Interviewmöglichkeit: Brasilien – 3. Jahrestag des Desasters von Mariana

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Am 5.11. jährt sich das Desaster von Mariana. Am jenem Donnerstag im Jahr 2015 brach der Damm des Rückhaltebeckens der Eisenerzmine der Firma Samarco nahe der Kleinstadt Mariana im Bundesstaat Minas Gerais im Südosten Brasiliens. Millionen von Kubikkilometern gefährlichen Bergwerksschlamms machten sich auf den 680 km langen Weg bis zum Meer. Auf diesem Weg begrub ein Tsunami aus Schlamm Menschen, Häuser, Kirchen und ganze Dörfer unter sich. Der Schlamm tötete 19 Menschen. Er verseuchte das Wasser und den Boden für unabsehbare Zukunft. Das Desaster von Mariana gilt als die „größte Umweltkatastrophe in der Geschichte Brasiliens“.

Betroffene des Bergwerk-Desasters kämpfen seit fast drei Jahren für eine Entschädigung. Projektpartner/innen der Dreikönigsaktion Letícia Soares Peixoto Aleixo und Douglas Krenak berichten in Wien über die Auswirkungen der Katastrophe und den Kampf um Wiedergutmachung.

Am Donnerstag, 8.11.2018 (14-17 Uhr) und Freitag, 9.11. (9-11 Uhr) stehen Letícia Soares Peixoto Aleixo und Douglas Krenak nach Terminvereinbarung für Interviews zur Verfügung. Die beiden Projektpartner/innen der Dreikönigsaktion sprechen portugiesisch – für Übersetzung ist gesorgt.

Das indigene Volk der Krenak ist von dieser Umweltkatastrophe stark betroffen. Die Universität von Minas Gerais führte 2016 eine umfassende Studie zu den Auswirkungen des Bergbau-Desasters auf das Volk der Krenak durch. Drei Jahre nach dem Dammbruch sind auch zig juristische Verfahren gegen das brasilianische Unternehmen Samarco Mineração S.A. und die sie kontrollierenden Aktionärsfirmen, die australisch-britische BHP Billiton Brasil Ltda. und die brasilianische Vale S.A., eingereicht worden.

Auch österreichische Aktienbeteiligungen und Anleihen an den Aktionärsfirmen konnten in Höhe von insgesamt 63 Millionen Euro im Zeitraum von 2010-2018 nachgewiesen werden. Die juristischen Mühlen mahlen langsam und die Betroffenen bleiben auf der Strecke.

Zurzeit ist das Ziel die Einbringung einer Beschwerde bei der interamerikanischen Kommission für Menschenrechte. Diese ist ein unabhängiges Organ der Organisation Amerikanischer Staaten mit Sitz in Washington. Die Beschwerde bei der interamerikanischen Kommission für Menschenrechte könnte zu deutlichen Empfehlungen der Kommission an den brasilianischen Staat führen. Das interamerikanische Menschenrechtssystem hat große Bedeutung, weil seine Entscheidungen formal rechtlich bindend sind. Die Beschwerde soll zum 3. Jahrestag des Desasters am 5.11.2018 eingebracht werden.

Douglas Krenak ist Journalist und gehört zum indigenen Volk der Krenak. Schon sein Vater hat sich mit großem Einsatz für mehr Respekt und Anerkennung sowie gleiche Rechte für die Krenak eingesetzt. Als Journalist (er hat auf der UNIVALE studiert) führt er nun den Kampf seines Vaters weiter. Als Vorsitzender des Rates der Indigenen Völker von Minas Gerais-COPIMG vertrat er die Anliegen der Indigenen Völker des gesamten Bundesstaates, hat an einer Studie zum Thema Ernährungssicherheit (2009) aktiv mitgearbeitet, hält Vorträge, Seminare um die Kultur seines Volkes bekannt zu machen und Vorurteile abzubauen.

Letícia Soares Peixoto Aleixo ist Uniprofessorin und Anwältin mit Schwerpunkt auf internationalem Recht und Menschenrechte. Sie ist Gründungsmitglied des Projektes „Clinica de Direitos Humanos“ (wörtl. Menschenrechtsklinik) der staatlichen Universität. In diesem Kontext begleitet sie auch die Krenak Indigenen. Sie ist Gutachterin für die Ombudsstelle des Bundesstaates Minas Gerais in Mariana und die lokale Caritas, die vom Dammbruch betroffene Familien dabei unterstützt zu ihrem Recht zu kommen.

Rückfragen:
Dreikönigsaktion – Hilfswerk der Katholischen Jungschar;
Christian Herret: christian.herret@dka.at
Mobiltel. 0676/88 011 – 1071; Tel: 01/481 09 91-41,
Wilhelminenstraße 91/2 f, 1160 Wien,
www.dka.at

Interviewmöglichkeit: „Steuer- und Entwicklungspolitik im Widerspruch? Was die Unternehmensbesteuerung in Österreich mit Entwicklung zu tun hat“

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Am Dienstag, den 9.10.2018, stellt die Globale Verantwortung – Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe im Rahmen einer Podiumsdiskussion ihre neue Broschüre mit dem Titel „Steuer- und Entwicklungspolitik im Widerspruch? Was die Unternehmensbesteuerung in Österreich mit Entwicklung zu tun hat“ vor und bietet Interviewmöglichkeiten mit spannenden internationalen Gästen:

  • Sedumetsane Collen Lediga arbeitet in Bonn beim International Tax Compact sowie für die Addis Tax Initiative im Bereich Steuern und Entwicklung sowie zu Preismanipulationen im Handel. Davor arbeitete er für die südafrikanische Steuerbehörde als Senior Manager und war in dieser Funktion im African Tax Administration Forum, dem UN Tax Committee sowie in G20- und OECD-Arbeitsgruppen zu Ressourcenmobilisierung und Bekämpfung von Steuervermeidung tätig.
  • Luckystar Miyandazi arbeitet zu Fragen des internationalen Steuersystems, illegitimer Finanzflüsse sowie Ressourcenmobilisierung im Rahmen des African Institutions Programme am European Centre for Development Policy Management (ECDPM) in Brüssel. Davor war sie als Koordinatorin für die Tax Power-Kampagne von ActionAid International tätig, die in 15 afrikanischen Ländern Mobilisierungsaktivitäten durchführte.

Podiumsdiskussion: 09.10.2018, 18-20 Uhr, im Alberts Schweitzer Haus, 1090 Wien

Für Interviewmöglichkeiten:
Mag. Wolfgang Marks, BA
Öffentlichkeitsarbeit
Globale Verantwortung – Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
Apollogasse 4/9, 1070 Wien
Tel.: +43 1 522 44 22 – 15
www.globaleverantwortung.at
www.facebook.com/globaleverantwortung

 

Interviewmöglichkeit: Juan Carlos Figueredo (Argentinien). Begegnungen, die bewegen!

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Von 8. – 19. Oktober ist ein langjähriger Projektpartner von Welthaus Diözese Graz-Seckau zu Gast in Österreich:

Juan Carlos Figueredo setzt sich in der argentinischen Organisation INCUPO für die Rechte von Kleinbauern und Indigenen und gegen die zunehmende Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen ein.  Er bietet Einblicke in die aktuelle Situation in seiner Heimat und zeigt Hintergründe und globale Zusammenhänge auf.

Mögliche Interview-Termine in Wien sind: Mo., 8.10. (Vormittag) oder Fr., 12.10. (Nachmittag).
Bei Interesse ersuchen wir Sie um Rückmeldung (Kontakt siehe unten).

