Archiv der Kategorie: Gesundheit

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PA: ADA – Eine Welt ohne Hunger

Seit Jahrzehnten bemüht sich die internationale Staatengemeinschaft darum, den Hunger in der Welt zu bekämpfen. Trotzdem steigt seit einigen Jahren die Zahl der Menschen, die unter- oder fehlernährt sind, wieder stetig an. Wo die Ursachen für diese Entwicklung liegen und wie sie zu bekämpfen sind – das steht im Mittelpunkt der aktuellen Ausgabe der Weltnachrichten, des Magazins der Austrian Development Agency (ADA).

Wien, 15. Dezember 2021 – Schon die Welternährungsgipfel in den 1970er- und 1990er-Jahren hatten vor allem ein Ziel: eine Welt ohne Hunger. Mit Ziel 2 der Globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) erneuerte die internationale Staatengemeinschaft 2015 diese Absicht. Tatsächlich steigt die Zahl der Hungernden, Unterernährten und Fehlernährten seit einigen Jahren aber wieder an. Laut Welternährungsbericht der FAO aus 2021 hungerten 2020 weltweit knapp 811 Millionen Menschen, vor allem in Asien und Afrika. Weitere 1,25 Milliarden leiden an Unterernährung. Die COVID-19 Pandemie wird die Zahl der Hungernden zusätzlich um geschätzte 83 bis 132 Millionen erhöhen.
 
Schuld sind nicht vorrangig die Produktionssysteme, weltweit werden ausreichend Nahrungsmittel produziert. Viel eher müssen die globalen Ernährungssysteme kritisch hinterfragt werden. Die meisten Hungernden leben in ländlichen Regionen. Bäuerliche Familienbetriebe machen weltweit 70 Prozent der Hungernden aus. Oft haben sie keinen sicheren Zugang zu Land oder Saatgut, diese Ressourcen konzentrieren sich häufig in den Händen einiger weniger. Ländliche Räume werden von der Politik vernachlässigt, es gibt daher dort auch keine Infrastruktur. Außerdem fehlt es in vielen Teilen der Welt an Sozialhilfe-Gesetzen.
„In der Landwirtschafts- und Ernährungssicherheitspolitik einzelner Länder werden Kleinbäuerinnen und -bauern merklich vernachlässigt. Dabei sind sie in Ländern des Globalen Südens die tragende Säule der Nahrungsmittelproduktion“, betont Botschafter Friedrich Stift, Geschäftsführer der Austrian Development Agency (ADA), der Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. „Ihre Rahmenbedingungen müssen dringend verbessert werden.“
 
Ein weiteres Problem der globalen Ernährungssysteme: Sie treiben durch bestimmte Formen der Landnutzung oder intensive Tierhaltung den Klimawandel an: wenn etwa für die Fleisch- oder Futtermittelproduktion große Flächen Urwald gerodet, natürliche Ressourcen zerstört oder übernutzt werden. Etwa ein Drittel der Treibhausgas-Emissionen geht auf das Konto der Ernährungssysteme. Hinzu kommt, dass weltweit ein Drittel der Nahrungsmittel verschwendet wird oder verloren geht.
 
Schwieriger Weg
2020 hatte weltweit beinahe einer von drei Menschen keinen Zugang zu genügend Nahrungsmitteln, so der Welternährungsbericht der FAO. Das waren um 320 Millionen mehr als 2019. Alle zehn Sekunden stirbt laut UNICEF ein Kind unter fünf Jahren an Hunger. Dabei wären nur rund 45 Milliarden Euro jährlich erforderlich, um den Hunger bis 2030 weltweit zu beenden.
 
Die Transformation der Ernährungssysteme ist schwierig. Weshalb das so ist und welche Hungertreiber die Welt belasten, erläutert Michael Brüntrup vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in seinem Kommentar. Warum so viele Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in Entwicklungsländern hungern, erklärt Ousseini Ouedraogo, Exekutivsekretär der Bauern- und Produzenten-Organisation ROPPA (Westafrika), im Interview. Wieso Frauen besonders häufig von Ernährungsunsicherheit betroffen sind und weshalb die Klimaveränderung die Situation gerade im Globalen Süden zusätzlich verschlechtert, sind ebenfalls Themen dieser Ausgabe.
 
Außerdem in den Weltnachrichten 4/2021 zu lesen:

  • Heilsbringer Hybridsaatgut? Ein zweischneidiges Schwert im Kampf gegen Hunger.
  • Insekten auf dem Speiseplan: Können sie die Ernährungssicherheit erhöhen?
  • Die verheerenden Folgen einer Heuschreckeninvasion am Horn von Afrika.

Die Weltnachrichten berichten vierteljährlich über entwicklungspolitische Themen. Herausgeber ist die Austrian Development Agency. Alle Beiträge, Reportagen, Interviews und Geschichten sind auch online nachzulesen. Die Weltnachrichten sind kostenlos. Bestellungen unter oeza.info@ada.gv.at.

Austrian Development Agency
Die Austrian Development Agency, die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, unterstützt Länder in Afrika, Asien, Südost- und Osteuropa bei ihrer nachhaltigen Entwicklung. Gemeinsam mit öffentlichen Einrichtungen, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen setzt die ADA derzeit Projekte und Programme mit einem Gesamtvolumen von über 550 Millionen Euro um.

Rückfragehinweis:
Austrian Development Agency (ADA),
die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit
Mag. (FH) Dagmar Achter
Tel.: +43 (0)1 90399-2413
Mobil: +43 (0)676 839 03 413
dagmar.achter@ada.gv.at 
www.entwicklung.at

VERANSTALTUNG: GLOBAL INEQUALITY TALK #7: Die soziale Dimension der Nachhaltigkeit

Vor allem im globalen Süden vertreiben neben gewaltsamen Konflikten auch Dürren und Überschwemmungen Menschen aus ihrer Heimat. Deutlich wird damit, dass alle Maßnahmen, die in den letzten Jahrzehnten eine „erfolgreiche Entwicklung“ gebracht haben, massiv dem Klima geschadet haben.

Die Sustainable Development Goals von 2015 wollen Hunger und Armut beseitigen – und das möglichst „klimaneutral“. Doch einige Ziele widersprechen einander: Wie sollen Industrialisierung (SDG 9) und Klimaschutz (SDG 13), Wirtschaftswachstum (SDG 8) und „weniger Ungleichheiten“ (SDG 10) gleichzeitig erreicht werden?

