Archiv der Kategorie: Politik

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PA: ADA zum Weltfrauentag: „Investition in Frauen ist Investition für alle“

„Invest in Women“ – in Frauen investieren – ist das Motto zum Weltfrauentag 2024. Und das ist bitter nötig. Denn die Umsetzung des Rechts auf Geschlechtergleichstellung scheitert rund um den Globus nicht zuletzt an massiven Investitionslücken. Lokale Frauenrechtsorganisationen haben nicht ausreichend Zugang zu Kapital. Die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit unterstützt sie über den Women’s Peace and Humanitarian Fund und schafft so die Basis für die gleichberechtigte Teilnahme von Frauen an Entscheidungsprozessen.

Mädchen und Frauen sind ökonomisch, sozial und politisch benachteiligt. Damit sind sie auch von den Auswirkungen von Konflikten, Krisen und des Klimawandels besonders betroffen. Jedes Jahr am 8. März weisen die Vereinten Nationen mit ihrer Kampagne zum Weltfrauentag auf diese Menschenrechtsverletzung hin. Und sie werden nicht müde, zu bekräftigen, dass Geschlechtergleichstellung und die Stärkung von Mädchen und Frauen wesentliche Voraussetzungen für weniger Armut, mehr Wirtschaftswachstum, gesellschaftliches Vorankommen und nicht zuletzt Frieden sind.
 
Schlüsselrolle von Frauen bei Friedensbemühungen
Insbesondere bei der Friedensförderung, bei der Konfliktbewältigung oder beim Wiederaufbau spielen Frauen eine Schlüsselrolle – dennoch finden ihre Stimmen noch immer nicht ausreichend Gehör. Oder sie sind gänzlich von Entscheidungsprozessen ausgeschlossen. Um das zu ändern, setzt sich die Austrian Development Agency (ADA) gemeinsam mit dem Women‘s Peace and Humanitarian Fund (WPHF) dafür ein, dass Frauen an allen Phasen von Friedensbemühungen – von Verhandlungen bis hin zum Wiederaufbau zerstörter Gesellschaften – beteiligt sind.
 
Stärkung von Frauen ist Gebot der Stunde
„Eine Investition in Frauen ist eine Investition für uns alle. Mit unserem Beitrag zum Women’s Peace and Humanitarian Fund fördern wir lokale Frauenrechtsorganisationen, die anders keinen Zugang zu Finanzierungen hätten. Auf diese Weise unterstützen wir sie und ermutigen sie, ihre Expertise in Entscheidungsprozesse einzubringen, mitzureden und mitzugestalten. Bei der Stärkung von Frauenrechten und Geschlechtergleichstellung können wir keine Zeit mehr verlieren“, betont ADA-Geschäftsführer Friedrich Stift.
 
Über einen Zeitraum von drei Jahren zahlt Österreich aktuell 9,7 Millionen Euro in diesen Fonds ein. Der österreichische Beitrag fließt in rund 60 Projekte in Subsahara-Afrika, Nordafrika sowie im Nahen Osten. Konkret unterstützt werden damit lokale, von Frauen geleitete bzw. zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für Frauenrechte einsetzen. Insgesamt werden damit bis zu 740.000 Mädchen und Frauen direkt erreicht.
 
„Die volle und gleichberechtigte Teilhabe von Frauen ist entscheidend für dauerhaften Frieden und die Bekämpfung von Gewalt, Vertreibung, Armut und den Auswirkungen des Klimawandels auf der ganzen Welt“, sagt Sophie Giscard D’estaing, die Einsatzeiterin des WPHF-Sekretariats. „Es braucht hochwertige, flexible und zeitnahe Finanzmittel für lokale zivilgesellschaftliche Frauenorganisationen, die an vorderster Front arbeiten. Wir müssen gemeinsam sicherstellen, dass Frauen in Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden – damit ihre Stimmen und Perspektiven die Antworten auf die dringenden Herausforderungen unserer Zeit aktiv mitgestalten.“
 
Eine Aktivistin aus Uganda berichtet
Es sind mutige Aktivistinnen wie Robinah Rubimbwa aus Uganda, einem Schwerpunktland der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, die der Fonds unterstützt. Rubimbwa ist Gründerin der Coalition for Action on 1325 (CoACT). Als Frauenrechtsaktivistin und Mediatorin bietet sie Weiterbildungen zu den Menschenrechten und Mediation für Frauen, Staatsbedienstete, religiöse Führer und Polizeibeamt*innen an.
 
Robinah Rubimbwa fasst die Herausforderungen ihrer Arbeit so zusammen: „Organisationen wie CoACT leisten die eigentliche Arbeit vor Ort, aber wir erhalten nicht ausreichend Finanzmittel dafür. Lokale Organisationen arbeiten direkt mit Frauen und Gemeinschaften zusammen, die von Konflikten und Gewalt betroffen sind. Die Verursacher von Krieg und Gewalt leben in den Gemeinden, in denen wir arbeiten. Wir helfen, den Frieden von Grund auf aufzubauen. Frieden kann man nicht von oben nach unten schaffen.“
 
Stärkung von Frauen als Fokus der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit
Der Förderansatz der ADA rückt Frauenrechte bewusst in den Mittelpunkt. Geschlechtergleichstellung ist dabei ein verpflichtendes Kriterium. So trägt die ADA systematisch dazu bei, Mädchen und Frauen zu ihrem Recht zu verhelfen. Aktuell fördert die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit weltweit 199 Projekte mit einem Gesamtvolumen von über 308 Millionen Euro, die als Haupt- oder Unterziele explizit die Stärkung von Frauenrechten verfolgen.
 