Saftige Rindersteaks, kräftigen Rotwein und aromatischen Käse lassen sich viele ÖsterreicherInnen gerne schmecken. Ein Teil davon stammt aus heimischer Landwirtschaft. Doch viele Lebensmittel haben einen weiten Weg hinter sich.   Argentinien etwa setzt seit Jahren massiv auf den Export von landwirtschaftlichen Produkten. Für das Agrobusiness ist die Produktion von Soja, Fleisch, Mais, Zuckerrohr, Sonnenblumen, Ethanol, … ein gutes Geschäft. Doch die Schattenseiten dieses Wirtschaftssystems sind nicht zu übersehen: Massive Abholzungen und Landvertreibungen, neue Formen der Sklaverei, Wassermangel und die Vergiftung von Mensch und Natur durch Pestizide.
Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten (Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay) droht die schweren wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Krisen in Lateinamerika weiter zu verschärfen. Das Abkommen würde bedeuten, die Produktion auszuweiten, Handelsbarrieren zu verringern und Importquoten zu erhöhen. Auch die kleinstrukturierte Landwirtschaft in Österreich käme weiter unter Druck. Mit Billigfleisch von riesigen Geflügel- und Rinderfarmen in Südamerika können unsere Landwirte nicht mithalten.

 

INCUPO ist eine langjährige Partnerorganisation von Welthaus Diözese Graz-Seckau.
http://graz.welthaus.at/termine/

 

Für Rückfragen und Interviewvereinbarungen: 
Mag. Christian Köpf
Öffentlichkeitsarbeit
Welthaus Diözese Graz-Seckau
Bürgergasse 2, 8010 Graz
Telefon: +43316 324556 19
Mobil: +43676 87423019
eMail: christian.koepf@welthaus.at

Interviewmöglichkeit: Tansania – ERI – Partizipativ zur Ernährungssouveränität

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Die in Ostafrika entwickelte ERI-Methode (Enabling Rural Innovation) unterstützt Bauern und Bäuerinnen in den Distrikten Bunda und Serengeti dabei, ihre Nahrungssituation zu sichern: Mit verbessertem Anbau von Bohnen und Mais, dem Anlegen von Hausgärten, der richtigen Lagerung der Ernte und eigenem Saatgut.

Lokale Partnerorganisationen der Dreikönigsaktion und Horizont3000 in Uganda und Tansania unterstützen die Landwirtinnen und Landwirte dabei, verbesserte Anbaumethoden zu erlernen, ihre Produktion in angepasster Weise auszuweiten und ihren Zugang zu lokalen Märkten zu verbessern. Bauern und Bäuerinnen schließen sich zu kleinen Kooperativen zusammen und vermarkten ihre Produkte gemeinsam auf lokalen Märkten.

Interviewpartnerin:

Tumaini Matutu, Koordinatorin des tansanischen „Enabling Rural Innovation“-Programms, organisiert die Unterstützung der Bäuer/innen in der Diözese Musoma in Tansania. Die Stärke des ERI-Ansatzes besteht darin, dass Bäuer/innen in die Planung und Umsetzung aller Maßnahmen einbezogen werden.

Wir laden Sie herzlich ein, die Interviewmöglichkeit mit Tumaini Matutu am Montag, den 24.09. von 14 – 18 Uhr zu nutzen. Interviewsprache ist Englisch. Bitte um Terminvereinbarung (siehe unten).

Ort: Büro der Dreikönigsaktion, Hilfswerk der Katholischen Jungschar
Wilhelminenstraße 91/IIf; 1160 Wien

Terminvereinbarung und Rückfragen:

Elisabeth Holzner
Dreikönigsaktion, Hilfswerk der Katholischen Jungschar
Referentin für Öffentlichkeitsarbeit
Telefon: +43/1/481 09 97-19
Mobil: +43 676 88 011 1000
elisabeth.holzner@dka.at
www.dka.at

Exklusive Treffen mit Verteidigerinnen von Menschenrechten in Wien

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Im Rahmen der Kampagne Es beginnt hier. Schreiben wir Geschichte setzt sich Amnesty International Österreich für Menschenrechtsverteidigerinnen ein. Dabei handelt es sich um Frauen, die für die Rechte aller Menschen kämpfen, sowie Aktivist*innen jeden Geschlechts, die sich für Frauenrechte engagieren.

Menschenrechtsverteidigerinnen sind mit besonderen Herausforderungen und Gefahren konfrontiert. Oft drohen ihnen aufgrund ihres Engagements zusätzliche Stigmatisierung, Verfolgung, Diffamierung oder sexuelle Gewalt. Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten haben sich dazu verpflichtet, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Europäischen Union den Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen sicherzustellen. Anlässlich der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft fordern wir daher von der österreichischen Bundesregierung, den Schutz und die Sicherheit von internationalen Menschenrechtsverteidigerinnen ernst zu nehmen und auf die Agenda der EU-Außenpolitik zu setzen.

Nächsten Woche gibt es zwei Möglichkeiten in Wien, Menschenrechtsverteidigerinnen aus der ganzen Welt zu treffen und mit ihnen Interviews zu führen. 

  1. August 2018 – Expert*innenseminar zu Menschenrechtsverteidigerinnen „DEFENDING WOMEN – DEFENDING RIGHTS“

Anlässlich des EU-Außenminister*innentreffens in Wien lädt Amnesty International zu einem Expert*innenseminar am 29. August 2018 im Haus der Europäischen Union ein, um die politischen Entscheidungsträger*innen an ihre Verpflichtung zu erinnern, Menschenrechtsverteidiger*innen zu stärken und zu schützen – und zwar im realen Leben, nicht nur am Papier. Frauen, die in verschiedenen Regionen zu Menschenrechtsthemen arbeiten, werden mit EU- und Regierungsvertreter*innen über mögliche Schutzmechanismen für Menschenrechtsverteidiger*innen diskutieren.

Informationen auf Englisch finden sie unter: https://www.amnesty.at/mitmachen/kampagnen/news-events/defending-women-defending-rights/

INTERVIEWMÖGLICHKEIT – Bei Interesse koordinieren wir gerne einen Termin:

Folgende Menschenrechtsverteidigerinnen stehen für Interviews auf Englisch zur Verfügung. Nähere Informationen zu den Interviewpartnerinnen finden sie unter https://synology.amnesty.at:5001/sharing/rAPHChVYH.

  • Maria Teresa Rivera, Aktivistin für sexuelle und reproduktive Rechte. El Salvador/Schweden
  • Klementyna Suchanow, Frauenrechtsaktivistin Polish Women on Strike, Polen
  • Kania Mamonto, Asia Justice and Rights (AJAR), Indonesien
  • Wangui Kimari, Mathare Social Justice Centre, Kenia
  • Evdokia Romanova, Aktivistin für sexuelle und reproduktive Rechte, Russland/Österreich
  1. August 2018 – Matinee Österreichisches Parlament „Frauen – verteidigen –Menschenrechte“

Die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures empfängt internationale Menschenrechtsverteidigerinnen, die auf Einladung von Amnesty International Österreich in Wien sind, in der Wiener Hofburg. Kania Mamonto und Evdokia Romanova werden zu diesem Anlass neben der zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures und Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, sprechen. Amnesty International begrüßt diesen Akt der Republik Österreich, die wichtige Arbeit von Menschenrechtsverteidiger*innen anzuerkennen.

Anmeldung zur Matinee unter: https://www.parlament.gv.at/SERV/VER/AKT/300818

Für die Teilnahme an den Veranstaltungen oder zur Koordinierung eines Interviewtermins wenden Sie sich bitte an: presse@amnesty.at oder 0664 4001056.