Damit stellt sich die Frage, wie Maßnahmen zur Rettung des Weltklimas überhaupt sozial gerecht erfolgen können. Auch in Österreich wird über die soziale Abfederung von Ökosteuern heiß debattiert. Wird die Rettung des Weltklimas soziale Ungleichheit weiter verschärfen? Oder gibt es Wege, Klimamaßnahmen sozial gerecht zu gestalten?

Über die soziale Dimension der Nachhaltigkeit reden wir beim Global Inequality Talk #7 am Mi., 24. November mit Petra Bayr (SPÖ) und Anja Appel (KOO).

Am Podium: Petra Bayr (SPÖ) und Anja Appel (Koordinierungsstelle der Österr. Bischofskonferenz)
Moderation: Gerald Faschingeder (Paulo Freire Zentrum)
Termin: Mi., 24. November 2021 um 16.00-16.45 Uhr
Format: Zoom Webinar (Teilnahme-Link wird den Angemeldeten kurzfristig zugesendet.)
Sprache: Deutsch
Nähere Infos und Anmeldung

Eine Veranstaltung vom Paulo Freire Zentrum.

PA: Tag des Elektroschrotts: Steigende Müllexporte verursachen massive Gesundheitsprobleme

Wachsender Elektroniksektor verschärft die Entsorgungsprobleme in Ländern wie Ghana – Südwind und Mike Anane fordern Reduktion und Wiederverwertung im Globalen Norden sowie schärfere Kontrollen gegen illegale Exporte.

Wien / Accra, 13. Oktober 2021. Anlässlich des morgigen Internationalen Tags des Elektroschrotts fordern die Menschenrechtsorganisation Südwind und der ghanaische Umweltjournalist und -aktivist Mike Anane umfassende Maßnahmen, um den illegalen Export von Elektroschrott in Länder des Globalen Südens zu stoppen. Laut Prognosen der Weltgesundheitsorganisation WHO werden 2021 weltweit im Schnitt 7,6 Kilogramm E-Schrott pro Kopf produziert. Zusammengenommen wäre das ein Berg von 57,4 Millionen Tonnen an ausgedienten Kühlschränken, Fernsehern, Klimaanlagen, Druckern, Computern und Co.. Die Kapazitäten der weltweiten Recyclinganlagen reichen nicht aus, um diese Mengen zu verarbeiten. Nur 17,4 Prozent des anfallenden Elektroschrotts werden laut E-Waste Monitor 2020 sachgemäß recycelt. Stattdessen werden jährlich Millionen Tonnen E-Schrott fälschlicherweise als Gebrauchtware deklariert und auf illegalen Wegen in Länder wie Ghana exportiert, wo sie auf hochgiftigen Müllhalden landen. „Die Elektronikproduktion ist eine der am schnellsten wachsenden Sektoren mit schwerwiegenden Folgen für Gesundheit und Umwelt in den Entsorgungsländern. Die Lebenszeit der Elektro-und Elektronikprodukte wird immer kürzer, weil Reparaturen aufgrund des Produktdesigns immer schwieriger werden und die Leistungsanforderungen an die Geräte immer größer“, sagt Andreas Müller, Südwind-Experte für Rohstofflieferketten. „Gerade reiche Länder müssen für dieses Fiasko Verantwortung übernehmen. In der EU und Österreich braucht es daher eine Rohstoffstrategie, die Reduktion und Wiederverwertbarkeit in den Vordergrund stellt. Reine Wachstumsziele ohne Systemwandel befeuern hingegen immer größere Umweltschäden und Gesundheitsrisiken.

Elektronische Produkte bestehen aus über 1.000 giftigen Inhaltstoffen, wie Blei, Quecksilber, bromierten Flammschutzmitteln und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen, die bei unsachgemäßer Handhabung, Lagerung und Verarbeitung freigesetzt werden. Viele dieser Stoffe sind krebserregend oder können Atemwegserkrankungen, Kopfschmerzen und andere Beschwerden verursachen. „Die reichen Länder der Welt müssen sich um das Recycling ihres Schrott kümmern, und zwar dort wo, er anfällt. Armen Ländern, denen die nötigen Mittel fehlen, um den eigenen Müll sachgerecht zu entsorgen, kann diese Bürde nicht umgehängt werden“, fordert Mike Anane, der die Entwicklung in Ghana seit Jahren beobachtet: „Zu einer sauberen Kreislaufwirtschaft gelangen wir nicht, indem Elektroschrott durch schmutzige Geschäftspraktiken rund um die Welt in Länder wie Ghana verschoben wird, wo er alles vergiftet.“

Zum Inbegriff der dramatischen gesundheitlichen Folgen der illegalen E-Schrott-Exporte wurde die ghanaische Deponie Agbogbloshie, bekannt aus der preisgekrönten Dokumentation Welcome to Sodom. Südwind-Mitarbeiterinnen waren mehrmals vor Ort, um die Lage zusammen mit Mike Anane zu dokumentieren. In Agbogbloshie waren jeden Tag tausende Kinder und junge Männer zu sehen, wie sie Computerbildschirme mit bloßen Händen zerbrachen und Kühlschränke ohne Schutz vor den giftigen Dämpfen verbrannten, um an Kupfer und andere Metalle zu gelangen und diese für Hungerlöhne zu verkaufen. Im Juli 2021 wurde die Deponie, die zu einem der giftigsten Orte der Welt geworden war, von der Stadtregierung geräumt. Nach der Dekontaminierung des Areals soll dort ein Krankenhauskomplex entstehen. Das Müllproblem wird dadurch nicht gelöst, erklärt Mike Anane: „Weiterhin landet containerweise E-Schrott im Hafen von Accra und wird weiterhin unter gesundheitsschädlichen Bedingungen nun auf kleineren Deponien im ganzen Land zerlegt. Das was übrig bleibt, vergiftet künftig dort die Menschen, die Böden und das Grundwasser.” 

Gemeinsam mit Südwind und anderen Organisationen auf der ganzen Welt fordert Anane Regierungen, Produzenten, Recyclingunternehmen und Konsument*innen auf, konkrete Lösungen für die E-Schrott-Problematik umzusetzen. Regierungen sind gefordert, E-Müll-Exporte streng zu kontrollieren und Verstöße zu ahnden. Produzenten sollten per Gesetz dazu verpflichtet werden, die Lebensdauer ihrer Produkte zu maximieren und auf Unternehmenskosten ein sachgemäßes Recycling zu garantieren. Gleichzeitig muss der Rohstoffverbrauch insgesamt verringert werden und die Entsorgung verpflichtend bei entsprechenden Sammelstellen und „ReUse“-Zentren organisiert werden. 