>> Fotos von Robinah Rubimbwa und ihrer Frauenrechtsorganisation CoACT in Uganda

Austrian Development Agency
Seit ihrer Gründung im Jahr 2004 unterstützt die Austrian Development Agency (ADA) Länder in Afrika, Asien, Südost- und Osteuropa bei ihrer nachhaltigen Entwicklung. In diesen 20 Jahren hat die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit gemeinsam mit ihren Partnern viel erreicht – die Lebensumstände von Millionen von Menschen haben sich dadurch substanziell verbessert. Aktuell veranlassen die Klimakrise, Kriege und Konflikte jedoch immer mehr Menschen zur Flucht und verschärfen Armut und Hunger. Die Vision der ADA von einem guten Leben für alle bleibt trotz allem unverändert. Mutige und wirksame Entwicklungszusammenarbeit ist heute wichtiger denn je. Gemeinsam mit öffentlichen Einrichtungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Universitäten und Unternehmen ermöglicht die ADA Projekte und Programme mit einem Gesamtvolumen von derzeit 557 Millionen Euro. Gemeinsam mit ihren Partnern gestaltet die ADA Zukunft.
Rückfragehinweis:
Austrian Development Agency (ADA),
die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit
Mag. Katharina Schreiber
Tel.: +43 (0)1 903 99-2410
katharina.schreiber@ada.gv.at
https://www.entwicklung.at/

Veranstaltung: Podiumsdiskussion: Die syrische Diaspora in Österreich

In einer aktuellen Studie wurde das Engagement der syrischen Community in Österreich im Hinblick auf Betätigungsfelder und Herausforderungen untersucht und Forderungen an österreichische Einrichtungen formuliert. Im Rahmen der Veranstaltungen werden die Ergebnisse der Studie „Syrian Diaspora Engagement in Austria“ diskutiert.

Die syrische Diaspora in Österreich
Zwischen humanitärem und politischem Engagement

14.03.2024, 18:00 – 20:00 Uhr
Diplomatische Akademie, Musikzimmer, Favoritenstraße 15a, 1040 Wien
Anmeldung an: seewald@vidc.org

Am Podium
Simela Papatheophilou
stammt aus Wien und absolviert derzeit ein Graduiertenstudium in Konflikt- und Entwicklungsstudien an der Universität Gent (Belgien). Sie schloss ihr Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien mit einer Spezialisierung auf internationales öffentliches Recht ab und arbeitete anschließend als Gerichtsschreiberin sowie als Freiwillige für mehrere entwicklungspolitische NROs. Simela Papatheophilou ist Co-Autorin der Studie „Syrian Diasproa Engagement in Austria“.

Jelnar Ahmad
ist derzeit als Research and Monitoring & Evaluation Manager bei IMPACT – Civil Society Research and Development tätig. Sie koordiniert Forschungsprojekte wie z.B. Mapping of Syrian Civil Society Actors, Gender Dynamics within Syrian Civil Society und Root Causes of Violent Extremism in Northeast Syria, um nur einige zu nennen.

Hubert Neuwirth
ist Historiker und Ethnologe und hat sich auf die moderne Geschichte Südosteuropas spezialisiert. Nachdem er einige Jahre für die OSZE in Albanien gearbeitet hat, ist er seit 2002 für die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) tätig. Als ehemaliger Leiter der OEZA-Koordinationsbüros in Albanien und (Nord-)Mazedonien, Nicaragua und Mosambik verfügt er über umfangreiche Felderfahrung. Derzeit ist er in der Austrian Development Agency (ADA) als Leiter des Referats „Zivilgesellschaft International & Humanitäre Hilfe“ tätig.

Caroline Niknafs
ist seit 2019 für den Dachverband Wiener Sozialeinrichtungen (DWS) in den Bereichen Flüchtlingshilfe und psychische Gesundheit tätig. Der DWS koordiniert die inhaltliche und strategische Zusammenarbeit der Wiener NGOs in den Bereichen Flucht, Wohnungslosigkeit, Sucht und Drogen, Behinderung und Pflege. Frühere Stationen führten sie u.a. in das Europabüro der Stadt Wien, das Programm writers in exile und die Hilfsorganisation Hebrew Immigrant Aid Society. Caroline Niknafs hat Iranistik, Turkologie und Slavitisk studiert und interdisziplinär in Iranistik/Anthropologie zu religiösen Minderheiten in Iran promoviert.

Fatmé Khalil-Hammoud
ist Sozialpädagogin und Sozialarbeiterin und arbeitet seit 2014 als Referentin bei der Stadt Wien, Magistratsabteilung 17 – Integration und Diversität. Von 2015 bis 2019 war sie dort stellvertretende Leiterin des Team Refugees. Seit 2015 ist Fatmé Khalil-Hammoud Leiterin des Second Level Team bei der MA 17.