 

 

Begegnung mit Gästen aus Nepal & Filmabend „Einfach MENSCH sein“

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Montag, 18. Juni 2018, 18:00 Uhr
Otto-Mauer-Zentrum, Währingerstraße 2-4, 1090 Wien, Mezzanin

Programm:
Um 18:00 Uhr werden die nepalesischen Projektpartner ihre Arbeit vorstellen und es gibt die Gelegenheit zu Gesprächen.
Um 19:00 Uhr wird der Film „Einfach MENSCH sein“ von Ernst Zerche und Manuel Prett gezeigt. Regisseur Ernst Zerche wird anwesend sein.
Im Anschluss gibt es ein Buffet

Über den Film:
Klimawandel, Armut, soziale Spannungen… Lauter schlechte Nachrichten, aber was kann man machen? „einfach MENSCH sein“ ist eine filmische Reise zu Menschen, die sich für eine bessere Welt einsetzen. Trotz schwierigster Umstände verlieren sie weder die Hoffnung noch ihre Lebensfreude. Dabei sind es oft verblüffend einfache Schritte, die positive Veränderungen bewirken. Die Spuren führen auch in die Steiermark. Und hier zeigt sich: Wir können Teil des Problems sein – oder Teil der Lösung.
Der Film wird zur Verfügung gestellt vom Welthaus der Diözese Graz-Seckau.

Der Abend ist eine Kooperationsveranstaltung von:
Voluntaris, Referat für Mission & Entwicklung, Missio, Kath. Akademikerverband Wien und Welthaus Wien

Über die Partnerorganisation:
Frau Arati Basnet und ihre Organisation „Care and Development Nepal“ (CDO) (www.caredevelopment.org) unterstützen seit vielen Jahren unterprivilegierte Menschen mit Gesundheits- und Bildungsprogrammen. Zum Beispiel Saisonarbeiter, die im Kathmandu Tal in der Ziegelherstellung arbeiten und deren Familien. Nach dem verheerenden Erdbeben des Jahres 2015 wurden Hilfsprojekte zum Wiederaufbau umgesetzt.

Die Österreichische NGO VOLUNTARIS entsendet seit sechs Jahren Freiwillige, die CDO in der Umsetzungen der Hilfsprogramme unterstützen. Unter ihnen eine Kinderärztin, die selbst Zeugin des Erdbebens von 2015 werden musste. (siehe Bild, photocredit: voluntaris).
VOLUNTARIS ist auf die Vermittlung älterer Freiwilliger spezialisiert (Altersdurchschnitt 57 Jahre). Die Partnerorganisationen in den Einsatzländern gewinnen für 6 Monate sehr erfahrene und engagierte MitarbeiterInnen. Einige RückkehrerInnen werden bei der Veranstaltung anwesend sein.

Kontakt für INTERVIEWANFRAGEN mit der Projektleiterin von CDO Frau Arati Basnet (bis 20. Juni) und/oder mit Freiwilligen von voluntaris:

Georg Primas, georg.primas@voluntaris.at, 0664 8831 6583

 

Newsletter 2/2018

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Sehr geehrte Damen und Herren, dreimal im Jahr stellt die Informationsstelle für Journalismus & Entwicklungspolitik (ISJE) einen redaktionellen Newsletter mit Informationen, Kontakten und Hinweisen für JournalistInnen zusammen. Dieses Mal mit folgenden Themen:

  • Nicaragua – Eine Analyse des Lateinamerika-Experten Ralf Leonhard. MEHR
  • UN Sustainable Development Goals – die nachhaltigen Entwicklungsziele: Weltweit wichtig, regional richtig! Recherche-Hinweise, Links, Projekte, Ideen. MEHR
  • SDGs : Eine Analyse von SDG-Watch Österreich. MEHR
  • (SDG) Termine: FAIR Styria – Informationsveranstaltung: Umsetzung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung – Was können Bund, Länder und Gemeinden leisten, 26.6.2018, Graz. Mehr Infos und österreichweite Termine siehe unten.

Internationale Wahlen…im globalen Süden

  • Juli 2018 Parlamentswahl und Präsidentschaftswahlen in Simbabwe:Die Wahlen müssen laut Verfassung vor Ablauf der Legislaturperiode des Parlaments, d. h. vor dem 21. August 2018 stattfinden. Eine Verschiebung der Wahlen erschien nach dem Militärputsch 2017 Die regierende ZANU-PF mit Staatspräsident Emmerson Mnangagwa sprach zunächst von September 2018, setzte sich dann aber auf Juli 2018 fest. Für die größte Oppositionspartei MDC soll, nach dem Tod von Morgan Tsvangirai im Februar 2018, Nelson Chamisa ins Rennen gehen.
  • Juli Präsidentschaftswahl in Mali: Der ehemalige Finanz- und Wirtschaftsminister Mamadou Igor Diarra ist einer der rund 15 Kandidaten, die bei der Präsidentschaftswahl am 29. Juli gegen Amtsinhaber Ibrahim Boubacar Keita antreten. Anfang Juni kam es zu Demonstrationen für eine transparente und glaubwürdige Wahl.
  • Juli Parlamentswahl und Präsidentschaftswahlen in Mexiko: Mit der Wahl von insgesamt 3.400 MandatsträgerInnen, darunter des Präsidenten, 128 Senatorenposten, 500 Abgeordnete und fast 2.800 lokale VertreterInnen wird es die größte und umfassendste Wahl in der Geschichte des Landes. Mehreren Umfragen zufolge zeichnet sich ein Sieg des linksgerichteten Kandidaten Andrés Manuel López Obrador ab. Es hatte schon 2006 und 2012 für das Amt an der Staatsspitze kandidiert.
  • Juli Parlamentswahl in Pakistan: Ende Mai haben sich Regierung und Opposition auf einen Übergangs-Regierungschef verständigt: Nasir ul Mulk, ist ein früherer Vorsitzender Richter des Obersten Gerichts und wird bis zum Amtsantritt der neuen Regierung die Staatsgeschäfte führen. In Pakistan ist es üblich, dass die amtierende Regierung vor Wahlen abtritt, um deren Neutralität zu sichern.
  • Juli Parlamentswahl in Kambodscha: Seit über drei Jahrzehnten regiert Ministerpräsident Hun Sen von der  Cambodian People’s Party (CPP) und will das Amt weiterhin besetzen. Ende 2017 hat die Regierung die wichtigste Oppositionspartei, die Cambodian National Rescue Party, aufgelöst. Kritische Medien wurden verboten.

Nachrichten und Analysen zu Lateinamerika finden Sie unter: https://amerika21.de/


Termine:

  • 20. Juni 2018: Anlässlich des Weltflüchtlingstages am 20. Juni gibt es in Straß in der Steiermark im Rahmen des EU-geförderten Projekts „Snapshops from the Borders“ einen Thementag mit verschiedenen Veranstaltungen: Ein Highlight ist eine Lesung aus dem Buch „Mein Weg vom Kongo nach Europa“ von Emmanuel Mbolela. Außerdem gibt es die Ausstellung „Lebenslinien“ mit Portraits von Menschen unterschiedlicher Herkunft, kurze Präsentationen zum Thema Flucht und Migration, sowie eine Verkostung von Speisen aus aller Welt. Mehr: suedwind.at/stmk
  • Mai und Juni 2018: Faire Wochen Steiermark
    Initiativen und Organisationen sowie die steirischen Fairtrade-Gemeinden laden zu Veranstaltungen zu den Themen Globale Verantwortung und Entwicklungszusammenarbeit ein. Im Fokus stehen heuer die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs), sowie Menschrechte: Höhepunkt ist der  FairStyria-Tag am 26. Juni 2018.
  • 22. Juni.2018: Women on Air – SDGs vermitteln : Dieser Workshop will Community-Radiomacher*innen für feministische Themen im Kontext der SDGs sensibilisieren. Die Teilnahme ist kostenlos. All genders welcome. Anmeldung unter: womenonair@o94.at
  • 26.06.2018 Was können Bund, Länder und Gemeinden zur Umsetzung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung in Österreich leisten? SDG-Informationsveranstaltung im Steirischen Landtag im Zuge von FairStyria http://www.fairstyria.at/cms/ziel/97760936/DE/
  • 26.06.2018: Junge Stimmen für die Sustainable Development Goals Das Umweltbundesamt und die Jugend-Umwelt-Plattform JUMP laden in Kooperation mit der ÖFSE zu Diskussion und Ausstellungseröffnung mit Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen ein! http://www.jugendumwelt.at/de/kalender/jungestimmen
  • Bis Ende Juni hält Südwind Niederösterreich beinahe täglich Workshops an Schulen zur Produktion von Kleidungsstücken, Smartphones, Schokolade, Fußbällen oder Palmöl ab. Bei jedem Workshop – ua. in Mödling, Tulln, Guntramsdorf, Schwechat – gibt es einen Fototermin mit Gemeindevertretung. JournalistInnen sind herzlich eingeladen.  Weitere Veranstaltungsorte, Uhrzeiten und Infos gibt es bei Jana Teynor,  teynor@suedwind.at
  • 22./23. Juni 2018: Burg Schlaining WELT WEITer DENKEN. SOL-Symposium und mit namhaften Experten/Expertinnen zu den nachhaltigen UN-Entwicklungszielen und ihrer Bedeutung für die Zivilgesellschaft auseinander. Inkl. Burg-Fest. http://nachhaltig.at/symposium/
  • Bis September 2018 zeigen im Rahmen des Festival La Gacilly-Baden Photo die besten FotografInnen der Welt zum Thema „I LOVE AFRICA“ faszinierende Bilderwelten in einer vier Kilometer langen Open-Air-Galerie, in der Gartenkunst und Fotokunst verschmelzen. Mehr: http://festival.lagacilly-baden.photo
  • 26.08.2018: Forum Alpbach: Dialog Entwicklung: Die UN-Nachhaltigkeitsziele in der Praxis (in Kooperation mit ADA-Austrian Development Agency)Speakers: Ban-Ki-Moon, Martin Ledolter https://www.alpbach.org/de/person/ki-moon-ban/
  • ÖKO FAIR –Die Tiroler Nachhaltigkeitsmesse
    Von August bis 2. September 2018 es die erste Tiroler Nachhaltigkeitsmesse – die ÖKO FAIR geben. Es warten zahlreiche AusstellerInnen sowie aktuelle Trends aus den Bereichen Mode & Textilien, Ernährung, Lifestyle, Outdoor und Tourismus und ein breites und vielfältiges Rahmenprogramm zu einem nachhaltigen Lebensstil. Im Rahmen der Messe findet die Veranstaltung „Eine Geschichte aus der Zukunft: die Agenda 2030 wurde erfolgreich umgesetzt“ mit Nadia Prauhart statt.Mehr: http://www.oeko-fair.at/de/

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Agenda 2030 & die SDGs auf lokaler Ebene

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Handlungsmöglichkeiten, Relevanz und Rahmenbedingungen für Kommunen und lokale Akteure. Eine Analyse von René Hartinger, ÖKOBÜRO und SDG-Watch

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Agenda 2030 und ihre 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs): was bedeuten sie auf der und für die lokale Ebene?

Die Agenda 2030 ist ein „Aktionsplan für die Menschen, den Planeten und den Wohlstand“, mit dem die Welt bis 2030 auf den Pfad der Nachhaltigkeit gelenkt werden soll. Adressiert werden die großen, von den Menschen „hausgemachten“ Bedrohungen des 21. Jahrhunderts. Ihr Herzstück stellen die 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, kurz: SDGs) dar. Mit diesen 17 „SDGs“ und ihren 169 Unterzielen wurde zudem erstmals ein für sämtliche Staaten der UNO geltender und integrierter Rahmen für den Weg in eine „gute Zukunft für alle“ innerhalb der „planetaren Grenzen“ geschaffen. Das bedeutet einen Paradigmenwechsel: weg vom punktuellen oder sektoralen Handeln hin zu vernetztem Denken, integrativen Strategien sowie einer integrativen Sicht- und globalen, solidarisch-partnerschaftlichen Herangehensweise. „Der Umfang und der ambitionierte Charakter der neuen Agenda erfordern eine mit neuem Leben erfüllte Globale Partnerschaft, um ihre Umsetzung zu gewährleisten. Darauf verpflichten wir uns uneingeschränkt. Diese Partnerschaft wird in einem Geist der globalen Solidarität wirken, insbesondere der Solidarität mit den Ärmsten und mit Menschen in prekären Situationen. Sie wird ein intensives globales Engagement zur Unterstützung der Umsetzung aller Ziele und Zielvorgaben erleichtern, indem sie die Regierungen, den Privatsektor, die Zivilgesellschaft, das System der Vereinten Nationen und andere Akteure zusammenbringt und alle verfügbaren Ressourcen mobilisiert.“ – so der Resolutionstext.„Integrative Sichtweise“ bedeutet in diesem Zusammenhang vor allem auch eine reflektierte und verantwortungsvolle Herangehensweise an politisches Handeln und Entscheiden. Zum einen wirken sich Maßnahmen ggf. in einer Zieldimension positiv aus, führen in anderen aber zu Trade-Offs. Das bedeutet, dass Handlungsoptionen immer integrativ beurteilt werden sollten, um das „Ausblenden“ negativer Auswirkungen zu vermeiden. Die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen ist hier außerordentlich geeignet, um als Kompass für verantwortungsvolles und zukunftsorientiertes (politisches) Handeln zu dienen – und das auf jeder politischen Ebene.


Konkrete Handlungsaufträge und Paradigmenwechsel im Denken

Wenn die Agenda 2030 auf ihre Relevanz für lokale Akteure hin gelesen wird, wird oft in einer ersten Reaktion das SDG 11 als „das für Städte und Gemeinden relevante SDG“ identifiziert. Tatsächlich finden sich darin viele Handlungsaufträge mit konkretem kommunalpolitischen Bezug – angefangen vom leistbaren Wohnraum bis hin zur integrierten Entwicklungsplanung zwischen ländlichem Raum und Städten. Dass sich aber ausschließlich in diesem elften Ziel die Ansatzpunkte für lokale Akteure fänden ist schlichtweg ein Trugschluss. Jedes einzelne der 17 Ziele bietet – entweder implizit oder explizit – Ansatzpunkte für lokales oder kommunales Handeln.