Hintergrund: Basler Abkommen 
Die Praxis der illegalen E-Schrottexporte sollte mit dem Basler Abkommen aus dem Jahr 1989 unterbunden werden. In Österreich ist es seit 1993 in Kraft. Lückenhafte Kontrollen in den europäischen Häfen, lasche Strafverfolgung und relativ hohe Gewinne aus dem verbotenen Geschäft mit dem Schrott haben zur Folge, dass in Ländern wie Ghana tonnenweise kaputte Geräte aus den Ländern des Globalen Nordens landen.

Einladung zum Online Talk: Elektroschrott in Europa und Ghana
Veranstaltung mit Mika Anane und Andreas Müller in Kooperation mit ISJE
Fr., 22. Okt. 2021, 19:00
Anmeldungen: https://tinyurl.com/k3jmcfhp

Mike Anane ist ein unabhängiger Umweltjournalist, der seit über zwei Jahrzehnten zu Umweltkriminalität einschließlich illegaler Elektromüllverschiffung und -verbringung in Ghana recherchiert und schreibt. Er ist Preisträger des Global 500 Roll of Honour-Preises der UNEP, womit seine herausragenden Beiträge für den Umweltschutz gewürdigt werden. 

Rückfragen:
Vincent Sufiyan
Kommunikationsleiter Südwind
Tel.: 0650 96 77577
E-Mail: vincent.sufiyan@suedwind.at

Mike Anane
Unabhängiger Umweltjournalist
E-Mail: mikeanane@yahoo.com

Einladung: Online-Talk: Elektroschrott in Europa und Ghana

Warum gelangt E-Schrott trotz Verboten nach Ghana? Was bedeutet das für Menschen & Umwelt? Wie kann illegale Verschiffung verhindert werden?
Input und Diskussion am Freitag, dem 22.10.2021 um 19:00 Uhr mit dem Umweltjournalisten Mike Anane aus Ghana.

Weltweit fallen jedes Jahr 57,4 Millionen Tonnen Elektro- und Elektronikschrott an, von denen nur 17,4% angemessen recycelt werden. Große Mengen an ausrangierten Computern, Smartphones, Waschmaschinen und anderen Geräten werden illegalerweise quer über die Weltmeere verschifft und in Länder wie beispielsweise Ghana verbracht.

Im Juli 2021 ließen die städtischen Behörden der Hauptstadt Accra die größte informelle E-Schrott-Verarbeitungsanlage Agbogbloshie räumen. Dennoch sind damit die Grundprobleme nicht aus dem Weg geräumt: das hohe weltweite E-Schrott-Aufkommen und die ungerechte Verteilung der Umweltbelastungen, die dieser mit sich bringt. Illegale Schiffsladungen mit E-Schrott landen weiterhin in Ghanas Häfen. Auch nach der Räumung Agbogbloshies setzen also weiterhin viele Menschen ihre Arbeit auf anderen informellen Recycling-Anlagen fort, und damit gleichzeitig ihre Gesundheit und diejenige der dortigen Ökosysteme aufs Spiel.

Der Umweltjournalist Mike Anane berichtet in diesem Online-Talk über die aktuellen Entwicklungen in Ghana. Er stellt notwendige politische Lösungsansätze und Regulierungsmaßnahmen zur Diskussion, welche den illegalen Export von Elektroschrott unterbinden und die schädlichen Auswirkungen von elektronischen und elektrischen Geräten am Ende ihrer Nutzungsdauer reduzieren können.

Mike Anane ist ein unabhängiger Umweltjournalist, der seit über zwei Jahrzehnten zu Umweltkriminalität einschließlich illegaler Elektromüllverschiffung und -verbringung in Ghana recherchiert und schreibt. Er ist Preisträger des Global 500 Roll of Honour-Preises der UNEP (United Nations Environment Programme), womit seine herausragenden Beiträge für den Umweltschutz gewürdigt werden. Mike Anane engagiert sich seit langem weltweit gegen den Handel mit Elektroschrott und die damit verbundenen Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen.

Online-Talk (auf Englisch)
Freitag, 22.10.2021, 19:00 Uhr
Anmeldung: Online bis 22. Oktober.

Eine Veranstaltung von Südwind in Kooperation mit ISJE.

Veranstaltung: Global Inequality Talk #6: Gender – SDGs – Österreich

Genderdebatte zwischen Care, reproduktiver Gesundheit und Gleichberechtigung.

Geschlechtergleichstellung ist eine der zentralen Forderungen der Nachhaltigen Entwicklungsziele. Bis 2030 sollen alle Formen der Diskriminierung von Frauen und Mädchen überall auf der Welt beendet werden. Alle Formen von Gewalt gegen und die Ausbeutung von Frauen und Mädchen sollen abgeschafft werden. Unbezahlte Pflege- und Hausarbeit soll anerkannt werden. So lauten einige Unterziele. Die Corona-Krise führte zu einem drastischen Anstieg von häuslicher Gewalt. Laut UNWomen sind in mehreren Ländern Anrufe bei Hilfetelefonen gegen häusliche Gewalt um 60-700 Prozent gestiegen.

Was kann Österreich tun, um Geschlechtergleichstellung weltweit durchzusetzen? Welche Rolle spielt dabei das österreichische Parlament?

Henrike Brandstötter setzt sich als Nationalratsabgeordnete und entwicklungspolitische Sprecherin der NEOS im österreichischen Parlament für Gendergerechtigkeit ein. Claudia Thallmayer arbeitet beim Entwicklungspolitischen Netzwerk für Frauenrechte und feministische Perspektiven WIDE zum Thema Nachhaltige Entwicklung und Frauenrechte.

Am Podium: Henrike Brandstötter (NEOS) und Claudia Thallmayer (WIDE)
Moderation: Gerald Faschingeder (Paulo Freire Zentrum)
Termin: Mi., 27. Oktober 2021 um 16.00-16.45 Uhr
Anmeldeschluss:  Mo., 25. Oktober um 12.00 Uhr
Format: Zoom Webinar (Link wird im Vorfeld zugeschickt, daher bitte unbedingt pünktlich anmelden!)


Eine Veranstaltung von WIDE – Entwicklungspolitisches Netzwerk für Frauenrechte und feministische Perspektiven und Paulo Freire Zentrum.

PA: Österreichs Modeunternehmen nachlässig bei Engagement für sichere Nähereien

Neues internationales Abkommen über Gebäude- und Feuersicherheit für Textilarbeiterinnen ohne österreichische Beteiligung – Südwind und Clean Clothes fordern von heimischen Modeunternehmen ein klares Bekenntnis zu verbindlichen Sicherheitsstandards.