Tyma Kraitt
wurde 1984 in Bagdad geboren und lebt heute in Österreich, wo sie auch aufgewachsen ist. Sie studierte Philosophie an der Universität Wien und hat im Rahmen ihrer publizistischen Tätigkeiten bereits mehrere Bücher über Syrien und den Irak sowie eine Vielzahl außenpolitischer Texte veröffentlicht. Zudem war sie in der Erwachsenenbildung tätig und ist derzeit parlamentarische Mitarbeiterin der Abgeordneten Muna Duzdar mit Fokus auf Medienpolitik. Zuletzt von ihr erschienen ist das Buch „Sunniten gegen Schiiten. Zur Konstruktion eines Glaubenskrieges.“

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PA: Mexiko: Tötungen von Journalist*innen offenbaren Versagen des staatlichen Schutzes

In den vergangenen sieben Jahren wurden in Mexiko acht Journalist*innen getötet, obwohl sie unter dem Schutz eines staatlichen Mechanismus für Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen standen. Diese besorgniserregende Zahl unterstreicht die dringende Notwendigkeit, diesen Mechanismus zu stärken und zu reformieren, so das Ergebnis einer gemeinsamen Untersuchung von Amnesty International und dem Committee to Protect Women Journalists (CPJ).

Der Bericht ‘No one guarantees my safety’: The urgent need to strengthen Mexico’s federal policies for the protection of journalists liefert eine Analyse des föderalen Mechanismus, der 2012 eingerichtet wurde, um Menschenrechtsaktivist*innen und Journalist*innen in Mexiko, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit extremen Drohungen und Angriffen ausgesetzt sind, zu schützen. Amnesty International und CPJ fordern eine umfassende Reform dieses Mechanismus, um die Sicherheit von Journalist*innen wirksam zu gewährleisten.

„Der staatliche Mechanismus zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen bleibt ein wichtiger Teil der Bemühungen der mexikanischen Regierung, das Land zu einem sichereren Ort für Journalist*innen zu machen. Er kann diese Aufgabe aber nur erfüllen, wenn er seine eigenen Mängel angemessen angeht“, sagt Jan-Albert Hootsen, CPJ-Vertreter in Mexiko.

„Nach Jahren unaufhörlichen Blutvergießens und verheerender Straflosigkeit ist es nun an der Zeit, dass der mexikanische Staat handelt und zeigt, dass er endlich bereit ist, seine Verpflichtungen gegenüber der Pressefreiheit ernst zu nehmen.“

Amnesty International und CPJ fordern eine sofortige und angemessene Finanzierung des Mechanismus, eine umfassende Schulung des Personals, eine unabhängige Überprüfung der Risikobewertungsprozesse, die unverzügliche Integration geschlechtsspezifischer Aspekte in alle Maßnahmen sowie eine verstärkte Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden, um Straflosigkeit zu bekämpfen.

Die mexikanische Regierung muss unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um die Probleme des Mechanismus zu beheben. Dies ist besonders dringend angesichts der bevorstehenden Wahlen, die Auswirkungen darauf haben könnten, wie das Land mit schweren Menschenrechtsverletzungen und Grundrechten wie der Pressefreiheit umgeht.

Journalist*innen im Kreuzfeuer
Mexiko ist das gefährlichste Land der westlichen Hemisphäre für Journalist*innen. Seit Beginn dieses Jahrhunderts wurden mindestens 153 Journalist*innen und andere Medienschaffende getötet. Bei mindestens 64 dieser Todesfälle wurde ein direkter Zusammenhang mit ihrer Arbeit festgestellt.

Straflosigkeit ist bei Verbrechen gegen Journalist*innen die Norm. So gehört Mexiko seit Jahren zu den Ländern mit der höchsten Zahl ungeklärter Morde an Journalist*innen. CPJ hat auch festgestellt, dass Mexiko zwar das Land mit den meisten „verschwundenen“ Journalist*innen ist, keiner dieser Fälle in Mexiko jedoch je zu einer Verurteilung geführt hat.

Neben Tötungen und Verschwindenlassen sind Journalist*innen in Mexiko konstanten Drohungen, Schikanierung sowie physischem und psychologischem Missbrauch sowohl durch Behördenvertreter*innen als auch Mitglieder organisierter krimineller Banden ausgesetzt.

Die meisten Drohungen und Angriffe stehen im Zusammenhang mit dem anhaltenden Kampf des Landes gegen gewalttätige kriminelle Gruppen, der Militarisierung im Rahmen des sogenannten „Anti-Drogen-Krieges“ und dem Versagen der Strafverfolgungsbehörden beim Schutz von Journalist*innen und Öffentlichkeit inmitten von Korruptionsvorwürfen. So wurde von der Schutzinstitution selbst festgestellt, dass fast die Hälfte der Angriffe auf Journalist*innen, die es in Mexiko verzeichnet hat, von Behördenvertreter*innen verübt wurden.

Unzureichende Schutzvorkehrungen
Der Schutzmechanismus für Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen wurde 2012 von der mexikanischen Regierung eingerichtet, nachdem Journalist*innen und zivilgesellschaftliche Organisationen jahrelang darauf gedrängt hatten, etwas gegen die ständigen Bedrohungen und Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger*innen und Medienschaffende zu tun.

In den vergangenen 18 Monaten haben Amnesty International und das CPJ die Vorgehensweise des Mechanismus überprüft. Die Studie zeichnet ein alarmierendes Bild einer mangelhaften Institution, die grundlegend reformiert werden muss, um Journalist*innen angemessen zu schützen.

Besonders besorgniserregend sind das offensichtliche Fehlen grundlegender Kenntnisse zu Menschenrechtsfragen bei den Mitarbeiter*innen der Behörde, die erheblichen Versäumnisse des Mechanismus bei der angemessenen Bewertung der Risiken, denen Journalist*innen ausgesetzt sind, oder bei der Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Aspekte und die mangelhafte Kommunikation mit den zu schützenden Personen.

