Unter dem Motto „Change! Alles muss anders werden. Die SDGs verändern die Welt“ diskutieren am 19. Mai (18.30 Uhr) in Wien ExpertInnen zur Umsetzung der SDGs, der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen.
Im September 2015 wurden von den UNO-Mitgliedstaaten die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) beschlossen. Die 17 Ziele sind ambitioniert – u.a. sollen Hunger und absolute Armut bis 2030 Geschichte sein. Das Neue an ihnen ist, dass sie für alle Staaten der Welt gelten und soziale, ökologische und ökonomische Aspekte verbinden.
Damit die Ziele umgesetzt werden können, muss es auf vielen Ebenen zu einem Umdenken kommen. Wird dieser Paradigmenwechsel gelingen? Wie müssen sich Politik und Wirtschaft ändern, damit die Ziele eine Chance auf Umsetzung haben? Wie muss eine entsprechende europäische Wirtschafts-, Entwicklungs- und Außenpolitik aussehen, die zur Umsetzung beiträgt? Wie werden die Ziele für nachhaltige Entwicklung diese Politiken ändern?
Darüber diskutieren am 19. Mai (18.30 Uhr):
Dr. Hannes Swoboda
Europapolitik-Experte und ehem. EU-Abgeordneter
Dr.in Andrea Barschdorf-Hager
Geschäftsführerin CARE Österreich
Univ.-Prof. MMag. Dr. Gottfried Haber
Prof. für Wirtschaftspolitik an der Donau-Universität Krems, Mitglied des Entwicklungspolitischen Beirats
Moderation: Dr. Werner Raza (Leiter der ÖFSE)
„Reitersaal“ der Österreichischen Kontrollbank, Strauchgasse 3, 1010 Wien.
Eine Veranstaltung der AG Globale Verantwortung, in Kooperation mit der Österreichischen Entwicklungsbank. Die Veranstaltung wird durch die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit gefördert.
Tag der Pressefreiheit am 3. Mai: Unabhängige Medien kämpfen mit Rückgang ihrer Freiräume. Größter Aufsteiger: Tunesien
Journalisten und unabhängige Medien stehen weltweit unter zunehmendem Druck. Zu diesem Fazit kommt die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG). „In allen Weltregionen ist im vergangenen Jahr ein Rückgang ihrer Freiräume zu beobachten gewesen“, so ROG in einer Aussendung. Im April veröffentlichte die NGO die „Rangliste der Pressefreiheit 2016“. Demnach tragen autokratische Tendenzen in Ländern wie Ägypten, Russland oder der Türkei ebenso zu einem negativen Trend bei wie die bewaffneten Konflikte etwa in Libyen, Burundi und dem Jemen.
Negativ wirken sich laut ROG auch die Bestrebungen der Regierungen in Ländern wie Polen und Ungarn aus, staatliche und private Medien unter ihren Zugriff zu bringen.
„Viele Staatschefs fühlen sich von legitimer Kritik durch unabhängige Journalisten provoziert und reagieren mit voller Härte“, so ROG-Österreich Präsidentin Rubina Möhring. „Dabei sind lebendige, debattierfreudige Medien gerade dort nötig, wo die Probleme am größten sind und sich Gesellschaften über den besten Weg in die Zukunft verständigen müssen“, so Möhring, dieunlängst auch an einer Veranstaltung der ISJE teilnahm.
Ab- & Aufsteiger: Größte Absteiger in der Rangliste 2016 sind TADSCHIKISTAN (Platz 150, -34) und BRUNEI (155, -34). POLEN stürzte um 29 Plätze auf Rang 47 ab. ROG: „Eine Folge der zielgerichteten Bestrebungen der neuen Regierung, die Eigenständigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien einzuschränken und private Medien zu ‚repolonisieren‘.“
Größter Aufsteiger ist TUNESIEN (96, +30), das laut ROG „ungeachtet aller weiterhin bestehenden Defizite die Früchte der Medienreformen seit dem Umbruch von 2011 zu ernten beginnt“. Die UKRAINE (107) wird im Ranking „dank deutlich zurückgegangener Gewalt gegen Journalisten und überfälliger Reformen 22 Plätze höher platziert, leidet aber weiterhin unter Problemen wie der übermächtigen Rolle der Oligarchen für die Medienlandschaft und dem Informationskrieg mit Russland“.