Wien, 13. September 2021. Anlässlich des Starts der Vienna Fashion Week kritisieren Südwind und die Clean Clothes Kampagne das fehlende Engagement von Österreichs Modeunternehmen für sichere Arbeitsbedingungen. „Obwohl Nachhaltigkeit zum gerne bemühten Trendwort in der Modebranche geworden ist, vergessen die Unternehmen weiterhin viel zu oft auf die Arbeits- und Menschenrechte in ihren Produktionsländern“, kritisiert Gertrude Klaffenböck, Südwind-Projektleiterin für die Clean Clothes Kampagne. 

Ende August 2021 gaben globale Modeunternehmen und internationale Gewerkschaftsverbände eine Einigung über ein neues internationales Abkommen für Gebäude- und Feuersicherheit in der Bekleidungsindustrie bekannt. Während sich bereits etliche internationale Unternehmen zu den verbindlichen Sicherheitsstandards bekennen, hat noch kein einziges österreichisches Unternehmen das neue Abkommen unterzeichnet. „Die heimische Modebranche stellt sich selbst ein verheerendes Zeugnis aus. Trotz der massiven Importabhängigkeit aus Bangladesch und Pakistan ziehen sich Österreichs Modeunternehmen weiterhin aus der Verantwortung und nehmen die Gefährdung ihrer Arbeiterinnen und Arbeiter in Billiglohnländern in Kauf“, sagt Klaffenböck. Österreichische Importe aus Bangladesch (96%) und Pakistan (73%) bestehen zum überwiegenden Teil aus Kleidung und Schuhen. Die Einfuhren belaufen sich jedes Jahr auf Waren im Wert von etwa 709 Millionen Euro (Bangladesch) beziehungsweise 175 Millionen Euro (Pakistan). Südwind und die Clean Clothes Kampagne fordern daher Österreichs Modeunternehmen auf, den „International Accord“ zu unterzeichnen, der seit 1. September 2021 in Kraft ist.

Das neue internationale Sicherheitsabkommen (International Accord for Health and Safety in the Textile and Garment Industry) wurde nach langen Verhandlungen zwischen Bekleidungsunternehmen und Gewerkschaften am 26. August verabschiedet und versteht sich als Erweiterung des Bangladesch-Abkommens von 2013. Nach dem tragischen Einsturz der Rana Plaza-Fabrik sahen sich Modeunternehmen damals dazu gezwungen, aktiv zu werden und mit der Verabschiedung des Bangladesch-Akkords zur Verbesserung der Gebäudesicherheit von Textilfabriken beizutragen. Das neue Abkommen von August 2021 behält die wesentlichen Elemente bei und soll zudem auf andere Länder erweitert werden. Die Unternehmen verpflichten sich damit, Zulieferern Preise zu zahlen, die ausreichen, um sichere Arbeitsplätze zu unterstützen und keine Geschäfte mehr mit Fabriken zu machen, die sich weigern die Sicherheit am Arbeitsplatz zu garantieren. Die Verpflichtungen sind rechtlich verbindlich und unterliegen einer unabhängigen Überprüfung.

„Die Erweiterung des Abkommens über den Geltungsbereich von Bangladesch hinaus ist ein überfälliger Schritt. Es kann zu einem Meilenstein werden für Textilarbeiterinnen in ihrem jahrelangen Kampf um Sicherheit am Arbeitsplatz. Für Unternehmen, die sich das Engagement für Nachhaltigkeit und Menschenrechte auf die Fahne schreiben, ist es ein Instrument, das die Achtung auf das Recht auf gesunde und sichere Arbeitsbedingungen ausreichend gewährleisten kann“, erklärt Gertrude Klaffenböck. „Sämtliche Unternehmen, die in Ländern wie Bangladesch oder Pakistan produzieren lassen, sind dringend aufgefordert, mit der Unterzeichnung des Abkommens für sichere Arbeitsplätze in ihren Textilfabriken beizutragen.“ 

Weiterführende Informationen unter:
https://internationalaccord.org/
https://bangladeshaccord.org/
https://fashionchecker.org/
https://cleanclothes.org/campaigns/protect-progress

Rückfragehinweis:
Vincent Sufiyan
Kommunikationsleiter Südwind
Tel.: +43 650 96 77 577
E-Mail: vincent.sufiyan@suedwind.at

Gertrude Klaffenböck
Clean Clothes Kampagne Österreich
Tel.: +43 (0)1 405 55 15 331
E-Mail: gertrude.klaffenboeck@suedwind.at

PA: Katar – WM 2022: Todesfälle von Arbeitsmigranten nicht untersucht

Der Tod vieler Arbeitsmigrant*innen in Katar bleibt wegen mangelnder Untersuchungen seitens der Behörden bis heute ungeklärt. In einem neuen Bericht dokumentiert Amnesty International, wie die wahrscheinliche Todesursache – stundenlange Arbeit in extremer Hitze – nicht untersucht und stattdessen pauschal Totenscheine verfasst und die Todesfälle auf „natürliche Ursachen“ oder vage definierte Herzfehler zurückgeführt wurden.

London /Wien, 26. August 2021. Für den neuen Bericht In the Prime of their Lives befragte Amnesty International medizinische Expert*innen und überprüfte die Regierungsangaben zu Tausenden von Todesfällen; außerdem wurden 18 Totenscheine analysiert und die Familien von sechs Männern, die zum Zeitpunkt ihres Todes zwischen 30 und 40 Jahre alt waren, befragt.

15 der 18 Totenscheine enthielten keine Informationen über die zugrundeliegenden Ursachen, stattdessen wurden Bezeichnungen wie „akutes Herzversagen natürlicher Ursache“, „Herzversagen unspezifiziert“ und „akutes Atemversagen aufgrund natürlicher Ursache“ verwendet. Ähnliche Formulierungen wurden in den Berichten für mehr als die Hälfte der 35 Todesfälle verwendet, die seit 2015 als „nicht arbeitsbedingt“ auf den WM-Baustellen verzeichnet wurden. Dies lässt darauf schließen, dass in den betreffenden Fällen wahrscheinlich keine aussagekräftigen Untersuchungen durchgeführt wurden. Dr. David Bailey, ein führender Pathologe und Mitglied der WHO-Arbeitsgruppe zur Bescheinigung von Todesursachen, erklärte gegenüber Amnesty International: „Im Grunde stirbt am Ende jeder an Atem- oder Herzversagen, und die Formulierungen sind ohne eine Erklärung des Grundes dafür bedeutungslos.“