In einer Untersuchung des deutschen Umweltbundesamtes zur kommunalpolitischen Relevanz der Agenda 2030 wurden beispielsweise beinahe 100 der insgesamt 169 Unterziele (Targets) als kommunalpolitisch relevant eingestuft – also als Unterziele, bei denen es für Kommunen und Lokalverwaltungen Spielraum für politisches Gestalten gibt. Gleichzeitig steckt darin die Herausforderung, dass unterschiedliche politische Ebenen für eine Zielerreichung gut zusammenarbeiten. Kaum eine der Materien lässt sich allein auf einer politischen Kompetenzebene bestmöglich aussteuern. In Österreich ist dies entsprechend der Kompetenzaufteilung der Auftrag zur aktiven und konstruktiven Zusammenarbeit zwischen lokaler/regionalpolitischer Ebene (Städte, Gemeinden, Bezirke), den Ländern und dem Bund. (Ein Beispiel dazu folgt in Abschnitt 5)

Es geht bei den SDGs also auch für lokale Akteure darum, zu einem neuen Verständnis der eigenen Handlungsoptionen zu gelangen und eine Reflexion der eigenen (Mit)Verantwortung für den Zustand und die Zukunft unserer Lebensumwelt zu erreichen – im unmittelbaren Umfeld, wie für den Planeten als ganzes. Neben den direkten Handlungsaufträgen, die in den Unterzielen stecken – etwa der Schaffung von Grünflächen und Naherholungsräumen – liefern die SDGs hier als vernetztes Zielsystem damit auch die Grundlage für ein neues, vernetztes Denken. Maßnahmen, die positiv auf ein Unterziel wirken, können in einem anderen negative Folgen haben. In den Zielen und Unterzielen steckt damit auch für lokale Akteure beides: konkrete Handlungsaufträge und ein Paradigmenwechsel im Denken, der auf einen verantwortungsvollen Umgang mit Zielkonflikten und bessere Reflexion über die Wechselwirkungen und (globalen wie lokalen, kurzfristigen wie langfristigen) Auswirkungen abzielt.


Tiefgreifende Veränderungen statt kosmetischer Korrekturen brauchen integrative Prozesse und Mitsprache

Die Agenda adressiert die großen Herausforderungen, denen wir als Menschheit im frühen 21. Jahrhundert gegenüberstehen: „Wir haben uns zu einem Zeitpunkt versammelt, in dem die nachhaltige Entwicklung vor immensen Herausforderungen gestellt ist“ heißt es dazu im Resolutionstext. Die zentrale und entscheidendste Frage bei der Umsetzung der Agenda 2030 wird also sein, ob es tatsächlich gelingt, die tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen anzustoßen, die es braucht, um diese Herausforderung des 21. Jahrhunderts auch zu meistern. Viele dieser großen Bedrohungen sind durch die Menschen „hausgemacht“, und es braucht ein anderes Herangehen, ein „transformatives“ Handeln und Entscheiden, um ihrer Herr zu werden. Die Politik ist hier auf allen Ebenen aktiv gefragt und in der Verantwortung: Kosmetische Korrekturen, Lippenbekenntnisse oder gar „Etikettenschwindel“ werden weder zu den Fortschritten führen, die uns bei der Bewältigung dieser Herausforderungen weiter bringen, noch werden sie uns helfen, die Chancen, die in dieser Veränderung stecken, aktiv zu nutzen.

Die zuvor bereits genannte Publikation des deutschen Umweltbundesamtes stellt fest, dass die SDGs als Konzept bzw. System sehr gut geeignet sind, um komplexere gesellschaftliche Sachverhalte zu diskutiere und ihrer Vernetztheit gerecht zu werden, ohne einzelne Auswirkungen „unter den Tisch“ fallen zu lassen. Neben dem Einbeziehen unterschiedlicher Interessen und Ansichten sei es darüber hinaus erforderlich, dass die Beschäftigung mit den Zielen zu einem konstruktiven und verantwortungsvollen Umgang mit Zielkonflikten und (globalen) Auswirkungen des eigenen Handelns – auch auf der lokalen Ebene – führt. Es wird explizit vor dem Ansatz des „Rosinenpickens“ gewarnt, bei dem sich Akteure aus Politik, Administration etc. einzelne Ziele oder Unterziele wählen, um diese dann „sektoral“ zu bearbeiten oder ihre Leistungen dazu darzustellen. Dieser Ansatz widerspricht dem Charakter und der Intention der 2030 Agenda grundlegend.

Die NGO WECF, die sich in einer Publikation speziell mit der geschlechtergerechten Umsetzung der Agenda  2030  in  Kommunen  beschäftigte,  merkte  an,  dass  integrative  und  ressort-  bzw. sektorübergreifende Ansätze hierzu eine zentrale Rolle spielen – dies käme in der Praxis aber noch zu  viel  zu  selten  vor.  Viele  der  in  der  2030  Agenda  vorkommenden  Themen  –  etwa  die Gleichstellung der Geschlechter  – müssten integrale Bestandteile politischer Prozesse sein und könnten nicht als Parallelprozesse gemanaged werden. Gleichzeitig braucht es aber übergeordnete Strategien und politisches Commitment, durch die in der Praxis auch echte Fortschritte erreicht werden. Nur so kann ein solcher „Mainstreaming-Ansatz“ echte Fortschritte bewirken, ohne Gefahr zu laufen, auf der administrativen Ebene „steckenzubleiben“ oder politisch zur leeren Worthülse zu verkommen.


Aussagekraft der Unterziele

Für ein ausreichendes Verständnis des „transformativen Potentials“, aber auch eine Vorstellung vom Umfang der Herausforderung, die in den SDGs steckt, ist es unbedingt erforderlich, auch die Unterziele zu lesen. Wie eingangs erwähnt geht es darum, integrative Ansätze zu entwickeln, um echte gesellschaftliche Veränderungen auszulösen, und die sektorale Herangehensweise – oft auch als „Silodenken“ bezeichnet – zu überwinden.

Das Unterziel 10.3 des SDG 10 „Weniger Ungleichheiten“ gibt beispielsweise einen guten Eindruck davon, wie tiefgreifend und umfassend der Handlungsauftrag ist, der in dieser Agenda steckt:

„Chancengleichheit gewährleisten und Ungleichheit der Ergebnisse reduzieren, namentlich durch die Abschaffung diskriminierender Gesetze, Politiken und Praktiken und die Förderung geeigneter gesetzgeberischer, politischer und sonstiger Maßnahmen in dieser Hinsicht“

Allein dieses eine Unterziel gibt – in den unterschiedlichsten Zusammenhängen – Anlass zu zahlreichen Fragen und tiefgreifendem Nachdenken, und das auch im Rahmen lokalpolitischer Überlegungen und Entscheidungen: ob dies nun die beruflichen Chancen für unterschiedliche Gruppen in der Gemeinde betrifft, die Anzahl der Frauen, die in politischen Mandaten in der Stadt/Gemeinde mitbestimmen, die Barrierefreiheit des öffentlichen Raumes oder beispielsweise auch die Auswirkungen von städtebaulichen oder verkehrspolitischen Maßnahmen, vor dem Hintergrund der Chancengleichheit und der gesellschaftlichen Inklusion.

Um diese Wechselwirkungen sowie die möglichen Synergien und Trade Offs zwischen einzelnen Zielen und Unterzielen zu erläutern eignen sich Beispiele.


Synergien und Zielkonflikte

Untersuchungen zeigen, dass die zu erwartenden Synergien die Trade Offs wesentlich überwiegen, und die Umsetzung der 2030 Agenda für die allermeisten Staaten und Bereiche zu mehr positiven als negativen Effekten führen wird (vgl. etwa Pradhan et Al, 2017). Insbesondere Österreich gehört hier im internationalen Vergleich zu den Ländern mit außerordentlich guten Voraussetzungen & Perspektiven: Einerseits aufgrund der guten „Bestandssituation“, auf die es bei der Umsetzung aufbauen kann, und die beispielsweise im SDG Index deutlich herauskommt. Andererseits aber auch, da die positiven Effekte einer ambitionierten Umsetzung hierzulande gegenüber evtl. Trade Offs besonders stark zu überwiegen versprechen. Dennoch werden nicht alle Maßnahmen frei von Ziel- und Interessenskonflikten bleiben. Ein hoher Lebensstandard führt beispielsweise unter den gegebenen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen stets auch zu einem übermäßigen ökologischen Fußabdruck und ausgeprägter ökologischer Nichtnachhaltigkeit. Sowohl der SDG-Index 2017 sowie die Auswertung auf Basis des Doughnut-Konzeptes bestätigen diese Diagnose auch für Österreich und zeigen Handlungsbedarf im Umweltbereich auf: unser hoher Lebensstandard beruht nach wie vor auf einer übermäßigen Beanspruchung einerseits der Umwelt, andererseits aber auch auf ausbeuterischen Arbeitsbedingungen in globalen Zulieferketten etc.