Österreich fällt im Ranking hinter Jamaika zurück und belegt 2016 den Platz 11. „Grund hierfür ist die zeitweilige Informationssperre in Traiskirchen, die mangelnde öffentliche Transparenz durch das nach wie vor gültige Amtsgeheimnis sowie die auffallend große Menge an Regierungsinseraten in speziellen Medien“, so Möhring.
Refugees & Medien: ISJE-Kooperationspartner FJUM führt gemeinsam mit der Stadt Wien und unterstützt von der Volkshilfe ein journalistisch-ethnografisches Projekt durch
Rückblick: Das waren die bisherigen #MEtalks der ISJE zum Thema Medien & Entwicklung mit internationalen JournalistInnen
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe #MEtalks kamen bisher fünf spannende Gesprächsabende zustande – und internationale JournalistInnen nach Wien. Eine Zwischenbilanz
Am 11. April 2016 waren es zwei syrische Journalisten, die nach Österreich gekommen sind. Saleh al-Omar und Jehad Nour Eddin Hussari berichteten aus ihrem Leben in Syrien, über den Medienalltag in einem krisengeschüttelten Land, und über ihre Flucht nach Österreich.
„Journalisten auf der Flucht“ war bereits der fünfte Gesprächsabend im Rahmen der Reihe #MEtalks, Medien & Entwicklung.
JournalistInnen aus ganz unterschiedlichen Regionen der Welt konnten schon am Institut für Journalismus & Medienmanagement begrüßt werden: Ali Safi berichtete darüber wie es ist, aus dem Konfliktherd Afghanistan zu berichten. Rosebell Kagumire, Bloggerin und Multimedia-Journalistin aus Uganda, diskutierte mit den Studierenden und den anderen Interessierten u.a. über den Nutzen des Web 2.0 für politische AktivistInnen.
Der aserbaidschanische Blogger, Journalist und Regimekritiker Emin Milli konnte viel zu den Themen Pressefreiheit in Aserbaidschan und Journalismus aus dem Exil berichten. Bei Juri Durkot, ukrainischer Journalist, Übersetzer und Essayist, ging es nicht zuletzt um Propaganda sowie Aufgaben von Journalismus im Kriegsfall.
Spannend war dabei, dass das Publikum mit Menschen direkt aus den betroffenen Ländern und Regionen zu tun hatte. Die Studierenden zeigten immer wieder, wie interessiert sie an den Themen waren. Neben politischen Entwicklungen konnten die #MEtalks persönliche Lebenswelten begreifbar machen und Perspektiven aufzeigen.
Einen großen Teil trugen dazu auch die Moderatorinnen bei. Durch #MEtalks leiteten bisher die JournalistInnen Sibylle Hamann, Jutta Sommerbauer und Rubina Möhring (wegen eines kurzfristigen Ausfalles mussten ein Mal FH-Leiter Nikolaus Koller und ISJE-Koordinator Richard Solder gemeinsam einspringen).
Nachberichte zu den bisherigen #MEtalks finden Sie hier
Die Veranstaltungsreihe findet in Kooperation mit der Informationsstelle für Journalismus und Entwicklungspolitik und dem FJUM- Forum Journalismus & Medien statt.
Die Veranstaltungsreihe #MEtalks hatte schon die unterschiedlichsten Medienmenschen aus aller Welt zu Gast (im Bild: die ugandische Journalistin und Bloggerin Rosebell Kagumire mit Sybille Hamann). Im April wird es um Syrien gehen. Foto: Institut für Journalismus & Medienmanagement/FHWien
Am 11.4. findet die nächste Runde der Gesprächsreihe #MEtalks statt, dieses Mal mit in Österreich lebenden syrischen Journalisten.