Die Untersuchung zeigt auch, dass seitens des Mechanismus zunehmend die Tendenz besteht, Schutzmaßnahmen für Journalist*innen zu verweigern, zu reduzieren oder zu streichen, obwohl diese nach wie vor eindeutigen und aktuellen Gefahren ausgesetzt sind.

Der Bericht beschreibt zudem drei symptomatische Fälle von Reporter*innen, die in den Mechanismus aufgenommen wurden: Gustavo Sánchez Cabrera, Rubén Pat Cauich und Alberto Amaro Jordán. Gustavo Sánchez Cabrera und Rubén Pat Cauich wurden beide getötet, während sie unter dem Schutz des Mechanismus standen. Ihre Geschichten sind eine schmerzliche Mahnung an die Folgen eines unzureichenden Schutzes durch die Regierungsbehörde. Der Fall von Alberto Amaro Jordán, der den Mechanismus ersucht hat, seine Schutzmaßnahmen nicht aufzuheben, nachdem diese als nicht mehr notwendig erachtet wurden, offenbart den Kampf von Journalist*innen mit der Bürokratie, das Versagen des Mechanismus, Risiken angemessen zu bewerten, und das schockierende Desinteresse der Behörden, Drohungen gegen Reporter*innen ernst zu nehmen.

Rückfragen:
Presseteam Amnesty International Österreich
Antonio Prokscha
+43-664-621 10 31
presse@amnesty.at

PA: Iran: Drakonische Durchsetzung der Verschleierungspflicht

Die iranischen Behörden setzen die Verschleierungspflicht im Land mit einer groß angelegten Repressionskampagne im öffentlichen Raum durch, indem sie Frauen und Mädchen im öffentlichen Raum umfassend überwachen und massenhaft Polizeikontrollen durchführen. Dies geht aus einem neuen Bericht hervor, den Amnesty International im Vorfeld des Internationalen Frauen*kampftages veröffentlicht hat.

Zehntausende Frauen wurden willkürlich mit der Beschlagnahmung ihrer Autos bestraft, weil sie sich den iranischen Verschleierungsgesetzen widersetzt hatten. Andere mussten Geldstrafen bezahlen oder an Kursen über „Moral“ teilnehmen. Amnesty International hat zudem Kenntnis von Fällen, in denen Frauen strafrechtlich verfolgt und zu Auspeitschungen oder Gefängnisstrafen verurteilt wurden.

Amnesty International sammelte im Februar 2024 die Aussagen von 46 Personen, davon 41 Frauen (darunter eine trans* Frau), ein Mädchen und vier Männer, die von der Menschenrechtsorganisation befragt wurden. Außerdem wertete sie offizielle Dokumente aus, darunter Gerichtsurteile und Strafverfolgungsentscheidungen, die zeigen, dass eine große Anzahl staatlicher Stellen an der Verfolgung von Frauen und Mädchen beteiligt sind, die lediglich ihr Recht auf körperliche Autonomie, Meinungsfreiheit und Glaubensfreiheit wahrnehmen. Amnesty International hat Auszüge aus 20 Zeug*innenaussagen veröffentlicht, um einen Einblick in die erschreckende tägliche Realität von Frauen und Mädchen im Iran zu geben.

„Die iranischen Behörden terrorisieren Frauen und Mädchen, die weiterhin Widerstand gegen die Zwangsverschleierung leisten, indem sie sie ständiger Überwachung und polizeilicher Kontrolle aussetzen. Die drakonischen Maßnahmen reichen vom Anhalten von Autofahrerinnen auf der Straße über die massenhafte Beschlagnahmung ihrer Fahrzeuge bis hin zu unmenschlichen Auspeitschungen und Gefängnisstrafen“, sagte Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich.

Die zunehmende Verfolgung von Frauen und Mädchen durch die Sicherheitspolizei und andere staatliche Behörden findet nur wenige Wochen vor der Abstimmung des Uno-Menschenrechtsrates in Genf über die Verlängerung einer Untersuchungsmission im Iran statt. Diese hat das Mandat, die Menschenrechtsverletzungen insbesondere auch gegen Frauen und Kinder seit dem Tod von Jina Mahsa Amini zu untersuchen.

Willkürliche Beschlagnahmung von Autos
Offiziellen Verlautbarungen zufolge hat die iranische Sittenpolizei seit April 2023 die willkürliche Beschlagnahme von zehntausenden von Fahrzeugen angeordnet, in denen Fahrerinnen oder Beifahrerinnen ohne oder mit „unangemessenem“ Kopftuch saßen.

Bereits für Mädchen im Alter von neun Jahren gilt die Verschleierungspflicht. Laut Zeug*innenaussagen stützen sich die Behörden auf Bilder von Überwachungskameras oder Berichte von Beamt*innen in Zivil, die auf den Straßen patrouillieren und eine Polizei-App namens „Nazer“ verwenden, um Kennzeichen von Fahrzeugen mit weiblichen Fahrerinnen oder Passagierinnen, die gegen die Verschleierungspflicht verstoßen, zu melden.

Die betroffenen Frauen und ihre Angehörigen erhielten Droh-SMS und Telefonanrufe, in denen sie aufgefordert wurden, sich bei der Sittenpolizei zu melden und ihre Fahrzeuge abzugeben, weil sie sich der Verschleierungspflicht widersetzt hätten. Amnesty International hat Screenshots von 60 solcher Textnachrichten geprüft, die im vergangenen Jahr an 22 Frauen und Männer geschickt worden waren.