Gerade in diesen Herausforderungen und Zielkonflikten liegt das besonders spannende Element der Agenda 2030 und das für alle politischen Ebenen. Genau darin liegt aber auch ihre zentrale Herausforderung. Im Folgenden sollen diese möglichen Wechselbeziehungen anhand zweier Beispiele diskutiert werden. In einem dritten Beispiel soll gezeigt werden, dass eine gute Zusammenarbeit der politischen Ebenen für eine Erreichung der Ziele wesentlich und erfolgskritisch ist.

Synergien: Ein sanftes Mobilitätssystem und guter öffentlicher Nahverkehr begünstigen die Entlastung der Umwelt ebenso wie die soziale Inklusion. Denn eine solche Mobilität reduziert nicht nur den Ausstoß an Treibhausgasen und den Bedarf an Energie pro Kopf. Sie inkludiert auch jene, die kein Auto besitzen oder die aufgrund bestimmter Einschränkungen keines lenken können. Darüber hinaus fördert sie auch die Gesundheit der Anwohner (Luftqualität, Lärm, Verkehrsunfälle) und verringert die für den Verkehr benötigte Fläche (Schutz natürlicher Lebensräume, Aufwertung öffentlichen Raumes, bspw. als Naherholungsraum).

Trade Offs: Ein weniger konfliktfreies Feld ist beispielsweise die Energiewende: es ist zwar klar, dass erneuerbare Energieträger dem Einsatz fossiler vorzuziehen sind. Gleichzeitig bedeutet aber der Ausbau erneuerbarer Energie auch, dass es zu Nutzungskonflikten kommen kann – landwirtschaftliche Fläche kann entweder zur Herstellung von Agrotreibstoffen oder Lebensmitteln verwendet werden (dies gilt auch für die landwirtschaftliche Nutzfläche in anderen Staaten der Welt, die wir durch den Import von Energieträgern oder Lebensmitteln „mitnutzen“).

Der Ausbau der Wasserkraft führt zu Einschnitten in natürliche Flussökosysteme und kann in einem Land wie Österreich eigentlich nur noch vorangetrieben werden, wenn in Kauf genommen wird, dass damit in besonders sensible natürliche Lebensräume vorgedrungen wird und diese dadurch unwiederbringlich verlorengehen. Die Überlegungen in Bezug auf eine Energiewende müssen daher auch dahin gehen, zu reflektieren, wofür wir überhaupt Energie einsetzen und ob wir unseren Gesamtenergiebedarf beispielsweise auch senken können. In einer aktuellen ÖKOBÜRO-Publikation zur „Biodiversitätsschonenden Energiewende“ wird beispielsweise festgestellt, dass eine Energiewende und ein Aus für fossile Energieträger in Österreich unter Schutz und Erhaltung der Biodiversität sehr wohl gelingen kann – jedoch nur, wenn es gelingt, den Energieverbrauch bis 2050 zu halbieren.

Trade-Offs sind aber auch keine Sackgassen: Wo sie festgestellt werden, können ggf. mit der Zeit durch Innovation oder Querdenken nachhaltige und faire Lösungen gefunden werden.

Kompetenzaufteilung und ressort- bzw. sektorübergreifende Zusammenarbeit als Herausforderung: Gesundheitsaspekte beispielsweise sind von Entscheidungen auf unterschiedlichen politischen Ebenen abhängig: ein gesundes Leben beruht zum einen auf einem hochwertigen Gesundheitssystem sowie einem guten und inklusiven Zugang zu Gesundheitseinrichtungen. Gleichzeitig spielen aber auch lokale Faktoren – die Grünfläche als Naherholungsraum vor der Haustür (SDG11), die Belastung durch Lärm und Schadstoffe am Wohnort (SDG3) etc. – eine zentrale Rolle, um die Gesundheit der Menschen sicherzustellen. Aber auch Fragen des Arbeitsrecht (SDG8), der Ernährung (SDG2), der sozialen Absicherung (SDG1) oder des Zugangs zu sauberem Wasser (SDG6) oder hochwertigem Wohnraum (SDG11) sind wichtige Rahmenbedingungen für Gesundheit und Wohlergehen der Menschen. Gute Rahmenbedingungen für ein Leben in Gesundheit und Wohlergehen können also nur durch die Zusammenarbeit unterschiedlicher politischer Ebenen gewährleistet werden.


Ansatzpunkte für eine Implementierung auf lokaler Ebene

Ein partizipatives und transparentes Herangehen an politische Fragen und Entscheidungen ist eine wichtige Grundlage für eine konstruktive Auseinandersetzung mit derart vernetzten Fragestellungen. In deutschen Kommunen kommt laut Umweltbundesamt als häufigster Ansatz ein „Multistakeholderansatz“ zum Einsatz, um die Einbindung unterschiedlicher Sichtweisen in die politische Entscheidungsfindung zu gewährleisten (wie dieser in einer Kommune dann jeweils ausgestaltet ist, ist sehr vielseitig). Dieses Einbeziehen von Sichtweisen kann zu besserem Verständnis der Wechselwirkungen zwischen einzelnen Zielen und den lokalen und globalen Auswirkungen führen, und ggf. sogar in integrierte Strategien münden, die dann die Grundlage für die langfristige Weiterverfolgung der Ziele werden.

Eine Kommune kann aber beispielsweise auch durch Informationsarbeit etwas bewirken, oder indem sie Bürgerinnen und Bürger zum Aktivwerden animiert und bei der Umsetzung eigener Projekte und Ideen für nachhaltige Entwicklung und globale Partnerschaft unterstützt. Ein weiterer wichtiger Hebel ist die öffentliche Beschaffung. Kommunen haben hier im Rahmen der eigenen Einkaufspolitik die Möglichkeit zu verantwortungsvollem und nachhaltigem Handeln.

Die „Bausteine zur lokalen Umsetzung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs)“ des österreichischen Städtebund und des KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung – setzen an diesem Grundgedanken der „Vielfalt an Handlungsmöglichkeiten“ an und fassen für Städte und Gemeinden, die zu den SDGs aktiv werden wollen, folgende Empfehlungen zusammen:

  • SDG Prozess in der Stadt starten
  • für die SDGs sensibilisieren („Awareness Raising“)
  • Stakeholder einbeziehen, um die Ziele zu erreichen.
  • Festlegen einer lokalen SDG-Agenda
  • SDGs in die kommunale Praxis vor Ort übersetzen
  • konkrete Projekte für nachhaltigere soziale, wirtschaftliche und ökologische Ziele definieren und umsetzen
  • Monitoring, Bewertung & Governance
  • Sicherstellen, dass die SDG-Implementierung auf Kurs bleibt
  • reaktionsfähige und verantwortungsvolle Governance aufbauen
  • Öffentlichkeit beteiligen – Partizipation gewährleisten
  • Anreize für das Mitmachen schaffen

Lokale Ebene als politischer Gestalter, Bund als zentraler Akteur: Verantwortung des Bundes und Bedeutung kompetenz-übergreifender Zusammenarbeit von nationalen und lokalen Stellen

Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, dass lokale Akteure unerlässlich sind, um die globalen Ziele letztendlich auch erfolgreich zu verwirklichen. Um konstruktive Prozesse in Gang zu bringen, ist es also essentiell, dass sich Kommunen als verantwortungsvolle politische Gestalter begreifen. Aber auch auf anderen politischen Ebenen liegen wesentliche Teile der Umsetzungsverantwortung, und für eine erfolgreiche Herangehensweise ist eine Zusammenarbeit zwischen den politischen Ebenen erfolgsentscheidend und unverzichtbar.