Der Bürgerkrieg in Syrien zwischen dem Assad-Regime und Rebellen-Gruppen dauert seit mittlerweile fünf Jahren an und hat ein katastrophales Ausmaß an Gewalt und Zerstörung erreicht. Hunderttausende haben in den vergangenen Jahren das Land verlassen und leben in Jordanien, der Türkei oder in EU-Ländern. Unter den Geflüchteten sind auch Journalisten wie Saleh al-Omar und Jehad Nour Eddin Hussari. Vor ihrer Flucht aus Syrien arbeiteten die beiden Männer in Aleppo und Damaskus in Medienunternehmen. Doch wie funktioniert heute Journalismus in einem weitgehend zerstörten Land wie Syrien? Welche Medien werden noch produziert – und gibt es überhaupt noch so etwas wie unabhängigen Journalismus im Land? Im Gespräch mit der österreichischen Journalistin Rubina Möhring erzählen Saleh al-Omar und Jehad Nour Eddin Hussari von den Möglichkeiten und Grenzen des Journalismus in ihrer Heimat und von den Herausforderungen, mit denen sie seit der Flucht nach Österreich konfrontiert sind.
„Journalisten auf der Flucht“ ist eine Veranstaltung der Reihe „Medien & Entwicklung“ in Kooperation mit der ISJE-Informationsstelle für Journalismus und Entwicklungspolitik, der FHWien der WKW und dem fjum_forum journalismus und medien wien.
Kaum beachtet, aber ein Riesengeschäft: Mit geraubten Antiken werden Milliarden gemacht.
Aktuell kommen sie oft aus Syrien (Stichwort Palmyra), dem Irak oder Ägypten: Antike Objekte werden oft geraubt und aus den Herkunftsländer geschmuggelt. Vieles landet in Europa, nicht zuletzt in Wien. Der Handel mit Statuen, Mosaiken etc. ist ein „big business“.
Wie aktuelle Berichte zeigen, wird der Umsatz auf sechs bis acht Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.
Den ErmittlerInnen sind oft die Hände gebunden: Wenn die Polizei Objekte in die Hände bekommt ist es laut Bundeskriminalamt meist nicht möglich, nachzuweisen, dass sie geraubt und geschmuggelt wurden.
Aber es tut sich was, auch in Österreich: ArchäologInnen, JuristInnen und KulturfahnderInnen vernetzen sich, um besser aktiv werden zu können. Und: Es wurde ein neues Gesetz, das Kulturgüterrückgabegesetz, auf den Weg gebracht, das Abhilfe schaffen soll.
Nur: Das Gesetz wird von vielen ExpertInnen heftig kritisiert. Beispiel Aufzeichnungen: Nachweise von Erwerbungen müssen demnach nur sieben Jahre lang aufbewahrt werden. HändlerInnen illegaler Ware könnten ganz einfach darauf verweisen, dass der Erwerb länger als sieben Jahre zurückliegt, befürchtet etwa das Bundeskriminalamt (BK). Das BK hatte gefordert, dass diese Aufbewahrungsfrist zumindest auf 30 Jahre ausgeweitet wird. Ist das neue Gesetz also eine vertane Chance?
Projekt „Nosso Jogo“ startet mit Dialogform durch –
Themen Menschenrechte & Nachhaltigkeit.
2016 ist ein Jahr der Sport-Großereignisse. Sowohl die Fußball-Europameisterschaft der Herren in Frankreich (10. Juni-10. Juli) als auch die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro (5.-21. August) rücken näher.
Nicht nur die Sicherheitsfrage nach den Anschlägen von Paris im November 2015 wird die Organisatoren und die Öffentlichkeit beschäftigen: Vergangene Großereignisse wie die Winterspiele in Sotschi und die Fußball-Weltmeisterschaft der Herren in Brasilien (beides fand 2014 statt) zeigten, dass Aspekte wie Menschenrechte oder auch Nachhaltigkeit rund um die Events hinterfragt werden müssen.
Am 10. März findet im Haus des Sports (1040 Wien, 10:30-17:00 Uhr) ein Dialogforum im Rahmen des Projektes Nosso Jogo statt, das unter der Schirmherrschaft des Sportministeriums steht und gemeinsam mit den NGOs fairplay/VIDC, Südwind und der Dreikönigsaktion, der Bundessportorganisation sowie dem ÖFB veranstaltet wird.