Zudem haben in den letzten Monaten die Behörden massenhaft Autokontrollen durchgeführt, bei denen sie gezielt Autofahrerinnen auf stark befahrenen Straßen kontrollierten und ihre Fahrzeuge beschlagnahmten.

Amnesty International sprach mit 11 Frauen, die von einschüchternden Verfolgungsjagden, Anhalten und der Beschlagnahmung ihres Wagens berichteten. Sie waren alle ihren alltäglichen Aktivitäten nachgegangen, befanden sich auf dem Weg zur Arbeit, bei Arztbesuchen oder auf dem Schulweg. Sie betonten die völlige Missachtung ihrer Sicherheit durch die Polizei, die die Frauen auch auf stark befahrenen Autobahnen anhielt oder in Städten weit entfernt von ihrem Heimatort in Gewahrsam nahm.

Betroffene berichteten, dass das Verfahren zur Abholung ihrer Autos von der Sittenpolizei mit langen Warteschlangen und erniedrigender Behandlung verbunden ist. Sie schilderten geschlechtsspezifische Beleidigungen, demütigende Anweisungen, ihr Haar zu bedecken, oder die Androhung von Auspeitschungen, Gefängnis und Reiseverboten. In vielen Fällen ordnen leitende Beamte der Sittenpolizei die Freigabe des Fahrzeugs nach 15 bis 30 Tagen an. Zuvor mussten die Frauen allerdings willkürlich festgesetzte Gebühren für das Parken und das Abschleppfahrzeug begleichen und sich schriftlich zur Einhaltung der Verschleierungspflicht verpflichten.

Zugang zu öffentlichen Orten und Dienstleistungen verweigert
Laut Augenzeug*innen wird Frauen ohne Kopftuch heute im Iran der Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln, Flughäfen und Bankdienstleistungen verweigert. Ordnungskräfte kontrollieren die Länge und Passform von Ärmeln, Hosen und Uniformen. Oft werden Frauen dabei beschimpft, beleidigt oder ihnen wird mit strafrechtlicher Verfolgung gedroht.

Eine Frau berichtete Amnesty International von einem Vorfall Ende 2023, bei dem ein Ordnungshüter an einer U-Bahn-Station in Teheran ihrer 21-jährigen Nichte einen Schlag in die Brust versetzte. Ein 17-jähriges Mädchen berichtete, dass ihr Schuldirektor sie vorübergehend suspendierte, nachdem eine Überwachungskamera sie unverschleiert in einem Klassenzimmer aufgenommen hatte. Er drohte ihr demnach, sie dem Geheimdienst der Revolutionsgarden zu melden, wenn sie ihr Kopftuch wieder abnehme.  

Amnesty International erfuhr von 15 Frauen und einem 16-jährigen Mädchen in sieben verschiedenen Provinzen, die nur deshalb strafrechtlich verfolgt wurden, weil sie in ihren Fahrzeugen, im öffentlichen Raum oder in Bildern auf den sozialen Medien kein Kopftuch oder „unangemessene“ Hijabs oder Hüte trugen.

Das Ausmaß solcher Verfolgungen ist schwer zu ermitteln, da die Behörden keine Statistiken veröffentlichen. Laut einer Erklärung des Polizeichefs der Provinz Qom, Mohammad Reza Mirheidary, wurden seit März 2023 allein in Qom 1986 Strafverfahren im Zusammenhang mit der Zwangsverschleierung eröffnet. Dies deutet darauf hin, dass über solche Fälle viel zu wenig berichtet wird.

Mehrere Frauen berichteten, dass Staatsanwälte und Polizeibeamte über ihre hohe Arbeitsbelastung aufgrund des Widerstands der Frauen gegen die Zwangsverschleierung klagten.

Gewaltandrohungen und Auspeitschungen
Amnesty International dokumentierte Fälle von vier Frauen, die von der Staatsanwaltschaft aufgefordert wurden, an bis zu fünf Kursen über Moral teilzunehmen und bis zu einem Jahr lang jegliches „kriminelles“ Verhalten zu vermeiden. Nur so würde das Strafverfahren gegen sie eingestellt. Die Organisation dokumentierte die Fälle von drei weiteren Frauen, die zu Geldstrafen verurteilt wurden. Eine weitere Frau wurde aufgefordert, einen Brief zu schreiben, in dem sie ihre Reue zum Ausdruck bringt.

Amnesty International prüfte einen Bericht des Geheimdienstministeriums, der die fortgesetzte Überwachung der Online-Aktivitäten einer Künstlerin anordnete, die wegen ihrer Instagram-Posts überwacht wurde.

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung waren die Verfahren gegen sechs der Frauen, deren Fälle Amnesty International dokumentiert hat, noch nicht abgeschlossen.

Zusätzlich zu ihren Strafen drohten Staatsanwaltschaft und Richter den meisten Frauen und Mädchen mit Auspeitschung und Gefängnis, einer Frau wurde mit dem Tod und einer anderen mit sexualisierter Gewalt gedroht. Der Vater eines 16-jährigen Mädchens berichtete Amnesty International, dass der Richter eines Jugendgerichts ihr mit Auspeitschung und Gefängnis drohte. Das Mädchen wurde schließlich freigesprochen, musste aber eine Verpflichtungserklärung bei der Sittenpolizei unterschreiben.