Wie in Abschnitt 2 und 5 bereits ausgeführt kommt der Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen politischen Ebenen hier besondere Bedeutung zu. Im Resolutionstext der Agenda wird dazu sowohl die „Hauptverantwortung der Regierungen für die bis 2030 erreichten Fortschritte“ festgehalten, als auch explizit betont, dass die Regierungen für die Umsetzung der Agenda mit „regionalen und lokalen Behörden, subregionalen Institutionen, Hochschulen, philanthropischen Organisationen, Freiwilligengruppen“ etc. zusammenarbeiten sollen.

Die österreichische Bundesregierung ist hier in Hinsicht auf die Gesamtumsetzung der wichtigste politische Akteur. Leider versteht sie sich aber bis heute nicht als die Trägerin der politischen Hauptverantwortung für die Umsetzung der Agenda 2030 und die Verwirklichung ihrer Ziele. Mit dem Ministerratsbeschluss 2017 wurde die Agenda 2030 durch die Bundesregierung lediglich „zur Kenntnis genommen“, mit ihrer Umsetzung wurden „die Bundesministerien beauftragt“. Bis heute hat die Regierung ihre wichtige Schlüsselrolle aber offenbar nicht erkannt und nimmt sie dementsprechend unzureichend wahr.

Nur wenn ein ausdrückliches politisches Bekenntnis auf höchster nationaler Ebene – also von der Bundesregierung – vorliegt, und diese die Verantwortung für die Gesamtumsetzung der Agenda 2030 in Österreich aktiv in die Hand nimmt, können die beauftragten nationalen Stellen ihre Potentiale ausschöpfen und zu den Spielmachern werden, die es für einen transparenten und partizipativen Umsetzungsprozess braucht.

Transparent bedeutet: Pläne, Arbeitsprogramme, Prozesse, Verantwortlichkeiten, Indikatoren etc. sind vorhanden und für alle interessierten Stakeholder zugänglich und nachvollziehbar. Partizipativ bedeutet dabei: diese Pläne, Prozesse etc. werden unter Einbeziehung aller wichtigen Stakeholdergruppen – Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Lokale Ebene und Regionalverwaltungen etc. – erarbeitet und kontinuierlich mit diesen diskutiert und weiterentwickelt.

Derzeit herrscht hier in Österreich jedoch leider noch höchste Intransparenz sowie weithin fehlende Koordination und Partizipation. Eine Studie des KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung aus 2017 hat hier dementsprechend auch – wenig überraschend – ergeben, dass sich Österreichs Städte und Gemeinden mehr Unterstützung durch die nationalen Koordinierungsstellen (dies sind derzeit das BKA und das BMEIA) wünschen. Auch die seit langem fruchtlos vorgebrachten Forderungen der Zivilgesellschaft – heute in der Plattform SDG Watch Austria gebündelt – sowie von Akteuren aus der Wissenschaft etc. an die Bundespolitik indizieren diese Stillstand in aller Deutlichkeit.

Der derzeitige Umsetzungsprozess in Österreich wird dem Anspruch der Agenda 2030 an Transparenz, Stakeholder-Einbindung und Zusammenarbeit zwischen den politischen Ebenen somit bei weitem noch nicht gerecht. Damit fehlen bislang wichtige strukturelle Voraussetzungen für die Erreichung von Fortschritten. Die Vorarbeiten für den für 2020 angekündigten ersten Fortschrittsbericht an die UNO, der nach Angaben des Bundeskanzlers vom Februar 2018 „im Zusammenwirken mit allen relevanten Stakeholdern erstellt und dem Nationalrat vorgelegt“ werden soll, könnte hier die nächste – zwar im internationalen Vergleich reichlich späte, aber immerhin hierzulande nächste – Gelegenheit für den Start des eigentlichen Umsetzungsprozesses in Österreich sein. Eine weitere Gelegenheit böte sich, wenn die Ankündigungen wahr gemacht werden, dass die Umsetzung der Agenda 2030 auch im Rahmen der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft eine wichtige Rolle spielen wird. Auch hier könnte der Stillstand durchbrochen werden und Schwung in den nationalen Umsetzungsprozess kommen.

Ebenso wie die Zivilgesellschaft, die Wissenschaft und die Wirtschaft sollten hier, wenn die Regierung ihre Ankündigungen ernst nimmt, auch die österreichischen Städte, Gemeinden und lokalen Akteure darauf hoffen können, von den nationalen Stellen in einen strukturierten und partizipativen Umsetzungsprozess einbezogen zu werden, wie ihn etwa SDG Watch Austria bereits seit 2017 einfordert.

Aller Voraussichtlich nach wird unser Land erst als eines der letzten Länder in der EU und weltweit an die UNO berichten, Wesentlich ist unter diesen Voraussetzungen daher auch, dass Österreich in der  Zeit  bis  zu  seinem  ersten  Bericht  zumindest  von  jenen  Staaten,  die  heute  bereits  aktiv berichten, lernt, und die Erfahrungen aus den internationalen Good Practise Beispielen für sich und seinen nationalen Umsetzungsprozess nutzt. Nur so könnten die 5 Jahre, die zwischen Beschluss der Agenda und dem ersten Bericht Österreichs liegen werden, so zumindest noch indirekt genutzt werden.

Deutschland beispielsweise ist hier im Rahmen von Aktivitäten des Bundes mit lokalpolitischem Fokus sehr aktiv und stellt Kommunen und Akteuren auf lokaler Ebene, die sich zur Agenda 2030 engagieren wollen, konkrete Unterstützungsangebote zur Verfügung (z.B.: Engagement Global & Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW), Forschungen des Umweltbundesamtes zur Unterstützung der Umsetzung auf lokaler Ebene, „Dialog Nachhaltige Stadt“ des Rats für Nachhaltige Entwicklung, Arbeitskreis zur Umsetzung der Agenda 2030 auf kommunaler Ebene etc.). In Österreich beschränkt sich das Engagement der nationalen Stellen leider auch in diesem Feld nach wie vor auf eine wenig ambitionierte Informations- und Vortragstätigkeit.

rene.hartinger@oekobuero.at
Projektleitung – Nachhaltige Entwicklung und Kommunikation
ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung
Koordinator für SDG Watch Austria


QUELLEN und weiterführende Informationen: (siehe Download pdf)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

SDGs – die nachhaltigen Entwicklungsziele

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SDGs – Nachhaltige Weltziele weltweit wichtig! Regional richtig!
… Recherche-Hinweise, Links, Kommentar

Die Sustainable Development Goals (SDGs), die 17  Ziele nachhaltiger Entwicklung, beschlossen von den Vereinten Nationen, sind seit 1. Januar 2016 mit einer Laufzeit von 15 Jahren (bis 2030) weltweit in Kraft. Sie sind komplex und bisher vor allem Theorie. Mittlerweile nehmen die Wege dorthin aber Gestalt an – bis oder gerade auf regionaler Ebene auch in Österreich. Was es dazu zu sehen, zu wissen und zu erzählen gibt, lesen Sie hier.