Wie nachhaltig sind Mega-Sport-Events? Was tut (Olympische Spiele) und tat (FIFA-WM) sich in Brasilien? Welche Verantwortung haben dabei die Verbände und Vereine? Solche und andere Fragen sollen beantwortet werden.
Anwesend sein werden VertreterInnen der Politik und von NGOs, Sportfunktionäre sowie internationale Gäste.
Das Dialogforum kann als Startschuss in das Sportjahr 2016 gesehen werden. Das Projekt Nosso Jogo wird in den kommenden Monaten sehr aktiv sein.
Die ISJE wird JournalistInnen wie 2016 wie vor zwei Jahren im Jahr der WM besonders in Hinblick auf Informationen und Kontakte zu Rio bzw. Brasilien zur Verfügung stehen. Rückfragen unter office@isje.at
Saudi-Arabien gibt laut US-Report jährlich rund 7 Millionen von Dollar aus, um sein Image im Westen aufzupolieren.
Berichten westliche Medien zu Gunsten von Saudi-Arabien? PR-Firmen in den USA setzen jedenfalls alles daran. Artikel in der New York Times zur Hinrichtung des Scheiches Nimr Baker al-Nimr vom 4. Jänner 2016
Saud-Arabien gerät immer wieder international in die Kritik. Etwa wegen der Inhaftierung und Folter des Bloggers Raif Badawi.
Anfang des Jahres machte die Meldung Schlagzeilen, dass das saudische Königshaus 47 Häftlinge auf einem Schlag exekutieren ließ. Unter anderem wurde dabei der prominente schiitische geistliche Scheich Nimr Baker al-Nimr hingerichtet, was zu einem Aufschrei weltweit führte, vor allem vieler Schiiten.
Der US-Finanzreporter Eli Clifton trug in einem Beitrag für den Blog LobeLog Daten zusammen. Demnach investiert Saudi-Arabien 6,8 Mio. Dollar im Jahr in PR-Firmen in den USA, um in der Öffentlichkeit möglichst positiv dazustehen.
Beispiel Nimr. Laut Clifton machte die PR-Maschine des saudischen Königshauses „alles was es kann, um die Exekution … irgendwie nach einem Fehler anderer zu machen und nur nicht von Saudi-Arabien“.
Wie schaut das konkret aus? Clifton verweist auf einen Artikel in der New York Times, in dem der saudische Kommentator Salman al-Ansari zu Wort kommt. Al-Ansari beschuldigte laut NYT Scheich Nimr „ein ‚Terror-Netzwerk in schiitischen Regionen im Osten Saudi-Arabiens zu organisieren“. Im Artikel erwähnt wird, dass Al-Ansari durch die PR-Firma The Podesta Group unterstützt wird, die wiederum Auftragnehmer der saudischen Regierung ist.
Öffentlich zugängliche Dokumente des US-Justizministerium zeigen, dass die Podesta Gruppe etwa im Zeitraum August bis September für “Public Relations Services” 200.000 Dollar vom „Center for Studies and Media Affairs at the Saudi Royal Court” bekommen hat.
Laufende Aufträge. Der größte Auftragnehmer, den Clifton in seinen Recherchen gefunden hat, ist die Qorvis/MSLGroup. Sie hat 240.000 Dollar monatlich erhalten. Die Dienste: Pressenotizen, Newsletter, Factsheets sowie Reden, die Saudi-Arabien und sein Commitment im Anti-Terror-Kampf und bezüglich Frieden im Nahen Osten anpreist.
Geht man davon aus, dass die Aufträge dauerhaft sind, wovon Clifton überzeugt ist, gibt Saudi-Arabien ingesamt 565.000 Dollar pro Monat für PR & Lobbying in Washington aus, rund 6,8 Mio. Dollar im Jahr. red
Durchschnittlich erscheinen deutlich mehr Artikel, wenn ein Terroranschlag im Westen passiert.