Im Januar 2024 verhängten die Behörden eine Strafe von 74 Peitschenhieben gegen Roya Heshmati, weil sie sich in der Öffentlichkeit unverschleiert gezeigt hatte. In einer Aussage auf ihrem Social-Media-Account berichtete sie über ihre Auspeitschung durch einen männlichen Beamten in Anwesenheit eines Richters in einem Raum, den sie als „mittelalterliche Folterkammer“ bezeichnete.

Hintergrund
Das iranische Parlament steht kurz vor der Verabschiedung eines Gesetzes, das die behördlichen Übergriffe auf Frauen und Mädchen, die sich der Verschleierungspflicht widersetzen, rechtlich verankern und weiterverschärfen soll. Im Februar 2024 akzeptierte Präsident Ebrahim Raisi offiziell die erheblichen finanziellen Kosten für die Umsetzung des vorgeschlagenen Gesetzes und ebnete damit den Weg für die Verabschiedung des Gesetzes.

„Die Uno-Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich, müssen darauf pochen, dass die iranischen Behörden die Zwangsverschleierung abschaffen, alle Verurteilungen und Strafen wegen Verstößen gegen die Verschleierungspflicht aufheben und alle Personen, die wegen Verweigerung der Zwangsverschleierung inhaftiert sind, bedingungslos freilassen“, sagte Shoura Hashemi.

„Die Behörden müssen sofort aufhören, Frauen und Mädchen dafür zu bestrafen, dass sie ihre Rechte auf Gleichberechtigung, Privatsphäre und Meinungs-, Religions- und Glaubensfreiheit wahrnehmen.“

Rückfragen:
Presseteam Amnesty International Österreich
Antonio Prokscha
+43-664-621 10 31
presse@amnesty.at

Kommentar: Wendepunkt 2024: ein Jahr der Entscheidung nicht nur für die Entwicklungszusammenarbeit

Von Werner Raza (ÖFSE), Jänner 2024

Das Superwahljahr 2024 könnte in Österreich, der EU und den USA politische Veränderungen einläuten, welche die Chance auf konstruktive internationale Zusammenarbeit auf absehbare Zeit zunichtemachen. Angesichts existenzieller globaler Krisen wäre das eine Katastrophe. Statt einer Forcierung werteorientierter Außenpolitik, braucht es dafür einen solidarischeren Zugang zu internationaler Politik auf Basis gemeinsamer Interessen.

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Erinnerung: Veranstaltung und Interviewmöglichkeit: Times of Crisis, Times of Change: The Sustainable Development Goals (SDGs) at half-time

Am 23. Januar 2024 um 18 Uhr lädt die ÖFSE zu einer Abendveranstaltung, in deren Rahmen der „Global Sustainable Development Report 2023“ präsentiert wird.

Für Journalist:innen gibt es davor die Möglichkeit für ein Mediengespräch mit Imme Scholz, Co-Vorständin der Heinrich Böll Stiftung und Autorin des Berichts.

Im Rahmen der Veranstaltung wird Imme Scholz zuerst den Bericht präsentieren und im Anschluss gemeinsam mit Bundesminister Johannes Rauch und WU-Professorin Sigrid Stagl Möglichkeiten diskutieren, um die SDGs zu erreichen.

Datum und Ort der Veranstaltung:
23.01.2024, 16.30 Uhr
WU Wien, Festsaal 2 (LC.0.200), Library Center, Welthandelsplatz 2, 1020 Wien

Programm:

  • Pressegespräch: 16.30 Uhr
  • Eröffnung: 18.00 Uhr
  • Präsentation des Global Sustainable Development Report 2023: 18.15 Uhr
  • Diskussion: 19.00 Uhr

Ein detailliertes Programm und Informationen zu den Teilnehme:*innen finden Sie hier.

Bitte geben Sie bis 19.01.2024 Bescheid, ob Sie an der Veranstaltung teilnehmen werden.

Klemens Lobnig (ÖFSE), k.lobnig@oefse.at
Simon Ilse (Heinrich Böll Stiftung), simon.ilse@at.boell.org

PA: Amnesty International: EU-Asylrechtsreform ist menschenrechtlicher Dammbruch 

Heute haben sich der Rat und das EU-Parlament auf eine politische Einigung zu den fünf Hauptverordnungen des Migrations- und Asylpakts verständigt. Die geplante Reform verletzt die Menschenrechte von Schutzsuchenden und bedeutet eine Verschärfung von Diskriminierung, vermehrten Pushbacks, Auslagerung der Migrationspolitik und mehr Gewalt an den EU-Außengrenzen. Amnesty International fordert die EU auf, die Menschenrechte von Schutzsuchenden zu respektieren anstatt Verantwortung auszulagern. 

„Die heute erzielte Einigung ist ein menschenrechtlicher Dammbruch und ein deutliches Zeichen dafür, dass sich die EU für eine restriktive Migrationspolitik entschieden hat. Die beschlossenen Verschärfungen werden das europäische Asylrecht für die nächsten Jahrzehnte prägen und riskieren, die Rechtlosigkeit an den Außengrenzen zur Norm machen”, sagt Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich.  

„Die Einigung ist ein fauler Kompromiss auf Kosten Schutzsuchender. Statt auf Abschottung, Abschreckung und Auslagerung zu setzen, sollten die europäischen Mitgliedstaaten sich für eine menschenrechtskonforme Aufnahme innerhalb der EU engagieren. Dabei sollten sie sich auf die Erweiterung sicherer und regulärer Fluchtwege konzentrieren, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, Schutz in Europa zu erlangen, ohne sich auf gefährliche Fluchtrouten zu begeben.“ 

Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems wird dazu führen, dass eine große Zahl der Schutzsuchenden zukünftig an den europäischen Außengrenzen pauschal inhaftiert wird, darunter auch Kinder und besonders schutzbedürftige Menschen. 

