiben lassen. So wird auch das Barro Blanco Projekt, ein im Rahmen des Kyoto Protokolls zur Reduktion von Treibhausgasemissionen registriertes Bauvorhaben, neben der Zentralamerikanischen Bank für wirtschaftliche Integration auch von der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft DEG und der niederländischen Entwicklungsbank FMO mitfinanziert. Auch eine Tochtergesellschaft der österreichischen Baufirma Andritz, ANDRITZ HYDRO Spanien, ist als Zulieferer für elektro-mechanische Bauteile am Bau beteiligt.

Und die Menschen vor Ort?
Welche Rolle spielen sie beim Bau von Wasserkraftwerken? Die betroffenen indigenen Communities im Falle Barro Blancos beklagen vor allem, dass sie weder ausreichend informiert wurden, noch dem Bau zugestimmt haben. Der Konsultationsprozess war hochgradig unzureichend, missachtete sowohl panamaisches als auch internationales Recht und der verantwortliche private Betreiberfirma GENISA wurde deshalb auch geklagt. Dabei existieren internationale Standards, die indigene Rechte schützen, wie die „Konvention zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung“ (CERD). Diskriminierung der indigenen Bevölkerung wird hier klar als rassistische Diskriminierung verstanden, die es zu bekämpfen und zu beseitigen gilt.

barro blanco
Mit der Fertigstellung des Staudamms wird dieses Dorf überflutet werden.

Ein unabhängiges Forschungsprojekt des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte (BIM) untersucht aus diesen Gründen die Menschenrechtsverantwortung der EU und Österreichs für klimapolitische Projekte in Drittländern und ihre Auswirkungen auf Migration.

„Dass der Klimawandel gravierende Auswirkungen auf Migrationsbewegungen hat, wurde bereits mehrfach belegt“,

sagt die Projektleiterin Monika Mayrhofer vom BIM.

„Unser Forschungsprojekt überprüft nun Maßnahmen, die eigentlich darauf abzielen Klimawandel entgegenzuwirken auf ihre problematischen menschrechtlichen Implikationen und auf ihre Auswirkungen auf Migration und Vertreibung.“

ClimAccount heißt das Forschungsprojekt, das anhand dreier Fallstudien aus Panama, Uganda und Kenia auch das Barro Blanco Projekt untersucht.

„Angesichts der wiederkehrenden Menschenrechtsverletzungen bei Staudammprojekten bedarf es einer integralen Klimapolitik, die die Achtung der Menschenrechte als Teil klimapolitischer Maßnahmen betrachtet,“

fordert Monika Mayrhofer. Und:

„Europäische Finanzierungsinstitutionen und Entwicklungsbanken sollten menschenrechtliche Implikationen von Anfang an mitdenken.“


Rückfragehinweis:
Dr. Monika Mayrhofer
Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte
monika.mayrhofer(at)univie.ac.at

 

Schutz in Europa

Stellen Sie sich vor, PolitikerInnen in der EU würden alles in ihrer Macht stehende unternehmen um legale und sichere
Wege nach Europa zu schaffen. Um Flüchtenden Schutz in europäischen Ländern zu bieten und weitere Tragödien im Mittelmeer und im Zusammenhang mit Schlepperei zu verhindern, ist dies unumgänglich. Stattdessen kritisieren Mitgliedstaaten Rettungsaktionen im Mittelmeer, weil so noch mehr Menschen kommen würden und errichten neue Grenzzäune an den EU-Außengrenzen, die auch für Flüchtlinge verschlossen bleiben.

Ein aktuelles Positionspapier des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte befasst sich mit den rechtlichen Verpflichtungen in der gegenwärtigen Flüchtlingssituation und ruft in Erinnerung, dass Menschenrechte für alle Menschen gelten. Dabei werden auch die globalen Dimension von Flucht in den Blick genommen.

Link zum Download: BIM Position Nr. 6: Menschenrechtliche Verpflichtungen in der aktuellen Flüchtlingssituation