Forderung nach Entschädigungszahlungen an die Familien
„Wenn relativ junge und gesunde Männer nach langen Arbeitsstunden in extremer Hitze plötzlich sterben, wirft dies ernste Fragen über die Arbeitsbedingungen in Katar auf. Den Tod von Arbeitsmigranten nicht zu untersuchen und zu verhindern, ist ein Verstoß gegen die Verpflichtung Katars, das Recht auf Leben zu wahren und zu schützen“, sagt Steve Cockburn, Leiter des Bereichs wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit bei Amnesty International. „Wir fordern die katarischen Behörden auf, alle Todesfälle von Arbeitsmigranten vollständig zu untersuchen. Wenn die Arbeiter gefährlichen Bedingungen wie extremer Hitze ausgesetzt waren und keine andere Todesursache festgestellt werden kann, muss Katar den Familien eine angemessene Entschädigung zukommen lassen und unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um den Schutz für andere Arbeiter zu verbessern.“

Das Ausmaß der ungeklärten Todesfälle
Die von Amnesty durchgeführte Analyse von Angaben zu Sterbefällen aus verschiedenen Quellen deutet darauf hin, dass die Quote der ungeklärten Todesfälle von Arbeitsmigrant*innen in Katar bei fast 70 Prozent liegen könnte. Statistiken der katarischen Behörden zeigen, dass zwischen 2010 und 2019 mehr als 15.000 Personen nicht-katarischer Staatsangehörigkeit gestorben sind. Wie viele davon Arbeitsmigrant*innen waren, die aufgrund der Arbeitsbedingungen starben, lässt sich aus diesen Daten nicht schliessen, da die Todesursachen nicht systematisch erhoben werden. Auch gibt es keine umfassenden Statistiken zu Todesfällen bei allen WM-Projekten. Plötzliche Todesfälle Amnesty untersuchte die Todesfälle von sechs Arbeitsmigranten im Detail: vier Bauarbeiter, ein Wachmann und ein LKW-Fahrer. Bei keinem der Männer waren gesundheitliche Probleme bekannt und alle hatten die vorgeschriebenen medizinischen Tests bestanden, bevor sie nach Katar reisten. Keine der Familien hat nach dem Tod des Angehörigen eine Entschädigung erhalten. Auch wurde keiner der von Amnesty befragten Familien irgendeine Form der Obduktion angeboten, um die eigentliche Todesursache ihrer Angehörigen zu ermitteln. Dies bedeutete, dass nicht festgestellt werden konnte, ob die Arbeitsbedingungen zum Tod der Angehörigen beigetragen hatten. Somit war die Möglichkeit einer Entschädigung durch den Arbeitgeber oder die katarischen Behörden ausgeschlossen.

Suman Miah, 34 Jahre, arbeitete als Bauarbeiter. Er starb am 29. April 2020, nachdem er eine lange Schicht bei Temperaturen von bis zu 38°C absolviert hatte. Amnesty traf die Familie von Suman Miah, darunter seine beiden kleinen Kinder, in ihrem Haus in Bangladesch. Sie erfuhren von seinem Tod durch seine Kollegen und wurden weder von den katarischen Behörden kontaktiert noch wurde ihnen eine Autopsie angeboten. „Ich konnte die Nachricht zunächst nicht glauben. Ich hatte noch ein paar Stunden zuvor mit ihm gesprochen“, sagte Suman Miahs Frau Sumi Akter. Die bangladeschische Wohlfahrtsbehörde zahlte der Familie von Suman Miah 300.000 bangladeschische Taka (ca. 3.500 US-Dollar), aber diese Summe deckte gerade mal die Schulden, die er durch Anwerbegebühren während seiner Migration nach Katar gemacht hatte.

Hintergrund: Pflicht eines Staates, das Recht auf Leben zu schützen
Die Pflicht eines Staates, das Recht auf Leben zu schützen, sowie seine Verpflichtung, gesunde Arbeits- und Umweltbedingungen zu gewährleisten, muss durch Gesetze oder andere Maßnahmen untermauert werden. Bis vor kurzem bestand der wichtigste Schutz gegen berufsbedingte Hitzebelastungen in Katar in einem Verbot der Arbeit im Freien zu bestimmten Zeiten, nämlich zwischen dem 15. Juni und dem 31. August. Im Mai 2021 verlängerte Katar das Verbot der Sommerarbeitszeit vom 1. Juni bis zum 15. September und führte weitere Vorschriften ein, darunter ein Verbot der Arbeit im Freien, wenn der Index für Hitze und Feuchtigkeit 32 Grad erreicht. Die neuen Rechtsvorschriften geben den Arbeitnehmer*innen auch das Recht, die Arbeit zu unterbrechen und sich beim Ministerium für Verwaltungsentwicklung, Arbeit und Soziales zu beschweren, wenn sie sich Sorgen angesichts der hohen Temperaturen machen.

Professor David Wegman, ein Experte für Gesundheit und Sicherheit im Baugewerbe, erklärte gegenüber Amnesty, dass das neue Gesetz zwar eine Verbesserung darstelle, aber „weit hinter dem zurückbleibe, was für den Schutz der Arbeiter notwendig sei.“ Die neuen Vorschriften sehen keine obligatorischen Ruhezeiten vor, stattdessen wird den Arbeitnehmern das Recht zugestanden, bei heißem Wetter das Arbeitspensum „in ihrem eigenen Tempo zu verrichten“. In Anbetracht der extrem ungleichen Machtverhältnisse zwischen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen in Katar ist es laut Expert*innen jedoch unwahrscheinlich, dass sich die Arbeitnehmer*innen ihre Arbeitszeiten selbst einteilen.

Verbesserung des gesetzlichen Schutzes notwendig
Amnesty International fordert Katar auf, in seinen Gesetzen zum Schutz der Arbeiter*innen vor extremer Hitze obligatorische Ruhepausen einzuführen sowie die Untersuchung, Zertifizierung und Entschädigung von Todesfällen unter Arbeitsmigrant*innen zu verbessern.

Für Interviewanfragen und Rückfragen wenden Sie sich bitte an presse@amnesty.at.

Presseteam Amnesty International Österreich
Lerchenfelder Gürtel 43/4/3, 1160 Wien
Mag. Eleonore Rudnay
+43 664 400 10 56
E-Mail: eleonore.rudnay@amnesty.at

PA: Eine Milliarde Kinder sind durch die Auswirkungen der Klimakrise extrem gefährdet

Kinder in der Zentralafrikanischen Republik, im Tschad und in Nigeria gehören zu den durch den Klimawandel am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen, so das Ergebnis des ersten UNICEF- Klima-Risiko-Indexes für Kinder. 