International gesehen berichteten Medien 2015 häufiger über Terroranschläge, die im „Westen“ (Nordamerika, Westeuropa, Australien und Ostasien) geschehen sind als über jene, die in einer anderen Region durchgeführt wurden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des US-Forschers Sean Darling-Hammond, die der Autor Mitte Jänner auf der Webseite The Nation präsentiert. Zudem kann er mit der Untersuchung bestätigen, dass westliche Medien die „eigenen“ Opfer stärker in den Fokus rücken als Opfer eines anderen Landes.
Hammond sammelte Daten rund um die 334 Terroranschläge, die im vergangenen Jahr gezählt wurden. Die meisten davon betrafen nicht-westliche Staaten. Von 26 Terroranschlägen, bei denen 50 oder mehr Menschen ums Leben kamen, war nur ein Anschlag im Westen dabei – die November-Attentate in Paris.
Durchschnittlich wurden westliche Länder 2015 von 2,6 Anschlägen getroffen, die durchschnittlich 31 Tote brachten. Das durchschnittliche nicht-westliche Land sah sich mit 10 Anschlägen und 223 Toten konfrontiert.
Wurde diesen Fakten in der Medien-Berichterstattung Rechnung getragen? Laut der Studie von Hammond ist die Antwort ganz klar nein. Über Anschläge in nicht-westlichen Staaten wird sechsmal weniger berichtet als über Anschläge im Westen. Durchschnittlich wurden pro Anschlag in nicht-westlichen Staaten 1.305 Artikel veröffentlicht, in westlichen Staaten 7,788:
Das Fallbeispiel des 13. November 2015 veranschaulicht die ungleiche Berichterstattung noch weiter. Bekanntlich fanden am Tag der Anschläge in Paris auch Terrorattacken in Bagdad (Irak) und Beirut (Libanon) statt. Während Hammond in seiner Studie 21.672 Artikel über Paris fand, waren es knapp unter 1.300 und unter 400 im Fall von Bagdad:
Auch die Art der Berichterstattung macht laut Hammond einen Unterschied: Seinen Untersuchungen nach fokussieren sich Artikel über Anschläge in nicht-westlichen Staaten stark auf die Täter und kaum auf die Opfer. Was bei Ereignissen wie etwa jenen in Paris nicht so ist.
Hammond erkennt einen „abgeklärten Stil“ in der Berichterstattung über Ereignisse in nicht-westlichen Staaten. Wenn Menschen aus dem Westen umkamen, fand er „mehr Herz“ in der Berichterstattung darüber als in den Berichten ohne Opfer aus dem Westen.
Hammond sieht die Medien in der Verantwortung. Zu lang habe man Ausreden verwendet. Eine ausgewogenere Berichterstattung über Terror in nicht-westlichen Staaten sei notwendig.
Plädoyer für eine differenziertere und tiefgehende Berichterstattung anlässlich der Schlagzeilen über den Brüsseler Stadtteil Molenbeek. Kommentar von Christine Moderbacher*.
Ich musste in den vergangenen Wochen an Albrecht Dürer und sein „Rhinocerus“ aus dem Jahr 1515 denken, einer seiner bekanntesten Holzschnitte. Das Werk stellt ein aus Indien stammendes Panzernashorn dar. Dabei hatte Dürer selbst nie ein Nashorn gesehen, die Darstellung basiert auf Beschreibungen und Skizzen anderer. Das sieht man am Resultat.
So ähnlich war der Zugang vieler internationaler Medien, wenn es um Molenbeek ging. Also jenes Viertel in der belgischen Hauptstadt Brüssel, in der vermeintliche Drahtzieher der Attentate von Paris gewohnt haben sollen und in dem Fahndungen nach Terroristen durchgeführt wurden.
Vom „Rückzugsgebiet für Dschihadisten“, von der „Brutstätte des IS“ und dem „Schmelztiegel des Terrors“ ist hier die Rede. Molenbeek, „wo der Terror gedeiht“.
Die Berichterstattung kreiert ein Stigma, das noch lange an den BewohnerInnen des Viertels haften wird. Das wird die Zukunft der ohnehin schon in vielerlei Hinsicht marginalisierten Bevölkerung in Brüssel, und darüber hinaus, erschweren.