Die Einigung beinhaltet außerdem weitreichende Möglichkeiten für Mitgliedstaaten, von menschenrechtlichen Mindeststandards abzuweichen, z.B. in Zeiten erhöhter Ankünfte oder der so genannten „Instrumentalisierung“ von Schutzsuchenden. Dies schwächt eine gemeinsame und humane Reaktion gegenüber schutzbedürftigen Menschen und könnte unverhältnismäßige Notfallmaßnahmen an den europäischen Grenzen normalisieren. 

Gleichzeitig droht eine erhöhte Sammlung biometrischer Daten durch die Behörden, insbesondere von Kindern, was verstärkt zu diskriminierender Polizeiarbeit und willkürlichen Festnahmen auch innerhalb der EU führen könnte.  

Die geplante Reform gefährdet zudem die Solidarität und Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Statt in eine würdige Aufnahme innerhalb der EU zu investieren und sichere Wege für Schutzsuchende zu schaffen, geht der Pakt einen weiteren Schritt in Richtung Externalisierung. Dabei werden Kooperationen mit Drittstaaten wie Albanien, Libyen, Tunesien und der Türkei zur Kontrolle der Migration verstärkt und somit die Verantwortung verlagert.

Rückfragen:
Presseteam Amnesty International Österreich
Eleonore Rudnay
+43-664-621 10 31
presse@amnesty.at

PA: EU-Lieferkettengesetz: Kompromiss stellt Meilenstein dar

Südwind und die Kampagne “Menschenrechte brauchen Gesetze!” begrüßen das EU-Lieferkettengesetz, bedauern aber bleibende Schlupflöcher beim Klimaschutz und für den Finanzsektor

In der Nacht auf Donnerstag konnte in den Trilog-Verhandlungen zum EU-Lieferkettengesetz eine Einigung erzielt werden. Die neue Richtlinie wird dazu führen, dass große Unternehmen menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten umsetzen müssen.

Anders als beim deutschen Lieferkettengesetz ist auch eine zivilrechtliche Haftung vorgesehen. Das bedeutet, Betroffene können Entschädigungen einklagen und Unternehmen müssen somit Verantwortung übernehmen. „Der erzielte Kompromiss stellt einen Meilenstein dar, doch der Kampf für eine Welt ohne Ausbeutung ist noch lange nicht vorbei.

Das Fehlen echter Klimaverpflichtungen sowie weitreichende Ausnahmen für den Finanzsektor gefährden die Effektivität des EU-Lieferkettengesetzes“, sagt Bettina Rosenberger, Koordinatorin der zivilgesellschaftlichen Kampagne Menschenrechte brauchen Gesetze!. „Dennoch wird es dazu führen, dass es in Österreich im Zuge der Implementierung erstmals eine verbindliche Konzernverantwortung geben wird.“ 

„Trotz der bleibenden Schlupflöcher ist mit dem EU-Lieferkettengesetz ein wichtiger Schritt gegen Ausbeutung und für faire, menschenwürdige Arbeitsbedingungen weltweit gelungen. Egal ob bei Kinderarbeit in Schokolade-Lieferketten oder Zwangsarbeit in der Elektronikindustrie, große Unternehmen werden sich künftig nicht mehr so leicht auf ihre Lieferanten ausreden können. Viel wichtiger noch: Geschädigte haben endlich das Recht auf Wiedergutmachung“, sagt Stefan Grasgruber-Kerl, Lieferkettenexperte von Südwind. „Wir haben bei der Präsentation des Kommissionsvorschlags gesagt: Mit dem EU-Lieferkettengesetz ist es wie mit einem Tigerbaby – wir sind sehr froh, dass es endlich da es ist, aber Zähne und Krallen müssen ihm erst wachsen. Die jetzt nach zwei Jahren erwachsene und fertig verhandelte Richtlinie hat einige Zähne und Krallen und ist somit sicher mehr als ein Papiertiger.“

Rasche und umfassende Implementierung in Österreich gefordert „Jetzt muss das Papier zum Leben erweckt werden. Die EU-Mitgliedsländer müssen den notwendigen Rahmen schaffen, um die neue EU-Richtlinie umzusetzen. Konkret müssen Unternehmen dazu verpflichtet werden, Risikoanalysen durchzuführen, ihre Sorgfaltspflichten nachzuweisen und echte Schutzmaßnahmen für Arbeiter;innen zu garantieren“, so Rosenberger und Grasgruber-Kerl.

Einigung mit großen Wermutstropfen Seit vielen Jahren fordern die Organisationen der Kampagne „Menschenrechte brauchen Gesetze!” verbindliche Regeln für Unternehmen, damit diese Menschenrechte und die Umwelt entlang ihrer Wertschöpfungsketten schützen. Der Druck von einzelnen Mitgliedsstaaten sowie von Industrie-Lobbys hat jedoch dazu geführt, dass für den Finanzsektor abgeschwächte Regeln gelten werden, deren Effektivität noch höchst fraglich ist. Der Kompromiss wurde in Verhandlungen zwischen Vertreter:innen des Parlaments, dem Rat und der Kommission erreicht, damit liegt jedoch noch keine fertige Richtlinie vor. Letzte Details werden im Rahmen von weiteren Verhandlungen besprochen. Anschließend wird der Text im Rat und im EU-Parlament beschlossen. Im März 2024 kann mit einer fertigen Richtlinie gerechnet werden. Sofern keine abweichenden Bestimmungen getroffen werden, muss die Richtlinie in Österreich innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden.