New York/Wien, 20. August 2021 – Junge Menschen in der Zentralafrikanischen Republik, im Tschad, in Nigeria, Guinea und Guinea-Bissau sind am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels bedroht, so ein heute veröffentlichter UNICEF-Bericht. Der Klimawandel gefährdet ihre Gesundheit, ihre Bildung und ihren Schutz und setzt sie tödlichen Krankheiten aus.

„The Climate Crisis Is a Child Rights Crisis: Introducing the Children’s Climate Risk Index“ (Die Klimakrise ist eine Kinderrechtskrise: Einführung des Klima-Risiko-Index für Kinder) ist die erste umfassende Analyse des Klimarisikos aus der Perspektive von Kindern. Er stuft die Länder nach der Gefährdung der Kinder durch Klima- und Umweltschocks wie Wirbelstürme und Hitzewellen sowie nach ihrer Anfälligkeit für diese Schocks ein, basierend auf ihrem Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen.

Der Bericht, der in Zusammenarbeit mit Fridays for Future am dritten Jahrestag der von Jugendlichen angeführten globalen Klimastreik-Bewegung veröffentlicht wurde, zeigt, dass etwa eine Milliarde Kinder – fast die Hälfte der 2,2 Milliarden Kinder auf der Welt – in einem der 33 Länder leben, die als „extrem risikoreich“ eingestuft werden. Diese Kinder sind einer tödlichen Kombination aus einer Vielzahl von Klima- und Umweltschocks und einer hohen Anfälligkeit aufgrund unzureichender grundlegender Dienstleistungen wie Wasser und sanitäre Einrichtungen, Gesundheitsversorgung und Bildung ausgesetzt. Die Ergebnisse spiegeln die Zahl der Kinder wider, die bereits heute betroffen sind – eine Zahle, die sich mit den zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels wahrscheinlich noch erhöhen wird.

„Zum ersten Mal haben wir ein vollständiges Bild davon, wo und wie Kinder durch den Klimawandel gefährdet sind, und dieses Bild ist fast unvorstellbar schrecklich. Klima- und Umweltschocks untergraben das gesamte Spektrum der Kinderrechte, vom Zugang zu sauberer Luft, Nahrung und sicherem Wasser bis hin zu Bildung, Wohnmöglichkeit, Freiheit von Ausbeutung und sogar ihrem Recht zu überleben. Praktisch kein Kinderleben wird davon unberührt bleiben“, sagt Henrietta Fore, UNICEF-Exekutivdirektorin. „Seit drei Jahren erheben Kinder auf der ganzen Welt ihre Stimme, um Maßnahmen zu fordern. UNICEF unterstützt ihre Rufe nach Veränderung mit einer unmissverständlichen Botschaft: Die Klimakrise ist eine Krise der Kinderrechte.“

Der Klima-Risiko-Index für Kinder, Children’s Climate Risk Index (CCRI), zeigt: 

  • 240 Millionen Kinder sind in hohem Maße Überschwemmungen an Küsten ausgesetzt;  
  • 330 Millionen Kinder sind in hohem Maße Überschwemmungen an Flüssen ausgesetzt; 
  • 400 Millionen Kinder sind stark durch Wirbelstürme gefährdet; 
  • 600 Millionen Kinder sind in hohem Maße vektorübertragenen Krankheiten ausgesetzt; 
  • 815 Millionen Kinder sind in hohem Maße der Bleiverschmutzung ausgesetzt; 
  • 820 Millionen Kinder sind in hohem Maße von Hitzewellen betroffen; 
  • 920 Millionen Kinder sind in hohem Maße der Wasserknappheit ausgesetzt; 
  • Eine Milliarde Kinder sind in hohem Maße einer extrem hohen Luftverschmutzung ausgesetzt. 

Während fast jedes Kind auf der Welt durch mindestens eine dieser Klima- und Umweltgefahren bedroht ist, zeigen die Daten, dass die am schlimmsten betroffenen Länder mehrfachen und sich oft überschneidenden Schocks ausgesetzt sind. Diese untergraben den Entwicklungsfortschritt und drohen die Not der Kinder zu verschärfen. „Für zahlreiche Kinder und Jugendliche wird die Klimakrise in benachteiligten Regionen zur Überlebenskrise. Es sind dramatische Zahlen, die uns der Bericht aufzeigt. Und hinter jeder Zahl stehen erschütternde Schicksale. Die Klimakrise wird für unzählige Kinder und Jugendliche in vielen benachteiligten Regionen zu einer Überlebenskrise. Wir sind den nächsten Generationen verpflichtet, einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen“, ergänzt Christoph Jünger, Geschäftsführer von UNICEF Österreich.

Schätzungsweise 850 Millionen Kinder – eines von drei weltweit – leben in Gebieten, in denen mindestens vier dieser Klima- und Umweltschocks zusammentreffen. Nicht weniger als 330 Millionen Kinder – jedes siebente Kind weltweit – leben in Gebieten, die von mindestens fünf großen Schocks betroffen sind.  

Der Bericht zeigt auch eine Diskrepanz zwischen dem Ort, an dem die Treibhausgasemissionen erzeugt werden, und dem Ort, an dem die Kinder am stärksten von den klimabedingten Auswirkungen betroffen sind. Die 33 „extrem gefährdeten“ Länder emittieren zusammen nur 9 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Umgekehrt sind die 10 Länder mit den höchsten CO2-Austößen zusammen für fast 70 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. Nur eines dieser Länder wird in dem Index als „extrem risikoreich“ eingestuft. 

„Der Klimawandel ist zutiefst ungerecht. Obwohl kein Kind für den Anstieg der globalen Temperaturen verantwortlich ist, werden sie den höchsten Preis bezahlen. Die Kinder aus den Ländern, die am wenigsten dafür verantwortlich sind, werden am meisten darunter leiden“, sagt Fore. „Aber es ist noch Zeit zu handeln. Die Verbesserung des Zugangs von Kindern zu grundlegenden Dienstleistungen wie Wasser- und Sanitärversorgung, Gesundheit und Bildung kann ihre Aussichten, diese Klimagefahren zu überleben, erheblich verbessern. UNICEF fordert Regierungen und Unternehmen auf, auf die Kinder zu hören und Maßnahmen zu priorisieren, die sie vor den Auswirkungen des Klimawandels schützen, und gleichzeitig die Arbeiten zur drastischen Reduzierung der Treibhausgasemissionen zu beschleunigen.“ 

Ohne die dringend erforderlichen Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen werden Kinder weiterhin am meisten leiden. Im Vergleich zu Erwachsenen benötigen Kinder pro Einheit ihres Körpergewichts mehr Nahrung und Wasser, sind weniger in der Lage, extreme Wetterereignisse zu überleben, und sind unter anderem anfälliger für giftige Chemikalien, Temperaturschwankungen und Krankheiten. 