Für die Quote. Es handelt sich um mediale Panikmache. JournalistInnen leben ja mitunter von diesem Angstzustand. Ich muss zugeben, wir AnthropologInnen auch. Das Interesse an meinem Forschungsgebiet (ich forsche in Molenbeek) hat sich seit den Terroranschlägen in Paris im November um einiges vervielfacht. Nur: Innerhalb der Wissenschaft wird von „Last der Repräsentation“ gesprochen, wenn in der Öffentlichkeit nur auf einzelne Personen einer marginalisierten Gruppe fokussiert wird und diese dadurch fälschlicherweise einen repräsentativen Charakter für die gesamte Gruppe einnehmen. In vielen Medien werden aktuell solche Repräsentationen als absolute Wahrheit verkauft.
Mein Molenbeek. Ich habe ein Lieblingslokal in Molenbeek, das „Al Andalus“, wo ich jedes Mal herzlich begrüßt werde und Hedi, der Wirt, schon ahnt, was ich bestellen werde. Hier treffe ich auch immer wieder Yassin und Hakim, beide Anfang 20, beide aus Molenbeek. Stimmen wie die von Yassin, Hakim und Hedi kommen selten zu Wort. Ein Missverhältnis, das nur schwer zu durchbrechen ist, wenn, wie Wirt Hedi sagt, „die internationalen Medien nur einen kurzen Abstecher nach Molenbeek machen“. JournalistInnen müssten etwas genauer hinschauen, oder etwas länger bleiben.
Ein konkretes Beispiel eines Missverständnisses: Molenbeek ist nur auf den ersten Blick wie ein Pariser Banlieu. Eine Parallele, die in den vergangenen Wochen in Medien oft gezogen wurde. Molenbeek aber ist kein Armutsgürtel am Rande der Stadt, sondern spiegelt seine eigenen demographischen und stadtentwicklerischen Besonderheit wider.
Einst Dorf. Molenbeek ist mittendrin und doch isoliert. Molenbeek Saint Jean, oder Sint-Jans-Molenbeek, der flämische Name, war einst ein Dorf am Stadtrand von Brüssel. Dann kam die Industrialisierung: Straßennamen wie Rue du Manchester und Rue du Birmingham erinnern wie die mittlerweile schon lange wieder aufgelassenen Fabrikgebäude noch an diese Zeit.
Als Folge des rasanten Wirtschaftsaufschwungs und dem damit verbundenen sozialen Aufstieg zog es die belgische Mittelklasse in den 50iger und 60iger Jahren an den Stadtrand. Als „Gastarbeiter“ geholte Türken und Marokkaner siedelten sich in Molenbeek an, und bewahrten damit die Innenstadt vor dem Verfall. Kettenmigration und Familiennachzug prägten die weitere Entwicklung und führten zum hohen Anteil der jeweiligen MigrantInnen.
Leistbar. Von der Brüsseler Innenstadt ist Molenbeek räumlich nur getrennt durch einen Kanal. Der Bau des EU-Viertels allerdings verschärfte diese Trennung: Durch die steigenden Mietpreise, nicht zuletzt gefördert durch den Zuzug hochbezahlter BeamtInnen und DiplomatInnen, sind bis heute für MigrantInnen nur Wohnungen in Bezirken wie Molenbeek leistbar.
Diese Segregation fördert das Gefühl unter den Menschen im Stadtteil, weder Raum noch Zukunft außerhalb der heruntergekommenen Straßen des eigenen Viertels zu haben. Was der Wissenschaft übrigens seit Jahren bekannt ist. Reagiert wurde auf Forschungsergebnisse seitens der Politik nie. Seit Paris ist das Problem der Perspektivlosigkeit, vor allem vieler junger Menschen in Molenbeek, unübersehbar geworden.
Darüber zu berichten ist wichtig. Die Frage ist nur wie: Reicht es, von der Distanz aus zu recherchieren oder sollte man sich nicht ein eigenes Bild machen?
* Die Anthropologin und Filmemacherin Christine Moderbacher ist Teil des Forschungsprojekts „KFI-Knowing from the Inside“ an der Universität von Aberdeen. Sie lebt und arbeitet seit sechs Jahren in Brüssel.