Rückfragehinweis
Bettina Rosenberger
Netzwerk Soziale Verantwortung
Geschäftsführerin
Tel.: +43 660 8835409
E-Mail: bettina.rosenberger@nesove.at

Vincent Sufiyan
Kommunikationsleiter Südwind
Tel.: 0650 9677577
E-Mail: vincent.sufiyan@suedwind.at

PA: AidWatch Report 2023: Die ODA-Inflationsblase platzen lassen

Zwar haben die öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen der EU-Mitgliedstaaten im Vorjahr einen historischen Höchstwert erreicht. Doch erfüllten 22% der gemeldeten Leistungen nicht die grundlegendsten Kriterien der OECD, zum Beispiel zu nachhaltiger Entwicklung innerhalb eines Partnerlandes beizutragen. Zu diesem Ergebnis kommt der diesjährige Aid-Watch Report 2023 von CONCORD.

CONCORD, der Dachverband europäischer entwicklungspolitischer Nichtregierungs-organisationen, präsentierte im Oktober seinen AidWatch Report 2023 mit Titel Bursting the ODA inflation bubble, der die Qualität und Quantität der Entwicklungsleistungen (Official Development Assistance, ODA) der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sowie des Vereinigten Königreichs beleuchtet. Die vorläufigen Daten für 2022, die im Frühling veröffentlicht und Ende 2023 bestätigt werden, bezieht der europäische Dachverband von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

ODA der EU erreicht Höchstwert und ist dennoch weit vom 0,7%-Ziel entfernt

Im Jahr 2022 stellten die EU-Staaten 0,59% ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) bzw. 84 Mrd. Euro für öffentliche Entwicklungshilfeleistungen zur Verfügung, was einem realen Anstieg von 19% im Vergleich zu 2021 entspricht. Zwar liegt auch diese ODA-Quote noch weit unter den international vereinbarten 0,7% des BNE, dennoch erreichten die EU-Staaten damit ihren historischen Höchstwert. Österreich erhöhte seine ODA immerhin von 0,31% (2021) auf 0,39% des BNE.

Jedoch hängen die hohen ODA-Zahlen vor allem mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine zusammen: Der Fokus der internationalen Zusammenarbeit verlagerte sich im Jahr 2022 auf die finanzielle Unterstützung für die Ukraine und auf Sicherheitsfragen. Beispielsweise wendeten OECD-Staaten mehr als 13,9 Mrd. Euro für die Unterbringung und Versorgung von Schutzsuchenden aus der Ukraine auf.

Die Miteinbeziehung dieser Mittel würde abermals zu einer Inflated ODA beitragen – einer überhöhten Entwicklungshilfe, die die Autor*innen des AidWatch Reports auch schon in früheren Jahren kritisierten. Erfüllten 16,7% der für das 2021 gemeldeten Leistungen nicht die grundlegenden Kriterien der OECD, waren es 2022 schon 22%. Dazu zählen Leistungen, die nicht die wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand innerhalb der Partnerländer fördern. Österreichs überhöhte Hilfe machte 2022 sogar 27,6% seiner ODA aus. CONCORD fordert, dass OECD-Staaten ihre Unterstützung für die Ukraine zusätzlich zu bisherigen Vereinbarungen leisten, um angemessen auf andere weltweite Herausforderungen reagieren zu können.

Darüber hinaus kritisiert der europäische Dachverband, dass die Zuweisung öffentlicher Entwicklungshilfeleistungen zahlreicher Geberländer immer noch von innen- und geopolitischen Interessen geleitet sei. Wie in den Jahren zuvor spricht er sich für qualitativ hochwertigere sowie besser finanzierte Entwicklungshilfeleistungen aus.

Wie die EU gegen eine überhöhte ODA vorgehen sollte
Die Empfehlungen von CONCORD an die Europäische Union setzen auf zwei Ebenen an. Um die ODA-Inflationsblase platzen zu lassen, sollten die Europäische Kommission und die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten …

  • die ODA reformieren und bestimmte Ausgaben, die nicht zu nachhaltiger Entwicklung in den Partnerländern beitragen, künftig nicht mehr in die ODA einrechnen. Zum Beispiel Kosten für Geflüchtete im eigenen Land, Studiengebühren für Studierende aus dem Ausland, Schuldenerlässe und Kreditzinsen.
  • ihre Anstrengungen verstärken, um das 0,7%-Ziel bis 2030 zu erreichen.
  • transparenter in der Berichterstattung über privatwirtschaftliche Instrumente sein.

Um einen größeren Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung und zum Wohlstand der Länder zu leisten, sollten die Europäische Kommission und die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten …

  • sich ausdrücklich dazu verpflichten, Ungleichheiten in den Partnerländern zu verringern, beispielsweise indem sie vorhandene, passende Instrumente nutzen.
  • sicherstellen, dass die geografische Verteilung der ODA den Bedürfnissen und Zielen der Partnerländer und nicht den internen Prioritäten des Geberlandes bzw. der EU entspricht.
  • Frauenrechtsorganisationen finanziell besser unterstützen, insbesondere durch direkte, langfristige und flexible Finanzierung.
  • die Unterstützung für zivilgesellschaftliche Organisationen (CSO) erhöhen, wobei der Schwerpunkt auf CSOs in den Partnerländern liegen sollte.

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