„Die Bewegungen junger Klimaaktivisten werden weiter voranschreiten, weiter wachsen und weiter für das kämpfen, was richtig ist, weil wir keine andere Wahl haben“, sagen Farzana Faruk Jhumu (Bangladesch), Eric Njuguna (Kenia), Adriana Calderón (Mexiko) und Greta Thunberg (Schweden) von Fridays for Future, die das Vorwort des Berichts verfasst haben und die Veröffentlichung unterstützen. „Wir müssen erkennen, wo wir stehen, den Klimawandel als die Krise behandeln, die er ist, und mit der erforderlichen Dringlichkeit handeln, um sicherzustellen, dass die Kinder von heute einen lebenswerten Planeten erben.“ 

UNICEF ruft Regierungen, Unternehmen und relevante Akteur*innen dazu auf: 

  1. Mehr Investitionen in Klimaanpassung und Widerstandsfähigkeit bei wichtigen Dienstleistungen für Kinder: Um Kinder, Gemeinden und die Schwächsten vor den schlimmsten Auswirkungen des sich bereits verändernden Klimas zu schützen, müssen wichtige Dienstleistungen angepasst werden, darunter Wasser-, Sanitär- und Hygienesysteme, Gesundheits- und Bildungsdienste.  
  2. Verringerung der Treibhausgasemissionen: Um die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise abzuwenden, sind umfassende und dringende Maßnahmen erforderlich. Die Länder müssen ihre Emissionen bis 2030 um mindestens 45 % (gegenüber dem Stand von 2010) senken, um die Erwärmung auf höchstens 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. 
  3. Kinder müssen über den Klimawandel aufgeklärt werden, damit sie sich an die Auswirkungen des Klimawandels anpassen und darauf vorbereiten können. Kinder und Jugendliche werden die verheerenden Folgen der Klimakrise und der unsicheren Wasserversorgung in vollem Umfang zu spüren bekommen, obwohl sie am wenigsten dafür verantwortlich sind. Wir haben eine Verpflichtung gegenüber allen jungen Menschen und zukünftigen Generationen. 
  4. Junge Menschen in alle nationalen, regionalen und internationalen Klimaverhandlungen und -entscheidungen einbeziehen, auch auf der COP26: Kinder und Jugendliche müssen in alle klimarelevanten Entscheidungsprozesse einbezogen werden.   
  5. Sicherstellen, dass die Erholung von der COVID-19-Pandemie grün, kohlenstoffarm und inklusiv ist, so dass die Fähigkeit künftiger Generationen, die Klimakrise zu bewältigen und darauf zu reagieren, nicht beeinträchtigt wird. 

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    Für Redaktionen 
    Der Children’s Climate Risk Index (CCRI) wurde in Zusammenarbeit mit mehreren Partnern entwickelt, darunter Data for Children Collaborative. 
    Um den Bericht der globalen Jugend zugänglicher zu machen, arbeitete UNICEF auch mit Climate Cardinals, einer internationalen, von Jugendlichen geleiteten gemeinnützigen Organisation, die Forschung und Informationen zum Klimawandel übersetzt, zusammen, damit sie so viele junge Menschen und Führungskräfte wie möglich erreichen können. 

     Den Bericht finden Sie hier in Englisch. 

    Eine Auswahl an Videos und Fotos steht Redaktionen im Rahmen der Berichterstattung zum kostenfreien Download zur Verfügung. 

    Erfahren Sie hier mehr über die Bedrohung von Kinderleben durch den Klimwandel. 

     

Aviso: Pressetermin zum Welttag der Humanitären Hilfe: COVID-19 global bekämpfen

Angesichts zu niedriger weltweiter Impfraten und drohender neuer Virusvarianten treten österreichische NROs für einen raschen Impffortschritt in ärmeren Ländern ein. Anlässlich des Welttages der Humanitären Hilfe (19.08.2021) lädt die AG Globale Verantwortung am 18.08.2021 zum Presse-und Fototermin mit ExpertInnen.

COVID-19 besiegen wir nur weltweit oder gar nicht. Solange nicht ausreichend Menschen überall auf der Welt geimpft sind, besteht das Risiko, dass neue Virusvarianten den Impfschutz unterlaufen. 85 % der Weltbevölkerung lebt in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, doch von ihnen ist nur ein Bruchteil vollständig gegen COVID-19 immunisiert. In Europa wird hingegen bald die Hälfte aller EinwohnerInnen einen vollen Impfschutz haben. Dieses eklatante Ungleichverhältnis ist gesundheitlich sowie wirtschaftlich fahrlässig und kann darüber hinaus zu neuen Ausbrüchen und Lockdowns führen – auch in Europa und Österreich.

Diese Ansteckungsspirale gehört gestoppt. Daher gilt es, den Blick auf ärmere Länder zu richten: Wie verlaufen ihre Impfprogramme? Warum sind die Impfraten in diesen Ländern, in denen 85 % der Weltbevölkerung leben, niedrig? Welche Unterstützung brauchen sie, um COVID-19 erfolgreich zu bekämpfen? Wie engagieren sich österreichische Nichtregierungsorganisationen (NROs) vor Ort?

Anlässlich des Welttages der Humanitären Hilfe (19.08.2021) lädt die AG Globale Verantwortung am 18.08.2021 um 10 Uhr MedienvertreterInnen zu einem Presse- und Fototermin vor dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten ein.
ExpertInnen kommentieren den weltweiten Impffortschritt und geben Antworten auf die oben genannten Fragen. Sie beschreiben, wie humanitäre Organisationen zu einer besseren Gesundheitsversorgung sowie Impfsituation in ärmeren Ländern beitragen und appellieren an die Bundesregierung, ihre internationale COVID-19-Hilfe, insbesondere für Impfprogramme, auszubauen.

Kurzstatements von:
Andrea Barschdorf-Hager, Geschäftsführerin von CARE Österreich
Sebastian Corti, Geschäftsführer von World Vision Österreich
Susanne Drapalik, Präsidentin des Arbeiter-Samariter-Bundes Wiens
Andreas Knapp, Generalsekretär Internationale Programme der Caritas Österreich
Michael Opriesnig, Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes
Rupert Roniger, Geschäftsführer von Licht für die Welt International
Annelies Vilim, Geschäftsführerin der AG Globale Verantwortung

Im Anschluss an die Aktion stehen die ExpertInnen für Fragen und Interviews zur Verfügung.