Download (pdf)


Agenda 2030 & die SDGs auf Lokaler Ebene: Handlungsmöglichkeiten, Relevanz und Rahmenbedingungen für die Kommunen und lokale Akteure: Analyse und Darstellung von René Hartinger, Ökobüro und SDG-Watch. Mehr


Interessante Aspekte und Recherche-Ideen zu SDGs und ihre regionale Umsetzung:

  • Kommt das Konzept der SDG bei der Bevölkerung an?
  • 17 Ziele – können sie wirklich nachhaltig die Welt retten?
  • Was haben die Vorgänger-Ziele, die Millennium Development Goals gebracht? Und was können die SDG leisten?
  • 17 Ziele für alle – von der Innovation einer globalen Aufgabe
  • Haben die Ziele das Potential Grundlage einer breiten Bewegung zu werden
  • Schul- und Gemeindeprojekte zu den SDGs begleiten. Siehe Projekte.

Projekte


Organisationen / Ansprechpersonen

  • SDG Watch Austria:  Zivilgesellschaftliche Plattform von über 120 Organisationen für die Verwirklichung der UN-Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDGs): www.sdgwatch.at
  • Ban Ki-moon Centre for Global Citizens:  in Wien seit Jänner 2018 gegründet von Ban Ki-moon und dem ehemaligen österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer.: https://bankimooncentre.org
  • Sammlung an internationalen Beispielen von der lokalen Umsetzung von den Nachhaltigkeitszielen: http://localizingthesdgs.org/
  • Zentrum für Verwaltungsforschung zu den SDGs in ö. Städten, z.B. diese Veranstaltung: http://kdz.eu/de/content/die-sdgs-meiner-stadt-leoben-2018
  • Viele EZA-Organisationen in Österreich, die Projekte umsetzten: Südwind, Jugend eine Welt, Globale Verantwortung, JUEFE u.v.m.

Veranstaltungsreihen und Veranstaltungen


Leitlinien/  Handbücher/ Artikel


Medien (Kurzfilme etc.)

SDG-Termine: https://www.sdgwatch.at/de/veranstaltungen/

 

Nicaragua steuert aufs Chaos zu

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Nicaragua steuert aufs Chaos zu

Wie es so weit kam, schildert Ralf Leonhard nach einem Lokalaugenschein.


139 Tote lautet die Bilanz in der zweiten Juni-Woche nach sieben Wochen Aufstand gegen das autoritär regierende Präsidentenpaar Daniel Ortega und Rosario Murillo in Nicaragua. Fast alle gehen auf das Konto der Anti-Aufruhrpolizei und der regierungstreuen Schlägertrupps, die als Sandinistische Jugend auftreten. Die Polizei schießt, um zu töten: in den Kopf, in den Hals, in den Oberkörper. Das haben Amnesty International und die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) bestätigt, die Mitte bzw. Ende Mai das Land besuchten.

Überproportionaler Polizeieinsatz schafft Protest
Die Methoden der Einschüchterung von Protestbewegungen haben in der Vergangenheit gut funktioniert: bei Demonstrationen gegen den Plan, einen interozeanischen Kanal zu bauen oder bei Protesten gegen Pensionskürzungen. Diesmal verfehlte das brutale Vorgehen sein Ziel. Der offensichtlich überproportionale Polizeieinsatz, die Übergriffe der zivilen Schlägertrupps, die JournalistInnen die Kameras stahlen, waren live im privaten Fernsehen zu sehen. Videos verbreiteten sich außerdem in Windeseile über die sozialen Medien. Und je mehr Blut friedlicher DemonstrantInnen floss, desto größer wurde die Protestbewegung.

Erhöhungen der Beiträge zur durch Nepotismus heruntergewirtschafteten Sozialversicherung waren nur der Auslöser. Unmittelbar vorher waren schon Proteste gegen die Brände im Tropenwaldschutzgebiet Indio Maíz brutal unterdrückt worden. Jeder weiß, dass Präsident Ortega und hohe Militärs in den illegalen Holzhandel verwickelt sind. Vieles deutet darauf hin, dass die Brände gelegt wurden. Jedenfalls unternahm die Regierung lange Zeit gar nichts und lehnte sogar die Hilfe einer spezialisierten Feuerwehrbrigade aus Costa Rica ab.

Diese Proteste wurden von ökologisch interessierten StudentInnen getragen, die dank sozialer Medien nicht allein auf die Propaganda der fast völlig von der Regierung und der Familie Ortega kontrollierten Medien angewiesen waren.

Rot-schwarze Fahne der SandinistInnen wurde zum Hassobjekt. Inzwischen hat sich die Protestbewegung, die keinen sichtbaren Kopf hat, auf fast alle wichtigen Städte ausgedehnt. In Managua, Masaya und Granada sind wichtige Straßen durch Barrikaden aus Pflastersteinen abgesperrt. Das erinnert an den Volksaufstand von 1979, als die Sandinistische Befreiungsfront (FSLN) gegen den Diktator Anastasio Somoza kämpfte. Allerdings ist die rot-schwarze Fahne der SandinistInnen inzwischen zum Hassobjekt geworden. Daniel Ortega, einst einer der neun Kommandanten des Nationaldirektoriums und bis 1990 Präsident des Landes, regiert wieder seit 2007. In elf Jahren ist es ihm gelungen, die Opposition fast völlig auszuschalten und dank venezolanischer Öllieferungen soziale und wirtschaftliche Stabilität zu schaffen. Seit zwei Jahren fließt das Öl aus Venzuela nicht mehr. Größere wirtschaftliche Verwerfungen stehen bevor. Ortegas Pakt mit der Unternehmerschaft, der sogar in der Verfassung verankert wurde, ist geplatzt.

Versuche der Bischofskonferenz, über einen Nationalen Dialog eine politische Lösung der Krise einzuleiten, sind gescheitert. Die Regierung zeigt sich absolut unwillig, auch nur die kleinste Konzession zu machen.  Darauf hat sich auch die Position der Gegenseite verhärtet. Da sind UnternehmerInnen, Bäuerinnen und Bauern, StudentInnen,  AkademikerInnen und Frauenorganisationen vereint. Sie fordern den sofortigen Rücktritt des Präsidentenpaares.

Land paralysiert
Zusätzlich verkompliziert sich die Lage dadurch, dass immer mehr Gruppen, die von der Oppositionsbewegung nicht kontrolliert werden, ihr eigenes Spiel spielen. Sie bedrohen Menschen und ganze Stadtviertel, die als regierungstreu gelten, rauben Geschäfte aus und haben in Managua einen Ortega-Sender und in Granada das Rathaus in Brand gesteckt. Durch diese Gruppen und die Straßensperren ist die Versorgungslage in manchen Gegenden inzwischen prekär. Geschäfte werden nicht mehr beliefert, Menschen wagen sich nicht mehr auf die Straße. Zuletzt hat Ortega signalisiert, dass er zumindest einer Vorverlegung der nächsten Wahlen von 2021 auf 2019 zustimmen könnte. Aber, wie der Schriftsteller Sergio Ramírez, einst Vizepräsident unter Daniel Ortega zuletzt in der taz (https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5505666&s=Leonhard/) sagte: „Er hat keine Alternative zum Leben an der Macht. Er hat viel Geld angehäuft aber ihm geht es nicht um Reichtum, den er irgendwo im Exil genießen will. Das Geld ist nur ein Instrument der Macht“.

Ralf Leonhard war in den 1980er und 1990er Jahren mehr als 14 Jahre als Korrespondent in Nicaragua und hat das Land im vergangenen Mai zuletzt besucht.

informationsstelle journalismus & entwicklungspolitik