Details:
Datum: 18.08.2021
Uhrzeit: 10:00 – 11:00 Uhr
Voranmeldung: presse@globaleverantwortung.at
Veranstaltungsort: Minoritenplatz, 1010 Wien

Rückfragehinweis:
Hannah Hauptmann
Globale Verantwortung – Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
Apollogasse 4/9, 1070 Wien
Tel: 01/522 44 22-15
Mobil: +43 699/17 20 42 07

PA: Gesundheit als Basis für Entwicklung

Gesundheit ist eine Grundvoraussetzung für nachhaltige Entwicklung. Umgekehrt ist nachhaltige Entwicklung unverzichtbar für ein gesundes Leben. Denn Armut ist einer der gravierendsten Krankheitstreiber. Was es braucht, um diesem Teufelskreis zu entkommen, und wie Österreich dabei seine Partnerländer unterstützt, zeigt die aktuelle Ausgabe der Weltnachrichten, des Magazins der Austrian Development Agency (ADA).

Wien, 21. Juni 2021 – Armut führt zu Hunger, Unter- oder Mangelernährung und ist damit eine der häufigsten Krankheitsursachen. Faktoren wie Arbeitslosigkeit, mangelnde Schulbildung oder fehlende Möglichkeiten zur Familienplanung wirken sich zusätzlich negativ auf die Gesundheit aus.
 
Gesundheit ist das Recht jedes Menschen, sie ist aber auch unerlässlich für die Entwicklung von Gesellschaften. Das verdeutlichen die 17 Globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs), von denen sich mehr als ein Dutzend auf Gesundheit beziehen. SDG 3 zielt explizit auf Gesundheit und Wohlergehen für alle ab.
 
Ungleich verteilt
Wie benachteiligt viele Regionen der Welt noch immer sind, zeigen folgende Zahlen der Weltbank: Lag die durchschnittliche Lebenserwartung in Österreich 2018 bei 82 Jahren, so betrug sie etwa in Uganda nur 63 und in Burkina Faso 61 Jahre. Auch bei der Säuglingssterblichkeit gibt es große Unterschiede. Während in Österreich 2019 drei Säuglinge pro 1.000 Geburten nicht überlebten, waren es in Mosambik 55 und in Bhutan 24. Bei der Versorgung mit Spitalsbetten gibt es ebenfalls eine große Kluft. In Österreich stehen für 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner 7,3 Spitalsbetten zur Verfügung (2018), in Äthiopien etwa nur 0,3 (2016).
 
Außerdem mangelt es Ländern des Globalen Südens an Geld und qualifiziertem Personal für ein funktionierendes Gesundheitssystem. Allein in Afrika fehlen rund 3 Millionen Gesundheitsfachkräfte. Hinzu kommt vielerorts die überalternde Bevölkerung, auf die die Gesundheits- und Sozialsysteme meist nicht ausgerichtet sind.
 
Schlüssel zum Erfolg
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Umsetzung der SDGs. Damit Ziel 3 „Gesundheit und Wohlergehen für alle“ erreicht wird, braucht es eine integrierte Entwicklung, die die Wechselwirkung zwischen Gesundheit und sozialen, ökonomischen und ökologischen Faktoren wie Einkommen, Bildung, Transport, Handel, Landwirtschaft oder Umwelt und Klima berücksichtigt.
 
Die Schwächsten unterstützen
Die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit setzt dort an, wo sie über langjährige Expertise verfügt. Im Flüchtlingscamp Imvepi im Norden Ugandas etwa unterstützt sie das Rote Kreuz dabei, die hygienische Situation zu verbessern. Denn verschmutztes Wasser, mangelnde oder unsichere Toiletten sowie unhygienische Verhältnisse sind eine Brutstätte für Krankheiten. In den Schulen und am Markt des Camps gibt es nun Latrinen anstatt „fliegender Toiletten“ – so wurden die Plastiktüten genannt, in denen davor oft die Notdurft entsorgt werden musste. Ein Zentrum für Abfallmanagement ist am Entstehen.
 
Bereits seit 2011 beteiligt sich die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit an einem Programm der Vereinten Nationen, das sich für die medizinische Grundversorgung palästinensischer Flüchtlinge einsetzt. Bisher hat sie dazu 12,6 Millionen Euro beigetragen. Damit konnten 2,7 Millionen Menschen erreicht werden.
 
In Nepal arbeitet Österreich gemeinsam mit der zivilgesellschaftlichen Organisation PHASE daran, dass Schwangere, stillende Mütter und Kinder in ländlichen Gemeinden besser versorgt und ernährt sind. Denn ausreichende und ausgewogene Ernährung gilt als Grundvoraussetzung für ein gesundes Leben.
 
Außerdem in den Weltnachrichten 2/2021 zu lesen:

  • Zwischen Terror und Virus: Burkina Faso im Würgegriff zweier Gefahren
  • Vernachlässigte Tropenkrankheiten: Problem der Armen. Ein Interview mit Mwelecele Ntuli Malecela, Leiterin der Abteilung für die Kontrolle vernachlässigter Tropenkrankheiten der Weltgesundheitsorganisation
  • Damit das Lächeln zurückkehrt: In der kenianischen Region Kisumu steht es nicht gut um reproduktive Gesundheit und Frauenrechte. Durch Aufklärung, Verhütungsangebote und Rechtshilfe soll sich das ändern.

Die Weltnachrichten berichten vierteljährlich über entwicklungspolitische Themen. Herausgeber ist die Austrian Development Agency. Alle Beiträge, Reportagen, Interviews und Geschichten sind auch online nachzulesen. Die Weltnachrichten sind kostenlos. Bestellungen unter oeza.info@ada.gv.at.
 
Austrian Development Agency
Die Austrian Development Agency, die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, unterstützt Länder in Afrika, Asien, Südost- und Osteuropa bei ihrer nachhaltigen Entwicklung. Gemeinsam mit öffentlichen Einrichtungen, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen setzt die ADA derzeit Projekte und Programme mit einem Gesamtvolumen von über 550 Millionen Euro um.

Rückfragehinweis:
Austrian Development Agency (ADA),
die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit
Mag. Georg Keri
Tel.: +43 1 90399-2402
georg.keri@ada.gv.at
www.entwicklung.at